Urteil des SozG Chemnitz vom 19.08.2005

SozG Chemnitz: unfallversicherung, freibetrag, nichtigerklärung, soziale sicherheit, unechte rückwirkung, kriegsopfer, rechtssicherheit, altersrente, zukunft, anknüpfung

Sozialgericht Chemnitz
Urteil vom 19.08.2005 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Chemnitz S 16 R 753/05
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten. 3. Die
Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, in welcher Höhe Verletztenrenten aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf Versichertenrenten aus der
gesetzlichen Rentenversicherung anzurechnen sind.
Der am ...1932 geborene Kläger hatte am 18.05.1990 seinen Wohnsitz im Beitrittsge-biet. Er bezieht seit dem
01.09.1967 eine Unfallrente nach einer Minderung der Erwerbs-fähigkeit (MdE) von 20 v.H. und seit dem 02.02.1991
eine weitere Verletztenrente aus der Unfallversicherung nach einer MdE von 25 v.H. Mit Bescheid vom 06.02.1995
gewährte ihm die Beklagte ab 01.01.1995 eine Altersrente. Bei der Rentenberechnung ergab sich unter
Zugrundelegung von 54,3244 persönlichen Entgeltpunkten (Ost) aus der Rentenver-sicherung der Arbeiter und
Angestellten und 1,5071 persönlichen Entgeltpunkten (Ost) aus der knappschaftlichen Rentenversicherung ab
01.01.1995 eine monatliche Rente von 1.997,03 DM. Hierauf rechnete die Beklagte Leistungen aus der
Unfallversicherung fol-gendermaßen an: Von der monatlichen Rente aus der Rentenversicherung zog sie 15 v.H. des
Anteils der knappschaftlichen Rentenversicherung und von den Verletztenrenten aus der Unfallversicherung jeweils
den Betrag ab, der bei einer MdE von 25 v.H. als Grundrente nach § 31 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG)
geleistet worden wäre und bei einer MdE von 20 v.H. zwei Dritteln der niedrigsten Grundrente nach § 31 BVG
entsprochen hätte - jeweils in Höhe des Vomhundertsatzes nach § 84a BVG i.V.m. dem Einigungsvertrag (damals:
77,23 v.H.). Von der Summe der auf diese Weise erniedrigten Rentenbeträge wurde der Grenzbetrag abgezogen, der
sich aus der Vervielfältigung von 70 v.H. eines Zwölftels des höheren Jahresarbeitsverdienstes, der der Berechnung
der Verletztenrenten aus der Unfallversicherung zugrunde lag, mit dem Rentenartfaktor für die persönlichen
Entgeltpunkte aus der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten ergab. Um diesen Betrag wurde die
monatliche Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gekürzt. Die Anrechnung der Verletztenrenten aus der
Unfallversicherung entwickelte sich im einzelnen folgendermaßen:
Zeitraum Rente aus der Rentenversi-cherung (1) (1) abzgl. 15 v.H. des An-teils der knapp-schaftlichen Rentenversi-
cherung (2) Leistungen aus der Un-fallversiche-rung (3) Grundrente nach BVG bei MdE von 25 v.H. bzw. 20 v.H. (4)
Summe der Rentenbeträge (2 + 3 - 4) (5) Grenzbetrag (6) Leistung aus der Rentenver-sicherung (1 + 6 - 5) 1.1.1995-
30.6.1995 1.997,03 DM 1.986,35 DM 516,70 DM+337,70 DM 163,00 DM+108,00 DM 2.569,08 DM 2.170,06 DM
1.598,01 DM 1.7.1995-31.12.1995 2.046,61 DM 2.035,66 DM 530,01 DM+346,37 DM 167,00 DM+111,33 DM 2.633,71
DM 2.226,05 DM 1.638,95 DM 1.1.1996-30.6.1996 2.136,18 DM 2.124,75 DM 553,10 DM+361,50 DM 174,00
DM+116,00 DM 2.749,35 DM 2.322,66 DM 1.709,49 DM 1.7.1996-30.6.1997 2.162,09 DM 2.150,52 DM 556,60
DM+363,80 DM 175,00 DM+116,67 DM 2.779,25 DM 2.337,52 DM 1.720,36 DM 1.7.1997-30.6.1998 2.282,08 DM
2.269,87 DM 585,90 DM+382,90 DM 184,00 DM+122,67 DM 2.932,00 DM 2.460,71 DM 1.810,79 DM 1.7.1998-
30.6.1999 2.302,36 DM 2.290,04 DM 588,64, DM+384,69 DM 186,00 DM+124,00 DM 2.953,37 DM 2.472,27 DM
1.821,26 DM 1.7.1999-30.6.2000 2.366,59 DM 2.353,93 DM 603,82 DM+394,61 DM 191,00 DM+127,33 DM 3.034,03
DM 2.536,06 DM 1.868,62 DM 1.7.2000-30.6.2001 2.380,67 DM 2.367,93 DM 607,45 DM+396,98 DM 192,00
DM+128,00 DM 3.052,36 DM 2.551,28 DM 1.879,59 DM 1.7.2001-31.12.2001 2.430,81 DM 2.417,80 DM 620,26
DM+405,36 DM 196,00 DM+130,67 DM 3.116,75 DM 2 ...605,11 DM 1.919,17 DM 1.1.2002-30.6.2002 1.242,85 EUR
1.236,20 EUR 317,13 EUR+207,26 EUR 100,00 EUR+66,67 EUR 1.593,92 EUR 1.331,97 EUR 980,90 EUR 1.7.2002-
30.6.2003 1.278,77 EUR 1.271,93 EUR 326,30 EUR+213,24 EUR 103,00 EUR+68,67 EUR 1.639,80 EUR 1.370,46
EUR 1.009,43 EUR 1.7.2003-30.6.2004 1.293,99 EUR 1.287,07 EUR 330,18 EUR+215,78 EUR 104,00 EUR+69,33
EUR 1.659,70 EUR 1.386,77 EUR 1.021,06 EUR 1.7.2004-30.6.2005 1.293,99 EUR 1.287,07 EUR 330,18
EUR+215,78 EUR 104,00 EUR+69,33 EUR 1.659,70 EUR 1.386,77 EUR 1.021,06 EUR ab 1.7.2005 1.293,99 EUR
1.287,07 EUR 330,18 EUR+215,78 EUR 104,00 EUR+69,33 EUR 1.659,70 EUR 1.386,77 EUR 1.021,06 EUR
Am 26.05.2003 beantragte der Kläger unter Bezugnahme auf ein Urteil des Bundessozial-gerichts (BSG) zur
Anrechnung von Unfallrenten die Überprüfung der Einkommensan-rechnung. Die Beklagte lehnte es mit Bescheid vom
30.07.2004 ab, den Bescheid vom 06.02.1995 zu ändern und bei der Anrechnung der Verletztenrenten aus der
Unfallversi-cherung einen anderen als den Freibetrag in Höhe der Grundrente - Ost - nach § 84a BVG zugrunde zu
legen. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Wider-spruchsbescheid vom 31.03.2005 zurück.
In der rückwirkend zum 01.01.1992 in Kraft ge-tretenen Klarstellung in § 93 Abs. 2 Nr. 2a des Sechsten Buches
Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der Fassung des Gesetzes zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen
der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Nachhaltigkeitsgesetz) vom 21.07.2004 (BGBl. I S. 1791) habe der
Gesetzgeber nunmehr ausdrücklich auf § 31 i.V.m. § 84a BVG verwie-sen. Damit gelte in den neuen Bundesländern
bei der Anrechnung von Verletztenrenten aus der Unfallversicherung auf Versichertenrenten aus der gesetzlichen
Rentenversicherung ein niedrigerer Freibetrag.
Der Kläger hat am 13.04.2005 Klage erhoben. Er rügt die Ungleichbehandlung zwischen den alten und den neuen
Bundesländern bei der Berücksichtigung des Grundrentenfreibe-trages nach dem BVG. Das BSG habe in seiner
Entscheidung vom 10.04.2003 (B 4 RA 32/02 R - SozR 4-2600 § 93 Nr. 2) festgestellt, dass ein niedrigerer Freibetrag
für unfall-verletzte Rentenberechtigte im Beitrittsgebiet verfassungswidrig sei
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 30.07.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.03.2005 aufzuheben und die
Beklagte zu verpflichten, unter Abänderung des Bescheids vom 06.02.1995 bei der Anrechnung der Verletztenrenten
aus der gesetz-lichen Unfallversicherung statt des Freibetrags nach der Grundrente - Ost - den Freibetrag nach der
Grundrente - West - zugrunde zu legen, sowie zu verurteilen, dem Kläger ab dem 01.01.1999 die Altersrente in der
entsprechenden Höhe zu zah-len.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf den Widerspruchsbescheid.
Das Gericht hat die Verwaltungsakte der Beklagten beigezogen. Hierauf und auf die in der Gerichtsakte enthaltenen
Schriftsätze der Beteiligten wird zur Ergänzung des Tatbestands bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 30.07.2004 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheids vom 31.03.2005
ist rechtmäßig. Der Kläger kann nicht nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) beanspruchen, dass
der Bescheid vom 06.02.1995 abgeändert und bei der Anrechnung seiner Verletztenrenten aus der Unfallver-sicherung
auf die Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung statt des nach § 84a BVG abgesenkten Betrags der
niedrigsten Grundrente nach § 31 Abs. 1 BVG (bei der Un-fallrente nach einer MdE von 25 v.H.) bzw. von zwei Dritteln
hiervon (bei der Unfallrente nach einer MdE von 20 v.H.) jeweils der nicht abgesenkte Betrag unberücksichtigt bleibt.
Folglich steht ihm auch kein Anspruch auf (Nach-)Zahlung einer entsprechend höheren Altersrente zu.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für
die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzel-fall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig
angewandt worden ist und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Ist dies der Fall, werden
gemäß § 44 Abs. 4 SGB X Sozialleistungen längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahre vor Beantragung der
Rücknahme erbracht, wobei dieser Zeitraum von Beginn des Jahres an gerechnet wird, in dem der Antrag gestellt
wurde.
Der Bescheid vom 06.02.1995 ist hinsichtlich der Anrechnung der Verletztenrenten aus der Unfallversicherung nicht
nach § 44 Abs. 1 SGB X zurückzunehmen, da er insoweit recht-lich nicht zu beanstanden ist. Die Anrechnung der
Unfallrenten des Klägers auf seine Al-tersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht den gesetzlichen
Vorgaben in § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI in der Fassung (i.d.F.) des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes - und zwar auch
soweit dabei nur die nach § 84a Satz 1 BVG abgesenkten Beträge der niedrigs-ten Grundrente nach § 31 Abs. 1 BVG
bzw. von zwei Dritteln hiervon unberücksichtigt blieben (1.). Die Kammer konnte sich nicht davon überzeugen, dass
diese gesetzlichen Vorgaben verfassungswidrig sind (2.).
1. a) Gemäß § 93 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI wird dann, wenn für denselben Zeitraum Anspruch auf eine Versichertenrente
aus der gesetzlichen Rentenversicherung und auf eine Verletz-tenrente aus der Unfallversicherung besteht, die Rente
aus der gesetzlichen Rentenversi-cherung insoweit nicht geleistet, als die Summe der zusammentreffenden
Rentenbeträge vor Einkommensanrechnung den jeweiligen Grenzbetrag nicht übersteigt. Der Grenzbetrag bestimmt
sich nach näherer Maßgabe des § 93 Abs. 3 SGB VI nach dem Jahresarbeitsver-dienst, der der Berechnung der
Rente aus der Unfallversicherung zugrunde liegt. Bei der Ermittlung der Summe der zusammentreffenden
Rentenbeträge aus der Renten- und Un-fallversicherung bleiben gemäß § 93 Abs. 2 SGB VI bestimmte Beträge
unberücksichtigt. Nach der durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz mit Wirkung vom 01.01.1992 neugefassten Nr. 2a
des § 93 Abs. 2 SGB VI bleibt bei der Verletztenrente aus der Unfallversicherung der Betrag unberücksichtigt, der bei
gleichem Grad der MdE als Grundrente nach § 31 i.V.m. § 84a Satz 1 und 2 des BVG geleistet würde, bei einer MdE
um 20 v.H. zwei Drittel der Mindestgrundrente, bei einer MdE um 10 v.H. ein Drittel der Mindestgrundrente. Die Höhe
der Grundrente ist in § 31 Abs. 1 BVG in Abhängigkeit von der MdE in bestimmten Geldbeträgen festgelegt; dabei
setzt die niedrigste Grundrente eine MdE um 25 v.H. vor-aus, wie sich aus dem Zusammenspiel der ersten beiden
Absätze des § 31 BVG ergibt. § 84a Satz 1 und 2 BVG enthält eine Sonderregelung für das Beitrittsgebiet. Danach
erhal-ten Personen, die am 18.05.1990 ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Bei-trittsgebiet hatten (§ 84a
Satz 1 BVG) bzw. nach diesem Stichtag begründet hatten (§ 84a Satz 2 BVG), frühestens vom 01.01.1991 an
Versorgung nach dem BVG mit den für dieses Gebiet nach dem Einigungsvertrag (EV) geltenden Maßgaben. Der EV
bestimmt in Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt III Nr. 1a, dass die u.a. in § 31 Abs. 1 BVG in der jeweils
geltenden Fassung genannten Geldbeträge mit dem Vomhundertsatz zu multiplizie-ren sind, der sich aus dem
jeweiligen Verhältnis der verfügbaren Standardrente im Bei-trittsgebiet zur verfügbaren Standardrente im
Altbundesgebiet ergibt.
Der (Frei-) Betrag, in dessen Höhe Verletztenrenten aus der Unfallversicherung nicht in die Anrechnung auf
Versichertenrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung einbezo-gen werden, berechnet sich nach dem Wortlaut
des durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz neugefassten § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI nach der "Grundrente nach § 31
i.V.m. § 84a Satz 1 und 2 BVG". Das Gesetz stellt damit klar, dass zur Berechnung dieses Freibetrages nicht allein §
31 BVG, sondern auch § 84a Satz 1 und 2 BVG heranzuziehen ist. Die Höhe des Freibetrages richtet sich folglich
nicht allein nach den Geldbeträgen, die in der jeweiligen Fassung des § 31 Abs. 1 BVG genannt sind. Vielmehr
bestimmt sie sich auch nach der Regelung des § 84a Satz 1 und 2 BVG. Auf den Freibetrag ist mithin bei Personen,
die unter § 84a Satz 1 oder 2 BVG fallen, auch der Vomhundertsatz anzuwenden, der sich aus Anlage I Kapitel VIII
Sachgebiet K Abschnitt III Nr. 1a EV ergibt. Dies gilt auch, soweit § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI bei einer MdE von 20
bzw. 10 v.H. auf die "Mindestgrundrente" bezug nimmt. Zwar wird insoweit kein Paragraph zitiert. Doch ist unter
"Mindestgrundren-te" die niedrigste Grundrente nach dem BVG zu verstehen, die nach § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI für
die Berechnung des Freibetrags heranzuziehen ist (vgl. BSG SozR 4-2600 § 93 Nr. 2 Rn. 18). Dies ist bei Personen,
die unter § 84a Satz 1 und 2 BVG fallen, die nach Maßgabe von Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt III Nr.
1a EV abgesenkte niedrigste Grundrente nach § 31 Abs. 1 BVG.
Ziel der Neufassung des § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz war es, die Anwendung der
Absenkungsregelung des § 84a Satz 1 und 2 BVG i.V.m. An-lage I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt III Nr. 1a EV
sicherzustellen. In der ursprüngli-chen Fassung des § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI war noch von dem Betrag die Rede,
der "als Grundrente nach dem BVG" geleistet würde. Das BSG sah darin in Urteilen vom 10.04.2003 (B 4 RA 32/02 R
= SozR 4-2600 § 93 Nr. 2) und 20.11.2003 (B 13 RJ 5/03 R = SozR 4-2600 § 93 Nr. 3) lediglich einen Verweis auf §
31 BVG, nicht aber auf § 84a BVG. In Reaktion hierauf wurde während der parlamentarischen Beratung des RV-
Nachhaltigkeitsgesetzes die Neufassung des § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI beschlossen. Im Bericht des Ausschusses
für Gesundheit und Soziale Sicherheit heißt es hierzu: Mit der Neufassung werde klargestellt, dass die in § 93 Abs. 2
Nr. 2a SGB VI geregelte Verwei-sung - entsprechend der bisherigen Praxis der Rentenversicherungsträger - sowohl
die Vorschrift des § 31 BVG als auch die in § 84a BVG geregelten Besonderheiten für Berech-tigte im Beitrittsgebiet
umfasse (vgl. Bundestags-Drucks. 15/2678, S. 22).
Seit der Neufassung durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz ist in § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI ausdrücklich erwähnt, in
welchen Bestimmungen des BVG der Betrag der "Grundrente" geregelt ist, nach dem sich der Freibetrag bei der
Anrechung von Verletztenrenten aus der Unfallversicherung auf Versichertenrenten aus der gesetzlichen
Rentenversicherung be-rechnet. Dieser Freibetrag richtet sich zum einen nach § 31 BVG und den darin in Abhän-
gigkeit von der MdE aufgeführten Geldbeträgen. Zum andern ist bei der Berechnung des Freibetrages auch § 84a Satz
1 und 2 BVG und damit bei dem davon erfassten Personen-kreis die Absenkungsregelung in Anlage I Kapitel VIII
Sachgebiet K Abschnitt III Nr. 1a EV anzuwenden.
b) Der Verweis auf § 84a Satz 1 und 2 BVG läuft ab dem 01.01.1999 nicht ins Leere. Al-lerdings hat das BVerfG in
einem Urteil vom 14.03.2000 (1 BvR 284/96 u.a. - BVerfGE 102, 41) § 84a BVG i.V.m. Anlage I Kapitel VIII
Sachgebiet K Abschnitt III Nr. 1 a EV insoweit für nichtig erklärt, als die Beschädigtengrundrente nach § 31 Abs. 1
Satz 1 BVG auch nach dem 31.12.1998 im Beitrittsgebiet anders berechnet wird als im übrigen Bun-desgebiet.
Hierzu hat der 4. Senat des BSG in Urteilen vom 07.07.2005 (B 4 RA 58/94 R, B 4 RA 61/04 R und B 4 RA 11/05 R)
entschieden: Für Bezugszeiten ab 01.01.1999 gebe es in § 84a BVG seit dem Urteil des BVerfG vom 14.03.2000
keinen gültigen Gesetzestext mehr, auf den eine Bestimmung verweisen könnte, in der von der "für das Beitrittsgebiet
geltenden Grundrente nach dem BVG" die Rede sei, wie in § 2 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über einen Ausgleich für
Dienstbeschädigungen im Beitrittsgebiet (DBAG). Denn nach der Nichtigkeitsfeststellung des § 84a BVG durch das
BVerfG sei ein Text mit dem Inhalt der für nichtig erklärten Norm im Bundesgesetzblatt nicht veröffentlicht worden.
Dies sei auch nicht dadurch implizit geschehen, dass das Gesetz zur Änderung des Opferentschädi-gungsgesetzes
(OEG) und anderer Gesetze vom 06.12.2000 (BGBl. I S. 1676) einen Satz 3 an § 84a BVG angefügt habe.
Sollte der 4. Senat des BSG seine Entscheidung tragend darauf gestützt haben, dass die Absenkungsregelung des §
84a Satz 1 und 2 BVG infolge der (Teil-) Nichtigerklärung durch das BVerfG für alle Vorschriften gegenstandslos
geworden ist, die auf die Grundren-te nach § 31 Abs. 1 BVG verweisen, wäre er von den tragenden Gründen der
Entscheidung eines anderen Senats des BSG abgewichen. Denn der 9. Senat des BSG hat in einem Urteil vom
16.12.2004 (B 9 VG 1/03 R - SozR 4-3800 § 10a Nr. 1) entschieden, dass bei der Be-schädigtengrundrente, die nach
dem OEG in entsprechender Anwendung des § 31 BVG geleistet wird, auch nach dem 01.01.1999 die
Absenkungsregelung des § 84a Satz 1 und 2 BVG gilt. Dies schließt aber aus, dass § 84a Satz 1 und 2 BVG infolge
der (Teil-) Nichtig-erklärung durch das BVerfG auch in den Fällen über keinen Normtext mehr verfügt, in denen andere
Rechtsvorschriften auf die Grundrente nach § 31 Abs. 1 BVG verweisen. Zu einer Abweichung von der
Rechtsprechung anderer Senate des BSG ist der 4. Senat des BSG jedoch nicht befugt. Vielmehr entscheidet der
Große Senat, wenn ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen will (§ 41
Abs. 2 SGG). Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn ein anderer Senat eine andere Auffassung von der
Reichweite einer (Teil-) Nichtigerklärung einer Rechtsnorm durch das BVerfG vertreten hat. Auch dann ist ein Senat
nicht befugt, ohne Anrufung des Großen Senats des BSG von der Entscheidung des anderen Senats abzuweichen.
Da der 4. Senat des BSG keine Notwendigkeit gesehen hat, den Großen Senat anzurufen, ist davon auszugehen,
dass sich seine Entscheidung tragend auf die Besonderheiten des DBAG stützt, nicht aber, dass sich der 4. Senat
des BSG unter Verstoß gegen § 41 Abs. 2 SGG und damit zugleich gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes
(GG) über die Rechtsprechung anderer Senate des BSG hinweggesetzt hat.
Doch selbst wenn es sich anders verhalten sollte und der 4. Senat BSG § 84a Satz 1 und 2 BVG bei allen
Vorschriften, die auf die Grundrente nach § 31 BVG verweisen, für gegens-tandslos halten sollte, vermag seine
Argumentation nicht zu überzeugen. Denn auch nach dem Urteil des BVerfG vom 14.03.2000 hat § 84a BVG einen
Normtext behalten. Das BVerfG hat in diesem Urteil § 84a BVG, der damals aus den ersten beiden Sätzen der heu-
tigen Fassung bestanden hatte, nur teilweise für nichtig erklärt - nämlich nur insoweit, als nach dieser Bestimmung
i.V.m. Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt III Nr. 1 a EV die Beschädigtengrundrente gemäß § 31 Abs. 1
Satz 1 BVG auch nach dem 31.12.1998 im Beitrittsgebiet anders berechnet wird als im übrigen Bundesgebiet. Damit
behielt § 84a BVG nicht nur für alle anderen Versorgungsleistungen nach dem BVG einen Regelungsgehalt, sondern
auch für die Grundrente, auf die Kriegsopfer nach § 31 Abs. 1 BVG Anspruch haben. Sofern diese unter die
Regelungen des § 84a Satz 1 oder 2 BVG fielen, hatten sie erst ab 01.01.1991 Anspruch auf Grundrente nach § 31
Abs. 1 BVG; die-sen hatten sie zudem bis zum 31.12.1998 nur nach Maßgabe der Absenkungsregelung des EV.
Darüber hinaus geht aus den Entscheidungsgründen des Urteils des BVerfG hervor, dass die (Teil-) Nichtigerklärung
nur die Beschädigtengrundrente an Kriegsopfer, also nur den unmittelbaren Anwendungsbereich des § 31 Abs. 1 BVG,
erfasst. Denn das BVerfG hat die Unvereinbarkeit mit Art. 3 Abs 1 GG, auf der die Nichtigerklärung beruht, gerade
aus der besonderen Situation der Kriegsopfer - ihrem Alter und dem gleichen Opfer, das diese für den gleichen Staat
erbracht haben - hergeleitet (vgl. BVerfGE 102, 41, 58 ff., insbes. 59 und 61). Daher zog der durch Gesetz vom
06.12.2000 (BGBl. I S. 1676) an § 84a BVG angefügte Satz 3 die Teil-Nichtigerklärung durch das BVerfG zutreffend
nach, wenn darin bestimmt wurde, dass die Sätze 1 und 2 des § 84a BVG ab dem 01.01.1999 nicht für die
Beschädigtengrundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 BVG von Berechtigten nach § 1 BVG gelten. Soweit in diesem Satz
3 die Anwendung der ersten beiden Sätze des § 84a BVG auch für bestimmte weitere Grundrenten ausgeschlossen
wurde, die in entsprechen-der Anwendung des § 31 Abs. 1 BVG gezahlt werden, wurde die Wirkung des Urteils des
BVerfG auf weitere Personenkreise erstreckt, die von der Teil-Nichtigerklärung noch nicht begünstigt worden waren.
Letztlich kommt es aber bei der hier maßgeblichen Bestimmung des § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI i.d.F. des RV-
Nachhaltigkeitsgesetzes ohnehin nicht entscheidend darauf an, ob die Absenkungsregelung des § 84a Satz 1 und 2
BVG i.V.m. Anlage I Kapitel VIII Sach-gebiet K Abschnitt III Nr. 1 a EV auch nach dem Urteil des BVerfG vom
14.03.2000 aus sich heraus auf alle Vorschriften anwendbar ist, die auf die Grundrente nach § 31 BVG verweisen.
Denn in der Fassung des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes verweist § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI für die Höhe des nicht in
die Einkommensanrechung einzubeziehenden Unfall-rentenbetrags nicht auf die "für das Beitrittsgebiet geltende
Grundrente nach dem BVG", sondern auf die "Grundrente nach § 31 i.V.m. § 84a Satz 1 und 2 BVG". Selbst wenn §
84a Satz 1 und 2 BVG aus sich heraus nach der (Teil-) Nichtigerklärung durch das BVerfG nicht mehr auf Vorschriften
anwendbar sein sollte, die auf die Grundrente nach § 31 BVG verweisen, so ordnet doch § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI
für die Bestimmung der Höhe des Betrages von Verletztenrenten aus der Unfallversicherung, der von der Anrechnung
auf Versichertenrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung freigestellt ist, ausdrücklich die Anwendung von §
84a Satz 1 und 2 BVG und damit der Maßgaben des EV, mithin der Absenkungsregelung in Anlage I Kapitel VIII
Sachgebiet K Abschnitt III Nr. 1 a EV, an. Dass diese Absenkungsregelung ab dem 01.01.1999 im unmittelbaren
Geltungsbereich des § 31 Abs. 1 BVG infolge der (Teil-) Nichtigerklärung durch das BVerfG unanwendbar geworden
ist, ändert daran nichts, dass sie kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung bei der Anrechnung von
Verletztenrenten aus der Unfallversicherung auf Versichertenrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung
anzuwenden ist. Dass der Gesetzestext in der Neufassung durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz zwischen der Zeit bis
zum 31.12.1998 und der Zeit ab dem 01.01.1999 nicht differenziert, tut nichts zur Sache. Entscheidend ist, dass in
ihm die Anwendung der nicht insgesamt für nichtig erklärten Absenkungsregelung des § 84a Satz 1 und 2 BVG i.V.m.
Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt III Nr. 1 a EV zur Bestimmung der Höhe des Freibetrages angeordnet
wird. Diese Absenkungsrege-lung ist durch die (Teil-) Nichtigerklärung nicht insgesamt hinfällig geworden. Sie hat wei-
terhin einen Normtext behalten, der es dem Gesetzgeber ermöglicht anzuordnen, dass die Absenkungsregelung auf
Vorschriften anzuwenden ist, die eine Rechtsfolgenverweisung auf die Grundrente nach § 31 BVG enthalten. Dass §
93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI damit die Höhe des Freibetrags in einer vom unmittelbaren Anwendungsbereich des § 31
BVG ab-weichenden Weise festlegt, ist keine Neuerung des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes. Vielmehr ist das Gesetz in
§ 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI seit jeher für die Bedürfnisse des Rentenversi-cherungsrechts von § 31 BVG abgewichen,
indem es für die Fälle einer MdE um 20 v.H. bzw. 10 v.H., in denen es keinen Anspruch auf Grundrente nach § 31
BVG gibt, nicht da-bei sein Bewenden ließ, also keinen Freibetrag einräumte, sondern eine ergänzende Rege-lung
geschaffen hat. Jedenfalls gibt es nach der Neufassung durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz in § 93 Abs. 2 Nr. 2a
SGB VI einen Normtext, der für die - nur im Wege der Rechtsfolgenverweisung herangezogene - Grundrente nach § 31
BVG ausdrück-lich die Anwendung des § 84a Satz 1 und 2 BVG und damit der Maßgaben des EV, also der in Anlage
I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt III Nr. 1 a EV enthaltenen Absen-kungsregelung, anordnet.
c) Die Beklagte hat § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI i.d.F. des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes rechnerisch zutreffend
angewandt und bei der Anrechnung der Verletztenrenten aus der gesetzlichen Unfallversicherung die Freibeträge
angesetzt, die bei einer MdE von 25 v.H. als Grundrente nach § 31 i.V.m. § 84a BVG geleistet würde (nämlich ab
01.01.1995: 163,00 DM; ab 01.07.1995: 167,00 DM; ab 01.01.1996: 174,00 DM; ab 01.07.1996: 175,00 DM; ab
01.07.1997: 184,00 DM; ab 01.07.1998: 186,00 DM; ab 01.07.1999: 191,00 DM; ab 01.07.2000: 192,00 DM; ab
01.07.2001: 196,00 DM; ab 01.01.2002: 100,00 EUR; ab 01.07.2002: 103,00 EUR; ab 01.07.2003: 104,00 EUR) und
bei einer MdE von 20 v.H. zwei Dritteln der niedrigsten Grundrente nach § 31 i.V.m. § 84a BVG entspräche (nämlich
ab 01.01.1995: 108,00 DM; ab 01.07.1995: 111,33 DM; ab 01.01.1996: 116,00 DM; ab 01.07.1996: 116,67 DM; ab
01.07.1997: 122,67 DM; ab 01.07.1998: 124,00 DM; ab 01.07.1999: 127,33 DM; ab 01.07.2000: 128,00 DM; ab
01.07.2001: 130,67 DM; ab 01.01.2002: 66,67 EUR; ab 01.07.2002: 68,67 EUR; ab 01.07.2003: 69,33 EUR). Nicht
dagegen hat die Beklagte die Freibeiträge angesetzt, die sich ohne Anwendung der Absenkungsrege-lung des § 84a
BVG ergäben (nämlich ab 01.01.1995: 211,00 DM bzw. 140,67 DM; ab 01.07.1995: 212,00 DM bzw. 141,33 DM; ab
01.07.1996: 213,00 DM bzw. 142,00 DM; ab 01.07.1997: 216,00 DM bzw. 144,00 DM; ab 01.07.1998: 217,00 DM bzw.
144,67 DM; ab 01.07.1999: 220,00 DM bzw. 146,67 DM; ab 01.07.2000: 221,00 DM bzw. 147,33 DM; ab 01.07.2001:
225,00 DM bzw. 150,00 DM; ab 01.07.2002: 117,00 EUR bzw. 78,00 EUR; ab 01.07.2003: 118,00 EUR bzw. 78,67
EUR). Dies erfolgte zu Recht, denn der Kläger hatte am 18.05.1990 seinen Wohnsitz im Beitrittsgebiet. Er gehört
damit zu den Personen, bei denen § 84a Satz 1 BVG die Anwendung der Maßgaben des EV, mithin der
Absenkungsregelung in Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt III Nr. 1 a EV, anordnet.
2. Die Kammer konnte sich nicht davon überzeugen, dass § 93 Abs. 2 SGB VI i.d.F. des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes
gegen Verfassungsrecht verstößt. Dies gilt sowohl, soweit die Neufassung dieser Bestimmung mit Wirkung vom
01.01.1992 (vgl. Art. 1 Nr. 19 und Art. 15 Abs. 2 des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes), mithin für die Zeit vor der
Beschlussfassung im Bundestag am 11.03.2004 (vgl. hierzu Deutscher Bundestag, 15. Wahlperiode, Proto-koll der
97. Sitzung vom 11.03.2004, S. 8670 A) erfolgt ist (a), als auch hinsichtlich der von dieser Bestimmung berührten
Grundrechte (b).
a) Die Neufassung des § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz verstößt nicht gegen das
verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot.
Aus den rechtsstaatlichen Prinzipien der Rechtssicherheit und des dadurch bewirkten Ver-trauensschutzes ergibt sich
ein grundsätzliches Verbot rückwirkender belastender Gesetze. Dabei wird zwischen echter Rückwirkung bzw.
Rückbewirkung von Rechtsfolgen und unechter Rückwirkung bzw. tatbestandlicher Rückanknüpfung unterschieden.
Eine echte Rückwirkung liegt dann vor, wenn ein Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit
angehörende Sachverhalte eingreift, eine unechte dann, wenn ein Gesetz auf gegenwärtige, noch nicht
abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich Rechtspositionen
nachträglich entwertet (vgl. BVerf-GE 101, 239, 263; 95, 64, 86; 75, 246, 279 f.; 68, 287, 306). Nach anderer
Abgrenzung, die im Regelfall zu den gleichen Ergebnissen führt, ist darauf abzustellen, ob eine Rückbewir-kung von
Rechtsfolgen oder eine tatbestandliche Rückanknüpfung vorliegt, d.h. ob die Rechtsfolgen einer Rechtsnorm für einen
Zeitpunkt eintreten würden, der vor ihrer Ver-kündung liegt, oder ob der Tatbestand einer Norm für künftige
Rechtsfolgen an Gegeben-heiten aus der Zeit vor ihrer Verkündung anknüpft (vgl. BVerfGE 109, 133, 181; 105, 17, 37
f.; 97, 67, 78 f.; 72, 200, 241 f.). Eine unechte Rückwirkung (bzw. tatbestandliche Rückanknüpfung) ist grundsätzlich
zulässig. Allerdings können sich aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und aus dem
Verhältnismäßigkeitsprinzip Grenzen der Zulässigkeit ergeben (vgl. BVerfGE 109, 133, 181 f.; 101, 230, 263; 97, 378,
389; 95, 64, 86). Dagegen ist eine echte Rückwirkung (bzw. Rückbewirkung von Rechtsfolgen) wegen Verstoßes
gegen die rechtsstaatlichen Gebote der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes grundsätzlich
verfassungswidrig (vgl. BVerfGE 109, 133, 181; 101, 230, 263; 98, 17, 39; 97, 67, 78 f.). Allerdings gibt es auch in
diesem Fall Ausnahmen. Denn das Rückwir-kungsverbot findet im Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht nur
seinen Grund, sondern auch seine Grenze (BVerfGE 101, 239, 266; 88, 384, 404). Das Rückwirkungsverbot tritt daher
zurück, wenn sich ausnahmsweise kein Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte (vgl.
BVerfGE 95, 64, 86 f.). Das ist namentlich dann der Fall, wenn die Betroffenen schon im Zeitpunkt, auf den die
Rückwirkung bezogen wird, nicht mit dem Fortbestand der Regelungen rechnen konnten. Ferner kommt ein
Vertrauensschutz nicht in Betracht, wenn die Rechtslage so unklar und verworren war, dass eine Klärung erwartet
werden musste. Schließlich muss der Vertrauensschutz zurücktreten, wenn über-ragende Belange des Gemeinwohls,
die dem Prinzip der Rechtssicherheit vorgehen, eine rückwirkende Beseitigung von Normen erfordern (vgl. BVerfGE
101, 239, 263 f.; 98, 17, 39; 88, 384, 404).
Die Neufassung des § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz stellt für die Zeit ab dem
Gesetzesbeschluss im Bundestag am 11.03.2004 (vgl. hierzu Deutscher Bundestag, 15. Wahlperiode, Protokoll der
97. Sitzung vom 11.03.2004, S. 8670 A) kein Rückwirkungsproblem dar. Denn der Schutz des Vertrauens in den
Bestand des alten Rechts endet in jedem Fall mit dem Beschluss des neuen Rechts (BVerfGE 97, 67, 79; 95, 64,
87). Mit dem Tag des Gesetzesbeschlusses müssen die Betroffenen mit der Verkün-dung und dem Inkrafttreten der
Neuregelung rechnen; es ist ihnen von diesem Zeitpunkt an zuzumuten, ihr Verhalten auf die beschlossene
Gesetzeslage einzurichten (BVerfGE 97, 67, 79).
Für die Zeit vor dem Gesetzesbeschluss am 11.03.2004 kann die Neufassung des § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI durch
das RV-Nachhaltigkeitsgesetz nur dann gegen das Rückwirkungs-verbot verstoßen, wenn damit die bestehende
Rechtslage nicht lediglich deklaratorisch klargestellt, sondern konstitutiv geändert wurde. Die Neufassung des § 93
Abs. 2 Nr. 2a SGB VI beinhaltet nur dann eine rückwirkende Gesetzesänderung, wenn diese Vorschrift nicht bereits in
ihrer alten Fassung dahingehend zu verstehen war, dass mit dem Betrag, der "als Grundrente nach dem BVG"
geleistet würde, auf alle die Höhe der Grundrente regelnden Bestimmungen des BVG, mithin nicht nur auf § 31 BVG,
sondern auch auf § 84a Satz 1 und 2 BVG, verwiesen wurde. Von den für das Recht der gesetzlichen Renten-
versicherung zuständigen Senaten des BSG hat der 4. Senat in einem Urteil vom 10.04.2003 (B 4 RA 32/02 R - SozR
4-2600 § 93 Nr. 2) § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI in sei-ner alten Fassung (a.F.) dahingehend ausgelegt, dass bei der
Anrechnung von Verletzten-renten aus der Unfallversicherung auf Versichertenrenten aus der gesetzlichen Rentenver-
sicherung ein "einheitlicher Freibetrag" einzustellen sei; einen "besonderen - reduzierten - Freibetrag" für das
Beitrittsgebiet sehe das Gesetz dagegen nicht vor. Demnach sollte bei der Bestimmung des Freibetrags allein die
Regelung des § 31 BVG, nicht jedoch auch die des § 84a Satz 1 und 2 BVG anzuwenden sein. Dem hat sich der 13.
Senat des BSG in ei-nem Urteil vom 20.11.2003 (B 13 RJ 5/03 R - SozR 4-2600 § 93 Nr. 3) im Ergebnis ange-
schlossen. Ausgehend von dieser Rechtsprechung, zu der die anderen Rentenversiche-rungssenate des BSG - der 5.
und 8. Senat - bisher noch nicht Stellung bezogen haben, wäre mit der Neufassung des § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI
durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz die Rechtslage nicht lediglich (deklaratorisch) klargestellt, sondern (konstitutiv)
geändert worden - und zwar rückwirkend, soweit sie für die Zeit vor dem Ge-setzesbeschluss am 11.03.2004 erfolgt
ist.
Selbst wenn der Rechtsprechung des 4. und 13. Senats des BSG zur Auslegung der alten Fassung des § 93 Abs. 2
Nr. 2a SGB VI gefolgt und in der Neufassung dieser Bestimmung durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz keine
Klarstellung, sondern eine rückwirkende Ände-rung der Rechtslage gesehen wird, ist sie nicht verfassungswidrig. Die
Neufassung entfal-tet eher unechte als echte Rückwirkung, weil mit ihr weniger nachträglich ändernd in ab-gewickelte,
der Vergangenheit angehörende Sachverhalte eingegriffen, als auf gegenwärti-ge, noch nicht abgeschlossene
Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft ein-gewirkt wurde. Denn in den meisten der Vergangenheit
angehörenden Sachverhalten, die von der Neufassung betroffen waren, lagen - wie im Falle des Klägers -
bestandskräftige Rentenbescheide vor, in denen entsprechend der Verwaltungspraxis der Rentenversiche-rungsträger
bei der Anwendung des § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI der Freibetrag unter Zugrundelegung von § 31 i.V.m. § 84a Satz 1
und 2 BVG bestimmt wurde. In diesen Fäl-len hat die Neufassung des § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI lediglich den
Charakter einer Hei-lungsvorschrift, weil sie für die Zukunft der Rücknahme der bestandskräftigen Rentenbe-scheide
die Grundlage entzieht. In diesen Fällen greift also die Neufassung nicht ändernd in abgewickelte Sachverhalte ein -
denn sie bestätigt nur deren Regelung durch die Ren-tenbescheide. Vielmehr wirkt sie auf noch nicht abgeschlossene
Sachverhalte ein - nämlich auf die Pflicht zur und den Anspruch auf Rücknahme der Rentenbescheide. Doch selbst
wenn der Neufassung des § 93 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI nicht nur unechte, sondern echte Rückwirkung zugesprochen
würde, wäre die Neufassung nicht unter Verstoß gegen die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Einschränkungen
rückwirkender Gesetzgebung erfolgt. Denn eine echte Rückwirkung (bzw. Rückbewirkung von Rechtsfolgen) ist
erlaubt, wenn sich ausnahmsweise kein Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte, was
insbesondere dann der Fall ist, wenn die Rechtslage so unklar und verworren war, dass eine Klärung erwartet werden
musste (vgl. BVerfGE 98, 17, 39; 88, 384, 404; 72, 200, 258 ff.; 30, 367, 388 ff.; 13, 261, 272). Dabei liegt eine
unklare und verworrene Rechtslage nicht schon dann vor, wenn der Gesetzestext sprachliche und wortlautbedingte
Unklarhei-ten aufweist (vgl. BVerfGE 24, 75, 101). Ein geeignetes Kriterium für die Erheblichkeit der Unklarheiten und
Zweifel ist dagegen, ob diese durch eine alternative Anwendung der klassischen Auslegungsmethoden ausgeräumt
werden können oder ob die kumulative An-wendung aller klassischen Methoden erforderlich ist (vgl. BVerfGE 50, 177,
194).
Die Rechtslage war unklar und unsicher. Es war alles andere als klar und eindeutig, dass die alte Fassung des § 93
Abs. 2 Nr. 2a SGB VI in dem Sinne zu verstehen war, den ihr der 4. und der 13. Senat in Urteilen vom 10.04.2003 und
20.11.2003 zugesprochen haben. Vor diesen Urteilen wurde sowohl in der Verwaltungspraxis als auch in der
instanzgerichtli-chen Rechtsprechung die Verweisung auf die "Grundrente nach dem BVG" in § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB
VI als Verweisung auf alle die Höhe der Grundrente regelnden Bestimmungen des BVG verstanden, mithin nicht nur
auf § 31 BVG, sondern auch auf § 84a BVG. Weder in der Literatur noch in der Rechtsprechung war die vom BSG
schließlich gefundene Aus-legung des § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI erwogen worden. In den Verfahren, die zu den Ur-
teilen des 4. und 13. des BSG führten (Sozialgericht [SG] Nordhausen, Urteil vom 07.03.2002 - S 4 RA 649/01 -
einerseits und Sächsisches Landessozialgericht [LSG], Urteil vom 22.10.2002 - L 5 RJ 23/02 - sowie SG Leipzig,
Urteil vom 12.12.2001 - S 12 RJ 346/01 - andererseits), ging es bezeichnenderweise darum, welche Auswirkung die
Teil-nichtigerklärung des § 84a BVG durch das Urteil des BVerfG vom 14.03.2000 (1 BvR 284/96 u.a. - BVerfGE 102,
41) hat. Diese Frage hätte sich nicht gestellt, wenn klar zu Tage gelegen hätte, dass § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI nur
auf § 31 BVG, nicht aber auch auf § 84a BVG verweist. Diese schließlich vom 4. Senat des BSG gewählte Auslegung
des § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI a.F. ist aber nicht nur nicht von den Vorinstanzen vorweg ge-nommen, sondern von
diesen überhaupt nicht erwogen worden. Der 4. Senat des BSG ist zu seiner Auslegung erst unter Heranziehung
sämtlicher klassischer Methoden und mit erheblichem Argumentationsaufwand gelangt. Der 13. Senat des BSG hat
sich zwar im Ergebnis dem 4. Senat angeschlossen, in der Begründung ist er ihm aber nur mit Ein-schränkungen
gefolgt.
Die Auslegung der alten Fassung des § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI durch den 4. und 13. Se-nat des BSG ist zwar
denkbar, aber nicht zwingend. Es sprechen gute Gründe gegen diese Auslegung, die daher in der instanzgerichtlichen
Rechtsprechung nicht ohne Kritik geblie-ben ist (vgl. LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteile vom 10.11.2004 - L 4 RA
100/04 -, 09.03.2005 - L 7 RJ 79/04 - und 13.04.2005 - L 4 RA 1/03 -; SG Dresden, Urteile vom 05.01.2005 - S 8 RA
608/04 - und 01.06.2005 - S 12 RA 124/01). Weder aus Wortlaut noch aus Sinn und Zweck, Regelungsgeschichte
oder systematischer Stellung des § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB V a.F. ergibt sich zwingend, dass bei der Anrechnung einer
Verletzten-rente aus der Unfallversicherung auf eine Versichertenrente aus der gesetzlichen Renten-versicherung als
Freibetrag allein der Grundrentenbetrag zu berücksichtigen ist, der sich aus der Anwendung des § 31 BVG, nicht aber
derjenige, der sich aus Anwendung aller die Grundrente regelnden Bestimmungen des BVG, mithin auch des § 84a
BVG, ergibt.
Nach Auffassung des 4. Senats des BSG verbietet es schon der Wortlaut des § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI a.F., bei
der Bestimmung des Freibetrages zwischen Rentenberechtigten in den neuen und den alten Bundesländern zu
differenzieren (BSG SozR 4-2600 § 93 Nr. 2 Rn. 21 f.). Dies hält indessen einer näheren Überprüfung nicht stand.
Zwar enthält der Wortlaut des § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI a.F. keinen ausdrücklichen Hinweis auf eine Dif-ferenzierung
nach dem Wohnsitz des Rentenberechtigten. Doch ergibt sich diese Differen-zierung aus den Vorschriften des BVG
über die Grundrente, auf die § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI seinem Wortlaut nach zur Bestimmung des Freibetrags
verweist. Gerade der pau-schale Verweis in § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI a.F. auf den Betrag, der als "Grundrente nach
dem BVG" geleistet würde, spricht dafür, dass für die Bestimmung dieses Betrages alle Vorschriften des BVG über
die Grundrente heranzuziehen sind, mithin neben § 31 BVG auch § 84a Satz 1 und 2 BVG. Bezeichnenderweise ist
der 13. Senat dem 4. Senat des BSG insoweit nicht gefolgt. Vielmehr hat der 13. Senat zugegeben, dass der Wortlaut
des § 93 Abs. 2 Nr. 2 a SGB VI a.F. für eine Auslegung dahingehend offen ist, nach der auf den Freibetrag auch §
84a BVG i.V.m. den Maßgaben des EV angewandt wird. Für eine solche Auslegung könnte - so der 13. Senat - die
konjunktivische Formulierung ("als Grundrente nach dem BVG ... geleistet würde") sprechen, die so verstanden
werden könn-te, als sei diejenige Grundrente zu berücksichtigen, die je nach Herkunft des Versicherten konkret zu
leisten wäre (BSG SozR 4-2600 § 93 Nr. 3 Rn. 14). Dabei ist im Auge zu behalten, dass das BVG nicht zwei
verschiedene Grundrenten, nicht eine "Grundrente Ost" bzw. "Grundrente nach § 84a BVG" neben einer "Grundrente
West" bzw. "Grundrente nach § 31 BVG" kennt, sondern nur eine Grundrente, die ihre Grundlage in § 31 BVG hat,
jedoch an Personen, die unter § 84a Satz 1 und 2 BVG fallen, nach Maßgabe des EV ge-leistet wird. Differenzieren
aber die Vorschriften des BVG, auf die § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI a.F. zur Bestimmung des Freibetrags verweist, zur
Bestimmung der Höhe der Grund-rente danach, wo der Berechtigte am 18.05.1990 seinen Wohnsitz oder
gewöhnlichen Auf-enthalt hatte (§ 84a Satz 1 BVG) bzw. wo er diesen nach diesem Stichtag begründet hatte (§ 84a
Satz 2 BVG), so bedarf es eines ausdrücklichen Hinweises auf diese Differenzie-rung in der Verweisungsnorm nicht.
Der Hinweis auf die fehlende Differenzierung nach dem Wohnsitz des Rentenberechtigten im Wortlaut des § 93 Abs. 2
Nr. 2a SGB VI a.F. greift daher zu kurz.
Auch aus Sinn und Zweck der Freibetragsregelung des § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI a.F. ergibt sich nichts anderes.
Dem 4. und 13. Senat des BSG ist darin zuzustimmen, dass Sinn und Zweck der Freibetragsregelung es war und ist,
den Teil der Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung von der Anrechnung auf die Versichertenrente
aus der gesetzlichen Rentenversicherung auszunehmen, der dem Ausgleich immaterieller Schäden dient (vgl. BSG
SozR 4-2600 § 93 Nr. 2 Rn. 23, Nr. 3 Rn. 16). Da sich aus den Unfallren-ten selbst der Anteil des immateriellen
Schadens nicht ermitteln lässt, knüpft § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI an die Grundrente nach dem BVG an, die praktisch
nur noch den immate-riellen Schaden abdeckt (vgl. zu letzterem BVerfGE 102, 41, 59 f.). Diese Anknüpfung, die in
erster Linie aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität geschieht, spricht nicht ge-gen, sondern für eine Anwendung
des § 84a BVG bei der Bestimmung des Freibetrages. Denn auch die nach Maßgabe der Absenkungsregelung des
EV an den von § 84a Satz 1 und 2 BVG erfassten Personenkreis geleistete Grundrente dient dem Ausgleich des
imma-teriellen Schadens. Zu etwas anderem führt auch nicht der Hinweis, § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI a.F. sichere mit
der Anknüpfung an die Grundrente nach dem BVG die Gleichbe-handlung der unfallverletzten Rentenberechtigten
(BSG SozR 4-2600 § 93 Nr. 2 Rn. 30). Gerade der Hinweis des 13. Senats des BSG darauf, dass ein in Ost und West
gleich hoher Freibetrag bei einem in Ost und West unterschiedlich hohem Grenzbetrag dazu führt, dass bei
Rentenberechtigten, die unter § 84a Satz 1 und 2 BVG fallen, ein höherer Anteil der Unfallrente verschont bleibt (BSG
SozR 4-2600 § 93 Nr. 3 Rn. 17), macht deutlich, dass die Nichtanwendung des § 84a BVG selbst zu einer
Ungleichbehandlung führt, weil sie die Formel des § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI a.F. durcheinanderbringt, die bei der
Höhe des Jah-resarbeitsverdiensts, auf den darin zur Bestimmung des Grenzbetrags verwiesen wird, im-plizit eine
Differenzierung nach Ost und West enthält (vgl. § 95 Abs. Satz 1 SGB VII, der auch auf § 255a SGB VI verweist).
Auch der Umstand, dass die Anknüpfung des Freibe-trags an die Grundrente nach dem BVG in § 93 Abs. 2 Nr. 2a
SGB VI a.F. eine Rechtsfol-gen-, nicht aber eine Rechtsgrundverweisung beinhaltet (BSG SozR 4-2600 § 93 Nr. 2 Rn.
31), führt nicht zwingend zu einem anderen Ergebnis. Denn Grundlage für den Anspruch auf Grundrente ist auch im
Beitrittsgebiet § 31 BVG; § 84a Satz 1 und 2 BVG enthält i.V.m. den Maßgaben des EV nur eine Sonderregelung über
die Höhe dieses Anspruchs. Weil § 84a Satz 1 und 2 BVG mit dem Verweis auf die Maßgaben des EV allein die
Rechtsfolgen von § 31 BVG abweichend regelt, braucht § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI a.F. keine Rechtsgrundverweisung
zu sein, um auch auf § 84a BVG verweisen zu können. Selbst wenn sich der Freibetrag nach § 31 und § 84a Satz 1
und 2 BVG bestimmt, müssen die unfallverletzten Rentenberechtigten, die am 18.05.1990 ihren Wohnsitz oder
gewöhnli-chen Aufenthalt im Beitrittsgebiet hatten bzw. nach diesem Stichtag dort begründet hatten, nicht auch noch
Kriegsopfer - d.h. Beschädigte im Sinne der §§ 1 ff. BVG - sein.
Die Regelungsgeschichte zwingt ebenfalls nicht dazu, von dem Verweis auf die "Grund-rente nach dem BVG" nur
einen Teil der Vorschriften über diese Grundrente erfasst anzu-sehen. Zwar trifft es zu, worauf der 4. Senat des BSG
hingewiesen hat (SozR 4-2600 § 93 Nr. 2 Rn. 33), dass der Gesetzgeber des Rentenreformgesetzes 1992 vom
18.12.1989 (BGBl. I S. 2261), mit dem das SGB VI eingeführt wurde, noch nicht zwischen Rentenbe-rechtigten im
Bundesgebiet und dem Gebiet der damals noch existierenden DDR unter-schieden hat. An den durch den EV
eingeführten § 84a BVG war folglich bei Schaffung des § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI nicht gedacht worden. Jedoch hat
der Gesetzgeber des Ren-tenreformgesetzes 1992 die Vorschrift des § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI als dynamische
Rechtsfolgenverweisung ausgestaltet und damit ermöglicht, dass sich der Freibetrag nicht nur nach den damals
geltenden Grundrentenbeträgen bestimmt, sondern alle sich künftig aus dem BVG ergebenden Grundrentenbeträge
erfasst - und damit neben den wiederkeh-renden Anpassungen der in § 31 BVG aufgeführten Geldbeträge auch die
besonderen Be-träge, die sich aus § 84a BVG i.V.m. den Maßgaben des EV ergeben. Angesichts dessen war eine
Änderung des § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI bei der Überleitung des bundesdeut-schen Rentenversicherungsrechts auf
das Beitrittsgebiet durch Rentenüberleitungsgesetz (RÜG) vom 25.07.1991 (BGBl. I S. 1606) weder notwendig noch
zu erwarten. Im übrigen existierte bei der Ausdehnung des SGB VI auf das Beitrittsgebiet durch das RÜG bereits die
Bestimmung des § 84a BVG. In Kenntnis dieser Bestimmung hat der Gesetzgeber die Anrechnungsvorschrift des §
93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI im Beitrittsgebiet eingeführt.
Schließlich schließt es auch nicht die Systematik des Gesetzes aus, von der Verweisung auf die "Grundrente nach
dem BVG" nicht nur die Vorschrift des § 31 BVG, sondern auch die des § 84a Satz 1 und 2 BVG erfasst anzusehen.
Zwar trifft es zu, dass im 2. Kapitel des SGB VI Regelungen enthalten sind, die einheitliche Geltung im gesamten
Bundesgebiet beanspruchen; Sonderregelungen sind dagegen im 5. Kapitel des SGB VI verankert (vgl. BSG SozR 4-
2600 § 93 Nr. 2 Rn. 34). Doch erübrigt sich bei einer Rechtsfolgenverwei-sung eine Sonderregelung im SGB VI, wenn
bereits das Gesetz, auf das verwiesen wird, eine Sonderregelung enthält. In einem solchen Fall ist es nicht zwingend,
dass der Gesetz-geber um der von ihm geschaffenen Systematik willen in einer Sonderregelung des SGB VI auf eine
Sonderregelung in dem Gesetz verweist, auf das in einer allgemeinen Regelung des SGB VI bereits verwiesen wurde.
In einem solchen Fall spricht das Gebot der Rechts-klarheit eher dafür, von der für den juristischen Laien eher
verwirrenden Systematik des SGB VI abzugehen.
Auch wenn die Auslegung, die der 4. und 13. Senat des BSG § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI a.F. gegeben haben,
durchaus denkbar ist, so ergibt sich doch weder aus Wortlaut noch aus Sinn und Zweck, Regelungsgeschichte oder
Systematik des Gesetzes zwingend, dass darin mit der "Grundrente nach dem BVG" nicht auf alle Vorschriften des
BVG über die Grund-rente, sondern nur auf § 31 BVG verwiesen wurde. Erstmals in dem Urteil des 4. Senats des
BSG vom 10.04.2003 (SozR 4-2600 § 93 Nr. 2) ist überhaupt erwogen worden, dass die Verweisung in § 93 Abs. 2 Nr.
2a SGB VI a.F. nicht § 84a BVG erfasst haben könnte. Vor diesem Urteil konnte schützenswertes Vertrauen in die
darin entgegen der Verwal-tungspraxis und der instanzgerichtlichen Rechtsprechung entwickelte Auslegung des § 93
Abs. 2 Nr. 2a SGB VI a.F. noch nicht entstanden sein. Aber auch nach deren Bestätigung durch das Urteil des 13.
Senats des BSG vom 20.11.2003 (SozR 4-2600 § 93 Nr. 3) konnte von einer klaren und sicheren Rechtslage noch
nicht die Rede sein. Denn in diesen Urteilen sind zwei von vier Rentenversicherungssenaten des BSG nur mit
erheblichem Begrün-dungsaufwand und bei vielen verbleibenden Zweifelsfragen zu ihrer Auslegung des § 93 Abs. 2
Nr. 2a SGB VI a.F. gelangt. Eine Klärung durch den Gesetzgeber - wie sie dann auch bereits im März 2004 erfolgte -
musste bei dieser Sachlage erwartet werden.
Schutzwürdiges Vertrauen konnte aber auch aus einem anderen Grunde nicht entstehen. Der Gesetzgeber durfte
neben der Unklarheit der Rechtslage auch berücksichtigen, dass die Rentenbezugszeiten vor dem
Gesetzesbeschluss bereits mit bestandskräftigen Verwal-tungsakten abschließend geregelt waren, in denen -
entsprechend der Verwaltungspraxis der Rentenversicherungsträger - bei Rentenberechtigten, die am 18.05.1990 ihren
Wohn-sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet hatten bzw. nach diesem Stichtag dort begründet hatten,
nur der Betrag der Verletztenrente aus der Unfallversicherung von der Anrechnung auf die Versichertenrente aus der
gesetzlichen Rentenversicherung freigestellt war, der sich aus § 31 i.V.m. § 84a Satz 1 und 2 BVG und den
Maßgaben des EV ergab. Die Neufassung des § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI hat damit bei den Personen, die bereits vor
dem Beschluss des das RV-Nachhaltigkeitsgesetzes eine Verletztenrente aus der Unfall-versicherung neben einer
Versichertenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezo-gen, gerade nicht in bereits gewährte
Rentenpositionen eingegriffen. Sie hat vielmehr für diesen Personenkreis, dem der Kläger angehört, lediglich den
Charakter einer Heilungsvor-schrift. Auch weil das RV-Nachhaltigkeitsgesetz bei diesem Personenkreis nicht in lang-
jährig gewährte Rentenpositionen eingegriffen, sondern nur eine in bestandskräftigen Ren-tenbescheiden getroffene
Regelung bestätigt hat, überschreitet die Neufassung des § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI nicht die in den
rechtsstaatlichen Prinzipien der Rechtssicherheit und des dadurch bewirkten Vertrauensschutzes wurzelnden Grenzen
rückwirkender Ge-setzgebung.
b) Die Kammer vermag auch nicht zu erkennen, dass die in § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI i.d.F. RV-
Nachhaltigkeitsgesetz nunmehr ausdrücklich angeordnete Anwendung der Ab-senkungsregelung des § 84a Satz 1 und
2 BVG i.V.m. den Maßgaben des EV auf den Be-trag, in dem die Verletztenrente aus der Unfallversicherung von der
Anrechnung auf die Versichertenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung freigestellt ist, gegen Grund-rechte
verstößt.
Insbesondere vermag die Kammer dem 4. Senat des BSG nicht darin zu folgen, dass darin ein unverhältnismäßiger
Eingriff in das Eigentumsgrundrecht (Art. 14 Abs. 1 GG) der Ren-tenbezieher liegt. Der 4. Senat des BSG hatte dabei
darauf abgehoben, dass die tatsächli-chen Unterschiede zwischen den neuen und den alten Bundesländern sich
bereits im nied-rigeren aktuellen Rentenwert wiederspiegeln; ein nochmaliger Abschlag bei Freibetrag würde
Versicherte im Beitrittsgebiet im Vergleich zu denen im alten Bundesgebiet unver-hältnismäßig belasten (vgl. BSG
SozR 4-2600 § 93 Nr. 2 Rn. 38). Bei näherem Zusehen zeigt sich jedoch, dass die Anwendung der
Absenkungsregelung des § 84a Satz 1 und 2 BVG i.V.m. den Maßgaben des EV den Abschlag beim aktuellen
Rentenwert nicht ver-stärkt, sondern diesen nur wahrt. In die Formel, nach der nach § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI die
Anrechnung von Verletztenrenten aus der Unfallversicherung auf Versichertenrenten aus der gesetzlichen
Rentenversicherung erfolgt, gehen an mehreren Stellen Abschläge bei Rentenbeziehern im Beitrittsgebiet ein:
Zunächst über den aktuellen Rentenwert (§ 255a SGB VI) bei der monatlichen Rente aus der gesetzlichen
Rentenversicherung, sodann über den Jahresarbeitsverdienst und seine Anpassung (§ 95 SGB VII) bei der
monatlichen Rente aus der Unfallversicherung sowie beim Grenzbetrag und schließlich beim Freibetrag, so-weit auf
seine Berechnung § 84a Satz 1 und 2 BVG i.V.m. den Maßgaben des EV an-wendbar sind. Dabei verweisen
bezeichnenderweise sowohl § 95 Abs. 1 Satz 1 SGB VII als auch § 84a BVG i.V.m. Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet
K Abschnitt III Nr. 1a EV auf die Anpassung der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Werden alle in §
93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI erwähnten Berechnungsfaktoren im Beitrittsgebiet abgesenkt ange-setzt, so wird dadurch
nur die Relation zwischen diesen Berechnungsfaktoren gewahrt, wie sie bei ihrer Anwendung im alten Bundesgebiet
besteht. Wird dagegen einer dieser Be-rechnungsfaktoren im Beitrittsgebiet ohne Absenkung angesetzt, führt dies
zwangsläufig zu einer Verschiebung der Relation. Geschieht dies nur beim Freibetrag, so wirkt sich dies dahingehend
aus, dass bei unfallverletzten Rentnern im Beitrittsgebiet ein höherer Anteil der Unfallrente nicht in die Anrechung
einbezogen wird als bei unfallverletzten Rentnern im alten Bundesgebiet. Hierauf hat bereits der 13. Senat des BSG in
seinem Urteil hinge-wiesen (vgl. BSG SozR 4-2600 § 93 Nr. 3 Rn. 17). Der Ausschuss für Gesundheit und So-ziale
Sicherung hat diesen Aspekt bei der Beratung des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes be-sonders hervorgehoben und dazu
ausgeführt: "1992 [betrugen] die Leistungen sowohl aus der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung als auch aus
der Rente der gesetzlichen Unfallversicherung rd. 57 bis 58 Prozent der jeweiligen Leistung im Westen ... Unter Be-
achtung auch des § 84a BVG bei der Bestimmung des Freibetrages betrug ... bei einem Zusammentreffen der beiden
Renten ebenfalls die Gesamtleistung rd. 58 Prozent der Ge-samtleistung im Westen. Würde ... an Stelle des
Freibetrags Ost der Freibetrag West auch in den neuen Ländern gelten, betrüge das Verhältnis der Gesamtleistung im
Osten zu der im Westen im Jahr 1992 dagegen 69 Prozent" (Bundestags-Drucks. 15/2678 S. 22 f.). An-gesichts
dessen kann von einer doppelten Benachteiligung der unfallverletzten Rentner im Beitrittsgebiet, wie sie vom 4. Senat
des BSG behauptet wurde, nicht die Rede sein.
(2) Auch ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht erkennbar. Zwar differenziert
die durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz neu gefasste Freibe-tragsregelung in § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI mit ihrer
Verweisung auf § 84a Satz 1 und 2 BVG und die Maßgaben des EV zwischen Rentenberechtigten in den alten und
den neuen Bundesländern. Doch ist die unterschiedliche Behandlung von Rentenberechtigten in West und Ost
aufgrund der weiterhin bestehenden unterschiedlichen Lebens- und Wirtschafts-verhältnisse noch nicht
verfassungswidrig. Dass das niedrigere Rentenniveau in den neuen Bundesländern generell gegen Art. 3 Abs. 1 GG
verstoße, ist indessen auch nicht vom 4. Senat des BSG behauptet worden. Dieser vertrat nur, aber immerhin die
Auffassung, dass für eine Differenzierung nach dem Wohnsitz des Rentenberechtigten im Hinblick auf die Funktion
der Freibetragsregelung des § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI kein Sachgrund bestehe. Dieser bestehe darin, den
immateriellen Schaden des Unfallopfers zu bestimmen und die-sen von der Anrechnung freizustellen. Für die
Annahme, der Wohnsitz des Opfers könne den immateriellen Schaden beeinflussen, könnten sachliche Gründe nicht
ernsthaft geltend gemacht werden (BSG SozR 4-2600 § 93 Nr. 2 Rn. 44). Das BVerfG hat dies in seinem Urteil vom
14.03.2000 (1 BvR 184/96 u.a. - BVerfGE 102, 41) zur Verfassungsmäßigkeit der Ungleichbehandlung der Kriegsopfer
in Ost und West jedoch anders gesehen. Obwohl das BVerfG in diesem Urteil der Beschädigtengrundrente nach § 31
Abs. 1 BVG nur noch die Funktion eines immateriellen Opferausgleichs zugesprochen hat (vgl. BVerfGE 102, 41, 59
f.), hat es die Differenzierung zwischen Kriegsopfern in den alten und den neuen Bundesländern, zu der § 84a BVG
i.V.m. den Maßgaben des EV führte, nicht von deren Inkrafttreten (01.01.1991) an, sondern erst ab 01.01.1999 für
verfassungswidrig erachtet (vgl. BVerfGE 102, 41, 55 ff.). Es hat nicht bereits in der Differenzierung zwischen Ost
und West bei der Bestimmung des immateriellen Schadens eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung
gesehen, sondern einen Gleichheitsverstoß erst aus der besonderen Situation der Kriegsopfer - ihrem Alter und dem
gleichen Opfer, das sie für den gleichen Staat erbracht haben - hergeleitet (vgl. BVerfGE 102, 41, 58 ff., insbes. 59
und 61). Die Situation der unfallverletzten Rentenberechtigten ist aber insoweit mit der der Kriegsopfer nicht
vergleichbar: Sie befinden sich nicht notwendig in einem Alter, das es unwahrschein-lich macht, dass sie noch eine
Angleichung der Renten in Ost und West erleben werden. Vor allem aber beruht ihre Unfallrente nicht auf einem Opfer,
das sie für den gleichen Staat erbracht haben, sondern auf Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten, die sie in ganz
unterschiedlichen Betrieben erlitten haben.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 161 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 160
Abs. 2 Nr. 1 SGG).