Urteil des SozG Bremen vom 12.02.2009

SozG Bremen: Az.: 21402BG0080008, wird angeordnet. Die Antragsgegnerin hat den Antragstellern ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten., umkehr der beweislast, wesentliche veränderung

Sozialgericht Bremen
Beschluss vom 12.02.2009 (rechtskräftig)
Sozialgericht Bremen S 21 AS 183/09 ER
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 06. Februar 2009 gegen den Aufhebungsbescheid der
Antragsgegnerin vom 04.02.2009 - Az.: 21402BG0080008 - wird angeordnet. Die Antragsgegnerin hat den
Antragstellern ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragsteller wenden sich gegen die von der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 04. Feb-ruar 2009
ausgesprochene teilweise Aufhebung ihrer Leistungsbewilligung mit Wirkung zum 01. Februar 2009 und begehren,
dass ihnen auch über den 01. Februar 2009 hinaus Leistun-gen nach dem SGB II gewährt und ausgezahlt werden.
Die Antragsteller stehen seit etwas über einem Jahr im Leistungsbezug bei der Antragsgegne-rin.
Am 22. Januar 2007 trennte sich die Antragstellerin zu 1. von ihrem Ehemann, Herrn B ... Sie ging mit den beiden
gemeinsamen Kindern, der Antragstellerin zu 2. und dem Antragsteller zu 3., zunächst ins Frauenhaus. Von dort
zogen die Antragsteller in eine gemeinsame Wohnung in der A-Straße.
Derzeit sind bei dem Amtsgericht - Familiengericht - A-Stadt ein Scheidungsverfahren sowie Verfahren wegen
Trennungs- und Kindesunterhalts der Antragstellerin zu 1. gegen ihren E-hemann anhängig. In diesen Verfahren wird
sie von Frau Rechtsanwältin I. vertreten. Zugleich führt die Antragstellerin ein Verfahren wegen der Auszahlung von
"Brautgeld" vor einem irani-schen Gericht.
Im der Sitzung des Familiengerichts vom 04. November 2008 erklärte der Ehemann der An-tragstellerin zu 1., er habe
bereits 15.000,00 US-Dollar an ihren Vater gezahlt als erste Rate auf das Brautgeld. Die zweite Rate in gleicher Höhe
sei bereits unterwegs. Die Antragstellerin zu 1. erklärte hierzu, das Geld habe ihr Anwalt im Iran bekommen. In
diesem Termin schlug der Ehemann der Antragstellerin zu 1. vor, 110.000,00 US-Dollar, umgerechnet in Euro, in
monatlichen Raten von 1.500,00 Euro für ca. 58 Monate als Unterhalt für Frau und Kinder zu zahlen, wenn die
Antragstellerin zu 1. im Gegenzug auf den Rest des Brautgeldes verzichten würde. Diesen Vorschlag lehnte die
Antragstellerin zu 1. mit Anwaltsschreiben vom 01. De-zember 2008 ab mit der Begründung, Brautgeld sei kein
Unterhalt und in einer Summe zu zahlen.
Mit Änderungsbescheid vom 16. Januar 2009 bewilligte die Antragsgegnerin den Antragstel-lern für den Zeitraum vom
01. Dezember 2008 bis zum 31. März 2009 Leistungen zur Siche-rung des Lebensunterhalts einschließlich der
Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 882,88 Euro.
In einer weiteren Sitzung des Familiengericht am 20. Januar 2009 machte der Ehemann der Antragstellerin zu 1. den
Vorschlag, ihr auf das Brautgeld jährlich 30.000,00 Euro zu zahlen. Diese erklärte daraufhin, sie werde keinen
Trennungsunterhalt geltend machen, wenn ihr E-hemann das Brautgeld bezahle. Die Parteien einigten sich darauf,
sich außergerichtlich um eine Vereinbarung bemühen zu wollen.
Mit Bescheid vom 04. Februar 2009 hob die Antragsgegnerin den vorgenannten Bewilli-gungsbescheid gemäß § 48
Abs. 1 Satz 2 SGB X mit Wirkung zum 01. Februar auH. Diese Entscheidung begründete sie mit einem Wegfall der
Hilfebedürftigkeit.
Gegen diesen Bescheid hat die Antragstellerin am 06. Februar 2009 Widerspruch eingelegt, über den nach Aktenlage
bislang noch nicht entschieden worden ist.
Am selben Tag hat die Antragstellerin zu 1. das Sozialgericht um die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes für
sich und die Antragsteller zu 2. und 3. ersucht. Ihr Ehemann habe seit ihrer Trennung lediglich für den Zeitraum Juli
2008 bis September 2008 Unterhaltszahlungen an sie geleistet. Außerdem habe ihr Ehemann an den von ihr
bevollmächtigten und im Iran lebenden Vater einen Betrag von 15.000,00 US-Dollar auf das ihr zustehende Brautgeld
ge-zahlt. Von diesem Geld habe ihr Vater den iranischen Rechtsanwalt bezahlt, den ihr Vater mit ihrer Vertretung in
der Brautgeldsache vor dem iranischen Gericht beauftragt habe. Weitere Zahlungen seien von ihrem Ehemann seither
nicht an sie entrichtet worden. Anders als die Antragsgegnerin offenbar vermute habe sie insbesondere keine Zahlung
über 15.000,00 US-Doller erhalten. Weiter trägt die Antragstellerin zu 1. vor, dass ihr Ehemann, der ein Umgangs-
recht für die gemeinsamen Kinder besitze, die Antragstellerin zu 2. und den Antragsteller 3. am vergangenen MA.
(30.01.2009) vereinbarungsgemäß abgeholt, jedoch bis zum letzten Montag (02. Februar 2009) nicht zurückgebracht
habe. Sie habe ihn telefonisch im Iran er-reicht, obgleich ihm das Umgangsrecht nicht erlaube, mit den Kindern ohne
ihr Einverständnis Deutschland zu verlassen. Sie habe deswegen bereits eine Strafanzeige bei der Polizei A-Stadt
gestellt. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung sei erforderlich, da die Antragsteller mittellos seien. Die
Antragstellerin zu 1. verfüge über keinerlei Einkünfte oder Vermögen und wisse nicht, wie sie den Lebensunterhalt für
sich und – nach ihrer Rückkehr – für die Antrag-stellerin zu 2. und den Antragsteller zu 3. sicherstellen solle. Auch
wisse sie nicht, wann das Unterhaltsverfahren gegen ihren Ehemann abgeschlossen sein werde. Dem Eilantrag beige-
fügt ist ein an das Amt für soziale Dienste adressiertes Schreiben ihrer Anwältin, Frau Rechtsanwältin I., vom 23.
Januar 2009. Darin trägt diese vor, dass die Antragstellerin monat-liche Unterhaltszahlungen in Höhe von 1.500,00
Euro für die Monate Juli bis September 2008 erhalten habe. Seit Oktober 2008 sei kein Unterhalt gezahlt worden. Die
Antragstellerin zu 1. habe nicht auf Unterhaltszahlungen verzichtet. Auch ihr versicht auf die ratenweise Auszah-lung
des Brautgeldes als Unterhalt habe keinen Unterhaltsverzicht bedeutet. Über die Höhe des zu zahlenden
Kindesunterhalts sei bislang noch nicht entschieden worden. Soweit der Ehemann in dem von der Antragstellerin
gegen ihn geführten Unterhaltsverfahren die Zahlung unterschiedlichster Beträge behauptet habe, habe er bislang
keine dieser Zahlungen nach-weisen können (mit Ausnahme der vorgenannten Zahlungen für Juni - September 2008).
Von Zahlungen des Ehemannes im Jahr 2007 über 15.000,00 Euro und im Jahr 2008 über 10.000,00 Euro habe sie,
Frau Rechtsanwältin I., keine Kenntnis; er möge diese nachweisen.
Die Antragsteller beantragen sinngemäß,
Die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen weiterhin (ab dem 01. Februar
2009) Arbeitslosengeld II in gesetzlicher Höhe zu gewähren und schnellstmöglich auszuzahlen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die Antragsgegnerin ist am 10. Februar 2009 telefonisch zu dem Sachverhalt angehört wor-den. Sie trägt vor, dass ihr
eine Stellungnahme des zuständigen Leistungsteams vorliege, wonach es den Anschein habe, dass bei der
Antragstellerin zu 1. Finanzmittel vorhanden sei-en. Vor dem Hintergrund, dass die Antragstellerin zu 2. und der
Antragsteller zu 3. möglicher-weise von ihrem Vater, dem Ehemann der Antragstellerin zu 1. entführt worden seien,
könne außerdem nicht konkret festgestellt werden, welcher Bedarf tatsächlich besteht. In einem am 11. Februar 2009
mit der Vorsitzenden geführten Telefonat bestätigt die Antragsgegnerin nochmals, dass eine Abhilfe nicht in Betracht
komme. Die Antragsgegnerin bleibe bei ihrer Aufhebungsentscheidung. Auf Nachfrage teilte sie außerdem mit, dass
die Antragstellerin zu 1. nach den ihr vorliegenden Unterlagen am 06. Februar Widerspruch gegen den Aufhe-
bungsbescheid vom 04. Februar 2009 eingelegt habe. In einer schriftlichen Stellungnahme vom 11. Februar 2009 trägt
die Antragsgegnerin ergänzend vor, die Antragstellerin zu 1. habe sich mit ihrem in Trennung lebenden Ehemann in
dem Verfahren vor dem Familiengericht am 20. Januar 2009 darauf geeinigt, dass der Ehemann jährlich einen Betrag
von 30.000,00 Euro an die Antragstellerin zahlt und sie im Gegenzug keinen Trennungsunterhalt geltend macht. Die
Antragsgegnerin gehe davon aus, dass diese zugesagte Summe noch im Februar an die Antragstellerin zu 1. gezahlt
werde. Da sich nach dem Vortrag der Antragstellerin zu 1. ihre Kinder derzeit nicht in der Bundesrepublik aufhielten
und eine Rückkehr auch nicht möglich sei, könne die Antragstellerin zu 1. auch mit dem oben genannten Betrag ihren
Bedarf de-cken.
II.
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 SGG ist gemäß § 123 SGG sinngemäß
dahingehend auszulegen, dass die Antragsteller gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG die Anordnung der
aufschiebenden Wirkung des Widerspruch vom 06. Feb-ruar 2009 gegen den Aufhebungsbescheid der
Antragsgegnerin vom 04. Februar 2009 be-gehren. Eine Umdeutung von Anträgen ist geboten, wenn sie zur
Gewährung effektiven Rechtschutzes geboten ist (vgl. LSG Hessen, Beschl. v. 18.04.2007, L 7 SO 85-86, L 7 B
281/06; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. 1. 2006 - L 15 B 1105/05 SO ER; VGH Baden-Württemberg
Beschluss vom 3. 9. 1990 - 5 S 1840/90; Keller, in: Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 9. Auflage, 2008, § 86 b,
Rdnr. 9 b, 26 a). Insbesondere im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes obliegt es dem Gericht, unklare oder
rechtlich unzutreffende Anträge in eine sachgerechte Form zu bringen (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v.
30.07.2007, L 8 AS 186/07 ER). Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist nach § 86 b Abs. 2 Satz 1
SGG wegen des Vorrangs der Regelungen in § 86 b Abs. 1 SGG nur statthaft, wenn gerichtlicher Rechtsschutz im
Hauptsacheverfahren über die isolierte Anfech-tungsklage (bzw. den Anfechtungswiderspruch) nicht zulässigerweise
erreicht werden kann. Bei dem Begehren der Antragsteller handelt es sich jedoch in der Hauptsache um eine An-
fechtungssache, da sie sich gegen die Aufhebung ihrer Leistungsbewilligung wenden. Ihr da-gegen eingelegter
Widerspruch hat auch keine aufschiebende Wirkung. Zwar haben Wider-spruch und Anfechtungsklage grundsätzlich
gemäß § 86a Abs. 1 SGG aufschiebende Wir-kung. Diese entfällt jedoch nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG in durch
Bundesgesetz vorgeschrie-benen Fällen. Um einen solchen handelt es sich bei § 39 Nr. 1 SGB II. Nach dieser
Vorschrift hat eine Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der über Leistungen der Grundsiche-rung für
Arbeitssuchende entscheidet, keine aufschiebende Wirkung. Dies gilt auch für Aufhe-bungsbescheide. Der Antrag
gemäß § 86b Abs. 1 SGG entspricht auch dem Rechtsschutzziel der Antragsteller, denn durch die Aussetzung der
Vollziehung der Aufhebungsentscheidung lebt die Leistungsbewilligung für den Zeitraum vom 01. Februar 2009 bis
zum 31. März 2009 wieder auf und den Antragstellern sind die entsprechenden Leistungen auszuzahlen.
2. Der so verstandene, nach § 86b Abs. 1 SGG statthafte Antrag ist zulässig und begründet.
Voraussetzung für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung durch das Gericht ist, dass das Interesse des
Einzelnen an der aufschiebenden Wirkung gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Bescheides
überwiegt. Das ist in entsprechender Anwendung des § 86 a Abs. 3 Satz 2 SGG dann der Fall, wenn ernstliche
Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den
Adressaten eine unbillige nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche
Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen dann, wenn der Erfolg des Rechtsbehelf
wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, 2008, § 86a Rdnr.
27a). Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- oder
Rechtslage im einstweiligen Rechtsschutz nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entschei-den,
welchem Interesse bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache Vorrang einzuräumen ist (vgl. BVerfG, Beschluss
vom 12.05.2005, Az. 1 BvR 569/05).
Hieran gemessen überwiegt vorliegend das private Aussetzungsinteresse der Antragsteller gegenüber dem
öffentlichen Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin. Denn nach summari-scher Prüfung bestehen Zweifel an der
Rechtmäßigkeit des Aufhebungsbescheides vom 04. Februar 2009. Zumindest erscheint es keineswegs bereits
gesichert, diese Aufhebungsent-scheidung der Antragsgegnerin rechtmäßig ist (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen,
Beschluss v. 24.09.2007, L 20 B 155/07 AS ER).
a) Die Antragsgegnerin stützt ihre Entscheidung über die Aufhebung der Leistungsbewilligung auf § 48 Abs. 1 Satz 2
SGB X i.V.m. § 40 Abs. 1 SGB II und § 330 Abs. 3 SGB III sowie auf §§ 7 Abs. 1, 8, 9 Abs. 1 SGB II. Als
Begründung nennt sie den Wegfall der Hilfebedürftigkeit der Antragsteller. Nähere Angaben dazu, auf welche
Tatsachen sie ihre Annahme stützt, dass eine Hilfebedürftigkeit der Antragsteller nicht mehr vorliege, finden sich in
dem Bescheid nicht. Es erscheint daher fraglich, ob diese Begründung noch den Anforderungen des § 35 SGB X
genügt. Ungeachtet dessen liegt es nahe, dass die Antragsgegnerin bei ihrer Entscheidung davon ausgegangen ist,
dass der Antragstellerin zu 1. von ihrem Ehemann Unterhalts- und/oder Brautgeldzahlungen zugeflossen sind, die
ihren Bedarf decken, so dass ein Leis-tungsanspruch nach dem SGB II entfallen ist.
Insoweit bestehen bereits Zweifel, ob sich die Rechtsmäßigkeit der Aufhebungsentscheidung statt nach § 48 SGB X
nach § 45 SGB X bemisst. Wäre etwa die Zahlung in Höhe von 15.000,00 US-Dollar tatsächlich der Antragstellerin
zugeflossen, so wäre diese Zahlung be-reits im Jahr 2007 und damit vor Beginn des aktuellen Bewilligungszeitraums
erfolgt. Diese Frage kann hier aber letztlich offen bleiben. Denn die AXR. einer unzutreffenden Rechts-grundlage allein
macht den Bescheid nicht schon rechtswidrig. Denn im Rahmen eines Rechtsstreits ist die Rechtmäßigkeit eines
Verwaltungsaktes unter jedem rechtlichen Ge-sichtspunkt zu prüfen. Dies umfasst auch die Anwendung einer anderen
Rechtsnorm, etwa die des § 48 SGB X statt des § 45 SGB X und umgekehrt (Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschl.
v. 29.11.2007 - L 6 B 191/07 AS ER, L 6 B 191/07 AS ER PKH, L 6 B 605/07 AS PKH -; Eicher in: Eicher/Spellbrink,
SGB II, 2. Aufl. 2008, § 40 Rdnr. 114).
Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich in den tatsächlichen oder rechtlichen Ver-hältnissen, die bei Erlass
eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt
mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Gemäß Abs. 1 Satz 2 der Vorschrift soll der Verwaltungsakt mit Wirkung
vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse unter anderem dann aufgehoben werden, soweit (Nr. 2) der Be-troffene
einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der
Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachge-kommen ist, (Nr. 3) nach Antragstellung oder Erlass des
Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs
geführt haben würde, oder (Nr. 4.) der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in
besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes
zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise wegge-fallen ist.
Nach summarischer Prüfung auf der Grundlage der hier vorliegenden Unterlagen waren diese Voraussetzungen hier
nicht erfüllt. Die Antragsgegnerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im
Sinne von § 48 SGB X eingetreten ist. Insbe-sondere hat sie nicht den Nachweis dafür erbracht, dass die
Hilfebedürftigkeit der Antragstel-ler weggefallen ist.
Die Antragstellerin zu 1. macht geltend, dass sie seit Oktober 2008 keine Unterhaltszahlungen ihres Ehemannes mehr
erhalten habe. Aus den hier vorliegenden Unterlagen ergibt sich nichts Gegenteiliges. Insbesondere findet sich kein
Beleg dafür, dass der Bedarf der Antrag-stellerin und ihrer Kinder durch Zahlungen ihres Ehemannes oder durch
sonstiges Einkom-men gedeckt wäre. Zwar hat der Ehemann der Antragstellerin vor dem Familiengericht weitere
Zahlungen angekündigt bzw. gegenüber Frau Rechtsanwältin I. behauptet, dass weitere Gel-der geflossen seien. Dies
stellt jedoch keine taugliche Beweisgrundlage dar, zumal die An-tragstellerin dieser Darstellung widersprochen hat.
Entgegen dem Vortrag der Antragsgegne-rin haben sich die Antragstellerin zu 1. und ihr Ehemann auch nicht am 20.
Januar 2009 in dem Verfahren vor dem Familiengericht darauf geeignet, dass dieser jährlich einen Betrag in Höhe von
30.000,00 Euro an sie zahlt. In dem von der Antragstellerin zu 1. zu den Akten ge-reichten Sitzungsprotokoll wurde
ein entsprechender Vergleich nicht protokolliert. Vielmehr geht daraus hervor, dass der Ehemann der Antragstellerin
zu 1. zwar einen entsprechenden Vorschlag gemacht und die Antragstellerin daraufhin signalisiert hat, dass sie im
Falle der Zahlung auf Trennungsunterhalt verzichte. Letztlich sind die Parteien aber so verblieben, dass sie sich
außergerichtlich um eine Vereinbarung bemühen wollten. Dass seither eine solche Vereinbarung geschlossen worden
ist bzw. dass entsprechende Zahlungen tatsächlich an die Antragstellerin geflossen sind, hat die Antragsgegnerin
weder dargelegt noch glaubhaft ge-macht. Auch hinsichtlich der Brautgeldzahlung in Höhe von 15.000,00 Euro ergibt
sich aus den vorliegenden Unterlagen kein Hinweis darauf, dass dieses Geld der Antragstellerin zu 1. zugeflossen
wäre. Nachweise zu den Einkommens- und Vermögensverhältnisse der An-tragsteller liegen der Kammer nicht vor.
Ob die Leistungsakte der Antragsgegnerin hier weite-re Aufklärung bringen kann, konnte von der Kammer nicht geprüft
werden. Diese Akte lag der Kammer zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht vor, obgleich die Antragsgegnerin mit
Schrei-ben vom 06. Februar 2009 wegen der besonderen Eilbedürftigkeit der Sache um unverzügli-che Stellungnahme
und Aktenübersendung bis zum 09. Februar gebeten worden war.
Die objektive Beweislast dafür, dass nachträglich eine wesentliche Veränderung der Verhält-nisse gemäß § 48 Abs. 1
SGB X zuungunsten des von der früheren Bewilligung Begünstigten eingetreten ist, trägt grundsätzlich die Behörde
(vgl. VG Magdeburg, Urt. v. 21. 02. 2007 – 6 A 1372/04 -; vgl. Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschl. v. 29.11.2007 -
L 6 B 191/07 AS ER, L 6 B 191/07 AS ER PKH, L 6 B 605/07 AS PKH – zur Beweislast für die anfängliche Rechts-
widrigkeit eines Bescheides im Sinne von § 45 SGB X).
Zwar kommt eine Umkehr der Beweislast in Betracht. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass es der Behörde nach
Ausschöpfung aller Möglichkeiten zur Aufklärung des Sachverhalts nicht gelungen ist, die bestehende Ungewissheit
zu beseitigen (BSG, Urt. v. 26.11.1992 - 7 RAr 38/92 -). In welchem Umfang sich die Antragsgegnerin um eine
Aufklärung des Sachverhalts bemüht hat, kann das Gericht – zumal ohne Einsicht in die Leistungsakte – nicht
abschlie-ßend beurteilen. Gegen eine umfassende Ermittlung des Sachverhalts spricht die vage For-mulierung in der
Stellungnahme des Leistungsteams, wonach es den "Anschein" habe, dass die Antragstellerin über Finanzmittel
verfüge, sowie die denkbar knapp gefasste Begründung des Aufhebungsbescheids.
Nach summarischer Prüfung sprich derzeit viel dafür, dass die Beweislosigkeit der fehlenden Hilfebedürftigkeit der
Antragsteller der Antragsgegnerin zur Last fällt. Soweit insoweit Zweifel verbleiben, können diese im
Hauptsacheverfahren geklärt werden. Dort kann der Umfang der von Antragstellerin angestellten Ermittlungen geprüft
werden, insbesondere ob und mit wel-chem Ergebnis sie die Antragstellerin zu 1. oder 3. zur Mitwirkung an der
Aufklärung des Sachverhalts aufgefordert hat.
b) Auch der Umstand, dass die Antragsteller zu 2. und 3. sich derzeit nicht bei der Antragstel-lerin zu 1. aufhalten,
rechtfertigte es nicht, den Bewilligungsbescheid ganz oder teilweise – hinsichtlich dieser Mitglieder der
Bedarfsgemeinschaft – aufzuheben. Es liegen jedenfalls nach derzeitigem Sachstand keine ausreichenden
Nachweise dafür vor, dass die Antragsteller zu 2. und 3. aus der Bedarfsgemeinschaft der Antragstellerin zu 1.
ausgeschieden sind.
Maßgeblich für die Bestimmung der Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II ist die Haushalts-gemeinschaft.
Vorliegend bestimmt sich die Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II. Hiernach gehören zur
Bedarfsgemeinschaft die dem Haushalt angehörenden unverheirate-ten Kindes der in den Nummer 1. bis 3. genannten
Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Die Antragstellerin zu 1. ist eine erwerbsfähige
Hilfebedürftige im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 1 SGB II. Es ist darauf abzustellen, ob ihre Kinder, die Antragsteller zu 2.
und 3., (noch) ihrem Haushalt angehören. Maßgebend ist danach das Zusammenleben der Familienangehörigen, und
zwar im Sinne des sich tatsächlich Aufhaltens, wie § 36 SGB II und insbesondere dessen Satz 3 erhellt. Für
Familienmitglieder, die sich überwiegend nicht im z. B. elterlichen Haushalt aufhalten, entsteht am Wohnort der Eltern
kein sozialhilferechtlich beachtlicher Bedarf an Unterkunft und besteht erst Recht keine Haushaltsgemeinschaft (LSG
NRW, Beschl. v. 05.11.2008 - L 20 B 1902/08 AS ER -, unter Bezugnahme auf BVerwGE 72,88 fH. zu den
Regelungen des Bundessozialhilfegesetzes - BSHG).
Die der Kammer vorliegenden Unterlagen lassen abschließende Feststellungen zum derzeiti-gen gewöhnlichen
Aufenthalt (§ 36 SGB II) der Antragsteller zu 2. und 3. nicht zu. Insbeson-dere rechtfertigt alleine der Umstand, dass
der Ehemann der Antragstellerin zu 1. die Kinder absprachewidrig in den Iran mitgenommen hat, für sich genommen
nicht die Schlussfolge-rung, dass er die Kinder entführt und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in den Iran verlagert hat.
Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - die Mutter sorgeberechtigt ist und die Haushaltsab-wesenheit der Kinder
erst 11 Tage andauert.
Letztlich gilt auch hier, dass eine weitere Aufklärung der Umstände dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben
muss. Zum Gegenwärtigen Zeitpunkt sieht die Kammer den Nachweis, dass die Antragsteller zu 2. und 3. aus dem
Haushalt der Mutter ausgeschieden sind, nicht als erbracht an. Die Beweislast liegt auch insoweit bei der
Antragsgegnerin, soweit sie die Aufhe-bung der ursprünglichen Leistungsbewilligung hierauf stützt (LSG NRW, Beschl.
v. 13.09.2007 - L 20 B 103/07 AS ER -). Der Bedarf der Antragsteller zu 2. und 3. ist demnach (vorerst) weiter zu
berücksichtigen.
c) Letztlich konnten in diesem Eilverfahren - insbesondere ohne Vorliegen der Leistungsakte - nicht alle
entscheidungsrelevanten Umstände ermittelt werden. Allerdings kann nach jetzigem Kenntnisstand keineswegs davon
ausgegangen werden, dass die für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides sprechenden Umstände
überwiegen. Schon aus diesem Grund fällt die in diesem Eilverfahren vorzunehmende Interessenabwägung zu
Gunsten der An-tragsteller aus (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 24.09.2007, L 20 B 155/07 AS ER). Für
ein überwiegendes Aussetzungsinteresse der Antragsteller sprach auch, dass die Antragstellerin zu 1. nach ihren
eigenen Angaben derzeit völlig mittellos ist. Dies hat sie durch Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung glaubhaft
gemacht. Es ist nicht ersichtlich, dass sie den bestehenden Bedarf in zumutbarer Weise vorläufig anderweitig decken
könnte. Ihr kann daher nicht zugemutet werden, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten. Gleiches gilt hinsichtlich
der Antragsteller zu 2. und 3., da derzeit nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie demnächst in den Haushalt der
Mutter zurückkehren und dann ebenfalls von der beste-henden wirtschaftlichen Notlage betroffen werden. Diese
Umstände begründen zugleich das besondere Eilbedürfnis in dieser Sache.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG