Urteil des SozG Chemnitz vom 21.09.2004

SozG Chemnitz: ddr, gesellschaft mit beschränkter haftung, konstitutive wirkung, zugehörigkeit, aktiengesellschaft, anwartschaft, verordnung, industrie, handelsregister, gleichstellung

Sozialgericht Chemnitz
Urteil vom 21.09.2004 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Chemnitz S 16 RA 385/04
I. Die Klage wird abgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem Nr. 1
der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, Beschäftigungszeiten
des Klägers als Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesem
Zeitraum tatsächlich erzielten Entgelte festzustellen.
Der im Jahre 1954 geborene Kläger erwarb am 27.07.1978 an der Ingenieurschule für Maschinenbau L den Abschluß
eines Ingenieurs der Fachrichtung Technologie der metallverarbeitenden Industrie.
Anschließend arbeitete er vom 01.09.1978 bis über den 30.06.1990 hinaus als Beauftragter für Technologie,
Fachtechnologe und zuletzt Gruppenleiter Grundfondswirtschaft im Kraftfahrzeug- und
Rationalisierungsmittelbaubetrieb K ... (KRB) der SDAG "Wismut".
Von der DDR hat der Kläger keine Versorgungszusage bzw. Bewilligung eines Rechts auf Versorgungsrente erhalten.
Den Antrag des Klägers vom 11.02.2002 auf Feststellung der Beschäftigungszeit vom 01.09.1978 bis 30.06.1990 als
Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18.12.2003 ab.
Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger am 29.12.2003 Widerspruch.
Mit Widerspruchsbescheid vom 07.04.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Zur Begründung führte sie aus, der Kläger sei in dem von ihm geltend gemachten Zeitraum weder in ein
Versorgungssystem einbezogen gewesen, noch habe er einen Anspruch auf eine Versorgungszusage gehabt. Im Juni
1990 habe der Kläger als Ingenieur zwar eine seiner Qualifikation entsprechende Beschäftigung ausgeübt. Bei seinem
Beschäftigungsbetrieb habe es sich jedoch weder um einen volkseigenen Produktionsbetrieb, noch um einen im Sinne
von § 1 Abs. 2 der 2. Durchführungsbestimmung vom 24.05.1951 einem volkseigenen Produktionsbetrieb
gleichgestellten Betrieb gehandelt.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 19.04.2004 das Sozialgericht Chemnitz angerufen.
Zur Begründung hat er angeführt, daß er seiner Ansicht nach die Voraussetzungen für eine Einbeziehung in das
System der Altersversorgung der technischen Intelligenz erfülle. Bei der SDAG "Wismut" habe es sich um einen
volkseigenen Produktionsbetrieb gehandelt. Dieser habe lediglich sowohl in deutschem, als auch in sowjetischem
Besitz gestanden. Aus der Bezeichnung "Aktiengesellschaft" könne jedoch nicht entnommen werden, daß es sich bei
dem Unternehmen um einen Privatbetrieb bundesdeutscher Prägung gehandelt habe. Dies ergebe sich auch daraus,
daß die SDAG "Wismut" im Register der volkseigenen Wirtschaft eingetragen gewesen sei. Hilfsweise könne die
SDAG "Wismut" im übrigen auch als gleichgestellter Betrieb im Sinne der 2. Durchführungsbestimmung zur
Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz angesehen werden. Die SDAG
"Wismut" habe Uranerz gefördert, welches u.a. in Atomkraftwerken zur Stromerzeugung genutzt worden sei. Folglich
habe es sich bei der SDAG "Wismut" um einen "Versorgungsbetrieb" im Bereich der Energieversorgung gehandelt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 18.12.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
07.04.2004 die Beklagte zu verurteilen, die Beschäftigungszeit des Klägers vom 01.09.1978 bis 30.06.1990 als Zeit
der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG sowie die in diesem Zeitraum
tatsächlich erzielten Entgelte festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich inhaltlich auf die Begründung des Widerspruchsbescheides.
Das Gericht hat die Akte der Beklagten beigezogen. Diese sowie die in der Klageakte enthaltenen Schriftsätze der
Beteiligten waren Grundlage der Entscheidung. Hierauf und auf den übrigen Akteninhalt wird zur Ergänzung des
Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Denn die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2
Sozialgerichtsgesetz (SGG) in seinen Rechten.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der geltend gemachten Beschäftigungszeiten und dazugehörigen
Entgelte als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem durch die Beklagte.
Zur Begründung wird auf die Begründung des Bescheides der Beklagten vom 18.12.2003 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 07.04.2004 verwiesen, der das Gericht mit den nachstehenden Maßgaben folgt und auf
die es sich nach § 136 Abs. 3 SGG daher zur Vermeidung von Wiederholungen ausdrücklich bezieht.
Hierzu sei zur nochmaligen Verdeutlichung ausgeführt:
Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt das AAÜG für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu
Zusatz- und Sonderversorgungssystemen im "Beitrittsgebiet" (der DDR) erworben worden sind. Ist ein solcher
Tatbestand gegeben, hat der zuständige Versorgungsträger (§ 8 Abs. 4 AAÜG) - hier die Beklagte - dem
Rentenversicherungsträger die für die Berechnung der Rentenhöhe (genauer: die Ermittlung der sich aus diesen
Beschäftigungszeiten ergebenden Entgeltpunkte, § 259 b Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI) erforderlichen
Daten mitzuteilen (§ 8 Abs. 2 AAÜG) und dem Versicherten gegenüber einen entsprechenden Bescheid zu erlassen (§
8 Abs. 3 AAÜG).
Nach der ständigen und mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des 4. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) setzt
die Anerkennung von Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem, die gemäß § 5 Abs. 1 AAÜG als
Pflichtbeitragszeiten im Sinne des SGB VI "fingiert" werden, nicht zwingend voraus, daß diese Zugehörigkeit ihre
Grundlage in einem bindenden Verwaltungsakt findet, der von den dafür zuständigen Behörden bis zum 30.06.1990
erteilt wurde. Vielmehr ist danach aus den Regelungen der §§ 1 Abs. 1 Satz 2 und 5 Abs. 2 AAÜG zu folgern, daß für
die Zuordnung von Beschäftigungszeiten zu einem Versorgungssystem nicht alleine darauf abgestellt werden kann,
inwieweit eine entsprechende Anwartschaft schon bereits zu DDR-Zeiten begründet worden ist. Vielmehr ist darüber
hinaus zu prüfen, ob der jeweilige Versicherte - aufgrund der am 30.06.1990 gegebenen Sachlage, - nach der am
31.07.1991 bestehenden bundesrechtlichen Rechtslage im nunmehr rechtsstaatlichen Umfeld unter Beachtung des
Gleichheitsgrundsatzes einen "Anspruch auf eine Versorgungszusage" nach den bundesrechtlichen
leistungsrechtlichen Regelungen der Versorgungssysteme gehabt hätte (s. z.B. Urteil des BSG vom 09.04.2002 - B 4
RA 42/01 R).
Dabei hängt ein solcher Anspruch gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen
Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17.08.1950 (GBl. der DDR I Nr. 93 S. 839)
i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 der 2. Durchführungsbestimmung (DB) zu dieser Verordnung vom 24.05.1951 (GBl. Nr. 62 S.
487) von drei (persönlichen, sachlichen und betrieblichen) Voraussetzungen ab. Denn dieses System war generell
eingerichtet für a) Personen, die berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen und b) die
entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben, und zwar c) in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im
Bereich der Industrie oder des Bauwesens (Urteil des BSG vom 09.04.2002 - B 4 RA 41/01 R).
Diese Voraussetzungen müssen, da die Zusatzversorgungssysteme der DDR geschlossen wurden und es demgemäß
um eine reine Anwartschaft geht, zum Stichtag 30.06.1990 auch kumulativ noch vorgelegen haben. Auf diesen Punkt
ist nochmals besonders hinzuweisen - nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kommt eine nachträgliche
- faktische - Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem bei Personen, die in der DDR keine ausdrückliche
Versorgungszusage erhalten haben, nämlich nur dann in Betracht, wenn diese Personen zum letztmöglichen
Zeitpunkt der Erteilung einer solchen Zusage - also zum Zeitpunkt der Schließung der Versorgungssysteme am
30.06.1990 - aufgrund ihrer persönlichen, sachlichen und betrieblichen Voraussetzungen wenigstens noch die
theoretische Chance (Anwartschaft) hatten, eine Versorgungszusage zu erhalten.
Im vorliegenden Fall erfüllte der Kläger zwar die Voraussetzungen a) und b), d.h., er war Ingenieur und auch
tatsächlich ingenieurtechnisch tätig.
Die Voraussetzung c) war jedoch am 30.06.1990 nicht erfüllt.
Bei der SDAG "Wismut" handelte es sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht um einen volkseigenen
Produktionsbetrieb im Sinne der Versorgungsordnung.
Für die bundesrechtliche Bedeutung des Ausdrucks "volkseigener Betrieb" im Sinne des Versorgungsrechts kommt
es auf den staatlichen Sprachgebrauch der DDR am 30.06.1990 an, an den der Bundesgesetzgeber angeknüpft hat.
Dieser erschließt sich in erster Linie aus den einschlägigen Verordnungen der DDR. Er umfaßt nur "volkseigene"
Produktionsbetriebe der Industrie und des Bauwesens (BSG, Urt. v. 09.04.2002 - B 4 RA 3/02 R; Urt. v. 09.04.2002 -
B 4 RA 36/01 R).
Mit Blick auf den hier maßgebenden Stichtag für die bundesrechtliche Anknüpfung (30.06.1990) ist auf den staatlichen
Sprachgebrauch der DDR abzustellen, wie er sich aus der KombinatsVO vom 08.11.1979 (GBl. I, 355) und der zu ihr
führenden Entwicklung ablesen läßt. Danach wurde ein VEB durch Entscheidung des zuständigen staatlichen oder
wirtschaftsleitenden Organs gegründet (§ 35 Abs. 1 S. 1 KombinatsVO). Er war einem Staatsorgan oder
wirtschaftsleitenden Organ unterstellt (§ 31 Abs. 1 S. 1 KombinatsVO) und konnte ein Statut haben (§ 31 Abs. 5
KombinatsVO). Ferner führte er einen Namen, der die Bezeichnung "VEB" enthalten mußte und trat unter diesem
Namen im Rechtsverkehr auf (§ 31 Abs. 3 KombinatsVO).
Der Beschäftigungsbetrieb des Klägers führte während des streitgegenständlichen Zeitraums jedoch nicht die
Bezeichnung "VEB". Der Betrieb führte vielmehr die Bezeichnung "Aktiengesellschaft". Damit war er aber kein
volkseigener Betrieb im Sinne der Kombinatsverordnung. Daran ändert sich auch nicht dadurch etwas, daß die SDAG
"Wismut" tatsächlich im Handelsregister Teil C – Register der volkseigenen Wirtschaft – eingetragen war. Zwar ist es
richtig, daß volkseigene Betriebe in das Handelsregister Teil C einzutragen waren. Einem entsprechenden
Umkehrschluß kommt jedoch keine konstitutive Wirkung, sondern allenfalls eine Indizwirkung zu. Diese Indizwirkung
wird aber im konkreten Fall der SDAG "Wismut" durch die tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten gerade nicht
erhärtet. Denn bei der Differenzierung handelt es sich hier insoweit nicht einfach um zu vernachlässigende
unterschiedliche Begrifflichkeiten bei ansonsten gleicher Sachlage. Es ergibt sich vielmehr bereits aus dem Wortsinn,
daß ein "volkseigener" Betrieb im Volkseigentum, d.h. im Eigentum des Volkes, gestanden haben muß. Gemeint war
damit selbstverständlich das "Volk" der DDR. Bei der SDAG "Wismut" handelte es sich aber um eine
Kapitalgesellschaft, bei der hilfsweise noch nicht einmal die Gesellschaftsanteile vollständig in DDR-Volks- bzw.
Staatseigentum standen. Die Umstände, die für die Wahl der Rechtsform der SDAG maßgeblich gewesen sein
mögen, sind insoweit irrelevant. Eine mögliche Einzelfallentscheidung im Hinblick auf solche Fragen kann nicht
Grundlage einer sachorientierten Entscheidung sein, da insoweit zwangsläufig auf eine in der DDR übliche (ggf.
willkürliche) Praxis zurückgegriffen werden müßte. Im Gegenteil - dies sei als obiter dictum bemerkt - ist aber aus der
Geschichte allgemein bekannt, daß die Sowjetunion sehr wohl Gründe hatte, diesen Betrieb, der als für die damalige
nationale Aufrüstung wichtig erachtet wurde, anders alle sämtliche anderen vergleichbaren Betriebe der DDR gerade
nicht im Volkseigentum des Satellitenstaates DDR stehen zu lassen, sondern ihm die Rechtsform einer sowjetisch-
deutschen Aktiengesellschaft zu geben. Die erfolgte Eintragung im Register der volkseigenen Wirtschaft ist daher
eher als propagandistisches Wunschdenken der DDR anzusehen und gerade nicht als Wiedergabe der tatsächlichen
rechtlichen Verhältnisse.
Das Bundessozialgericht hat im übrigen mit Urteil vom 9.4.2002, B 4 RA 3/02 R, zur auch als Kapitalgesellschaft
organisierten "Interflug GmbH" der DDR entschieden:
Tenor:
"Die Interflug war eine GmbH und damit nach gesellschaftsrechtlichem Status bzw. der Gesellschaftsform kein
volkseigener Betrieb (nachfolgend: VEB) i.S. der bundesrechtlichen AVItech. Der staatliche Sprachgebrauch der DDR
im Bereich der AVItech und deren Staatspraxis hierzu (Stand: 30. Juni 1990) geben keinen Beleg, die DDR habe zum
Stichtag die Interflug GmbH versorgungsrechtlich als VEB und ferner als Produktionsbetrieb qualifiziert. Die zum Teil
andere Beurteilung in der Literatur der DDR betrifft den sonstigen Binnen-Rechtsbereich der DDR und stützt sich im
Wesentlichen darauf, daß die Rechtsstellung der Interflug, ihre Struktur und Leitung den für einen VEB geltenden
Prinzipien der sozialistischen Wirtschaftsführung entsprochen hätten und diese Prinzipien im Gesellschaftsvertrag
ausgestaltet worden seien (so Autorenkollektiv unter Leitung von Teuchert, Luftrecht, Staatsverlag der DDR, Berlin
1987, S. 149). Diese Auffassung lässt - beiläufig (obiter dictum) gesprochen - außer Acht, dass die Interflug GmbH
als Betrieb der volkseigenen Wirtschaft zwar in wesentlichen Bereichen wirtschaftsrechtlich einem VEB gleichstand,
rechtlich aber nicht den Status eines VEB hatte. Dies wiederum berücksichtigt die zivilrechtliche Literatur der DDR,
indem sie darauf verweist, dass bestimmte für die Volkswirtschaft bedeutsame Betriebe nicht als VEB organisiert
wurden, sondern aus einer Reihe von Gründen als Gesellschaften im Rahmen des "sanktionierten Rechts", so z.B.
die SDAG Wismut und die Mitropa als Aktiengesellschaften und die Interflug als Gesellschaft mit beschränkter
Haftung (Autorenkollektiv unter Leitung von Göhring und Posch, Zivilrecht, Teil 1, Staatsverlag der DDR, Berlin 1981,
S. 107 f.) ... Schon die unterschiedlichen Rechts- bzw. Gesellschaftsformen und die unterschiedlichen
Rechtsgrundlagen erlauben es nicht, von einer Identität der rechtlichen Bedeutungen von "VEB" und "GmbH" im
Binnenrecht der DDR, geschweige denn von einer solchen gerade im Versorgungsrecht der AVItech in der DDR am
30. Juni 1990 zu sprechen."
Dem schließt sich das erkennende Gericht wie gesehen an.
Die SDAG "Wismut" war auch nicht einem volkseigenen Produktionsbetrieb gleichgestellt. Aus § 1 Abs. 2 der 2.
Durchführungsbestimmung ergeben sich hierfür keine Anhaltspunkte. Dort sind genannt: wissenschaftliche Institute,
Forschungsinstitute, Versuchsstationen, Laboratorien, Konstruktionsbüros, technische Hochschulen, technische
Schulen, Bauakademie und Bauschulen, Bergakademie und Bergbauschulen, Schulen, Institute und Betriebe der
Eisenbahn, Schiffahrt sowie des Post- und Fernmeldewesens, Maschinen-Ausleih-Stationen und volkseigene Güter,
Versorgungsbetriebe (Gas, Wasser, Energie), Vereinigungen volkseigener Betriebe, Hauptverwaltungen und
Ministerien.
Hierunter fällt der ehemalige Beschäftigungsbetrieb des Klägers erkennbar nicht. Insbesondere war die SDAG
"Wismut" kein Energieversorgungsbetrieb, denn dort wurde nicht Energie produziert, sondern primär Erz gefördert. Es
handelte sich damit um einen Bergbaubetrieb und nicht um einen Energieversorger. Die Umsetzung des Erzes in
Brennstäbe und nachfolgend in Energie erfolgte in ganz anderen Betrieben. Für die Prüfung der Gleichstellung ist
jedoch stets allein das konkrete Profil des Beschäftigungsbetriebes des Klägers maßgeblich und nicht die weitere
Entwicklung, die ein Teil der geförderten Güter später in anderen Bereichen der Volkswirtschaft nahm.
Es kann auch dahinstehen, ob die – erst nach Erlaß der o.g. Bestimmung gegründete – SDAG "Wismut" nach den
tatsächlichen Verhältnissen in der DDR vor dem 30.06.1990 den volkseigenen Betrieben weitgehend
wirtschaftsrechtlich gleichgestellt war. Es kommt bundesrechtlich nicht auf eine wirtschaftsrechtliche, sondern allein
auf die versorgungsrechtliche Gleichstellung im Sinne des § 1 Abs. 2 der 2. Durchführungsbestimmung an. Denn nur
hieran hat der Einigungsvertrag angeknüpft, u.a. schon allein aus dem Grund, um auszuschließen, daß nicht
abschätzbare finanzielle Lasten auf die Beitrags? und Steuerzahler der Bundesrepublik Deutschland übertragen
würden (BSG, Urteil vom 09.04.2002 Az.: B 4 RA 3/02 R). Eine nachträgliche Einbeziehung der erst später
gegründeten SDAG "Wismut" in das Versorgungssystem hat der DDR-Gesetzgeber trotz reichlicher Gelegenheit
während des danach noch 35-jährigen weiteren Fortbestehens der DDR nicht vorgenommen. Dieses Nichthandeln des
DDR-Gesetzgebers kann heute nicht durch eine quasi-gesetzgeberische Auslegung der bundesdeutschen Gerichte
ersetzt werden.
Aus bundesrechtlicher Sicht kommt es bei der Auslegung dieser Durchführungsbestimmung auch weder auf die
praktische Handhabung der Versorgungsordnungen durch die DDR, noch auf deren Verwaltungspraxis an. Damit wird
ausgeschlossen, daß beliebige Umstände außerhalb des von den Texten der Versorgungsordnung vorgegeben
Rahmens, die sich mangels gesicherter faktischer Beurteilungsgrundlage gerade nicht willkürfrei erschließen lassen,
bei der Auslegung herangezogen werden. Das bedeutet zugleich, daß es dem Gericht verwehrt ist, über den Rahmen
des § 1 AAÜG hinaus Fallgruppen zu entwickeln, die nicht von dem Sichtungs- und Reinigungsprogramm des AAÜG
erfaßt sein konnten.
Der Kläger hätte also im Ergebnis auch nach dem Text der Versorgungsordnung der DDR selbst im Jahre 1990 keinen
Anspruch auf Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem gehabt. Demgemäß kann sich aber auch unter
bundesrechtlicher Betrachtung kein solcher Anspruch ergeben, da keine Veranlassung besteht, den Kläger
nachträglich besser zu stellen, als er unter den damaligen Bedingungen gestanden hätte.
Die Vorschriften des Einigungsvertrages und des AAÜG sind insoweit in sich auch verfassungsgemäß. Der
Bundesgesetzgeber durfte an die im Zeitpunkt der Wiedervereinigung vorgefundene Ausgestaltung dieser
Versorgungssysteme in der DDR ohne Willkürverstoß anknüpfen. Artikel 3 Grundgesetz gebietet nicht, von jenen
historischen Fakten, aus denen sich Ungleichheiten ergeben könnten, abzusehen und sie "rückwirkend" zu Lasten der
heutigen Beitrags- und Steuerzahler auszugleichen. Die Begünstigung der damals Einbezogenen hat der Deutsche
Bundestag als ein Teilergebnis der Verhandlungen im Einigungsvertrag angesichts der historischen Bedingungen
hinnehmen dürfen (vgl. Bundesverfassungsgerichtsentscheidung 100, 138, 190 ff.). Der Bundesgesetzgeber hat im §
1 Abs. 1 AAÜG in begrenztem Umfang DDR-Willkür ausgeschaltet (vgl. zu Modifikation von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG
BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 2, 8). Zu einer Totalrevision des mit Beginn des 31.12.1991 in das
Rentenversicherungsrecht des Beitrittsgebietes überführten, aus der DDR stammenden Rechts, war er nicht
verpflichtet, weil er diesen gesamten Rechtsbereich ab dem 01.01.1992 in einem rechtsstaatlichen Grundsätzen im
wesentlichen genügenden Gesetz, dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch, unterstellt hat (vgl. BSG SozR 3, 8570 § 1
Nr. 2).
Im übrigen sei darauf hingewiesen, daß der Kläger auch ohne Anwendung von § 6 Abs. 1 AAÜG dieselben
Rangstellenwerte (Entgeltpunkte) im SGB VI wie bei der Anwendung des AAÜG hätte erreichen können. Ab
Einführung der FZR hängt dies allerdings davon ab, ob er von seinem Recht Gebrauch gemacht hat, sich auch in der
FZR in dem dort vorgesehenen "Höchstumfang" zu versichern. Da der Kläger von der DDR bis zum Beitritt niemals
eine Versorgungszusage erhalten hatte, konnte er auch zu keinem Zeitpunkt die FZR-Sicherung wegen seines
Vertrauens auf Zusatzversorgung im Alter hintanstellen. Es lag allein in seiner Entscheidungskompetenz,
entsprechende FZR-Beiträge zur rentenrechtlichen Absicherung im Alter zu entrichten.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 143 SGG das Rechtsmittel der Berufung eröffnet.
S 16 RA 385/04 Urteil
in dem Rechtsstreit
Die 16. Kammer des Sozialgerichts Chemnitz hat auf die mündliche Verhandlung in Chemnitz
am 21.09.2004
durch den Richter am Sozialgericht Kurths als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Kunzmann-Wernicke
und Losleben für Recht erkannt:
Tenor:
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem Nr. 1
der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, Beschäftigungszeiten
des Klägers als Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesem
Zeitraum tatsächlich erzielten Entgelte festzustellen.
Der im Jahre 1954 geborene Kläger erwarb am 27.07.1978 an der Ingenieurschule für Maschinenbau L den Abschluß
eines Ingenieurs der Fachrichtung Technologie der metallverarbeitenden Industrie.
Anschließend arbeitete er vom 01.09.1978 bis über den 30.06.1990 hinaus als Beauftragter für Technologie,
Fachtechnologe und zuletzt Gruppenleiter Grundfondswirtschaft im Kraftfahrzeug- und
Rationalisierungsmittelbaubetrieb K ... (KRB) der SDAG "Wismut".
Von der DDR hat der Kläger keine Versorgungszusage bzw. Bewilligung eines Rechts auf Versorgungsrente erhalten.
Den Antrag des Klägers vom 11.02.2002 auf Feststellung der Beschäftigungszeit vom 01.09.1978 bis 30.06.1990 als
Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18.12.2003 ab.
Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger am 29.12.2003 Widerspruch.
Mit Widerspruchsbescheid vom 07.04.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Zur Begründung führte sie aus, der Kläger sei in dem von ihm geltend gemachten Zeitraum weder in ein
Versorgungssystem einbezogen gewesen, noch habe er einen Anspruch auf eine Versorgungszusage gehabt. Im Juni
1990 habe der Kläger als Ingenieur zwar eine seiner Qualifikation entsprechende Beschäftigung ausgeübt. Bei seinem
Beschäftigungsbetrieb habe es sich jedoch weder um einen volkseigenen Produktionsbetrieb, noch um einen im Sinne
von § 1 Abs. 2 der 2. Durchführungsbestimmung vom 24.05.1951 einem volkseigenen Produktionsbetrieb
gleichgestellten Betrieb gehandelt.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 19.04.2004 das Sozialgericht Chemnitz angerufen.
Zur Begründung hat er angeführt, daß er seiner Ansicht nach die Voraussetzungen für eine Einbeziehung in das
System der Altersversorgung der technischen Intelligenz erfülle. Bei der SDAG "Wismut" habe es sich um einen
volkseigenen Produktionsbetrieb gehandelt. Dieser habe lediglich sowohl in deutschem, als auch in sowjetischem
Besitz gestanden. Aus der Bezeichnung "Aktiengesellschaft" könne jedoch nicht entnommen werden, daß es sich bei
dem Unternehmen um einen Privatbetrieb bundesdeutscher Prägung gehandelt habe. Dies ergebe sich auch daraus,
daß die SDAG "Wismut" im Register der volkseigenen Wirtschaft eingetragen gewesen sei. Hilfsweise könne die
SDAG "Wismut" im übrigen auch als gleichgestellter Betrieb im Sinne der 2. Durchführungsbestimmung zur
Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz angesehen werden. Die SDAG
"Wismut" habe Uranerz gefördert, welches u.a. in Atomkraftwerken zur Stromerzeugung genutzt worden sei. Folglich
habe es sich bei der SDAG "Wismut" um einen "Versorgungsbetrieb" im Bereich der Energieversorgung gehandelt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 18.12.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
07.04.2004 die Beklagte zu verurteilen, die Beschäftigungszeit des Klägers vom 01.09.1978 bis 30.06.1990 als Zeit
der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG sowie die in diesem Zeitraum
tatsächlich erzielten Entgelte festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich inhaltlich auf die Begründung des Widerspruchsbescheides.
Das Gericht hat die Akte der Beklagten beigezogen. Diese sowie die in der Klageakte enthaltenen Schriftsätze der
Beteiligten waren Grundlage der Entscheidung. Hierauf und auf den übrigen Akteninhalt wird zur Ergänzung des
Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Denn die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2
Sozialgerichtsgesetz (SGG) in seinen Rechten.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der geltend gemachten Beschäftigungszeiten und dazugehörigen
Entgelte als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem durch die Beklagte.
Zur Begründung wird auf die Begründung des Bescheides der Beklagten vom 18.12.2003 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 07.04.2004 verwiesen, der das Gericht mit den nachstehenden Maßgaben folgt und auf
die es sich nach § 136 Abs. 3 SGG daher zur Vermeidung von Wiederholungen ausdrücklich bezieht.
Hierzu sei zur nochmaligen Verdeutlichung ausgeführt:
Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt das AAÜG für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu
Zusatz- und Sonderversorgungssystemen im "Beitrittsgebiet" (der DDR) erworben worden sind. Ist ein solcher
Tatbestand gegeben, hat der zuständige Versorgungsträger (§ 8 Abs. 4 AAÜG) - hier die Beklagte - dem
Rentenversicherungsträger die für die Berechnung der Rentenhöhe (genauer: die Ermittlung der sich aus diesen
Beschäftigungszeiten ergebenden Entgeltpunkte, § 259 b Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI) erforderlichen
Daten mitzuteilen (§ 8 Abs. 2 AAÜG) und dem Versicherten gegenüber einen entsprechenden Bescheid zu erlassen (§
8 Abs. 3 AAÜG).
Nach der ständigen und mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des 4. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) setzt
die Anerkennung von Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem, die gemäß § 5 Abs. 1 AAÜG als
Pflichtbeitragszeiten im Sinne des SGB VI "fingiert" werden, nicht zwingend voraus, daß diese Zugehörigkeit ihre
Grundlage in einem bindenden Verwaltungsakt findet, der von den dafür zuständigen Behörden bis zum 30.06.1990
erteilt wurde. Vielmehr ist danach aus den Regelungen der §§ 1 Abs. 1 Satz 2 und 5 Abs. 2 AAÜG zu folgern, daß für
die Zuordnung von Beschäftigungszeiten zu einem Versorgungssystem nicht alleine darauf abgestellt werden kann,
inwieweit eine entsprechende Anwartschaft schon bereits zu DDR-Zeiten begründet worden ist. Vielmehr ist darüber
hinaus zu prüfen, ob der jeweilige Versicherte - aufgrund der am 30.06.1990 gegebenen Sachlage, - nach der am
31.07.1991 bestehenden bundesrechtlichen Rechtslage im nunmehr rechtsstaatlichen Umfeld unter Beachtung des
Gleichheitsgrundsatzes einen "Anspruch auf eine Versorgungszusage" nach den bundesrechtlichen
leistungsrechtlichen Regelungen der Versorgungssysteme gehabt hätte (s. z.B. Urteil des BSG vom 09.04.2002 - B 4
RA 42/01 R).
Dabei hängt ein solcher Anspruch gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen
Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17.08.1950 (GBl. der DDR I Nr. 93 S. 839)
i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 der 2. Durchführungsbestimmung (DB) zu dieser Verordnung vom 24.05.1951 (GBl. Nr. 62 S.
487) von drei (persönlichen, sachlichen und betrieblichen) Voraussetzungen ab. Denn dieses System war generell
eingerichtet für a) Personen, die berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen und b) die
entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben, und zwar c) in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im
Bereich der Industrie oder des Bauwesens (Urteil des BSG vom 09.04.2002 - B 4 RA 41/01 R).
Diese Voraussetzungen müssen, da die Zusatzversorgungssysteme der DDR geschlossen wurden und es demgemäß
um eine reine Anwartschaft geht, zum Stichtag 30.06.1990 auch kumulativ noch vorgelegen haben. Auf diesen Punkt
ist nochmals besonders hinzuweisen - nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kommt eine nachträgliche
- faktische - Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem bei Personen, die in der DDR keine ausdrückliche
Versorgungszusage erhalten haben, nämlich nur dann in Betracht, wenn diese Personen zum letztmöglichen
Zeitpunkt der Erteilung einer solchen Zusage - also zum Zeitpunkt der Schließung der Versorgungssysteme am
30.06.1990 - aufgrund ihrer persönlichen, sachlichen und betrieblichen Voraussetzungen wenigstens noch die
theoretische Chance (Anwartschaft) hatten, eine Versorgungszusage zu erhalten.
Im vorliegenden Fall erfüllte der Kläger zwar die Voraussetzungen a) und b), d.h., er war Ingenieur und auch
tatsächlich ingenieurtechnisch tätig.
Die Voraussetzung c) war jedoch am 30.06.1990 nicht erfüllt.
Bei der SDAG "Wismut" handelte es sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht um einen volkseigenen
Produktionsbetrieb im Sinne der Versorgungsordnung.
Für die bundesrechtliche Bedeutung des Ausdrucks "volkseigener Betrieb" im Sinne des Versorgungsrechts kommt
es auf den staatlichen Sprachgebrauch der DDR am 30.06.1990 an, an den der Bundesgesetzgeber angeknüpft hat.
Dieser erschließt sich in erster Linie aus den einschlägigen Verordnungen der DDR. Er umfaßt nur "volkseigene"
Produktionsbetriebe der Industrie und des Bauwesens (BSG, Urt. v. 09.04.2002 - B 4 RA 3/02 R; Urt. v. 09.04.2002 -
B 4 RA 36/01 R).
Mit Blick auf den hier maßgebenden Stichtag für die bundesrechtliche Anknüpfung (30.06.1990) ist auf den staatlichen
Sprachgebrauch der DDR abzustellen, wie er sich aus der KombinatsVO vom 08.11.1979 (GBl. I, 355) und der zu ihr
führenden Entwicklung ablesen läßt. Danach wurde ein VEB durch Entscheidung des zuständigen staatlichen oder
wirtschaftsleitenden Organs gegründet (§ 35 Abs. 1 S. 1 KombinatsVO). Er war einem Staatsorgan oder
wirtschaftsleitenden Organ unterstellt (§ 31 Abs. 1 S. 1 KombinatsVO) und konnte ein Statut haben (§ 31 Abs. 5
KombinatsVO). Ferner führte er einen Namen, der die Bezeichnung "VEB" enthalten mußte und trat unter diesem
Namen im Rechtsverkehr auf (§ 31 Abs. 3 KombinatsVO).
Der Beschäftigungsbetrieb des Klägers führte während des streitgegenständlichen Zeitraums jedoch nicht die
Bezeichnung "VEB". Der Betrieb führte vielmehr die Bezeichnung "Aktiengesellschaft". Damit war er aber kein
volkseigener Betrieb im Sinne der Kombinatsverordnung. Daran ändert sich auch nicht dadurch etwas, daß die SDAG
"Wismut" tatsächlich im Handelsregister Teil C – Register der volkseigenen Wirtschaft – eingetragen war. Zwar ist es
richtig, daß volkseigene Betriebe in das Handelsregister Teil C einzutragen waren. Einem entsprechenden
Umkehrschluß kommt jedoch keine konstitutive Wirkung, sondern allenfalls eine Indizwirkung zu. Diese Indizwirkung
wird aber im konkreten Fall der SDAG "Wismut" durch die tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten gerade nicht
erhärtet. Denn bei der Differenzierung handelt es sich hier insoweit nicht einfach um zu vernachlässigende
unterschiedliche Begrifflichkeiten bei ansonsten gleicher Sachlage. Es ergibt sich vielmehr bereits aus dem Wortsinn,
daß ein "volkseigener" Betrieb im Volkseigentum, d.h. im Eigentum des Volkes, gestanden haben muß. Gemeint war
damit selbstverständlich das "Volk" der DDR. Bei der SDAG "Wismut" handelte es sich aber um eine
Kapitalgesellschaft, bei der hilfsweise noch nicht einmal die Gesellschaftsanteile vollständig in DDR-Volks- bzw.
Staatseigentum standen. Die Umstände, die für die Wahl der Rechtsform der SDAG maßgeblich gewesen sein
mögen, sind insoweit irrelevant. Eine mögliche Einzelfallentscheidung im Hinblick auf solche Fragen kann nicht
Grundlage einer sachorientierten Entscheidung sein, da insoweit zwangsläufig auf eine in der DDR übliche (ggf.
willkürliche) Praxis zurückgegriffen werden müßte. Im Gegenteil - dies sei als obiter dictum bemerkt - ist aber aus der
Geschichte allgemein bekannt, daß die Sowjetunion sehr wohl Gründe hatte, diesen Betrieb, der als für die damalige
nationale Aufrüstung wichtig erachtet wurde, anders alle sämtliche anderen vergleichbaren Betriebe der DDR gerade
nicht im Volkseigentum des Satellitenstaates DDR stehen zu lassen, sondern ihm die Rechtsform einer sowjetisch-
deutschen Aktiengesellschaft zu geben. Die erfolgte Eintragung im Register der volkseigenen Wirtschaft ist daher
eher als propagandistisches Wunschdenken der DDR anzusehen und gerade nicht als Wiedergabe der tatsächlichen
rechtlichen Verhältnisse.
Das Bundessozialgericht hat im übrigen mit Urteil vom 9.4.2002, B 4 RA 3/02 R, zur auch als Kapitalgesellschaft
organisierten "Interflug GmbH" der DDR entschieden:
Tenor:
"Die Interflug war eine GmbH und damit nach gesellschaftsrechtlichem Status bzw. der Gesellschaftsform kein
volkseigener Betrieb (nachfolgend: VEB) i.S. der bundesrechtlichen AVItech. Der staatliche Sprachgebrauch der DDR
im Bereich der AVItech und deren Staatspraxis hierzu (Stand: 30. Juni 1990) geben keinen Beleg, die DDR habe zum
Stichtag die Interflug GmbH versorgungsrechtlich als VEB und ferner als Produktionsbetrieb qualifiziert. Die zum Teil
andere Beurteilung in der Literatur der DDR betrifft den sonstigen Binnen-Rechtsbereich der DDR und stützt sich im
Wesentlichen darauf, daß die Rechtsstellung der Interflug, ihre Struktur und Leitung den für einen VEB geltenden
Prinzipien der sozialistischen Wirtschaftsführung entsprochen hätten und diese Prinzipien im Gesellschaftsvertrag
ausgestaltet worden seien (so Autorenkollektiv unter Leitung von Teuchert, Luftrecht, Staatsverlag der DDR, Berlin
1987, S. 149). Diese Auffassung lässt - beiläufig (obiter dictum) gesprochen - außer Acht, dass die Interflug GmbH
als Betrieb der volkseigenen Wirtschaft zwar in wesentlichen Bereichen wirtschaftsrechtlich einem VEB gleichstand,
rechtlich aber nicht den Status eines VEB hatte. Dies wiederum berücksichtigt die zivilrechtliche Literatur der DDR,
indem sie darauf verweist, dass bestimmte für die Volkswirtschaft bedeutsame Betriebe nicht als VEB organisiert
wurden, sondern aus einer Reihe von Gründen als Gesellschaften im Rahmen des "sanktionierten Rechts", so z.B.
die SDAG Wismut und die Mitropa als Aktiengesellschaften und die Interflug als Gesellschaft mit beschränkter
Haftung (Autorenkollektiv unter Leitung von Göhring und Posch, Zivilrecht, Teil 1, Staatsverlag der DDR, Berlin 1981,
S. 107 f.) ... Schon die unterschiedlichen Rechts- bzw. Gesellschaftsformen und die unterschiedlichen
Rechtsgrundlagen erlauben es nicht, von einer Identität der rechtlichen Bedeutungen von "VEB" und "GmbH" im
Binnenrecht der DDR, geschweige denn von einer solchen gerade im Versorgungsrecht der AVItech in der DDR am
30. Juni 1990 zu sprechen."
Dem schließt sich das erkennende Gericht wie gesehen an.
Die SDAG "Wismut" war auch nicht einem volkseigenen Produktionsbetrieb gleichgestellt. Aus § 1 Abs. 2 der 2.
Durchführungsbestimmung ergeben sich hierfür keine Anhaltspunkte. Dort sind genannt: wissenschaftliche Institute,
Forschungsinstitute, Versuchsstationen, Laboratorien, Konstruktionsbüros, technische Hochschulen, technische
Schulen, Bauakademie und Bauschulen, Bergakademie und Bergbauschulen, Schulen, Institute und Betriebe der
Eisenbahn, Schiffahrt sowie des Post- und Fernmeldewesens, Maschinen-Ausleih-Stationen und volkseigene Güter,
Versorgungsbetriebe (Gas, Wasser, Energie), Vereinigungen volkseigener Betriebe, Hauptverwaltungen und
Ministerien.
Hierunter fällt der ehemalige Beschäftigungsbetrieb des Klägers erkennbar nicht. Insbesondere war die SDAG
"Wismut" kein Energieversorgungsbetrieb, denn dort wurde nicht Energie produziert, sondern primär Erz gefördert. Es
handelte sich damit um einen Bergbaubetrieb und nicht um einen Energieversorger. Die Umsetzung des Erzes in
Brennstäbe und nachfolgend in Energie erfolgte in ganz anderen Betrieben. Für die Prüfung der Gleichstellung ist
jedoch stets allein das konkrete Profil des Beschäftigungsbetriebes des Klägers maßgeblich und nicht die weitere
Entwicklung, die ein Teil der geförderten Güter später in anderen Bereichen der Volkswirtschaft nahm.
Es kann auch dahinstehen, ob die – erst nach Erlaß der o.g. Bestimmung gegründete – SDAG "Wismut" nach den
tatsächlichen Verhältnissen in der DDR vor dem 30.06.1990 den volkseigenen Betrieben weitgehend
wirtschaftsrechtlich gleichgestellt war. Es kommt bundesrechtlich nicht auf eine wirtschaftsrechtliche, sondern allein
auf die versorgungsrechtliche Gleichstellung im Sinne des § 1 Abs. 2 der 2. Durchführungsbestimmung an. Denn nur
hieran hat der Einigungsvertrag angeknüpft, u.a. schon allein aus dem Grund, um auszuschließen, daß nicht
abschätzbare finanzielle Lasten auf die Beitrags? und Steuerzahler der Bundesrepublik Deutschland übertragen
würden (BSG, Urteil vom 09.04.2002 Az.: B 4 RA 3/02 R). Eine nachträgliche Einbeziehung der erst später
gegründeten SDAG "Wismut" in das Versorgungssystem hat der DDR-Gesetzgeber trotz reichlicher Gelegenheit
während des danach noch 35-jährigen weiteren Fortbestehens der DDR nicht vorgenommen. Dieses Nichthandeln des
DDR-Gesetzgebers kann heute nicht durch eine quasi-gesetzgeberische Auslegung der bundesdeutschen Gerichte
ersetzt werden.
Aus bundesrechtlicher Sicht kommt es bei der Auslegung dieser Durchführungsbestimmung auch weder auf die
praktische Handhabung der Versorgungsordnungen durch die DDR, noch auf deren Verwaltungspraxis an. Damit wird
ausgeschlossen, daß beliebige Umstände außerhalb des von den Texten der Versorgungsordnung vorgegeben
Rahmens, die sich mangels gesicherter faktischer Beurteilungsgrundlage gerade nicht willkürfrei erschließen lassen,
bei der Auslegung herangezogen werden. Das bedeutet zugleich, daß es dem Gericht verwehrt ist, über den Rahmen
des § 1 AAÜG hinaus Fallgruppen zu entwickeln, die nicht von dem Sichtungs- und Reinigungsprogramm des AAÜG
erfaßt sein konnten.
Der Kläger hätte also im Ergebnis auch nach dem Text der Versorgungsordnung der DDR selbst im Jahre 1990 keinen
Anspruch auf Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem gehabt. Demgemäß kann sich aber auch unter
bundesrechtlicher Betrachtung kein solcher Anspruch ergeben, da keine Veranlassung besteht, den Kläger
nachträglich besser zu stellen, als er unter den damaligen Bedingungen gestanden hätte.
Die Vorschriften des Einigungsvertrages und des AAÜG sind insoweit in sich auch verfassungsgemäß. Der
Bundesgesetzgeber durfte an die im Zeitpunkt der Wiedervereinigung vorgefundene Ausgestaltung dieser
Versorgungssysteme in der DDR ohne Willkürverstoß anknüpfen. Artikel 3 Grundgesetz gebietet nicht, von jenen
historischen Fakten, aus denen sich Ungleichheiten ergeben könnten, abzusehen und sie "rückwirkend" zu Lasten der
heutigen Beitrags- und Steuerzahler auszugleichen. Die Begünstigung der damals Einbezogenen hat der Deutsche
Bundestag als ein Teilergebnis der Verhandlungen im Einigungsvertrag angesichts der historischen Bedingungen
hinnehmen dürfen (vgl. Bundesverfassungsgerichtsentscheidung 100, 138, 190 ff.). Der Bundesgesetzgeber hat im §
1 Abs. 1 AAÜG in begrenztem Umfang DDR-Willkür ausgeschaltet (vgl. zu Modifikation von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG
BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 2, 8). Zu einer Totalrevision des mit Beginn des 31.12.1991 in das
Rentenversicherungsrecht des Beitrittsgebietes überführten, aus der DDR stammenden Rechts, war er nicht
verpflichtet, weil er diesen gesamten Rechtsbereich ab dem 01.01.1992 in einem rechtsstaatlichen Grundsätzen im
wesentlichen genügenden Gesetz, dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch, unterstellt hat (vgl. BSG SozR 3, 8570 § 1
Nr. 2).
Im übrigen sei darauf hingewiesen, daß der Kläger auch ohne Anwendung von § 6 Abs. 1 AAÜG dieselben
Rangstellenwerte (Entgeltpunkte) im SGB VI wie bei der Anwendung des AAÜG hätte erreichen können. Ab
Einführung der FZR hängt dies allerdings davon ab, ob er von seinem Recht Gebrauch gemacht hat, sich auch in der
FZR in dem dort vorgesehenen "Höchstumfang" zu versichern. Da der Kläger von der DDR bis zum Beitritt niemals
eine Versorgungszusage erhalten hatte, konnte er auch zu keinem Zeitpunkt die FZR-Sicherung wegen seines
Vertrauens auf Zusatzversorgung im Alter hintanstellen. Es lag allein in seiner Entscheidungskompetenz,
entsprechende FZR-Beiträge zur rentenrechtlichen Absicherung im Alter zu entrichten.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 143 SGG das Rechtsmittel der Berufung eröffnet.