Urteil des SozG Bremen vom 13.08.2009

SozG Bremen: gewöhnlicher aufenthalt, duldung, stadt, ausländer, aufenthaltserlaubnis, behinderung, agb, besitz, begriff, ausreise

Sozialgericht Bremen
Gerichtsbescheid vom 13.08.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Bremen S 19 SB 3/09
Der Bescheid vom 18. Dezember 2007 i. d. F. des Widerspruchsbescheides vom 02. Dezember 2008 wird
aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die Beklagte eine Feststellung gem. § 2 SGB IX über die Behinderung der
Klägerin vorzunehmen hat. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Verpflichtung der Beklagten, eine Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) der Klägerin nach
dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) vorzunehmen.
Die 1956 geborene Klägerin ist iranische Staatsangehörige. Sie befindet sich bereits seit 1995 in A-Stadt in
neurologischer Behandlung wegen eines cerebralen Anfallsleidens bei kryptogenetischer Epilepsie. Eine Abschiebung
der Klägerin ist derzeit ausgesetzt; sie befindet sich ausländerrechtlich im Status der Duldung. Über ihren im
September 2007 bei der Ausländerbehörde A-Stadt gestellten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gem. §
104 a des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (
Aufenthaltsgesetz – AufenthG -) oder § 25 Abs. 5 AufenthG ist bisher nicht bestandskräftig entschieden worden.
Am 20. August 2007 beantragte die Klägerin die Feststellung ihrer Behinderungen nach dem SGB IX und legte
ärztliche Atteste des Internisten Dr. BZ: vom 10. Mai 2007 und des Neurologen Dr. AOH. vom 17. Juli 2007 vor. Auf
Anfrage der Beklagten teilte die Ausländerbehörde A-Stadt durch Schreiben vom 09. November 2007 mit, die Klägerin
sei zur Ausreise verpflichtet. Eine Abschiebung der Klägerin in den Iran sei aber nicht möglich, da sie nicht bereit sei,
sich den hierfür erforderlichen iranischen Nationalpass oder ein Passersatzpapier bei dem iranischen Generalkonsulat
in B-Stadt zu beschaffen. Daraufhin lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 18. Dezember 2007 den Antrag der
Klägerin ab mit der Begründung, sie gehöre nicht zu dem nach § 2 SGB IX anspruchsberechtigten Personenkreis.
Im Widerspruchsverfahren wies die Klägerin darauf hin, dass sie damit rechne, auf Grund ihres noch nicht
beschiedenen Antrags in den Besitz einer regulären Aufenthaltserlaubnis zu kommen. Sie erfülle die zeitlichen
Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis gem. § 104 a AufenthG. Die Beklagte holte einen Befundbericht des
Dr. AOH. vom 03. Juni 2008 ein erkundigte sich bei der Ausländerbehörde A-Stadt danach, ob die Duldung verlängert
werde. Die Ausländerbehörde teilte durch Schreiben vom 06. November 2008 mit, auf Grund der Erkrankung der
Klägerin könne davon ausgegangen werden, dass ihre Duldung weiterhin verlängert werde. Eine Abschiebung sei in
den letzten Jahren nicht in Betracht gekommen. Durch Widerspruchsbescheid vom 02. Dezember 2008 wies die
Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Dagegen richtet sich die am 05. Januar 2009 erhobene Klage, mit welcher die Klägerin die Aufhebung des
angefochtenen Bescheides und die Verpflichtung der Beklagten zur Vornahme einer Feststellung ihrer Behinderung
begehrt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, nach Mitteilung der Ausländerbehörde könne sie eine
Aufenthaltserlaubnis aus dringenden humanitären Gründen gem. § 25 Abs. 5 AufenthG erhalten, hierfür müsse aber
eine amtsärztliche Untersuchung veranlasst werden. Wann diese erfolgen werde, sei ihr nicht bekannt. Es sei aber
von einem auf Dauer angelegten Aufenthalt in der Bundesrepublik auszugehen, obwohl sie derzeit noch lediglich im
Besitz einer Duldung sei. Im Übrigen beruhe ihre jahrelange Duldung durchgehend auf Krankheitsgründen, so dass es
auf die Frage ihrer (Nicht-)Mitwirkung bei einer Passersatzpapierbeschaffung nicht ankomme.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,
1. den Bescheid vom 18. Dezember 2007 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 02. Dezember 2008 aufzuheben;
2. festzustellen, dass die Beklagte eine Feststellung gem. § 2 SGB IX über die Behinderung der Klägerin
vorzunehmen habe.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, dass die Versorgungsverwaltung sich grundsätzlich an der Entscheidung der Ausländerbehörde zu
orientieren habe, deren Überprüfung ihr kaum möglich sei. Das Bundessozialgericht (BSG) habe schon in seinem
Urteil vom 01.09.1999 (B 9 SB 1/99 R) angeführt, dass ein gewöhnlicher Aufenthalt i. S. d. § 2 SGB IX nur in Betracht
komme, wenn einer freiwilligen Ausreise Hindernisse entgegenstünden, die der Kläger nicht zu vertreten habe. Die
Bewertung, inwieweit die Klägerin ihren weiteren Verbleib in der Bundesrepublik zu vertreten habe und ob ihr eine
Duldung oder ein Aufenthaltstitel zu erteilen sei, obliege der Ausländerbehörde und nicht der Beklagten. Schon aus
diesem Grunde werde die Übertragbarkeit der o.a. Rechtsprechung des BSG auf das seit dem 01. Januar 2005
geltende AufenthG für unzutreffend gehalten. Die Beklagte gehe davon aus, dass die zuständige Ausländerbehörde
von ihrem umfassenden Prüfungsauftrag – insbesondere der Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 AufenthG - Gebrauch
gemacht habe.
Das Gericht hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass es auf Grund der gerichtsbekannt desolaten Zustände in der
Ausländerbehörde A-Stadt und einer oft jahrelangen Bearbeitungsdauer von Anträgen auf Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis als problematisch erscheine, grundsätzlich davon auszugehen, dass im Falle einer Duldung die
Ausländerbehörde die Möglichkeiten des Vorliegens von Ausreisehindernissen bereits umfassend geprüft habe und zu
einem negativen Ergebnis gekommen sei. Das Gericht hat den Beteiligten ferner eine Mitteilung der Präsidentin des
Niedersächsischen Landesamtes für Soziales, Jugend und Familie vom 11. Juni 2009 vorgelegt, wonach in
Niedersachsen bei einer tatsächlichen Aufenthaltsdauer von länger als drei Jahren und der Nichtabsehbarkeit einer
Abschiebung auch bei geduldeten Ausländern ein Antrag nach dem SGB IX bearbeitet werde.
Die Beteiligten sind auf die Möglichkeit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid gem. § 105 Sozialgerichtsgesetz
(SGG) hingewiesen worden.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Prozessakte und die Verwaltungsakten
der Beklagten. Diese Unterlagen haben vorgelegen und waren Grundlage der Entscheidung.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet. Zu Unrecht hat die Beklagte die Vornahme einer Feststellung nach dem SGB IX
abgelehnt. Der angefochtene Bescheid verletzt die Klägerin daher in ihren Rechten. Das Gericht konnte über den
Rechtsstreit gem. § 105 SGG durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten
tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist.
Gem. § 2 Abs. 2 SGB IX setzt - wie schon zuvor gem. § 1 SchwbG - die Feststellung einer Behinderung voraus, dass
der Betroffene seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder seine Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz rechtmäßig im
Geltungsbereich dieses Gesetzbuches hat. Was der gewöhnliche Aufenthalt ist, definiert das SGB IX nicht. Nach §
30 Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) aber hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er
sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur
vorübergehend verweilt. Diese Definition gilt gem. § 37 SGB I für alle Leistungsbereiche des SGB, soweit sich nicht
aus seinen übrigen Büchern etwas anderes ergibt. Zwar enthält das SGB IX keine derartige Ausnahmeregelung, es
entspricht jedoch der ständigen Rechtsprechung des BSG, dass der Begriff des "gewöhnlichen Aufenthalts" nur
hinreichend unter Berücksichtigung des Zwecks des jeweiligen Gesetzes bestimmt werden kann, in dem der Begriff
gebraucht wird. Dies gilt insbesondere für die Frage, wann ein Ausländer seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat
(vgl. BSG Urteil vom 01.09.1999, Az.: B 9 SB 1/99 R, m.w.N.).
Ein nicht nur vorübergehendes Verweilen eines Ausländers nach § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I setzt grundsätzlich eine
ausländerrechtliche Aufenthaltsposition voraus, die so offen ist, dass sie einen Aufenthalt auf unbestimmte Zeit
ermöglicht. Daher hält sich ein Ausländer in der Regel dann nicht gewöhnlich in Deutschland auf, wenn sein Aufenthalt
hier nur geduldet ist. Denn eine Duldung soll gerade keinen Aufenthalt auf Dauer ermöglichen; sie wird vielmehr
lediglich in der Absicht erteilt, den Aufenthalt mit Wegfall des zeitweise bestehenden Abschiebehindernisses zu
beenden. Aber auch bei geduldeten Ausländern liegt ausnahmsweise dann ein nicht nur vorübergehendes Verweilen
vor, wenn andere Umstände ergeben, dass sie sich auf unbestimmte Zeit in Deutschland aufhalten werden. Ein
solcher Umstand ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn ein Ausländer nicht mit einer Abschiebung in sein Heimatland
zu rechnen braucht, weil der Abschiebung Hindernisse entgegenstehen, die er nicht zu vertreten hat (vgl. BSG a.a.O;
Bayerisches LSG, Urteil vom 18.02.1999, Az. L 18 B 141/98 SB PKH; SG Bremen, Urteil vom 02.05.2006, Az. S 3
SB 138/04; SG Duisburg, Urteil vom 15.06.2007, Az. S 30 SB 140/04).
Dies ist hier der Fall. Die Klägerin lebt seit mindestens 14 Jahren in der Bundesrepublik. Nach den Mitteilungen der
Ausländerbehörde A-Stadt vom 09. November 2007 und 06. November 2008 kann ihre Abschiebung schon auf Grund
fehlender Pass- bzw. Passersatzpapiere nicht durchgeführt werden. Darüber hinaus ist auch angesichts der
aktenkundigen Erkrankungen in absehbarer Zeit mit einer Abschiebung nicht zu rechnen. Letzteres hat die Klägerin
eindeutig nicht zu vertreten. Ebensowenig kann aber auch festgestellt werden, dass die Klägerin ihre Passlosigkeit als
Abschiebungshindernis zu vertreten hat. Denn die iranischen Auslandsvertretungen machen die Ausstellung eines
Passersatzpapiers davon abhängig, dass der Ausländer erklärt, freiwillig in den Iran zurückkehren zu wollen. Die
Abgabe einer solchen "Freiwilligkeitserklärung" aber wird zu Recht von weiten Teilen der Rechtsprechung und Literatur
für unzumutbar gehalten, da sie nicht der Wahrheit entspreche (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 27. Juli 1999
- 20 W 306/99 -, InfAuslR 1999, 465; Kammergericht Berlin, Beschluss vom 25. Oktober 1999 - 25 W 8380/99 -,
InfAuslR 2000, 229; OLG Hamm, Beschluss vom 12. Februar 2001 - 19 W 20/01 -, bei AGB. Abschiebungshaft,
Anhang; OLG Celle, Beschluss vom 16. Oktober 2003 - 17 W 80/03 -, bei AGB., aaO.; OLG Düsseldorf , Beschluss
vom 3. November 2003 - I - 3 Wx 275/03 -, bei AGB., aaO.; OLG Köln, Beschluss vom 10. Februar 2006 - 16 Wx
238/05 -, NVwZ-RR 2007, 133; OLG AIY., Urteil vom 16. Januar 2007 - 2 St OLG Ss 242/06 -, Juris und Sächsisches
OVG, Beschluss vom 21. Juni 2007 - A 2 B 258/06 -, n.v.; VG Frankfurt am Main, Urteil vom 23. Januar 2008 - 1 E
3668/07 (2) -, n.v.; ebenso: Heinhold, ZAR 2003, 218, 224; OT.-Zimmermann, ZAR 2005, 275, 280). Unzumutbares
aber kann von der Klägerin nicht verlangt werden.
Die Klägerin hält sich auch rechtmäßig im Geltungsbereich des SGB IX auf.
Ein rechtmäßiger Aufenthalt ist nicht von vornherein dadurch ausgeschlossen, dass der Aufenthalt der Klägerin in der
Bundesrepublik lediglich geduldet ist. Allerdings gewährt ausländerrechtlich die Duldung als vorübergehende
Aussetzung der Abschiebung (vgl. § 60 a AufenthG) dem Ausländer kein Aufenthaltsrecht. Ein rechtmäßiger
gewöhnlicher Aufenthalt eines Ausländers im Sinne des Schwerbehindertenrechts ist aber nicht erst dann
anzunehmen, wenn die Ausländerbehörde eine Aufenthaltsgenehmigung erteilt hat. Nach der o.a.
Grundsatzentscheidung des BSG vom 01.09.1999 schützt das Schwerbehindertenrecht behinderte Ausländer
vielmehr auch dann, wenn sie sich nur geduldet seit Jahren in Deutschland aufhalten, ein Ende dieses Aufenthalts
unabsehbar ist und die Ausländerbehörde gleichwohl keinen Aufenthaltstitel erteilt: Zum einen geriete das
Schwerbehindertenrecht zu seinen eigenen Zielen in unlösbaren Widerspruch, wenn es eine bestimmte Gruppe auf
unabsehbare Zeit in Deutschland lebender ausländischer Behinderter wegen ihrer fremden Staatsangehörigkeit auf
Dauer von Hilfen zur Eingliederung ausschlösse; zum anderen sei dies mit der Verfassung nicht vereinbar. Einem
Aufenthaltstitel sei daher für das Schwerbehindertenrecht der jahrelang geduldete Aufenthalt eines Ausländers,
dessen Abschiebung nicht abzusehen ist und bei dem die Rechtsvoraussetzungen des § 30 Abs. 3 Ausländergesetz
(AuslG) vorliegen, gleichzustellen. Denn in einem solchen Fall sei die Duldung zu einem Aufenthaltsrecht "zweiter
Klasse" entfremdet worden, mit dem anstelle des Aufenthaltstitels humanitär motivierte und/oder politisch erwünschte
Daueraufenthalte von Ausländern möglich gemacht würden (BSG a.a.O.).
Dieser Grundsatz, dass sich auch ein nur geduldeter Ausländer nach dem Schwerbehindertenrecht rechtmäßig im
Bundesgebiet aufhalten kann, ist nach wie vor und insbesondere auch in Ansehung der seit dem 01. Januar 2005
geltenden Vorschriften des AufenthG gültig. Denn auch nach den Regelungen des AufenthG ist ein rechtmäßiger
gewöhnlicher Aufenthalt eines Ausländers im Sinne von § 2 Abs. 2 SGB IX nicht erst dann anzunehmen, wenn die
Ausländerbehörde eine Aufenthaltserlaubnis erteilt hat (vgl. SG Duisburg a.a.O.).
Dem steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber bei Schaffung des AufenthG das Ziel hatte, die Praxis der
Kettenduldungen mit Hilfe der Regelung des § 25 Abs. 5 AufenthG abzuschaffen oder zumindest einzuschränken.
Dieses Ziel ist tatsächlich nicht erreicht worden, da faktisch in den meisten Bundesländern die Bestimmung restriktiv
angewendet und von der Möglichkeit der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen kein oder nur sehr zurückhaltend
Gebrauch gemacht wird (vgl. SG Duisburg a.a.O, m.w.N.). Zu bestehenden Problemen in der Rechtsanwendung des §
25 Abs. 5 AufenthG kommen oftmals noch humanitäre und/oder moralische Bedenken der Ausländerbehörden, die
von der Abschiebung des Ausländers - trotz rechtlicher und tatsächlicher Möglichkeit - keinen Gebrauch machen und
statt dessen weiterhin Duldungen aussprechen (vgl. SG Duisburg a.a.O., m.w.N.). Nichts anderes als der Umstand,
dass es trotz der Regelung des § 25 Abs. 5 AufenthG weiterhin Kettenduldungen in erheblichem Umfang gibt, hat
schließlich auch im August 2007 zur Schaffung der sogenannten Altfallregelung des § 104 a AufenthG für langjährig in
der Bundesrepublik befindliche Ausländer geführt.
Speziell bei der Ausländerbehörde A-Stadt treten gerichtsbekannte desolate Zustände in der Personal- und
Entscheidungslage mit zum Teil jahrelangen Bearbeitungsrückständen hinzu. Obwohl nach § 104 a AufenthG die
Aufenthaltserlaubnis mit Gültigkeit nur bis zum 31. Dezember 2009 erteilt werden soll und an ein Erfordernis der
(überwiegenden) Sicherung des Lebensunterhalts zu bestimmten Stichtagen geknüpft ist, ist eine Vielzahl von
Anträgen nach § 104 a AufenthG von der Ausländerbehörde A-Stadt bisher nicht beschieden worden. Die von der
Beklagten aufgestellte Vertrauensäußerung, dass im Falle des Vorliegens lediglich einer Duldung stets davon
auszugehen sei, dass die Ausländerbehörde A-Stadt bereits sorgfältig die Möglichkeiten der Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis geprüft und abschlägig entschieden habe, entbehrt daher jeder tatsächlichen Grundlage.
Behinderte Ausländer können aber nicht während der Zeiträume des von ihnen nicht zu vertretenden
Organisationsverschuldens der Ausländerbehörde A-Stadt von den Vorteilen des Schwerbehindertenrechts
ausgeschlossen und die Beklagte einer eigenständigen Prüfung enthoben werden.
Auch auf der Grundlage des AufenthaltsG bleibt es damit bei den vom BSG aufgestellten Grundsätzen, wonach das
Schwerbehindertenrecht behinderte Ausländer auch dann schützt, wenn sie sich nur geduldet seit Jahren in
Deutschland aufhalten, ein Ende dieses Aufenthalts unabsehbar ist und die Ausländerbehörde gleichwohl keinen
Aufenthaltstitel erteilt.
Die Klägerin erfüllt diese Voraussetzungen. Sie hält sich seit mindestens vierzehn Jahren in der Bundesrepublik
Deutschland auf und erhält fortlaufend befristete Kettenduldungen. Ein Ende dieses Aufenthalts ist gegenwärtig auf
Grund der Passlosigkeit und der Krankheit der Klägerin nicht absehbar. Ebenso hat – wie oben bereits ausgeführt –
die Klägerin die Ausreisehindernisse zu vertreten.
Die Klage musste daher Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.