Urteil des SozG Berlin vom 02.04.2017

SozG Berlin: aufschiebende wirkung, die post, verwaltungsakt, gefahr, zukunft, härte, link, sammlung, quelle, ausschluss

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Gericht:
SG Berlin 104.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
S 104 AS 5529/07 ER
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 31 Abs 2 SGB 2, § 31 Abs 6
SGB 2, § 59 SGB 2, § 309 SGB 3
Arbeitslosengeld II; Absenkung wegen Versäumung des
Meldetermins
Leitsatz
Das Erscheinen zu einem Meldetermin ist auch dann erforderlich, wenn der
Grundsicherungsträger einer Hilfebedürftigen in der Vergangenheit keine Arbeitsangebote
unterbreiten konnte und in nicht allzu ferner Zeit (zehn 10 Monaten) eine
Auslandsbeschäftigung aufgenommen werden soll.
Tenor
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung wird zurückgewiesen.
Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
Gründe
Der (sinngemäße) Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihres
Widerspruchs vom 5. März 2007 gegen den Sanktionsbescheid der Antragsgegnerin vom
20. Februar 2007 (Versäumung des Meldetermins am 25. Januar 2007) anzuordnen, hat
keinen Erfolg.
Der Antrag ist zulässig.
Der Antrag ist insbesondere nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)
statthaft. Denn die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen
den Sanktionsbescheid vom 20. Februar 2007 entfällt nach § 86 a Abs. 2 Nr. 4 SGG
i.V.m. § 39 Nr. 1 Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).
Der Antrag ist jedoch in der Sache unbegründet.
Die Kammer gelangte aufgrund eigener Ermessensausübung zu dem Ergebnis, dass im
vorliegenden Fall das öffentliche Vollzugsinteresse gegenüber dem
Aussetzungsinteresse der Antragstellerin deutlich überwiegt.
Der Sanktionsbescheid der Antragsgegnerin vom 20. Februar 2007 erscheint nach
summarischer Prüfung rechtmäßig. Denn die Antragsgegnerin hat das Arbeitslosengeld
II (Alg II) unter Berufung auf die Vorschrift des § 31 Abs. 2 und Abs. 6 SGB II zu Recht in
den Monaten April bis Juni 2007 um 10 vom Hundert abgesenkt.
Nach § 31 Abs. 2 SGB II wird das Alg II unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 SGB II in
einer ersten Stufe um 10 vom Hundert der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach
§ 20 SGB II maßgebenden Regelleistung abgesenkt, wenn der erwerbsfähige
Hilfebedürftige trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen einer Aufforderung des
zuständigen Trägers, sich bei ihr zu melden oder bei einem ärztlichen oder
psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, nicht nachkommt und er keinen
wichtigen Grund für sein Verhalten nachweist.
Diese Voraussetzungen liegen im vorliegenden Fall vor. Die Antragstellerin ist mit
Bescheid vom 9. Januar 2007, der auch eine schriftliche Belehrung über die Rechtsfolgen
enthielt, dazu aufgefordert worden, sich bei der Antragsgegnerin am 25. Januar 2007 um
15.00 Uhr zu einem Termin i.S.d. § 59 SGB II i.V.m. § 309 Sozialgesetzbuch -
Arbeitsförderung - (SGB III) einzufinden. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Die
Aufforderung in dem Bescheid vom 9. Januar 2007, zu dem Termin am 25. Januar 2007
zu erscheinen, ist auch rechtsverbindlich, zumal der hiergegen von der Antragstellerin
eingelegte Widerspruch durch den Widerspruchsbescheid vom 16. Februar 2007
zurückgewiesen wurde; Klage hat die Antragstellerin hiergegen nicht eingereicht.
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Die Antragstellerin ist auch in Kenntnis der Meldeaufforderung nicht zu dem Termin am
25. Januar 2007 erschienen. Auch das ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
Des Weiteren kann sie für ihr Fernbleiben keinen wichtigen Grund nachweisen. So ist es
der Antragstellerin zeitlich möglich gewesen, zu dem auf 15.00 Uhr anberaumten Termin
zu erscheinen. Die Gefahr einer Kollision mit ihrer geringfügigen Beschäftigung in der
Zeit von 10.00 - 12.00 Uhr (vgl. den in der Leistungsakte befindlichen Schriftsatz der
Antragstellerin vom 14. Dezember 2006) ausgeschlossen. Sonstige Gründe, die ein
Fernbleiben der Antragstellerin von dem Termin am 25. Januar 2007 rechtfertigen
könnten, sind weder von der Antragstellerin vorgebracht worden, noch sind solche
Gründe für die Kammer aufgrund des Akteninhalts erkennbar. Auch ihr im
Hauptsacheverfahren vorgebrachter Einwand, wonach das Erscheinen zum Meldetermin
nicht erforderlich gewesen sei, da die Antragsgegnerin ihr auch in der Vergangenheit
keine Arbeitsangebote habe unterbreiten können und sie bereits zum 1. November 2007
unbefristete Arbeit in einem Schweizer Hotel aufnehmen werde, vermag das Vorliegen
eines wichtigen Grundes nicht zu begründen. Denn die Antragstellerin kann nicht von
vornherein ausschließen, dass ihr das von der Antragsgegnerin vorgesehene Gespräch
über ihr Bewerberangebot bzw. ihre berufliche Situation nicht neue berufliche
Perspektiven hätte aufzeigen können, die es ihr ermöglicht hätten, ihren
Lebensunterhalt bis zum November 2007 unabhängig von der Grundsicherung aus
eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten.
Die Antragsgegnerin war daher verpflichtet, das Alg II der Antragstellerin um 10 vom
Hundert der für sie maßgebenden Regelleistung, also i.H.v. 31,00 Euro monatlich,
abzusenken, und zwar nach § 31 Abs. 6 SGB II in den Monaten April, Mai und Juni 2007.
Nach § 31 Abs. 6 Satz 1 SGB II tritt u.a. die Absenkung des Alg II mit Wirkung des
Kalendermonats ein, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes, der die
Absenkung oder den Wegfall der Leistung feststellt, folgt.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor, denn der Sanktionsbescheid vom 20. Februar
2007 ist im März 2007 wirksam geworden. Nach § 39 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch -
Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB X) wird ein Verwaltungsakt gegenüber
demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt
wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X gilt ein
schriftlicher Verwaltungsakt bei der Übermittlung durch die Post im Inland am dritten
Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Der Bescheid vom 20. Februar
2007 wurde aber ausweislich eines Aktenvermerks am 28. Februar 2007 zur Post
gegeben und gilt damit am 3. März als bekannt gegeben und wirksam geworden.
Dass es bei der Antragstellerin durch den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung zu
einer von dem Gesetzgeber nicht vorgesehenen unbilligen Härte gekommen sein
könnte, ist für die Kammer nicht erkennbar. Vielmehr ist die durch den
Sanktionstatbestand des § 31 SGB II herbeigeführte Einengung des ohnehin schon
knappen finanziellen Spielraums der in § 20 SGB II geregelten Regelleistung vom
Gesetzgeber beabsichtigt, um den Hilfebedürftigen in Zukunft zu bewegen, motivierter
auf zumutbare Arbeitsangebote der Antragsgegnerin einzugehen. Dass es durch die
10%ige (und unter Berücksichtigung des weiteren Sanktionsbescheids vom 20. Februar
2007 insgesamt 20%igen) Absenkung der Regelleistung bei der Antragstellerin zu einer
Gefahr des Eintritts irreparabler Schäden in Bezug auf erhebliche Rechtsgüter kommen
würde, ist von ihr nicht vorgetragen, geschweige denn glaubhaft gemacht worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
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