Urteil des SozG Bremen vom 31.07.2009

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Sozialgericht Bremen
Beschluss vom 31.07.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Bremen S 23 AS 1365/09 ER
Der Antrag wird abgelehnt. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragsteller (d. Ast.) begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewäh-rung einer Beihilfe für die
Anschaffung eines Bettes, eines Kleiderschrankes und einer Waschmaschine als Leistungen nach dem
Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II)
Der 1980 geborene Antragsteller zu 1) und die 1977 geborene Antragstellerin zu 2) sind seit 2006 verheiratet. Seit dem
1. November 2007 bewohnen sie eine ca. 75 qm große Zweizim-merdachgeschosswohnung in A-Stadt (Bl. 29 d. A.),
nachdem sie zuvor in O-Stadt gewohnt hatten. Ebenfalls seit November 2007 stehen sie im laufenden ergänzenden
Leistungsbezug bei der Antragsgegnerin. Mit Schreiben vom 14. Juli 2008 beantragte die Antragstellerin zu 2) die
Gewährung von Mitteln für die Anschaffung eines Schranks, eines Bettes und eines Sofas. Zur Begründung erklärte
sie, im Sorgerechtsstreit mit dem Vater ihrer minderjährigen Tochter – die beim Vater lebe – wäre es von Vorteil, dass
ihre Wohnung möbliert sei. Sie habe aber derzeit keine Möbel. Die Antragsgegnerin lehnte den Antrag mit der
Begründung ab, es han-dele sich nicht um eine Erstausstattung (Bescheid vom 17. Juli 2008, Bl. 117). Am 22. Sep-
tember 2008 beantragten die Antragsteller erneut die Kostenübernahme für Möbel (Bl. 120), sie erklärten, sie könnten
nicht weiter auf dem Boden schlafen. Die Antragsgegnerin lehnte den Antrag erneut ab (Bescheid vom 30. September
2008, Bl. 121). Am 24. April 2009 bean-tragten die Antragsteller die Kostenübernahme für eine Waschmaschine, da
die bisherige Ma-schine defekt sei (Bl. 221). Die Antragsgegnerin lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 27. April 2009,
Bl. 222). Hiergegen erhob der Antragsteller zu 1) am 14. Mai 2009 Widerspruch. Er er-klärte, er und seine Frau
schliefen auf einer ausgeliehenen Luftmatratze; sie hätte auch noch keinen Kleiderschrank. Seit 19 Monaten spiele
sich das Leben der Antragsteller auf dem Fuß-boden ab. Über den Widerspruch ist nach Aktenlage bisher noch nicht
entschieden. Am 9. Juli 2009 beantragten die Antragsteller die Kostenübernahme für ein Bett, einen Kleiderschrank
und eine Waschmaschine (Bl. 247). Über den Antrag ist nach Aktenlage noch nicht entschie-den.
Am 23. Juli 2009 haben d. Ast. beim Sozialgericht die Gewährung einstweiligen Rechtsschut-zes beantragt, mit dem
sie die einstweilige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Übernahme der Kosten für die genannten Möbelstücke
begehren. Sie erklären, sie absolvierten derzeit eine Umschulung. Es sei ihnen daher unmöglich, die Kosten – wie von
der Antragsgegnerin in den diversen Ablehnungsschreiben vorgeschlagen – anzusparen. Sie könnten die Kosten auch
nicht selbst tragen. Ihnen stünde daher ein Anspruch auf Übernahme durch die Antrags-gegnerin, eventuell als
Erstausstattung, zu. Ein gegebenenfalls monatelanges Widerspruchs-verfahren könnten sie nicht abwarten.
Die Antragsgegnerin ist dem Eilantrag entgegengetreten. Sie meint, die Antragsteller hätten weder gem. § 23 SGB II,
noch gem. § 20 SGB II Anspruch auf die begehrte Kostenübernah-me. Da die Antragsteller im Jahre 2007 bereits eine
eigene Wohnung in Osterholz-Scharmbeck gehabt hätten, läge kein Erstausstattungsbedarf vor. Die Antragstellerin zu
2) hätte bis November 2007 Arbeit gehabt und anschließend Arbeitslosengeld (I) bezogen. Der Antragsteller zu 1) übe
seit Dezember 2008 eine geringfügige Tätigkeit aus. Aus den erzielten Einnahmen hätten die Antragsteller die Kosten
für die Möbel bzw. die Waschmaschine anspa-ren können. Im Übrigen könnten die Möbel über einen Ratenkredit
angeschafft werden.
Bezüglich der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und auf die Verwaltungsakte der Be-klagten verwiesen.
II.
Der gem. § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Antrag auf Erlass einer einstwei-ligen Anordnung ist
zulässig, aber nicht begründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige
Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn
eine solche Regelung zur Abwendung we-sentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Die Gewährung
einstweiligen Rechtsschutzes setzt einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund voraus (vgl. Meyer-
Ladewig, SGG, 9. Auflage 2008, § 86b Rn. 27, 29). Ein materieller Anspruch ist im einstweiligen
Rechtsschutzverfahren nur einer summarischen Überprüfung zu unterziehen; hierbei muss der Antragsteller glaubhaft
machen, dass ihm aus dem Rechtsverhältnis ein Recht zusteht, für das wesentliche Gefahren drohen (Meyer-
Ladewig, a. a. O., Rn. 28). Der Anordnungsgrund setzt Eilbedürftigkeit voraus, dass heißt, es müssen erhebliche
belastende Auswirkungen des Verwaltungshandelns schlüssig dargelegt und glaubhaft gemacht werden. Dabei muss
die Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheinen, § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG. Dies bedeutet
zugleich, dass nicht alle Nachteile zur Geltendmachung vorläufigen Rechtsschutzes berechtigen. Bestimmte
Nachteile müssen hingenommen werden (Binder in Hk-SGG, 2003, § 86 b Rn. 33). Es kommt damit darauf an, ob ein
Abwarten bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache hingenommen werden kann. Ob dies der Fall ist, be-misst sich
an den Interessen der Antragssteller und der öffentlichen sowie gegebenenfalls weiterer beteiligter Dritter. Dabei
reichen auch wirtschaftliche Interessen aus (vgl. Binder, a. a. O.).
Es kann dahinstehen, ob ein Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit) vorliegt. Denn jedenfalls ist nach vorläufiger Prüfung
der Sach- und Rechtslage kein Anordnungsanspruch gegeben. Die Antragsteller können von der Antragsgegnerin die
begehrte Kostenübernahme für Möbel und eine Waschmaschine nicht beanspruchen.
1. Ein Anspruch auf Kostenübernahme folgt insbesondere nicht aus § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II.
a) Danach sind zwar Leistungen für die "Erstausstattung für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten" gesondert
von den Grundsicherungsträgern zu erbringen. Es handelt sich jedoch bei dem geltend gemachten Bedarf für die
Möbel und die Waschmaschine nicht um einen Erstausstattungsbedarf. Denn die Antragsteller haben bereits vor dem
November 2007 in einer anderen Wohnung zusammengewohnt und dort bereits einen Möbelbedarf gehabt. Auch
bezüglich der begehrten Waschmaschine handelt es sich nicht um einen Erstausstat-tungsbedarf, sondern um einen
Ersatzbedarf, da die bisherige Maschine defekt ist.
b) Es ist hier auch kein Fall nach der zweiten Fallgruppe des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II gegeben, bei dessen
Vorliegen eine Erstausstattung zu gewähren ist (vgl. hierzu: Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen
vom 4. September 2008, L 13 AS 518/06) ... Denn es liegt kein außergewöhnlicher Umstand vor, der es erlauben
würde, die vorliegend begehrte Ersatzausstattung trotz des Wortlauts der Vorschrift ausnahmsweise als Fall des § 23
Abs. 3 SGB II anzusehen (zu dieser Fallgruppe Rothkegel, in: Gagel, a.a.O., Rdn. 65; Loose, a.a.O., Rdn. 36). Die
zweite Fallgruppe geht darauf zurück, dass im Gesetzgebungs-verfahren der Wohnungsbrand und die Erstanmietung
einer Wohnung nach Haft ausdrücklich als Fall der Erstausstattung genannt wurden (BT-Drs. 15/1514, S. 60), obwohl
in solchen Fäl-len ein Erstausstattungsbedarf im eigentlichen Sinne nicht besteht, weil der Bedarf nicht erst-malig,
sondern – nach Brand oder Haft - erneut besteht. Gleichwohl werden in solchen Fällen Leistungen bejaht (zahlreiche
Nachweise bei Loose, a.a.O., Rdn. 35 ff.). Zu dieser Fallgruppe zählen auch die Fälle der Auflösung eines
gemeinsamen Haushalts nach Trennung oder Scheidung (BSG, Urt. vom 19. September 2008 – B 14 AS 64/07 R -;
SG Oldenburg, Beschl. vom 12. Januar 2006 – S 47 AS 1027/05 ER; SG Gelsenkirchen, Beschl. vom 11. April 2005
– S 11 AS 25/05 ER). Eine Leistungsgewährung gem. § 23 Abs. 3 SGB II kommt in diesen Fäl-len aber nur dann in
Betracht, wenn ein erheblicher Anteil des Hausrats durch ein außerge-wöhnliches Ereignis nicht mehr nutzbar ist (LSG
Niedersachsen-Bremen, Urt. vom 4. Sep-tember 2008, L 13 AS 518/06). Dies folgt daraus, dass andernfalls keine
Rechtfertigung be-stünde, entgegen § 20 Abs. 1 SGB II einen nicht von der Regelleistung gedeckten Sonderbe-darf
anzuerkennen. Für die übrigen – auch außergewöhnlichen - Fälle muss gelten, dass in-soweit durch Ansparen aus der
Regelleistung vorzusorgen ist. Gegen einen vollständigen oder erheblichen Verlust des Hausrats kann jedoch durch
Ansparen aus der Regelleistung nicht vorgesorgt werden. Es ist daher davon auszugehen, dass diese Überlegung
Hintergrund für die ausdrückliche Nennung des Wohnungsbrandes und der Haftentlassung im Gesetzge-
bungsverfahren gewesen ist. Vorliegend sind aber – mit Ausnahme der defekten Waschma-schine – keine
Haushaltsgegenstände unbrauchbar geworden. Damit ist nicht ein erheblicher Teil des Hausrats der Antragsteller
untergegangen, so dass eine Leistungsgewährung gem. § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II unter keinem denkbaren
Gesichtspunkt in Betracht kommt.
c) Hieran ändert auch das Urteil des Bundessozialgerichts vom 1. Juli 2009 (B 4 AS 77/08 R) nichts. Es betrifft
lediglich den Fall, dass bei einem vom Grundsicherungsträger angeordneten Umzug Möbelstücke unbrauchbar
werden.
2. Ein Anspruch auf Gewährung eines Darlehens gem. § 23 Abs. 1 SGB II ist erkennbar von den Antragstellern nicht
gewollt. Sie begehren ausdrücklich die Übernahme einer "Beihilfe".
3. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 Abs. 1 SGG in entsprechender Anwen-dung. Sie entspricht dem
Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten.