Urteil des SozG Braunschweig vom 02.11.2010

SozG Braunschweig: berufliche ausbildung, eigene mittel, anrechenbares einkommen, eltern, unterbringung, hauptsache, wohnung, vergütung, sozialversicherung, fahrkosten

Sozialgericht Braunschweig
Beschluss vom 02.11.2010 (rechtskräftig)
Sozialgericht Braunschweig S 9 AL 260/10 ER
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsstellerin vorläufig unter Vorbehalt einer Rückforderung bis zu einer
bestands- oder rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache für den Zeitraum vom 19.10.2010 bis 27.10.2010
Berufsausbildungsbeihilfe in Höhe von monatlich 42,00 EUR und vom 28.10.2010 bis 31.07.2011 in Höhe von
monatlich 49,00 EUR zu zahlen. Im Übrigen wird der Antrag im einstweiligen Rechtsschutzverfahren abgelehnt. Die
Antragsgegnerin hat die notwendigen außergerichtliche Kosten des Antragstellers zu 15 % zu erstatten.
Gründe:
I.
Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens begehrt der Antragsteller die Gewährung von
Berufsausbildungsbeihilfe nach dem Sozialgesetzbuch – drittes Buch (SGB III). Der Antragsteller, geboren am C. und
wohnhaft in D., bezog zunächst Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltens nach dem Sozialgesetzbuch –
zweites Buch (SGB II). Am 01.08.2010 begann er eine Ausbildung zum Lagerist in D ... Die Ausbildung dauert
voraussichtlich bis zum 31.07.2012. Die Industrie und Handelskammer trug den Ausbildungsvertrag in das
Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse ein. Der Antragsteller bewohnt seit dem 01.10.2009 allein eine
Wohnung. Dafür zahlt er monatlich 360,00 EUR (235,00 Kaltmiete, 80,00 EUR Betriebskosten und 45,00 EUR
Heizkosten). Seine Eltern sind geschieden, beziehen beide Leistungen nach dem SGB II und wohnen ebenfalls in D
... Er beantragte am 12.08.2010 bei der Antragsgegnerin die Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe. Der
Arbeitgeber des Antragstellers gab an, folgende monatliche Bruttovergütungen für die Dauer der Ausbildung zu zahlen:
• für August 2010 578,00 EUR, • von September 2010 bis Juli 2011 jeweils 587,00 EUR, • von August 2011 bis Juli
2012 jeweils 677,00 EUR. Ferner gab er an, folgende Einmalzahlungen (brutto) zu leisten: • für November 2010 146,75
EUR, • für Dezember 2010 292,64 EUR, • für April und Juli 2011 jeweils 351,17 EUR, • für November 2011 406,20
EUR, • für Dezember 2012 351,17 EUR, • für Juli 2012 295,48 EUR. Mit Bescheid vom 11.10.2010 lehnte die
Antragsgegnerin die Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe ab, da der Antragsteller über ausreichende eigene
Mittel verfüge.
Am 19.10.2010 hat der Antragsteller bei Gericht einen Antrag im einstweiligen Rechtsschutz gestellt.
Die Antragsgegnerin wertete den Eilantrag gleichzeitig als Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid. Sie wies den
Widerspruch mit Widerspruchsbescheid 20.10.2010 als unbegründet zurück. Klage erhob der Antragsteller bisher
nicht.
Zur Begründung seines Antrages im gerichtlichen Eilrechtsschutzverfahren trägt der Antragsteller vor, er erhalte
gegenwärtig eine Ausbildungsvergütung von netto 460,00 EUR. Davon könne er seine Miete von 360,00 EUR, die
Kosten für Strom/Gas von monatlich 50,00 EUR und seinen weiteren Lebensunterhalt nicht bestreiten. Die
Arbeitsgemeinschaft D. habe ihm mitgeteilt, Übergangsgeld könne nicht gewährt werden, da der Antrag auf
Ausbildungsbeihilfe abgelehnt worden sei. Über die Anträge auf Kindergeld und Wohngeld sei noch nicht entschieden
worden.
Der Antragsteller beantragt, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm
Berufsausbildungsbeihilfe zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzulehnen.
Sie führt aus, auf den Bedarf sei das Einkommen anzurechnen, dass der Antragsteller im Bewilligungszeitraum
erziele. Dabei sei ein Durchschnittswert zugrunde zulegen. Bewilligungszeitraum bei einer zweijährigen Ausbildung
seien die gesamten zwei Jahre. Dieses sehe die Dienstanweisung zu § 73 SGB III vor. Steuerabzüge seien nicht
vorzunehmen, da die Vergütung in den zwei Jahren monatlich unter 815,51 EUR läge.
Wegen des übrigen Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen ergänzend Bezug genommen
auf die Prozessakte des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens sowie auf die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin,
die Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.
II.
Der Antrag ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet.
Statthafte Antragsart ist hier der Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 des
Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Danach sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in
Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile
nötig erscheint. Die danach zu treffende Eilentscheidung kann sowohl auf eine Folgenabwägung (Folgen einer
Stattgabe gegenüber den Folgen bei Ablehnung des Eilantrages) als auch alternativ auf eine Überprüfung der
Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom
12.05.2005, 1 BvR 569/05, zit. nach juris). Der Antrag ist gemäß § 86b Absatz 3 SGG auch schon vor Klageerhebung
zulässig.
Im Vordergrund steht dabei für das Gericht nach wie vor die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache
(Anordnungsanspruch), ergänzt um das Merkmal der Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund), um differierende
Entscheidungen im Eil- bzw. Hauptsacheverfahren möglichst zu vermeiden. In diesem Zusammenhang ist das
Gericht verpflichtet, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen, besonders
wenn das einstweilige Verfahren – wie hier – vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und
einem Beteiligten eine endgültige Grundrechtsbeeinträchtigung droht, wie dies im Streit um die Gewährung von
Berufsausbildungsbeihilfe regelmäßig der Fall ist, da der elementare Lebensbedarf für die kaum je absehbare Dauer
des Hauptsacheverfahrens bei ablehnender Entscheidung nicht gedeckt ist. Unter Beachtung der beeinträchtigten
Grundrechte dürfen dabei die Anforderungen an die Glaubhaftmachung von Anordnungsanspruch und
Anordnungsgrund nicht überspannt werden (BVerfG, a.a.O.). Hieran gemessen hat der Antragsteller für die von ihm
begehrte Leistungsanordnung im tenorierten Umfang sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen
Anordnungsgrund in einem die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigenden Maße glaubhaft gemacht. Ein
Anordnungsanspruch besteht, denn der Antragsteller wird im Hauptsacheverfahren voraussichtlich zumindest im
tenorierten Umfang obsiegen. Gemäß § 59 SGB III haben Auszubildende Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe
während einer beruflichen Ausbildung oder einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme, wenn die berufliche
Ausbildung oder die berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme förderungsfähig ist, sie zum förderungsfähigen
Personenkreis gehören und die sonstigen persönlichen Voraussetzungen für eine Förderung erfüllt sind und ihnen die
erforderlichen Mittel zur Deckung des Bedarfs für den Lebensunterhalt, die Fahrkosten, die sonstigen Aufwendungen
und die Maßnahmekosten (Gesamtbedarf) nicht anderweitig zur Verfügung stehen.
Eine berufliche Ausbildung ist gemäß § 60 Absatz 1 SGB III förderungsfähig, wenn sie in einem nach dem
Berufsbildungsgesetz staatlich anerkannten Ausbildungsberuf betrieblich oder außerbetrieblich durchgeführt wird und
der dafür vorgeschriebene Berufsausbildungsvertrag abgeschlossen worden ist. Die Ausbildung des Antragstellers
gehört zu den staatlich anerkannten Ausbildungsberufen. Ein entsprechender Ausbildungsvertrag wurde geschlossen.
Gemäß § 65 Absatz 1 SGB III in Verbindung mit § 13 Absatz 1 Nr. 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes
(BAföG) in der bis zum 27.10.2010 geltenden Fassung beträgt der Bedarf bei Unterbringung außerhalb des Haushalts
der Eltern oder eines Elternteils ausgenommen bei Unterbringung mit voller Verpflegung in einem Wohnheim, einem
Internat oder beim Ausbildenden monatlich 341,00 EUR. Gemäß § 65 Absatz 1 Sätze 2 und 3 SGB III in der ab dem
01.08.2010 geltenden Fassung erhöht sich der Bedarf für die Unterkunft um 149 Euro monatlich. Soweit Mietkosten
für Unterkunft und Nebenkosten nachweislich den Betrag nach Satz 2 übersteigen, erhöht sich der dort genannte
Bedarf um bis zu 75 Euro monatlich.
Gemäß § 68 Absatz 3 SGB III bzw. ab dem 18.09.2010 gemäß § 68 Absatz 1 SGB III wird bei einer beruflichen
Ausbildung als Bedarf für sonstige Aufwendungen eine Pauschale für Kosten der Arbeitskleidung in Höhe von zwölf
Euro monatlich zugrunde gelegt.
Danach steht dem Antragsteller bis zum 27.10.2010 folgender monatlicher Bedarf zu: Grundbedarf: 341,00 EUR
Bedarf für Unterkunft: 149,00 EUR Erhöhung des Unterkunftsbedarfes: 75,00 EUR Pauschale für Kosten der
Arbeitskleidung: 12,00 EUR Gesamtbedarf: 577,00 EUR
Gemäß § 65 Absatz 1 SGB III in Verbindung mit § 13 Absatz 1 Nr. 1 BAföG in der ab 28.10.2010 geltenden Fassung
wurde der Grundbedarf von monatlich 341,00 EUR auf 348,00 EUR erhöht. Ab dem 28.10.2010 steht dem
Antragsteller folgender monatlicher Bedarf zu: Grundbedarf: 348,00 EUR Bedarf für Unterkunft: 149,00 EUR Erhöhung
des Unterkunftsbedarfes: 75,00 EUR Pauschale für Kosten der Arbeitskleidung: 12,00 EUR Gesamtbedarf: 584,00
EUR
Ggf. gemäß 67 SGB III zu berücksichtigende Fahrkosten machte der Antragsteller nicht geltend.
Auf den Gesamtbedarf sind gemäß § 71 Absatz 1 SGB III das Einkommen des Auszubildenden, seines nicht dauernd
von ihm getrennt lebenden Ehegatten, des Lebenspartners und seiner Eltern in dieser Reihenfolge anzurechnen. Die
Ausbildungsvergütung des Antragstellers ist danach zu berücksichtigen. Die Eltern des Antragstellers verfügen über
kein anrechenbares Einkommen.
Gemäß § 77 Absatz 2 SGB III gelten für die Ermittlung des Einkommens und dessen Anrechnung sowie die
Berücksichtigung von Freibeträgen § 11 Absatz 4 BAföG sowie die Vorschriften des Vierten Abschnitts BAföG (§ 21
bis § 25b).
Für die Anrechnung des Einkommens des Auszubildenden sind gemäß § 22 Absätze 1 und 2 BAföG die
Einkommensverhältnisse im Bewilligungszeitraum maßgebend. Auf den Bedarf jedes Kalendermonats des
Bewilligungszeitraums wird der Betrag angerechnet, der sich ergibt, wenn das Gesamteinkommen durch die Zahl der
Kalendermonate des Bewilligungszeitraums geteilt wird.
Ein Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe besteht gemäß § 73 Absatz 1 SGB III für die Dauer der beruflichen
Ausbildung. Über den Anspruch wird in der Regel bei beruflicher Ausbildung für 18 Monate, im Übrigen für ein Jahr
(Bewilligungszeitraum) entschieden.
Obwohl hier ein Fall der beruflichen Ausbildung vorliegt, ist in Abweichung vom Regelbewilligungszeitraum von 18
Monaten ein Bewilligungszeitraum von einem Jahr zugrunde zu legen und die Einkommensberechnung danach zu
bemessen.
Gemäß § 73 Absatz 1 SGB III in der bis zum 31.07.2001 geltenden Fassung betrug der Regelbewilligungszeitraum
auch für Ausbildungen ein Jahr. Ab dem 01.08.2001 wurde der Regelbewilligungszeitraum bei Ausbildungen auf 18
Monate angehoben, während es bei Fällen der berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen bei einem Jahr verblieb.
Aus der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 14/4731, S. 28) ergeben sich folgende Erwägungen des Gesetzgebers zur
Verlängerung des Bewilligungszeitraumes:
"Der Bewilligungszeitraum wird bei beruflicher Ausbildung abweichend vom BAföG von 12 auf 18 Monate verlängert.
Damit soll eine Entzerrung der Antragsbearbeitung erreicht werden. Die Anträge werden in der Regel zu Beginn der
Ausbildung im August/September eines Jahres gestellt. Diesen Belastungsspitzen kann die Bundesanstalt für Arbeit
durch organisatorische Maßnahmen nicht ausreichend begegnen, sodass für die Antragsteller unzumutbar lange
Bearbeitungszeiten entstehen. Dies kann nicht länger hingenommen werden. Die Änderung bewirkt außerdem, dass
für die Dauer der Ausbildung in der Regel nur noch zwei anstatt wie bisher drei Bescheide zu erlassen sind, da die
Ausbildungen überwiegend drei Jahre, also 36 Monate dauern."
Weder aus der Vorschrift des § 73 Absatz 1 SGB III noch aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass der
Bewilligungszeitraum nicht nur auf 18 Monate angehoben wird, sondern sogar noch weiter verlängert werden kann. Die
Antragsgegnerin vertritt jedoch die Auffassung, bei einer zweijährigen Ausbildung, den Bewilligungszeitraum auf zwei
Jahre verlängern zu können mit der Folge, dass die gesamte Vergütung, die während der Ausbildung erzielt wird, bei
der durchschnittlichen Einkommensberechnung Berücksichtigung findet. Da sich die Ausbildungsvergütung im Laufe
der Ausbildung erhöht, wird die Differenz zwischen dem tatsächlichen Bedarf insbesondere zu Beginn der Ausbildung
und der Anspruchshöhe immer gravierender. Dieses Ergebnis tritt zwar auch bereits bei einem Bewilligungszeitraum
von 18 Monaten ein, da bereits bei Beginn der Ausbildung die erhöhte Ausbildungsvergütung des zweiten
Ausbildungsjahres Berücksichtigung findet. Dennoch ist die Bedarfsdifferenz geringer.
Aus der Gesetzesbegründung geht eindeutig hervor, dass bei einer Bemessung des Bewilligungszeitraumes von 18
Monate Ausbildungen mit dreijähriger Dauer zugrunde gelegt worden sind. Es sollten in der Regel noch zwei anstatt
wie bisher drei Bescheide zu erlassen sein, nicht jedoch nur ein Bewilligungsbescheid für die gesamte
Ausbildungsdauer. Anhaltspunkte dafür, dass der Arbeitsaufwand der Bundesagentur für Arbeit bei zweijährigen
Ausbildungen noch weiter verringert werden sollte, ergeben sich daraus nicht. Dass der Gesetzgeber durch die
Verlängerung des Bewilligungszeitraumes auch erreichen wollte, die Belastungsspitzen im August und September
nicht mehr entstehen zu lassen, widerspricht dem nicht. Zwar fällt der Folgeantrag bei einer zweijährigen Ausbildung
und einem Bewilligungszeitraum von einem Jahr in diesen Bearbeitungszeitraum. Jedoch geht auch der Gesetzgeber
davon aus, dass die Ausbildungen überwiegend drei Jahre dauern, eine unzumutbare lange Bearbeitungszeit in den
Monaten August und September, veranlasst durch zweijährige Ausbildungen nimmt er nicht an.
Ob die Verlängerung des Regelbewilligungszeitraumes auf 18 Monate gerade im Vergleich zu BAföG-Empfängern zu
unzulässigen Ungleichbehandlungen führt und ob es gerechtfertigt ist, Einkommen in einem Zeitraum anzurechnen, in
dem es nicht zur Verfügung steht, braucht hier nicht entschieden zu werden. Das Bundessozialgericht hat allerdings
in seiner Entscheidung vom 08.07.2009 (B 11 AL 20/08 R, zit. nach juris) diese Ungleichbehandlung und auch die ggf.
auftretende Bedarfsunterdeckung für zulässig angesehen, da in Härtefällen ein ergänzender Anspruch auf ein
Darlehen gemäß § 7 Absatz 5 Satz 2 SGB II bestehen kann.
Bei einer zweijährigen Ausbildung sind nicht ein erster Bewilligungszeitraum von 18 Monaten und ein weiterer von 6
Monaten festzulegen. Vielmehr sind die Bewilligungszeiträume gleichmäßig auf zweimal ein Jahr festzulegen. Das
ergibt sich bereits aus § 73 Absatz 1 Satz 2 SGB III, in dem ein Bewilligungszeitraum von unter einem Jahr nicht
vorgesehen ist. Anderes kann allenfalls gelten, wenn nur für einen begrenzten Zeitraum der Ausbildung von unter
vorgesehen ist. Anderes kann allenfalls gelten, wenn nur für einen begrenzten Zeitraum der Ausbildung von unter
einem Jahr ein Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe besteht (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 03.05.2005, B
7a/7 AL 52/04 R, SozR 4-4300 § 64 Nr 2).
Im ersten Bewilligungszeitraum bis zum 31.07.2011 ist somit das bis dahin erzielte Einkommen des Antragstellers bei
der Einkommensberechnung zugrunde zu legen und ein Durchschnittswert zu ermitteln.
Gemäß § 71 Absatz 1 Nr. 2 SGB III ist abweichend von § 22 Absatz 1 BAföG das Einkommen des Auszubildenden
maßgebend, das zum Zeitpunkt der Antragstellung absehbar ist, Änderungen bis zum Zeitpunkt der Entscheidung
sind jedoch zu berücksichtigen. Als Einkommen gilt gemäß § 21 Absatz 1 Satz 1 BAföG die Summe der positiven
Einkünfte im Sinne des § 2 Absatz 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes.
Es ergibt sich folgender Durchschnittsbetrag: Ausbildungsvergütung für August 2010: 578,00 EUR
Ausbildungsvergütung für September 2010 bis Juli 2010: 11 x 587,00 EUR = 6.457,00 EUR einmalige Zahlung im
November 2010: 146,75 EUR einmalige Zahlung im Dezember 2010: 292,64 EUR einmalige Zahlungen im April und
Juli 2011: 2 x 351,17 EUR 702,34 EUR Summe: 8.176,73 EUR monatliches Durchschnittseinkommen: 681,39 EUR
Gemäß § 21 Absatz 1 Satz 2 Nr. 3 BAföG können die für den Berechnungszeitraum zu leistende Einkommensteuer,
Kirchensteuer und Gewerbesteuer abgezogen werden. Dabei ist es zulässig, erst bei einen monatlichen Einkommen
von über 815,51 EUR einen pauschalen Abzug von 23% vorzunehmen und bei Einkommen unterhalb des Betrages
von 815,51 EUR den Abzug unberücksichtigt zu lassen (BSG, Urteil vom 08.07.2009, a.a.O.). Da das
durchschnittliche Einkommen des Antragstellers im Bewilligungszeitraum unterhalb des Betrages von 815,51 EUR
liegt, ist ein Abzug der Steuer nicht vorzunehmen.
Es können gemäß § 21 Absatz 1 Satz 2 Nr. 4 BAföG die für den Berechnungszeitraum zu leistenden Pflichtbeiträge
zur Sozialversicherung und zur Bundesagentur für Arbeit sowie die geleisteten freiwilligen Aufwendungen zur
Sozialversicherung und für eine private Kranken-, Pflege-, Unfall- oder Lebensversicherung in angemessenem Umfang
abgezogen werden. Dabei ist ein pauschaler Abzug von 21,5 % zulässig (BSG, Urteil vom 08.07.2009, a.a.O.).
Es ist Einkommen in folgender Höhe anzurechnen: monatliches Durchschnittseinkommen: 681,39 EUR abzgl. der
Pauschale für Sozialversicherungsbeiträge (21,5%) 146,50 EUR anzurechnendes Einkommen: 534,89 EUR.
Freibeträge sind nicht zu berücksichtigen, insbesondere nicht der Auszubildendenfreibetrag gemäß § 23 Absatz 1
BAföG, denn gemäß § 23 Absatz 3 BAföG wird die Vergütung aus einem Ausbildungsverhältnis abweichend von den
Absätzen 1 und 2 voll angerechnet.
Auch ist kein Freibetrag gemäß § 71 Absatz 1 Nr. 3 SGB III in Abzug zu bringen. Danach bleiben abweichend von §
23 Absatz 3 BAföG 58 Euro der Ausbildungsvergütung anrechnungsfrei, wenn die Vermittlung einer geeigneten
beruflichen Ausbildungsstelle nur bei Unterbringung des Auszubildenden außerhalb des Haushalts der Eltern oder
eines Elternteils möglich ist. Dieser Fall liegt hier nicht vor. Zwar kann die Vorschrift auch Anwendung finden, wenn
der Auszubildende bereits einige Zeit vor der zu fördernden Ausbildung und ohne Bezug dazu aus der elterlichen
Wohnung ausgezogen ist, sofern die auswärtige Unterbringung aufgrund der spezifischen Ausbildungsmöglichkeit
notwendig ist (Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25.06.2004, L 10 AL 55/03, zit. nach juris).
Jedoch ist ein Freibetrag nur dann zu berücksichtigen, wenn die Vermittlung einer geeigneten beruflichen
Ausbildungsstelle die Unterbringung in der elterlichen Wohnung unmöglich macht. Dies ist beispielsweise nicht der
Fall, wenn ausschließlich soziale Gründe es verhindern, in der Wohnung der Eltern zu bleiben, von denen die
Vermittlungsmöglichkeiten in eine geeignete berufliche Ausbildungsstelle nicht betroffen sind (LSG Hessen, Urteil
vom 27.12.2000, L 6 AL 845/00, zit. nach juris). Beide Eltern des Antragstellers wohnen in D ... Ausbildungsbedingte
Gründe des Antragstellers für eine Unterbringung außerhalb der elterlichen Haushalte sind nicht ersichtlich.
Gemäß § 75 SGB III sind monatliche Förderungsbeträge der Berufsausbildungsbeihilfe, die nicht volle Euro ergeben,
bei Restbeträgen bis zu 0,49 Euro abzurunden und von 0,50 Euro an aufzurunden. Nicht geleistet werden monatliche
Förderungsbeträge unter 10 Euro.
Für den Zeitraum bis zum 27.10.2010 ergibt sich folgender monatlicher Förderungsbetrag: Gesamtbedarf: 577,00 EUR
abzgl. anzurechnenden Einkommens: 534,89 EUR Förderungsbetrag, ungerundet: 42,11 EUR Förderungsbetrag,
gerundet: 42,00 EUR
Für den Zeitraum ab dem 28.10.2010 ergibt sich folgender monatlicher Förderungsbetrag: Gesamtbedarf: 584,00 EUR
abzgl. anzurechnenden Einkommens: 534,89 EUR Förderungsbetrag, ungerundet: 49,11 EUR Förderungsbetrag,
gerundet: 49,00 EUR
Für den Zeitraum ab Antragstellung bei Gericht am 19.10.2010 hat der Antragsteller auch einen Anordnungsgrund
glaubhaft gemacht. Ein Anordnungsgrund ist dann gegeben, wenn wesentliche Nachteile abgewendet werden sollen,
es dem Antragsteller unzumutbar ist, das Hauptsacheverfahren abzuwarten. Unzumutbarkeit liegt insbesondere dann
vor, wenn die Existenz des Antragstellers gefährdet ist oder erhebliche wirtschaftliche Nachteile durch Abwarten des
Hauptsacheverfahrens entstehen (Meyer-Ladewig [u.a.], SGG Kommentar, 9. Auflage 2008, § 86b Rn 28). Der
Anordnungsgrund, die Eilbedürftigkeit der Entscheidung, ergibt sich hier für den Zeitraum ab Antragstellung bei
Gericht daraus, dass es um die Sicherung des Existenzminimums des Antragstellers geht. Solange er zumindest
vorläufig keinen Anspruch auf Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe hat, stehen ihm auch keine ergänzenden
Leistungen nach dem SGB II zu. Ein Anspruch gemäß § 7 Absatz 5 SGB II auf Gewährung eines Darlehens in
besonderen Härtefällen dürfte hier ausscheiden, da kein besonderer Härtefall, sondern ein Regelfall vorliegt. Vielmehr
kommt ein Anspruch gemäß § 22 Absatz 7 SGB II auf einen Zuschuss zu den ungedeckten angemessenen Kosten
der Unterkunft und Heizung in Betracht. Dieser Anspruch setzt jedoch voraus, dass der Antragsteller
Berufsausbildungsbeihilfe tatsächlich erhält.
Soweit der Antragsteller für den Zeitraum vor Antragstellung bei Gericht die Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe
begehrt, ist der Antrag abzulehnen. Es fehlt zwar nicht am Anordnungsanspruch, jedoch am Anordnungsgrund, der
Eilbedürftigkeit. Bei Geldleistungen für die Vergangenheit ist des dem Antragsteller in der Regel zuzumuten, das
Hauptsacheverfahren abzuwarten. Liegt ein Fall des sog. Nachholbedarfes vor, so ist ein Anordnungsgrund
anzunehmen, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zu einer akuten, die Existenz bedrohenden Notlage besteht und
diese Notlage auch aus der Vergangenheit herrührt (LSG Hamburg, Beschluss vom 07.12.1989, V EABs 83/89,
Breith. 90, 699 ff., m.w.N.). Anhaltspunkte dafür sind nicht ersichtlich und wurden vom Antragsteller auch nicht
vorgetragen.
Soweit der Antragsteller für den Zeitraum vom 01.08.2011 bis 31.07.2012 die Gewährung von
Berufsausbildungsbeihilfe begehrt, ist sein der Antrag ebenfalls abzulehnen. Es besteht ein vorläufiger Anspruch für
den Bewilligungszeitraum bis zum 31.07.2011. Für den Zeitraum danach muss der Antragsteller einen Folgeantrag bei
der Antragsgegnerin stellen.
Auch war eine Beiladung der Arbeitsgemeinschaft D. als Träger der Leistungen nach dem SGB II gemäß § 75 Absatz
2 SGG nicht erforderlich. Zwar kommt - wie bereits ausgeführt - ein ergänzender Anspruch nach dem SGB II in
Betracht. Eine vorläufige Verpflichtung zur Gewährung ergänzender Leistungen in konkreter Höhe könnte in diesem
gerichtlichen Eilrechtsschutzverfahren jedoch nicht erfolgen. Der Antragsteller ist zunächst gehalten, eine
Entscheidung über den Kindergeldantrag herbeizuführen. Bei der Berechnung eines Anspruches gemäß § 22 Absatz 7
SGB II auf einen Zuschuss zu den ungedeckten angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung ist eine
Einkommensberechnung nach den Vorschriften des SGB II vorzunehmen. Zu dem anzurechnenden Einkommen zählt
auch das Kindergeld (BSG, Urteil vom 22.03.2010, B 4 AS 69/09 R).
Auch ist der Antragsteller gehalten, innerhalb der Klagefrist Klage gegen den Ablehnungsbescheid der
Antragsgegnerin vom 11.10.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.10.2010 zu erheben. Andernfalls
wird die ablehnende Entscheidung der Antragsgegnerin bestandkräftig und der Antragsteller kann aus dem
gerichtlichen Eilrechtsbeschluss keine Ansprüche mehr geltend machen. Eine Anordnung zur Klageerhebung gemäß §
86b Absatz 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 926 der Zivilprozessordnung war hier nicht zu erlassen, da die
Antragsgegnerin keinen entsprechenden Antrag gestellt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG bemisst sich am Anteil der
Obsiegens und Unterliegens.
Dieser Beschluss ist gem. § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG unanfechtbar.