Urteil des SozG Bremen vom 20.01.2009

SozG Bremen: aufschiebende wirkung, verwaltungsakt, erlass, umdeutung, interessenabwägung, bekanntgabe, vollziehung, einspruch, hauptsache, zukunft

Sozialgericht Bremen
Beschluss vom 20.01.2009 (rechtskräftig)
Sozialgericht Bremen S 26 AS 68/09 ER
1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antrag-stellerin vom 19. Dezember 2008 gegen den
Aufhebungsbe-scheid der Antragsgegnerin vom 15. Dezember 2008 wird angeordnet. 2. Die Antragsgegnerin hat der
Antragstellerin die dieser ent-standenen außergerichtlichen Kosten des gerichtlichen Verfahrens zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist zwischen den Beteiligten die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Wider-spruchs der Antragstellerin
gegen den Aufhebungsbescheid der Antragsgegnerin vom 15. Dezember 2008.
Die 1951 geborene Antragstellerin bezieht seit dem 01. Dezember 2007 Arbeitslosengeld von der Bundesagentur für
Arbeit.
Seit dem 01. Januar 2008 steht sie auch im ergänzenden Bezug von Arbeitslosengeld Ih (Alg II) bei der
Antragsgegnerin. Diese bewilligte ihr zuletzt durch Bescheid vom 11. Dezem-ber 2008 Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch 2 (SGB II) ab dem 01. Januar 2009 für die Dauer von sechs Monaten i.
H. v. 287,70 EUR monat-lich.
Ohne die Antragstellerin zuvor anzuhören erließ die Antragsgegnerin am 15. Dezember 2008 einen weiteren Bescheid,
durch den sie ihre Entscheidung über die Bewilligung von Alg II vom 11. Dezember 2008 ab dem 01. Februar 2009
aufhob. Diese Entscheidung stützte sie auf § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch 10 (SGB X). Zur Begründung führte
sie darin aus, die Antragstellerin verfüge über Vermögenswerte i. H. v. 26.324,00 EUR. Nach Abzug eines Freibe-
trages i. H. v. 9.300,00 EUR verbleibe ein zu berücksichtigendes Vermögen i. H. v. 17.024,00 EUR. Die
Antragstellerin sei somit nicht mehr hilfebedürftig i. S. v. § 7 Abs. 1 i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 SGB II.
Offenbar ging die Antragsgegnerin davon aus, dass eine "wesentliche Änderung" dadurch eingetreten sei, dass der
Antragstellerin im März des Jahres 2008 aus einem Versicherungs-vertrag ein Betrag i. H. v. 15.924,00 EUR
zugeflossen sei.
Gegen diesen Aufhebungsbescheid legte die Antragstellerin am 19. Dezember 2008 Wider-spruch ein (von ihr als
"Einspruch" bezeichnet). Diesen Rechtsbehelf begründete die Antrag-stellerin mit Schriftsatz ihrer jetzigen
Prozessbevollmächtigten vom 14. Januar 2009 weiter.
Daneben hat die Antragstellerin am 15. Januar 2009 einen Antrag auf Gewährung einstweili-gen Rechtsschutzes vor
dem Sozialgericht gestellt. Mit diesem begehrt sie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs
gegen den Aufhebungsbescheid der Antrags-gegnerin vom 15. Dezember 2008.
Wegen der insoweit gegebenen Begründung wird an dieser Stelle Bezug genommen auf den Inhalt des Schriftsatzes
der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin vom 15. Januar 2009.
Die Antragstellerin beantragt nach Lage der Akten,
die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 19. Dezember 2008 gegen den Aufhebungsbescheid der
Antragsgegnerin vom 15. Dezember 2008 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt nach Lage der Akten,
den Antrag zurückzuweisen.
Wegen der Einzelheiten der von ihr gegebenen Antragserwiderung wird an dieser Stelle Be-zug genommen auf den
Inhalt ihres Schriftsatzes vom 19. Januar 2009.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt der Ge-richtsakte verwiesen. Die
Verwaltungsakte der Antragsgegnerin zur BG-Nr. 0087976 hat bei der Entscheidung vorgelegen. Auf deren Inhalt wird
ergänzend Bezug genommen.
II.
Im hier zu entscheidenden Fall war die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antrag-stellerin vom 19.
Dezember 2008 gegen den Aufhebungsbescheid der Antragsgegnerin vom 15. Dezember 2008 nach § 86b Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) anzuordnen. Nach der genannten Norm kann das Gericht der Hauptsache
auf Antrag in den Fällen, in de-nen ein Widerspruch keine aufschiebende Wirkung hat (vgl. dazu § 86a Abs. 2 Nr. 4
SGG i. V. m. § 39 Nr. 1 SGB II), die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Bei der dies-bezüglichen
Entscheidung ist maßgeblich auf die Erfolgsaussichten eines etwaigen Hauptsa-cheverfahrens abzustellen. Ist eine
spätere Klage aussichtslos, wird die aufschiebende Wir-kung nicht angeordnet. Ist der mit dem Widerspruch
angefochtene Verwaltungsakt demge-genüber offensichtlich rechtswidrig und der Betroffene durch ihn in sein
subjektiven Rechten verletzt, ist die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen, weil dann ein öffentli-ches
Interesse an der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes nicht erkennbar ist.
So liegen die Dinge im hier zu entscheidenden Fall. Denn der mit dem Widerspruch von der Antragstellerin
angefochtene Aufhebungsbescheid der Antragsgegnerin vom 15. Dezember 2008 ist offensichtlich rechtswidrig. Ihre
diesbezügliche Aufhebungsentscheidung für die Zeit ab dem 01. Februar 2009 meint die Antragsgegnerin auf § 48
Abs. 1 Satz 1 SGB X stützen zu können. Nach dieser Norm ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den
tatsächli-chen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentli-che Änderung
eintritt, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Zwar handelte es sich bei dem Bewilligungsbescheid der
Antragsgegnerin vom 11. Dezember 2008 um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung; allerdings ist weder in den
tatsächlichen noch in den rechtlichen Verhält-nissen, die bei dessen Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche
Änderung eingetreten. Ein von der Antragsgegnerin offensichtlich angenommener "Vermögenszuwachs" bei der
Antrag-stellerin ist nach Bekanntgabe (des mit Wirkung ab dem 01. Februar 2009 aufgehobenen)
Bewilligungsbescheides vom 11. Dezember 2008 nicht erkennbar. Da somit die tatbestandli-chen Voraussetzungen
von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht erfüllt sind, vermag die Antrags-gegnerin die von ihr getroffene
Aufhebungsentscheidung nicht auf diese Norm zu stützen.
Es kam im hier zu entscheidenden Fall auch keine "Umdeutung" in eine Entscheidung nach § 45 SGB X in Betracht.
Denn die Beklagte hat weder eine Vertrauensschutzprüfung i. S. v. § 45 Abs. 2 SGB X angestellt noch hat sie eine
nach § 45 Abs. 1 SGB X erforderliche Ermes-sensentscheidung getroffen.
Da nach alledem die vorzunehmende Interessenabwägung zu Gunsten der Antragstellerin auszufallen hatte, war die
aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Aufhe-bungsbescheid der Antragsgegnerin vom 15. Dezember
2008 anzuordnen.
Die getroffene Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs. 1 SGG.