Urteil des SozG Bremen vom 23.02.2010

SozG Bremen: staatliches handeln, ex tunc, öffentlich, radio, auszahlung, herausgabe, verwaltungsakt, berufungsschrift, schule, rechtsmittelbelehrung

Sozialgericht Bremen
Urteil vom 23.02.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Bremen S 26 AS 1196/09
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die 1962 geborene Klägerin ist gelernte Bürokauffrau. Sie beansprucht die Auszahlung einer Gehaltsdifferenz,
nachdem sie eine Arbeitsgelegenheit gegen Mehraufwandsentschädigung wahrgenommen hat. Sie bezieht von der
Beklagten seit dem 01.01.2005 laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch
des Sozialgesetzbuchs (SGB II).
Mit Schreiben vom 31.10.2008 wurde die Klägerin nach vorheriger Absprache für den Zeit-raum 03.11.2008 bis
31.01.2009 in eine Beschäftigung "nach § 16 Abs. 3 SGB II" zugewie-sen. Einsatzstelle sollte "Radio XX" sein. Die
Art der Tätigkeit wurde mit "Organisationskraft Disposition/Büro" beschrieben. Entsprechend der erfolgten Zuweisung
nahm die Klägerin an der Maßnahme teil.
Mit Schreiben vom 06.03.2009 legte die Klägerin Widerspruch gegen die Zuweisung ein. Es handele sich um einen
Bescheid, der "ex tunc" aufzuheben sei. Die Zuweisung sei rechtswid-rig gewesen. Sie habe alleine dem Zweck
gedient, dem Sender kostengünstig zu einer Ar-beitskraft zu verhelfen. Bei ihrer Tätigkeit dort habe es sich um ein
sozialversicherungspflichti-ges Beschäftigungsverhältnis gehandelt. Mit Schreiben vom 05.05.2009 stellte die Klägerin
klar, dass sie ihrer Ansicht nach Anspruch auf eine Arbeitsvergütung habe, wie sie einem festangestellten
Arbeitnehmer in ihrer Position zustehe. Tarifvertraglich stehe ihr ein Monats-gehalt in Höhe von 2.094,30 Euro zu. Der
Gesamtbetrag in Höhe von 6.282,90 Euro sei an sie zu überweisen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.06.2009 verwarf die Beklagte den Widerspruch der Kläge-rin als unzulässig. Bei
der Zuweisung habe es sich um keinen Verwaltungsakt gehandelt. Ein Widerspruch sei deswegen nicht zulässig.
Am 24.06.2009 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie hält daran fest, dass sie Anspruch auf eine "leistungsgerechte
Bezahlung" habe. Der Anspruch ergebe sich nicht aus Arbeitsvertrag, sondern aus einem öffentlich-rechtlichen
Erstattungsanspruch.
Sie beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 6.282,90 Euro nebst Prozesszinsen zu zah-len.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, es fehle an einer Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch.
Das Gericht hat die Leistungsakte der Beklagten beigezogen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Für den geltend gemachten Anspruch ist gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 4a Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Rechtsweg zu
den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet (vgl. auch BAG, Beschl. v. 08.11.2006 - 5 AZB 36/06 -, zit. n. juris
sowie BAG, Urt. v. 14.01.1987 - 5 AZR 760/87 -, zit. n. juris). Die Klage ist als (reine) Leistungsklage nach § 54 Abs.
5 SGG statthaft (so auch LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 11.08.2009 - L 13 AS 419/07 -, zit. n. juris).
Sie ist aber unbegründet, weil es an einer gesetzlichen Grundlage für den geltend gemachten Anspruch fehlt. In
Betracht kommt alleine ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch, des-sen Voraussetzungen hier aber nicht
vorliegen.
Der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch ist ein aus allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts,
insbesondere der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, abgeleitetes ei-genständiges Rechtsinstitut des öffentlichen
Rechts. Er verschafft dem Anspruchsinhaber ein Recht auf Herausgabe des Erlangten, wenn eine Leistung ohne
Rechtsgrund oder eine sons-tige rechtsgrundlose Vermögensverschiebung erfolgt ist. Seine
Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen entsprechen, soweit sie nicht spezialgesetzlich geregelt sind, denen
des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs (vgl. nur BVerwGE 71, 85, 88; 87, 169, 172 sowie BSG, Urt. v.
28.10.2008 - B 8 SO 23/07 R -, zit. n. juris; BSG, Urt. v. 16.07.1974 - 1 RA 183/73 -, zit. n. juris).
Es kann letztlich dahinstehen, ob die Zuweisung in die Arbeitsgelegenheit ohne rechtlichen Grund erfolgte. Die
Beteiligten sind bereits darauf hingewiesen worden, dass die Zuweisung nach Auffassung der Kammer grundsätzlich
keinen Verwaltungsakt darstellt (str., so auch LSG Hamburg, Beschl. v. 08.03.2006 - L 5 B 34/05 ER -, zit. n. juris;
offen lassend BSG, Urt. vom 16.12.2008 - B 4 AS 60/07 R -, zit. n. juris). Die "Aufhebung" der Zuweisung ist
demnach keine Voraussetzung für die Geltendmachung eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsan-spruchs. Es bedarf
an dieser Stelle aber auch keiner Entscheidung, ob die Durchführung der Arbeitsgelegenheit deshalb ohne rechtlichen
Grund erfolgte, weil sie nicht den gesetzlichen Voraussetzungen entsprach und deshalb rechtswidrig war. Die Klägerin
hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es sich bei Arbeitsgelegenheiten nach § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II (nunmehr §
16d Satz 2 SGB II i. d. F. des Gesetzes v. 21.12.2008, BGBl. I 2917) um im öffentlichen Interesse liegende
zusätzliche Arbeiten handeln muss (vgl. auch § 261 SGB III sowie BSG, Urt. v. 16.12.2008 - B 4 AS 60/07 R -). Ihre
Kritik an der Rechtmäßigkeit der Zuweisung teilt das Gericht allerdings in dieser Form nicht. Denn bei Radio XX als
dem Beschäftigungsort der Klägerin handelt es sich um den von der Bremischen Landesmedienanstalt betriebenen
Offe-nen Kanal für die Städte A-Stadt und EU. (vgl. § 1 Abs. 1 der Satzung des Offenen Kanals i. V. m. § 44 des
Bremischen Landesmediengesetzes vom 22.02.2005, Brem.GBl. S. 71) und nicht um einen privatwirtschaftlichen und
damit gewinnorientierten Radio- und Fernsehsender. Ob durch die Zuweisung von Arbeitsgelegenheiten tatsächlich
eine Verdrängung regulärer Beschäftigungsverhältnisse erfolgte, wie die Klägerin meint, erscheint hier zweifelhaft.
Diese Frage bedarf aber deshalb keiner weiteren Aufklärung durch das Gericht, weil der geltend gemachte Anspruch
bereits aus anderen Gründen scheitert.
Der geltend gemachte Anspruch auf Auszahlung einer "Gehaltsdifferenz" scheitert - abgese-hen von dem Umstand,
dass gewährte Sozialleistungen ohnehin in Abzug hätten gebracht werden müssen - an einer Bereicherung des
beklagten Grundsicherungsträgers. Die Beklagte kann nichts herausgeben, weil sie nichts erlangt hat. Durch die
Zuweisung (und die bei dem Radiosender verrichtete Arbeit) ist sie nicht bereichert.
Nicht ausreichend ist es, dass der Maßnahmeträger eventuell einen Vermögensvorteil erlangt hat (so aber Thie in
LPK-SGB II, 3. Aufl. 2009, Rdnr. 35 zu § 16d; offen lassend LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 11.08.2009 - L 13 AS
419/07 -). Ohnehin wäre zu klären, ob Maßnahme-träger nicht eigentlich die Grone-Schule GmbH und nicht Radio XX
ist (vgl. Bl. 17 der Vorhef-tung der Leistungsakte). Jedenfalls ist im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsan-
spruch anerkannt, dass ein Erstattungsanspruch grundsätzlich nur zwischen den an der jewei-ligen Rechtsbeziehung
Beteiligten in Betracht kommt (vgl. BSG, Urt. v. 28.10.2008 - B 8 SO 23/07 R -, zit. n. juris). Das bedeutet zugleich,
dass derjenige bereichert sein muss, von dem die Ausgleichung eines Vermögensvorteils verlangt wird. Dies
entspricht auch der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den Arbeitsgelegenheiten nach §
19 BSHG (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.11.1997 - 5 C 1/96 -, zit. n. juris). Denn danach bestand ein Erstattungsanspruch
gegen den Sozialhilfeträger nur insoweit, als er durch die ihm erbrachte Arbeitsleistung im Verhältnis zu den von ihm
erbrachten Sozialhilfeaufwendungen bereichert ist (BVerwG, Urt. v. 16.12.2004 - 5 C 71/03 -, zit. n. juris).
Nur am Rande ist deshalb darauf hinzuweisen, dass die Kammer auch grundsätzliche Beden-ken gegenüber dem
Vorgehen der Klägerin hat. Denn ein sog. Primärrechtsschutz gegen die erfolgte Zuweisung ist nicht ausgeschlossen.
Sieht man in der Zuweisung einen Verwaltungs-akt, kann nach §§ 86a Abs. 2 Nr. 4, 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG in
Verbindung mit § 39 Nr. 1 SGB II die Anordnung der aufschiebenden Wirkung beantragt werden (vgl. SG Hamburg,
Beschl. v. 28.06.2005 - S 51 AS 525/05 ER -). Folgt man dem nicht, ist auch Rechtsschutz über einen
Feststellungsantrag nicht von vornherein ausgeschlossen (SG Berlin, Beschl. v. 18.07.2005 - S 37 AS 4801/05 ER -).
Jedenfalls aber erfolgt eine gerichtliche Überprüfung der Zuweisung im Rahmen einer sich an einen Abbruch der
Maßnahme anschließenden eventuel-len Sanktionsentscheidung nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe d SGB II.
Gegen als rechtswidrig erkanntes staatliches Handeln im Vorfeld nicht vorzugehen, um sodann im An-schluss die
Herausgabe bzw. den Ausgleich eines dadurch entstandenen vermeintlichen Vermögensvorteils zu verlangen,
widerspricht aber grundsätzlich der Rechtsordnung (vgl. grundlegend auch BVerfG, Beschl. v. 15.07.1981, BVerfGE
58, 300 ff.; vgl. auch BSG, Urt. v. 15.12.2009 - B 1 AS 1/08 KL -, zit. n. juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtsmittelbelehrung:
Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Landessozialgericht Nie-dersachsen-
Bremen, Georg-Wilhelm-Straße 1, 29223 Celle oder bei der Zweigstelle des Landessozial-gerichts Niedersachsen-
Bremen, Am Wall 198, 28195 Bremen schriftlich oder mündlich zur Nieder-schrift des Urkundsbeamten der
Geschäftsstelle einzulegen.
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Monatsfrist bei dem
Sozialgericht Bremen, Am Wall 198, 28195 Bremen
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
Die Berufungsschrift muss innerhalb der Monatsfrist bei einem der vorgenannten Gerichte eingehen. Sie soll das
angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begrün-dung der Berufung dienenden
Tatsachen und Beweismittel angeben.
Ist das Urteil im Ausland zuzustellen, so gilt anstelle der oben genannten Monatsfrist eine Frist von drei Monaten.
Der Berufungsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.