Urteil des SozG Chemnitz vom 19.07.2005

SozG Chemnitz: ddr, betroffene person, ingenieur, zugehörigkeit, kreis, verordnung, diplom, leiter, qualifikation, alter

Sozialgericht Chemnitz
Urteil vom 19.07.2005 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Chemnitz S 16 RA 1161/03
I. Die Klage wird abgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem Nr. 1
der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, Beschäftigungszeiten
des Klägers als Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesen Zeiten
tatsächlich erzielten Entgelte festzustellen.
Der im ...Jahre geborene Kläger erwarb am 29.03.1985 an der Ingenieurhochschule Z ... den Abschluß eines
Diplomingenieurs der Fachrichtung Kraftfahrzeugtechnik.
Anschließend arbeitete er vom 01.03.1985 bis über den 30.06.1990 hinaus im damaligen VEB S. Automobilwerke Z.,
und zwar zunächst als Gruppenleiter, ab September 1985 als Absatzleiter, ab April 1988 dann als
Hauptabteilungsleiter Vertrieb und zuletzt ab dem 01.01.1990 als "Leiter des Büros des Betriebsdirektors".
Von der DDR hat der Kläger keine Versorgungszusage bzw. Bewilligung eines Rechts auf Versorgungsrente erhalten.
Den Antrag des Klägers vom 27.03.2002 auf Feststellung der Beschäftigungszeit vom 01.03.1985 bis 30.06.1990 als
Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24.03.2003 ab.
Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger am 07.04.2003 Widerspruch.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28.07.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Zur Begründung führte sie aus, der Kläger sei in dem von ihm geltend gemachten Zeitraum weder in ein
Versorgungssystem einbezogen gewesen, noch habe er einen Anspruch auf eine Versorgungszusage gehabt. Im Juni
1990 habe der Kläger zwar die Qualifikation als (Diplom-)Ingenieur besessen und sei auch in einem volkseigenen
Produktionsbetrieb tätig gewesen. Jedoch sei er zum 30.06.1990 nicht im weitesten Sinne als Ingenieur tätig
gewesen, sondern als "Leiter des Büros des Betriebsdirektors". Dies erfülle die Voraussetzung der Einbeziehung in
das Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz nicht.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 25.08.2003 das Sozialgericht Chemnitz angerufen.
Zur Begründung hat er angeführt, beim VEB S. Automobilwerke Z. sehr wohl auf ingenieurtechnischem Gebiet tätig
gewesen zu sein. Seine Tätigkeitsgebiete als "Leiter des Büros des Betriebsdirektors" hätten sich wie folgt
dargestellt:
- Strategische Strukturplanung - Implementierung EDV-gestützter Fabriksteuerungssysteme - Ingenieurtechnische
Bewertung und Gestaltung der unternehmensübergreifenden Prozesse
Die zum 01.01.1990 übernommene Funktion sei den gesellschaftlichen Veränderungen in der damaligen DDR und der
anstehenden Privatisierung des VEB S. Automobilwerke Z. geschuldet gewesen. Durch seine profunden Kenntnisse
als Konstrukteur habe er jedoch auch in dieser Funktion einen hervorragenden und technisch fundierten Einfluß auf
den Produktionsprozeß genommen. Im Grunde genommen hätte sich sein Aufgabengebiet gegenüber dem vorherigen
als Hauptabteilungsleiter Vertrieb nicht wesentlich geändert.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 24.03.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2003 aufzuheben
und die Beklagte zu verurteilen, die Beschäftigungszeit vom 01.03.1985 bis 30.06.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zu
einem Zusatzversorgungssystem sowie die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Entgelte festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich inhaltlich im wesentlichen auf die Begründung des Widerspruchsbescheides.
Das Gericht hat die Akte der Beklagten beigezogen. Diese sowie die in der Klageakte enthaltenen Schriftsätze der
Beteiligten waren Grundlage der Entscheidung. Hierauf und auf den übrigen Akteninhalt wird zur Ergänzung des
Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Denn die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der geltend gemachten Beschäftigungszeiten und dazugehörigen
Entgelte als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem durch die Beklagte.
I.
Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt das AAÜG für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu
Zusatz? und Sonderversorgungssystemen im "Beitrittsgebiet" (der DDR) erworben worden sind. Ist ein solcher
Tatbestand gegeben, hat der zuständige Versorgungsträger (§ 8 Abs. 4 AAÜG) ? hier die Beklagte ? dem
Rentenversicherungsträger die für die Berechnung der Rentenhöhe (genauer: die Ermittlung der sich aus diesen
Beschäftigungszeiten ergebenden Entgeltpunkte, § 259 b Sechstes Buch Sozialgesetzbuch ? SGB VI) erforderlichen
Daten mitzuteilen (§ 8 Abs. 2 AAÜG) und dem Versicherten gegenüber einen entsprechenden Bescheid zu erlassen (§
8 Abs. 3 AAÜG).
Nach der ständigen und mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des 4. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) setzt
die Anerkennung von Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem, die gemäß § 5 Abs. 1 AAÜG als
Pflichtbeitragszeiten im Sinne des SGB VI "fingiert" werden, nicht zwingend voraus, daß diese Zugehörigkeit ihre
Grundlage in einem bindenden Verwaltungsakt findet, der von den dafür zuständigen Behörden bis zum 30.06.1990
erteilt wurde. Vielmehr ist darüber hinaus zu prüfen, ob der jeweilige Versicherte - aufgrund der am 30.06.1990
gegebenen Sachlage, - nach der am 31.07.1991 bestehenden bundesrechtlichen Rechtslage im nunmehr
rechtsstaatlichen Umfeld unter Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes einen "Anspruch auf eine Versorgungszusage"
nach den bundesrechtlichen leistungsrechtlichen Regelungen der Versorgungssysteme gehabt hätte (s. z.B. Urteil des
BSG vom 09.04.2002, Az.: B 4 RA 42/01 R).
Dabei hängt ein solcher Anspruch gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen
Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17.08.1950 (GBl. DDR I Nr. 93 S. 839)
i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 der 2. Durchführungsbestimmung (DB) zu dieser Verordnung vom 24.05.1951 (GBl. Nr. 62 S.
487) von drei (persönlichen, sachlichen und betrieblichen) Voraussetzungen ab. Denn dieses System war generell
eingerichtet für a) Personen, die berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen und b) die
entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben, und zwar c) in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im
Bereich der Industrie oder des Bauwesens (Urteil des BSG vom 09.04.2002 ? B 4 RA 41/01 R).
Diese Voraussetzungen müssen, da die Zusatzversorgungssysteme der DDR zu jenem Zeitpunkt geschlossen
wurden, zum Stichtag 30.06.1990 auch kumulativ noch vorgelegen haben. Auf diesen Punkt ist nochmals besonders
hinzuweisen - nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kommt eine nachträgliche – faktische –
Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem bei Personen, die in der DDR keine ausdrückliche
Versorgungszusage erhalten haben, nämlich nur dann in Betracht, wenn diese Personen zum letztmöglichen
Zeitpunkt der Erteilung einer solchen Zusage – also zum Zeitpunkt der Schließung der Versorgungssysteme am
30.06.1990 – aufgrund ihrer persönlichen, sachlichen und betrieblichen Voraussetzungen wenigstens noch die
theoretische Chance (Anwartschaft) hatten, eine Versorgungszusage zu erhalten.
II.
Im vorliegenden Fall erfüllte der Kläger zwar in jedem Falle die Voraussetzung a), d.h., er hatte die Qualifikation als
Diplom-Ingenieur.
Die Voraussetzung b) war jedoch nicht erfüllt.
Entgegen der Auffassung des Klägers handelte es sich bei seiner damaligen Tätigkeit im VEB S. Automobilwerke Z.
nicht um eine der Versorgungsordnung unterfallende Beschäftigung.
Für die Beurteilung der Frage einer Einbezogenheit in das Versorgungssystem ist der Wortlaut der von der DDR
erlassenen Versorgungsordnung nebst der dazu ergangenen 1. und 2. Durchführungsbestimmungen heranzuziehen.
Auf eine – ggf. abweichende - Verwaltungspraxis der DDR kommt es hingegen nicht an.
a)
Die nach § 5 der Versorgungsordnung erlassene 2. Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche
Altersversorgung der technischen Intelligenz umschreibt den Kreis der Versorgungsberechtigten zunächst wie folgt:
"Als Angehörige der technischen Intelligenz im Sinne des § 1 der Verordnung vom 17. August 1950 über die
zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben
gelten: Ingenieure, Konstrukteure, Architekten und Techniker aller Spezialgebiete, wie Ingenieure und Techniker des
Bergbaus, der Metallurgie, das Maschinenbaues, der Elektrotechnik, der Feinmechanik und Optik, der Chemie, des
Bauwesens und Statiker. Zu diesem Kreis gehören ferner Werkdirektoren und Lehrer technischer Fächer an den Fach-
und Hochschulen.
Der Kläger ist zwar (Diplom-)Ingenieur im Sinne der o.g. Vorschrift.
Jedoch ergibt sich aus der bereits zuvor im Jahre 1950 erlassenen 1. Durchführungsbestimmung zur Verordnung über
die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz im dortigen § 1 Satz 1 ausdrücklich, daß die potentiell
Versorgungsberechtigten zudem " ...konstruktiv und schöpferisch in einem Produktionsbetrieb verantwortlich tätig ..."
sein mußten und dabei " ...hervorragenden Einfluß auf die Herstellungsvorgänge nehmen ...".
Dieses Erfordernis wird auch nochmals bekräftigt in der bereits genannten, im Jahre 1951 erlassenen 2.
Durchführungsbestimmung, in der es weiter heißt, daß die betroffene Person in seinem Beschäftigungsbetrieb durch
seine Arbeit " ...bedeutenden Einfluß auf den Produktionsprozeß ..." ausgeübt haben mußte.
Das Bundessozialgericht hat in ständiger Rechtsprechung aus den obigen Formulierungen die Schlußfolgerung
abgeleitet, daß der Betreffende eine sogenannte "ingenieurtechnische Beschäftigung" ausgeübt haben muß, wobei die
Betonung auf "technisch" in Abgrenzung zu "ökonomisch", "verwaltend", "planend" etc. liegt, vgl. zuletzt Urteil vom
26.10.2004, Az.: B 4 RA 23/04 R.
Übertragen auf den vorliegenden Fall heißt das:
Der Kläger war zum maßgeblichen Stichtag 30.06.1990 tätig als "Leiter des Büros des Betriebsdirektors".
Die von ihm angegebenen Tätigkeitsbereiche seiner damaligen Position – für die der Kläger den früheren
Geschäftsführer der S. Automobilwerke Z. GmbH, Herrn W. N., als Zeugen benannt hat, die das Gericht jedoch
insoweit ohne weiteres als wahr unterstellt, was die Vernehmung des Zeugen erübrigt – sprechen eindeutig dafür, daß
der Kläger eine Leitungs- und Verwaltungsfunktion innehatte, vgl. solche Begriffe wie "Strategische Strukturplanung"
u.a.
Das sind Tätigkeiten, die zwar zur Aufrechterhaltung des Betriebes notwendig waren und denen selbstverständlich
auch ein technischer Aspekt innewohnte. Mit dem Primärproduktionsprozeß hatten sie allerdings nicht unmittelbar zu
tun und der von der 1. Durchführungsbestimmung verlangte "hervorragende Einfluß auf die Herstellungsvorgänge" ging
von ihnen erkennbar nicht aus.
Daß die Verwaltungs- und Leitungsebene eines Betriebes dem Kreis der obligatorisch in die Zusatzversorgung
Einbezogenen indessen nicht unterfiel, ergibt sich im Umkehrschluß aus der Auslegung des Wortlauts der
Versorgungsanordnung sowie der Durchführungsbestimmungen.
In der oben bereits zitierten 2. Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der
technischen Intelligenz sind nämlich im Hinblick auf den Kreis der obligatorisch Einbezogenen die "Werkdirektoren"
ausdrücklich gesondert aufgeführt. Die gesonderte Nennung dieses Personenkreises wäre allerdings überflüssig, wenn
man per se davon ausgehen würde, daß auch die Verwaltungs- und Leitungsebene eines Betriebes kraft ihrer
Befugnisse die Voraussetzung des geforderten "hervorragenden Einflusses auf die Herstellungsvorgänge" im Sinne
einer "ingenieurtechnischen Tätigkeit" ohne weiteres gehabt hätte. Selbstverständlich hatte ein Werkdirektor stets
hervorragenden Einfluß auf die Betriebsabläufe und damit auch auf die Produktionsvorgänge. Jedoch macht dieser
Umstand seine Tätigkeit nicht zu einer produktionsbezogenen (ingenieur-)technischen Tätigkeit, sondern sie bleibt
gleichwohl eine Verwaltungs- und Leitungstätigkeit. Die stellvertretenden Direktoren eines VEB, die in ihrer Funktion
jeweils auch einen bedeutenden Einfluß auf die Betriebsabläufe hatten, sind allerdings – wie noch auszuführen sein
wird – schon nicht mehr als obligatorisch Einzubeziehende genannt, sondern nur als Ermessensfälle. Dies spricht
eindeutig dafür, daß Leitungstätigkeiten – sofern sie nicht unmittelbar als "Werkdirektor" ausgeübt wurden, nach der
Systematik der DDR-Vorschriften nicht zum Kreis der obligatorisch Zusatzversorgungs-Berechtigten gehörten.
Dies stellt auch nicht in Abrede, daß die Qualifikation als Ingenieur oder Diplom-Ingenieur im Einzelfall oder generell
die Zugangsvoraussetzung zu Leitungstätigkeiten gewesen ist. Es mag also sein, daß die Ausbildung des Klägers als
Diplom-Ingenieur hier Voraussetzung für die Übernahme seiner Tätigkeit gewesen ist und selbstverständlich hatte
seine Tätigkeit auch Einfluß auf die Betriebsabläufe und damit – mittelbar – auch Einfluß auf den Produktionsprozeß.
Ein nur mittelbarer Einfluß reichte nach dem Obengesagten aber nicht aus, denn mittelbar hat jeder
Betriebsangehörige in irgendeiner Weise Einfluß auf den Produktionsprozeß.
Die obigen Ausführungen gelten sinngemäß im übrigen auch für die vom Kläger zuvor ausgeübte Tätigkeit als
Hauptabteilungsleiter Vertrieb, so daß sich auch insoweit kein anderes Resultat ergäbe.
b)
Zwar heißt es zum Kreis der einbeziehungsfähigen Personen in der 2. Durchführungsbestimmung noch weiter:
"Außerdem können auf Antrag des Werkdirektors durch das zuständige Fachministerium bzw. die zuständige
Hauptverwaltung auch andere Personen, die verwaltungstechnische Funktionen bekleiden, wie Stellvertretende
Direktoren, Produktionsleiter, Abteilungsleiter, Meister, Steiger, Poliere im Bauwesen, Laboratoriumsleiter, Bauleiter,
Leiter von produktionstechnischen Abteilungen und andere Spezialisten, die nicht den Titel eines Ingenieurs oder
Technikers haben, aber durch ihre Arbeit bedeutenden Einfluß auf den Produktionsprozeß ausüben, eingereiht
werden."
Der Kläger wäre mit seiner am 30.06.1990 ausgeübten Funktion nach dem Vorgenannten voraussichtlich in den Kreis
der "verwaltungstechnischen Funktionen" einzuordnen.
Es unterfällt jedoch nur der obengenannte erstere Personenkreis, vgl. a), originär der Versorgungsordnung. Die
Einbeziehung des letztgenannten Personenkreises setzte dagegen eine Ermessensentscheidung der DDR-Behörden
voraus (" ...können auf Antrag des Werkdirektors durch das zuständige Fachministerium ... eingereiht werden"), die
durch die Beklagte bzw. nunmehr das Gericht heute nicht mehr nachgeholt werden kann. Denn diese Stellen können
sich nicht selbst nachträglich an die Stelle der DDR-Behörden setzen und deren Ermessen ausüben.
Das Bundessozialgericht hat für vergleichbare Fälle dazu bereits höchstrichterlich mit Urteil vom 31.07.2002, Az.: B 4
RA 21/02 R, ausgeführt:
" ...der Kläger ... hätte ... lediglich durch eine Ermessensentscheidung (und nicht "kraft Gesetzes") in das
Zusatzversorgungssystem einbezogen werden können. Eine derartige Ermessensentscheidung, die auch der
Erzeugung politischen und gesellschaftlichen Wohlverhaltens diente, könnte jedoch allein aus der Sicht der DDR und
nach deren Maßstäben getroffen werden. Sie darf infolgedessen mangels sachlich objektivierbarer, bundesrechtlich
nachvollziehbarer Grundlage nicht rückschauend ersetzt werden."
III.
Der Kläger hätte also auch nach dem Wortlaut der Versorgungsbestimmungen der DDR selbst im Jahre 1990 keinen
Anspruch mehr auf obligatorische Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem gehabt. Demgemäß kann sich aber
auch unter bundesrechtlicher Betrachtung kein solcher Anspruch ergeben, da keine Veranlassung besteht, den Kläger
nachträglich besser zu stellen, als er unter den damaligen Bedingungen gestanden hätte.
Die Vorschriften des Einigungsvertrages und des AAÜG sind insoweit in sich auch verfassungsgemäß und verstoßen
insbesondere nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Artikel 3 des Grundgesetzes.
Das Gericht verkennt nicht, daß der Wortlaut der DDR-Vorschriften in manchen Fällen zu unbefriedigenden – weil
ungerechten – Ergebnissen führt, indem tendenziell mit der Voraussetzung der "Produktionsnähe" geringer
qualifizierte Antragsteller gegenüber höherqualifizierten, welche aufgrund dessen in Leitungsfunktionen aufgestiegen
sind, bevorzugt werden.
Das sind allerdings letztlich Ergebnisse, die sich aus den Vorschriften der DDR selbst ergeben. Da das
Bundessozialgericht sich veranlaßt gesehen hat, viele Jahre nach der Wiedervereinigung der mit dem
einigungsvertraglichen Verbot der Neueinbeziehung bereits gelöst geglaubten Problematik des DDR-Systems der
zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz unter Inkaufnahme exorbitanter Kosten für die öffentlichen
Haushalte wieder neue Aktualität zu verschaffen, ist die Situation entstanden, daß die systemimmanenten
Gerechtigkeitsdefizite der DDR-Regelungen heute perpetuiert bzw. sogar erst in ihrem vollen Umfang zur Geltung
gebracht werden.
Artikel 3 Grundgesetz gebietet allerdings gleichwohl nicht, von jenen historischen Fakten, aus denen sich
Ungleichheiten ergeben könnten, abzusehen und sie nunmehr "rückwirkend" zu Lasten der heutigen Beitrags- und
Steuerzahler auszugleichen. Die Begünstigung der damals Einbezogenen hat der Deutsche Bundestag als ein
Teilergebnis der Verhandlungen im Einigungsvertrag angesichts der historischen Bedingungen hinnehmen dürfen (vgl.
Bundesverfassungsgerichtsentscheidung 100, 138, 190 ff.). Der Bundesgesetzgeber hat im § 1 Abs. 1 AAÜG in
begrenztem Umfang DDR?Willkür ausgeschaltet (vgl. zu Modifikation von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG BSG SozR 3?
8570 § 1 Nr. 2, 8). Zu einer Totalrevision des mit Beginn des 31.12.1991 in das Rentenversicherungsrecht des
Beitrittsgebietes überführten, aus der DDR stammenden Rechts, war er nicht verpflichtet, weil er diesen gesamten
Rechtsbereich ab dem 01.01.1992 einem rechtsstaatlichen Grundsätzen im wesentlichen genügenden Gesetz, dem
Sechsten Buch Sozialgesetzbuch, unterstellt hat (vgl. BSG SozR 3, 8570 § 1 Nr. 2).
Im übrigen sei darauf hingewiesen, daß der Kläger auch ohne Anwendung von § 6 Abs. 1 AAÜG dieselben
Rangstellenwerte (Entgeltpunkte) im SGB VI wie bei der Anwendung des AAÜG hätte erreichen können. Ab
Einführung der FZR hängt dies allerdings davon ab, ob er von seinem Recht Gebrauch gemacht hat, sich auch in der
FZR in dem dort vorgesehenen "Höchstumfang" zu versichern. Da der Kläger von der DDR bis zum Beitritt niemals
eine Versorgungszusage erhalten hatte, konnte er auch zu keinem Zeitpunkt die FZR?Sicherung wegen eines
Vertrauens auf Zusatzversorgung im Alter hintanstellen. Es lag allein in seiner Entscheidungskompetenz,
entsprechende FZR?Beiträge zur rentenrechtlichen Absicherung im Alter zu entrichten. Dies hat er, zumindest zum
Teil, tatsächlich auch getan.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 143 SGG das Rechtsmittel der Berufung eröffnet.
Sozialgericht Chemnitz Im Namen des Volkes Urteil
In dem Rechtsstreit
- Kläger -
gegen
Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, vertreten
durch die Geschäftsführung, Hirschberger Straße 4, 10317 Berlin,
- Beklagter -
hat die 16. Kammer des Sozialgerichts Chemnitz auf die mündliche Verhandlung vom 19. Juli 2005 in Chemnitz durch
den Richter am Sozialgericht Kurths als Vorsitzenden, die ehrenamtliche Richterin Dippmann-Reichel und die
ehrenamtliche Richterin Kühn für Recht erkannt:
Tenor:
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem Nr. 1
der Anlage 1 zum Anspruchs? und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, Beschäftigungszeiten
des Klägers als Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesen Zeiten
tatsächlich erzielten Entgelte festzustellen.
Der im Jahre geborene Kläger erwarb am 29.03.1985 an der Ingenieurhochschule Zwickau den Abschluß eines
Diplomingenieurs der Fachrichtung Kraftfahrzeugtechnik.
Anschließend arbeitete er vom 01.03.1985 bis über den 30.06.1990 hinaus im damaligen VEB S. Automobilwerke Z.,
und zwar zunächst als Gruppenleiter, ab September 1985 als Absatzleiter, ab April 1988 dann als
Hauptabteilungsleiter Vertrieb und zuletzt ab dem 01.01.1990 als "Leiter des Büros des Betriebsdirektors".
Von der DDR hat der Kläger keine Versorgungszusage bzw. Bewilligung eines Rechts auf Versorgungsrente erhalten.
Den Antrag des Klägers vom 27.03.2002 auf Feststellung der Beschäftigungszeit vom 01.03.1985 bis 30.06.1990 als
Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24.03.2003 ab.
Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger am 07.04.2003 Widerspruch.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28.07.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Zur Begründung führte sie aus, der Kläger sei in dem von ihm geltend gemachten Zeitraum weder in ein
Versorgungssystem einbezogen gewesen, noch habe er einen Anspruch auf eine Versorgungszusage gehabt. Im Juni
1990 habe der Kläger zwar die Qualifikation als (Diplom-)Ingenieur besessen und sei auch in einem volkseigenen
Produktionsbetrieb tätig gewesen. Jedoch sei er zum 30.06.1990 nicht im weitesten Sinne als Ingenieur tätig
gewesen, sondern als "Leiter des Büros des Betriebsdirektors". Dies erfülle die Voraussetzung der Einbeziehung in
das Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz nicht.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 25.08.2003 das Sozialgericht Chemnitz angerufen.
Zur Begründung hat er angeführt, beim VEB S. Automobilwerke Z. sehr wohl auf ingenieurtechnischem Gebiet tätig
gewesen zu sein. Seine Tätigkeitsgebiete als "Leiter des Büros des Betriebsdirektors" hätten sich wie folgt
dargestellt:
- Strategische Strukturplanung - Implementierung EDV-gestützter Fabriksteuerungssysteme - Ingenieurtechnische
Bewertung und Gestaltung der unternehmensübergreifenden Prozesse
Die zum 01.01.1990 übernommene Funktion sei den gesellschaftlichen Veränderungen in der damaligen DDR und der
anstehenden Privatisierung des VEB S. Automobilwerke Z. geschuldet gewesen. Durch seine profunden Kenntnisse
als Konstrukteur habe er jedoch auch in dieser Funktion einen hervorragenden und technisch fundierten Einfluß auf
den Produktionsprozeß genommen. Im Grunde genommen hätte sich sein Aufgabengebiet gegenüber dem vorherigen
als Hauptabteilungsleiter Vertrieb nicht wesentlich geändert.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 24.03.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2003 aufzuheben
und die Beklagte zu verurteilen, die Beschäftigungszeit vom 01.03.1985 bis 30.06.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zu
einem Zusatzversorgungssystem sowie die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Entgelte festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich inhaltlich im wesentlichen auf die Begründung des Widerspruchsbescheides.
Das Gericht hat die Akte der Beklagten beigezogen. Diese sowie die in der Klageakte enthaltenen Schriftsätze der
Beteiligten waren Grundlage der Entscheidung. Hierauf und auf den übrigen Akteninhalt wird zur Ergänzung des
Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Denn die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der geltend gemachten Beschäftigungszeiten und dazugehörigen
Entgelte als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem durch die Beklagte.
I.
Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt das AAÜG für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu
Zusatz? und Sonderversorgungssystemen im "Beitrittsgebiet" (der DDR) erworben worden sind. Ist ein solcher
Tatbestand gegeben, hat der zuständige Versorgungsträger (§ 8 Abs. 4 AAÜG) ? hier die Beklagte ? dem
Rentenversicherungsträger die für die Berechnung der Rentenhöhe (genauer: die Ermittlung der sich aus diesen
Beschäftigungszeiten ergebenden Entgeltpunkte, § 259 b Sechstes Buch Sozialgesetzbuch ? SGB VI) erforderlichen
Daten mitzuteilen (§ 8 Abs. 2 AAÜG) und dem Versicherten gegenüber einen entsprechenden Bescheid zu erlassen (§
8 Abs. 3 AAÜG).
Nach der ständigen und mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des 4. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) setzt
die Anerkennung von Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem, die gemäß § 5 Abs. 1 AAÜG als
Pflichtbeitragszeiten im Sinne des SGB VI "fingiert" werden, nicht zwingend voraus, daß diese Zugehörigkeit ihre
Grundlage in einem bindenden Verwaltungsakt findet, der von den dafür zuständigen Behörden bis zum 30.06.1990
erteilt wurde. Vielmehr ist darüber hinaus zu prüfen, ob der jeweilige Versicherte - aufgrund der am 30.06.1990
gegebenen Sachlage, - nach der am 31.07.1991 bestehenden bundesrechtlichen Rechtslage im nunmehr
rechtsstaatlichen Umfeld unter Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes einen "Anspruch auf eine Versorgungszusage"
nach den bundesrechtlichen leistungsrechtlichen Regelungen der Versorgungssysteme gehabt hätte (s. z.B. Urteil des
BSG vom 09.04.2002, Az.: B 4 RA 42/01 R).
Dabei hängt ein solcher Anspruch gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen
Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17.08.1950 (GBl. DDR I Nr. 93 S. 839)
i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 der 2. Durchführungsbestimmung (DB) zu dieser Verordnung vom 24.05.1951 (GBl. Nr. 62 S.
487) von drei (persönlichen, sachlichen und betrieblichen) Voraussetzungen ab. Denn dieses System war generell
eingerichtet für a) Personen, die berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen und b) die
entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben, und zwar c) in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im
Bereich der Industrie oder des Bauwesens (Urteil des BSG vom 09.04.2002 ? B 4 RA 41/01 R).
Diese Voraussetzungen müssen, da die Zusatzversorgungssysteme der DDR zu jenem Zeitpunkt geschlossen
wurden, zum Stichtag 30.06.1990 auch kumulativ noch vorgelegen haben. Auf diesen Punkt ist nochmals besonders
hinzuweisen - nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kommt eine nachträgliche – faktische –
Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem bei Personen, die in der DDR keine ausdrückliche
Versorgungszusage erhalten haben, nämlich nur dann in Betracht, wenn diese Personen zum letztmöglichen
Zeitpunkt der Erteilung einer solchen Zusage – also zum Zeitpunkt der Schließung der Versorgungssysteme am
30.06.1990 – aufgrund ihrer persönlichen, sachlichen und betrieblichen Voraussetzungen wenigstens noch die
theoretische Chance (Anwartschaft) hatten, eine Versorgungszusage zu erhalten.
II.
Im vorliegenden Fall erfüllte der Kläger zwar in jedem Falle die Voraussetzung a), d.h., er hatte die Qualifikation als
Diplom-Ingenieur.
Die Voraussetzung b) war jedoch nicht erfüllt.
Entgegen der Auffassung des Klägers handelte es sich bei seiner damaligen Tätigkeit im VEB S. Automobilwerke Z.
nicht um eine der Versorgungsordnung unterfallende Beschäftigung.
Für die Beurteilung der Frage einer Einbezogenheit in das Versorgungssystem ist der Wortlaut der von der DDR
erlassenen Versorgungsordnung nebst der dazu ergangenen 1. und 2. Durchführungsbestimmungen heranzuziehen.
Auf eine – ggf. abweichende - Verwaltungspraxis der DDR kommt es hingegen nicht an.
a)
Die nach § 5 der Versorgungsordnung erlassene 2. Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche
Altersversorgung der technischen Intelligenz umschreibt den Kreis der Versorgungsberechtigten zunächst wie folgt:
"Als Angehörige der technischen Intelligenz im Sinne des § 1 der Verordnung vom 17. August 1950 über die
zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben
gelten: Ingenieure, Konstrukteure, Architekten und Techniker aller Spezialgebiete, wie Ingenieure und Techniker des
Bergbaus, der Metallurgie, das Maschinenbaues, der Elektrotechnik, der Feinmechanik und Optik, der Chemie, des
Bauwesens und Statiker. Zu diesem Kreis gehören ferner Werkdirektoren und Lehrer technischer Fächer an den Fach-
und Hochschulen.
Der Kläger ist zwar (Diplom-)Ingenieur im Sinne der o.g. Vorschrift.
Jedoch ergibt sich aus der bereits zuvor im Jahre 1950 erlassenen 1. Durchführungsbestimmung zur Verordnung über
die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz im dortigen § 1 Satz 1 ausdrücklich, daß die potentiell
Versorgungsberechtigten zudem " ...konstruktiv und schöpferisch in einem Produktionsbetrieb verantwortlich tätig ..."
sein mußten und dabei " ...hervorragenden Einfluß auf die Herstellungsvorgänge nehmen ...".
Dieses Erfordernis wird auch nochmals bekräftigt in der bereits genannten, im Jahre 1951 erlassenen 2.
Durchführungsbestimmung, in der es weiter heißt, daß die betroffene Person in seinem Beschäftigungsbetrieb durch
seine Arbeit " ...bedeutenden Einfluß auf den Produktionsprozeß ..." ausgeübt haben mußte.
Das Bundessozialgericht hat in ständiger Rechtsprechung aus den obigen Formulierungen die Schlußfolgerung
abgeleitet, daß der Betreffende eine sogenannte "ingenieurtechnische Beschäftigung" ausgeübt haben muß, wobei die
Betonung auf "technisch" in Abgrenzung zu "ökonomisch", "verwaltend", "planend" etc. liegt, vgl. zuletzt Urteil vom
26.10.2004, Az.: B 4 RA 23/04 R.
Übertragen auf den vorliegenden Fall heißt das:
Der Kläger war zum maßgeblichen Stichtag 30.06.1990 tätig als "Leiter des Büros des Betriebsdirektors".
Die von ihm angegebenen Tätigkeitsbereiche seiner damaligen Position – für die der Kläger den früheren
Geschäftsführer der S. Automobilwerke Z. GmbH, Herrn W. N., als Zeugen benannt hat, die das Gericht jedoch
insoweit ohne weiteres als wahr unterstellt, was die Vernehmung des Zeugen erübrigt – sprechen eindeutig dafür, daß
der Kläger eine Leitungs- und Verwaltungsfunktion innehatte, vgl. solche Begriffe wie "Strategische Strukturplanung"
u.a.
Das sind Tätigkeiten, die zwar zur Aufrechterhaltung des Betriebes notwendig waren und denen selbstverständlich
auch ein technischer Aspekt innewohnte. Mit dem Primärproduktionsprozeß hatten sie allerdings nicht unmittelbar zu
tun und der von der 1. Durchführungsbestimmung verlangte "hervorragende Einfluß auf die Herstellungsvorgänge" ging
von ihnen erkennbar nicht aus.
Daß die Verwaltungs- und Leitungsebene eines Betriebes dem Kreis der obligatorisch in die Zusatzversorgung
Einbezogenen indessen nicht unterfiel, ergibt sich im Umkehrschluß aus der Auslegung des Wortlauts der
Versorgungsanordnung sowie der Durchführungsbestimmungen.
In der oben bereits zitierten 2. Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der
technischen Intelligenz sind nämlich im Hinblick auf den Kreis der obligatorisch Einbezogenen die "Werkdirektoren"
ausdrücklich gesondert aufgeführt. Die gesonderte Nennung dieses Personenkreises wäre allerdings überflüssig, wenn
man per se davon ausgehen würde, daß auch die Verwaltungs- und Leitungsebene eines Betriebes kraft ihrer
Befugnisse die Voraussetzung des geforderten "hervorragenden Einflusses auf die Herstellungsvorgänge" im Sinne
einer "ingenieurtechnischen Tätigkeit" ohne weiteres gehabt hätte. Selbstverständlich hatte ein Werkdirektor stets
hervorragenden Einfluß auf die Betriebsabläufe und damit auch auf die Produktionsvorgänge. Jedoch macht dieser
Umstand seine Tätigkeit nicht zu einer produktionsbezogenen (ingenieur-)technischen Tätigkeit, sondern sie bleibt
gleichwohl eine Verwaltungs- und Leitungstätigkeit. Die stellvertretenden Direktoren eines VEB, die in ihrer Funktion
jeweils auch einen bedeutenden Einfluß auf die Betriebsabläufe hatten, sind allerdings – wie noch auszuführen sein
wird – schon nicht mehr als obligatorisch Einzubeziehende genannt, sondern nur als Ermessensfälle. Dies spricht
eindeutig dafür, daß Leitungstätigkeiten – sofern sie nicht unmittelbar als "Werkdirektor" ausgeübt wurden, nach der
Systematik der DDR-Vorschriften nicht zum Kreis der obligatorisch Zusatzversorgungs-Berechtigten gehörten.
Dies stellt auch nicht in Abrede, daß die Qualifikation als Ingenieur oder Diplom-Ingenieur im Einzelfall oder generell
die Zugangsvoraussetzung zu Leitungstätigkeiten gewesen ist. Es mag also sein, daß die Ausbildung des Klägers als
Diplom-Ingenieur hier Voraussetzung für die Übernahme seiner Tätigkeit gewesen ist und selbstverständlich hatte
seine Tätigkeit auch Einfluß auf die Betriebsabläufe und damit – mittelbar – auch Einfluß auf den Produktionsprozeß.
Ein nur mittelbarer Einfluß reichte nach dem Obengesagten aber nicht aus, denn mittelbar hat jeder
Betriebsangehörige in irgendeiner Weise Einfluß auf den Produktionsprozeß.
Die obigen Ausführungen gelten sinngemäß im übrigen auch für die vom Kläger zuvor ausgeübte Tätigkeit als
Hauptabteilungsleiter Vertrieb, so daß sich auch insoweit kein anderes Resultat ergäbe.
b)
Zwar heißt es zum Kreis der einbeziehungsfähigen Personen in der 2. Durchführungsbestimmung noch weiter:
"Außerdem können auf Antrag des Werkdirektors durch das zuständige Fachministerium bzw. die zuständige
Hauptverwaltung auch andere Personen, die verwaltungstechnische Funktionen bekleiden, wie Stellvertretende
Direktoren, Produktionsleiter, Abteilungsleiter, Meister, Steiger, Poliere im Bauwesen, Laboratoriumsleiter, Bauleiter,
Leiter von produktionstechnischen Abteilungen und andere Spezialisten, die nicht den Titel eines Ingenieurs oder
Technikers haben, aber durch ihre Arbeit bedeutenden Einfluß auf den Produktionsprozeß ausüben, eingereiht
werden."
Der Kläger wäre mit seiner am 30.06.1990 ausgeübten Funktion nach dem Vorgenannten voraussichtlich in den Kreis
der "verwaltungstechnischen Funktionen" einzuordnen.
Es unterfällt jedoch nur der obengenannte erstere Personenkreis, vgl. a), originär der Versorgungsordnung. Die
Einbeziehung des letztgenannten Personenkreises setzte dagegen eine Ermessensentscheidung der DDR-Behörden
voraus (" ...können auf Antrag des Werkdirektors durch das zuständige Fachministerium ... eingereiht werden"), die
durch die Beklagte bzw. nunmehr das Gericht heute nicht mehr nachgeholt werden kann. Denn diese Stellen können
sich nicht selbst nachträglich an die Stelle der DDR-Behörden setzen und deren Ermessen ausüben.
Das Bundessozialgericht hat für vergleichbare Fälle dazu bereits höchstrichterlich mit Urteil vom 31.07.2002, Az.: B 4
RA 21/02 R, ausgeführt:
" ...der Kläger ... hätte ... lediglich durch eine Ermessensentscheidung (und nicht "kraft Gesetzes") in das
Zusatzversorgungssystem einbezogen werden können. Eine derartige Ermessensentscheidung, die auch der
Erzeugung politischen und gesellschaftlichen Wohlverhaltens diente, könnte jedoch allein aus der Sicht der DDR und
nach deren Maßstäben getroffen werden. Sie darf infolgedessen mangels sachlich objektivierbarer, bundesrechtlich
nachvollziehbarer Grundlage nicht rückschauend ersetzt werden."
III.
Der Kläger hätte also auch nach dem Wortlaut der Versorgungsbestimmungen der DDR selbst im Jahre 1990 keinen
Anspruch mehr auf obligatorische Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem gehabt. Demgemäß kann sich aber
auch unter bundesrechtlicher Betrachtung kein solcher Anspruch ergeben, da keine Veranlassung besteht, den Kläger
nachträglich besser zu stellen, als er unter den damaligen Bedingungen gestanden hätte.
Die Vorschriften des Einigungsvertrages und des AAÜG sind insoweit in sich auch verfassungsgemäß und verstoßen
insbesondere nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Artikel 3 des Grundgesetzes.
Das Gericht verkennt nicht, daß der Wortlaut der DDR-Vorschriften in manchen Fällen zu unbefriedigenden – weil
ungerechten – Ergebnissen führt, indem tendenziell mit der Voraussetzung der "Produktionsnähe" geringer
qualifizierte Antragsteller gegenüber höherqualifizierten, welche aufgrund dessen in Leitungsfunktionen aufgestiegen
sind, bevorzugt werden.
Das sind allerdings letztlich Ergebnisse, die sich aus den Vorschriften der DDR selbst ergeben. Da das
Bundessozialgericht sich veranlaßt gesehen hat, viele Jahre nach der Wiedervereinigung der mit dem
einigungsvertraglichen Verbot der Neueinbeziehung bereits gelöst geglaubten Problematik des DDR-Systems der
zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz unter Inkaufnahme exorbitanter Kosten für die öffentlichen
Haushalte wieder neue Aktualität zu verschaffen, ist die Situation entstanden, daß die systemimmanenten
Gerechtigkeitsdefizite der DDR-Regelungen heute perpetuiert bzw. sogar erst in ihrem vollen Umfang zur Geltung
gebracht werden.
Artikel 3 Grundgesetz gebietet allerdings gleichwohl nicht, von jenen historischen Fakten, aus denen sich
Ungleichheiten ergeben könnten, abzusehen und sie nunmehr "rückwirkend" zu Lasten der heutigen Beitrags- und
Steuerzahler auszugleichen. Die Begünstigung der damals Einbezogenen hat der Deutsche Bundestag als ein
Teilergebnis der Verhandlungen im Einigungsvertrag angesichts der historischen Bedingungen hinnehmen dürfen (vgl.
Bundesverfassungsgerichtsentscheidung 100, 138, 190 ff.). Der Bundesgesetzgeber hat im § 1 Abs. 1 AAÜG in
begrenztem Umfang DDR?Willkür ausgeschaltet (vgl. zu Modifikation von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG BSG SozR 3?
8570 § 1 Nr. 2, 8). Zu einer Totalrevision des mit Beginn des 31.12.1991 in das Rentenversicherungsrecht des
Beitrittsgebietes überführten, aus der DDR stammenden Rechts, war er nicht verpflichtet, weil er diesen gesamten
Rechtsbereich ab dem 01.01.1992 einem rechtsstaatlichen Grundsätzen im wesentlichen genügenden Gesetz, dem
Sechsten Buch Sozialgesetzbuch, unterstellt hat (vgl. BSG SozR 3, 8570 § 1 Nr. 2).
Im übrigen sei darauf hingewiesen, daß der Kläger auch ohne Anwendung von § 6 Abs. 1 AAÜG dieselben
Rangstellenwerte (Entgeltpunkte) im SGB VI wie bei der Anwendung des AAÜG hätte erreichen können. Ab
Einführung der FZR hängt dies allerdings davon ab, ob er von seinem Recht Gebrauch gemacht hat, sich auch in der
FZR in dem dort vorgesehenen "Höchstumfang" zu versichern. Da der Kläger von der DDR bis zum Beitritt niemals
eine Versorgungszusage erhalten hatte, konnte er auch zu keinem Zeitpunkt die FZR?Sicherung wegen eines
Vertrauens auf Zusatzversorgung im Alter hintanstellen. Es lag allein in seiner Entscheidungskompetenz,
entsprechende FZR?Beiträge zur rentenrechtlichen Absicherung im Alter zu entrichten. Dies hat er, zumindest zum
Teil, tatsächlich auch getan.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 143 SGG das Rechtsmittel der Berufung eröffnet.