Urteil des SozG Berlin vom 29.03.2017

SozG Berlin: angemessenheit der kosten, wohnung, kaution, darlehen, mietvertrag, sozialhilfe, haushalt, wohnkosten, quelle, sammlung

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Gericht:
SG Berlin 88.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
S 88 SO 5434/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 22 BSHG, § 29 Abs 1 S 7 SGB
12, § 29 Abs 1 S 8 SGB 12
Sozialhilfe; Wohnungsbeschaffungskosten; Übernahme einer
Mietkaution; Zustimmungserfordernis
Leitsatz
Die Übernahme einer Mietkaution muss zumindest vor Abschluss des Mietvertrages
gegenüber dem Sozialhilfeträger beantragt werden, damit dieser die Gelegenheit hat, eine
am Einzelfall orientierte Entscheidung zeitnah zu treffen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Kläger begehren die Übernahme ihrer Mietkaution durch den Beklagten im Wege
eines Darlehens.
Die Kläger haben neben Erwerbseinkommen und Leistungen der Arbeitsverwaltung
zeitweise Leistungen der Sozialhilfe bezogen. Im Sommer 2004 mussten die Kläger aus
ihrer Wohnung, die sie zusammen mit der Mutter der Klägerin zu 2) bewohnt hatten,
ausziehen, weil es wegen Mietrückständen zu einer Kündigung gekommen war. Die
Kläger und die Mutter der Klägerin zu 2) unterzeichneten am 05. Juli 2004 einen
Mietvertrag über die jetzt gemeinsam von ihnen bewohnte Wohnung mit vereinbartem
Mietbeginn ab 01. August 2004. Die Wohnung weist laut Mietvertrag eine Fläche von
89,45 qm aus, es wurde eine Nettokaltmiete von 450,00 EUR monatlich sowie eine
Bruttokaltmiete von 530,00 EUR monatlich vereinbart. Zusätzlich ist die Zahlung einer
Kaution in Höhe von 1350,00 EUR vereinbart worden.
Mit Schreiben vom 05. August 2004 wandten sich die Kläger an den Beklagten mit der
Bitte um Übernahme der Kaution im Wege einer einmaligen Hilfe.
Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 22. September 2004 ab und führte
zur Begründung aus, dass grundsätzlich derzeit keine Mietkautionen mehr übernommen
werden. Der Beklagte wies auf Vermieter hin, die Wohnungen ohne Kaution vermieten
würden.
Gegen diesen Bescheid richtete sich der Widerspruch der Kläger vom 18. Oktober 2004,
welcher mit Widerspruchsbescheid vom 30. September 2005 zurückgewiesen wurde.
Mit der am 24. Oktober 2005 erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter.
Sie tragen vor, sie hätten sich um eine preiswerte Wohnung bemüht und diese mit der
angemieteten Wohnung auch gefunden. Sie bitten, zumindest den Betrag als Darlehen
zur Verfügung zu stellen, wenn es nicht anders ginge und bieten dabei monatliche
Rückzahlungsraten in Höhe von 75,00 EUR an. Die Kläger bitten, nochmals zu prüfen, ob
die Kaution übernommen werden kann.
Die Kläger beantragen,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 22. September 2004 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. September 2005 zu verurteilen, den
Klägern für die Begleichung ihrer Mietkaution ein Darlehen in Höhe von 1350,00 EUR zu
gewähren.
Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
Der Beklagte weist darauf hin, dass nach damaliger Rechtslage der Hilfeempfänger vor
Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft den zuständigen Sozialhilfeträger
über die maßgeblichen Umstände in Kenntnis zu setzen hatte.
Wohnungsbeschaffungskosten könnten nur nach vorheriger Zustimmung des
Sozialhilfeträgers übernommen werden, was vorliegend nicht der Fall sei. Hinzu käme
noch, dass die nicht hilfebedürftige Mutter ebenfalls in der Wohnung lebe und
Vertragspartnerin sei, so dass die volle Mietkaution ohnehin nicht übernommen werden
könne.
Ergänzend wird wegen der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes auf die
Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der Gerichtsakte und der die Kläger
betreffende Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Die Kläger haben keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Mietkaution durch
den Beklagten.
Mietkautionen und sonstige Wohnungsbeschaffungskosten konnten nach § 3 Abs. 1 Satz
5 der zur Durchführung von § 22 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) erlassenen
Verordnung bis 31. Dezember 2004 nur bei vorheriger Zustimmung des
Sozialhilfeträgers übernommen werden. Eine Zustimmung sollte dabei erteilt werden,
wenn der Umzug durch den Träger der Sozialhilfe veranlasst wird oder aus anderen
Gründen notwendig ist, und wenn ohne die Zustimmung eine Unterkunft in einem
angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann.
Für Zeiträume ab dem 01. Januar 2005 enthält § 29 Abs.1 Satz 7 und Satz 8
Sozialgesetzbuch-12. Buch-Sozialhilfe (SGB XII) eine wortgleiche Regelung.
Unter Berücksichtigung des Gebotes der gerichtlichen Überprüfbarkeit von
Verwaltungsentscheidungen nach Artikel 19 Abs. 4 des Grundgesetzes bedeutet dies,
dass die Übernahme der Mietkaution zumindest vor Abschluss des Mietvertrages
gegenüber dem Sozialhilfeträger beantragt werden muss und der Sozialhilfeträger
möglichst Gelegenheit haben muss, eine am Einzelfall orientierte Entscheidung auch
zeitnah zu treffen.
An diesem hier nicht eingehaltenen Antragserfordernis scheitert bereits ein Anspruch
der Kläger auf Übernahme der Kaution, sei es durch Darlehen oder durch Beihilfe.
Obwohl der Mietvertrag bereits Anfang Juli 2004 abgeschlossen wurde, erfolgte die erste
Kontaktaufnahme mit dem Sozialhilfeträger in dieser Angelegenheit erst einen Monat
später.
Ergänzend kann erwähnt werden, dass auch bei unterstellter rechtzeitiger
Antragsstellung die mangelnde sozialhilferechtliche Angemessenheit der jetzigen
Wohnung gegen eine Übernahme der Mietkaution sprechen würde.
Nach der Ausführungsvorschrift zur Angemessenheit der Wohnkosten vom 16. März
2003 galten für einen 3-Personen-Haushalt Richtwerte hinsichtlich der Wohnungsgröße in
Höhe von 75 qm und hinsichtlich der Nettokaltmiete in Höhe von 333,75 EUR für die
Prüfung der Angemessenheit. Beide Werte werden durch die von den Klägern bewohnte
Unterkunft überschritten. Auch die seit Dezember 2005 im Bereich des SGB XII
entsprechend anzuwendende Ausführungsvorschrift zur Bestimmung der
Angemessenheit der Kosten der Unterkunft nach § 22 SGB II vom 07. Juni 2005 führt
nicht zur Angemessenheit der derzeitigen Unterkunft. Diese Vorschriften stellen nicht
mehr auf Wohnungsgröße und Nettokaltmiete, sondern auf die Bruttowarmmiete einer
Wohnung ab. Für einen 3-Personen-Haushalt ist danach eine Bruttowarmmiete von
542,00 EUR im Land Berlin angemessen. Sind die Heizkosten nicht beziffert, so kann von
einem Durchschnittswert von 75 Cent pro qm ausgegangen werden. Danach ergäbe sich
für die gesamte Wohnung eine Bruttowarmmiete von etwa 597,00 EUR, die den Richtwert
übersteigt.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der
Hauptsache.
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