Urteil des SozG Bremen vom 07.08.2009

SozG Bremen: beendigung, wohnung, hauptsache, mietvertrag, ausführung, beteiligter, mieter, schwellenwert, auflage, unterliegen

Sozialgericht Bremen
Beschluss vom 07.08.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Bremen S 23 AS 1415/09 ER
Der Antrag wird abgelehnt. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragsteller begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Kostenübernahme für Material zur
Durchführung einer Auszugsrenovierung.
Der 1974 geborene Antragsteller zu 1) und die 1972 geborene Antragstellerin zu 2) stehen im laufenden
Leistungsbezug bei der Antragsgegnerin, der Trägerin der Grundsicherung in Bre-men. Sie ziehen demnächst in eine
neue, dann gemeinsame Wohnung um. Nach dem Miet-vertrag der bisherigen Wohnung der Antragstellerin zu 2) in der
T-Straße in Bremen hat diese – die Antragstellerin zu 2) - die Schönheitsreparaturen übernommen (§ 4 Abs. 1). Über
die Ausführung der Reparaturen heißt es in dem Mietvertrag (§ 4):
"(Abs. 3 Satz 2) Die Schönheitsreparaturen sind nach Ablauf folgender Zeiträume aus-zuführen: in Küchen, Bädern
und Duschen alle drei Jahre, ( ) in Wohn- und Schlafräumen, Fluren, Dielen und Toiletten alle fünf Jahre in anderen
Nebenräumen alle sieben Jahre. ( )
(Abs. 5) Hat das Mietglied die Schönheitsreparaturen übernommen, so sind nach Abs. 3 und 4 fälligen
Schönheitsreparaturen rechtzeitig vor Beendigung des Nutzungsver-hältnisses nachzuholen.
(Abs. 6) Sind bei Beendigung des Nutzungsverhältnisses Schönheitsreparaturen noch nicht fällig im Sinne von Abs. 3
und 4, so hat das Mietglied an die Genossenschaft ei-nen Kostenanteil zu zahlen, da die Übernahme der
Schönheitsreparaturen durch das Mitglied bei der Berechnung der Nutzungsgebühr berücksichtigt worden ist. ( )
Der zu zahlende Anteil entspricht, soweit nach Abs. 4 nichts anderes gilt, dem Verhält-nis zwischen den vollen
Fristen lt. Abs. 3 und den seit Ausführung der letzten Schön-heitsreparaturen bis zur Beendigung des
Nutzungsverhältnisses abgelaufenen Zeit-räumen.
Die Kostenanteile des Mitglieds werden zur Durchführung von Schönheitsreparaturen verwendet (vgl. Abs. 2). Soweit
das Mitglied noch nicht fällige Schönheitsreparaturen rechtzeitig vor Beendigung des Nutzungsverhältnisses
durchführt, ist es von der Zah-lung des Kostenanteils befreit."
Am 30. Juli 2009 haben die Antragsteller beim Sozialgericht die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt.
Sie begehren die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Zahlung von Materialkosten für zwei Eimer weiße Farbe zu je
10 Euro und für Streichmaterial (Abkle-beband, Folie, Farbrolle und Abstreicher) in Höhe von 15 Euro. Zur Begründung
wird ausge-führt, die Wohnung müsse zum 1. September 2009 komplett weiß gestrichen übergeben wer-den. Die
Materialkosten hierfür müsse die Antragsgegnerin tragen. Das Bundessozialgericht erkenne die Kosten für im
Mietvertrag vereinbarte Schönheitsreparaturen als Kosten der Un-terkunft gem. § 22 Abs. 1 SGB II an. Es sei Eile
geboten, weil die Arbeiten noch im August abgeschlossen werden müssten.
Die Antragsgegnerin ist dem Eilantrag entgegengetreten. Sie meint, die Antragstellerin zu 2) sei nach dem Mietvertrag
nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht zur Durchführung der Schönheitsreparaturen verpflichtet.
Dementsprechend könnten die An-tragsteller auch keinen Kostenanspruch gegenüber der Antragsgegnerin haben.
Bezüglich der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten verwiesen.
II.
Der gem. § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Antrag auf Erlass einer einstwei-ligen Anordnung ist
zulässig, aber nicht begründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige
Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn
eine solche Regelung zur Abwendung we-sentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Die Gewährung
einstweiligen Rechtsschutzes setzt einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund voraus (vgl. Meyer-
Ladewig, SGG, 9. Auflage 2008, § 86b Rn. 27, 29). Ein materieller Anspruch ist im einstweiligen
Rechtsschutzverfahren nur einer summarischen Überprüfung zu unterziehen; hierbei muss der Antragsteller glaubhaft
machen, dass ihm aus dem Rechtsverhältnis ein Recht zusteht, für das wesentliche Gefahren drohen (Meyer-
Ladewig, a. a. O., Rn. 28). Der Anordnungsgrund setzt Eilbedürftigkeit voraus, dass heißt, es müssen erhebliche
belastende Auswirkungen des Verwaltungshandelns schlüssig dargelegt und glaubhaft gemacht werden. Dabei muss
die Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheinen, § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG. Dies bedeutet
zugleich, dass nicht alle Nachteile zur Geltendmachung vorläufigen Rechtsschutzes berechtigen. Bestimmte
Nachteile müssen hingenommen werden (Binder in Hk-SGG, 2003, § 86 b Rn. 33). Es kommt damit darauf an, ob ein
Abwarten bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache hingenommen werden kann. Ob dies der Fall ist, be-misst sich
an den Interessen der Antragssteller und der öffentlichen sowie gegebenenfalls weiterer beteiligter Dritter. Dabei
reichen auch wirtschaftliche Interessen aus (vgl. Binder, a. a. O.).
1. Es ist kein Anordnungsanspruch gegeben. Die Antragsteller haben gegenüber der Antrags-gegnerin keinen
Anspruch auf die Übernahme von Materialkosten. Zwar können nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
(BSG) – worauf die Antragsteller zu Recht hinge-wiesen haben – mietvertraglich geschuldete Schönheitsreparaturen
zu den Kosten der Unter-kunft zählen (Urteil des BSG vom 19. März 2008 – B 11b AS 31/06 R), was zur Folge hätte,
dass die Kosten hierfür vom Grundsicherungsträger zu übernehmen sind. Dies gilt jedoch nur dann, wenn der
Hilfebedürftige mietrechtlich zur Durchführung der Schönheitsreparaturen verpflichtet ist, er also tatsächlich die
Arbeiten erledigen muss.
Daran fehlt es hier jedoch. Zwar ist die Antragstellerin zu 2) nach dem Wortlaut des Mietver-trags verpflichtet, die
Wohnung zu streichen (oder einen entsprechenden Kostenanteil zu tra-gen). Diese Regelung ist jedoch - worauf die
Antragsgegnerin zu Recht hingewiesen hat – nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) nichtig. Im
Urteil des 8. Zivilsenats des BGH vom 5. April 2006 (VIII ZR 106/05) heißt es zusammenfassend, vorformulierte Fris-
tenpläne für die Ausführung von Schönheitsreparaturen müssten, um der Inhaltskontrolle am Maßstab des § 307 Abs.
1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB standzuhalten, nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats so abgefasst sein, dass
der Fristenplan nur den Charakter einer Richtlinie hat, von der im Einzelfall bei gutem Erhaltungszustand der
Mieträume auch nach oben abgewichen werden kann; dies muss für den durchschnittlichen, verständigen Mieter
erkennbar sein (Urteil vom 28. April 2004 - VIII ZR 230/03, NJW 2004, 2087, unter III a; Urteil vom 23. Juni 2004 - VIII
ZR 361/03, NJW 2004, 2586, unter II 2; Urteil vom 13. Juli 2005 - VIII ZR 351/04, NJW 2005, 3416, unter II 2). Die in
§ 4 des Mietvertrages der Antragstellerin ent-haltene Klausel hat nicht den Charakter einer Richtlinie, sondern stellt
einen starren Fristen-plan auf und ist daher nichtig. Daraus folgt, dass die Antragstellerin zu 2) zur Durchführung einer
Renovierung (bzw. zur Tragung eines Kostenanteils) nicht verpflichtet ist. Hieraus folgt wiederum, dass es sich bei
den Kosten einer solchen Renovierung auch nicht um Kosten der Unterkunft gem. § 22 SGB II handeln kann, die von
der Antragsgegnerin zu tragen wären.
2. Ob ein Anordnungsgrund – Eilbedürftigkeit – vorliegt, ist dementsprechend nicht mehr zu prüfen. Hierauf käme es
nur an, wenn ein Anordnungsanspruch gegeben wäre.
3. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 Abs. 1 SGG in entsprechender Anwen-dung. Sie entspricht dem
Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten.
5. Der Beschluss ist nicht anfechtbar, § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG, weil in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig
wäre. Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar, weil der Wert des Be-schwerdegegenstandes für keinen Beteiligten
750,00 Euro übersteigt und wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr nicht im Streit sind (§ 172
Abs. 3 Nr. 1 SGG in Verbindung mit § 144 Abs. 1 SGG). Die Antragsteller sind mit einem Betrag von (2 mal 10,00
Euro gleich 20,00 Euro plus 15,00 Euro gleich) 35,00 Euro beschwert. Der Schwellenwert für eine zulässige Berufung
liegt bei 750,00 Euro, § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG.