Urteil des SozG Berlin vom 15.03.2017

SozG Berlin: berufliche ausbildung, leistungsausschluss, wohnung, erlass, zusicherung, link, sammlung, quelle, arbeitsförderung, verfügung

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Gericht:
SG Berlin 104.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
S 104 AS 10271/06
ER
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 7 Abs 5 SGB 2, § 60 SGB 3, §
61 SGB 3, § 62 SGB 3, BAföG
Grundsicherung für Arbeitsuchende; Arbeitslosengeld II;
Leistungsausschluss für Auszubildende; Anspruch auf Förderung
nach dem SGB 3 "dem Grunde nach"
Leitsatz
Auszubildende, deren Ausbildung (unter anderem) im Rahmen der §§ 60 bis 62 SGB 3
förderungsfähig ist, haben keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts nach § 7 Abs 5 SGB 2. Der Leistungsausschluss bezweckt, keine
Ausbildungsförderung auf einer "zweiten Ebene" über Leistungen zur Grundsicherung für
Arbeitsuchende zu gewähren, sondern diese abschließend im
Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) bzw. dem SGB 3 zu regeln (vgl. Thüringer
Landessozialgericht, Beschluss vom 22.09.2005 -L 7 AS 635/05 ER-). Individuelle, in der
Person der Antragsteller liegende Gründe, können hierbei nicht berücksichtigt werden.
Tenor
Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung werden abgewiesen.
Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
Gründe
Die (sinngemäßen) Anträge der Antragstellerin, die Antragsgegnerin im Wege der
einstweiligen Anordnung
1. zu verurteilen, ihr ab dem 31. Juli 2006 bis auf weiteres Arbeitslosengeld II (Alg II)
zu gewähren und
2. zu verpflichten, ihr die Übernahme der Aufwendungen für die Wohnung in der T
Straße in Berlin zuzusichern
haben keinen Erfolg.
Der zulässige Antrag zu 1.) ist unbegründet.
Soweit die Antragstellerin die Gewährung von Alg II für die Zeit vom 31. Juli 2006 bis zum
8. November 2006, also für die Zeit vor der Antragstellung bei Gericht am 9. November
2006, geltend macht, besteht für die von ihr begehrte Regelungsanordnung (§ 86 b Abs.
2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) zumindest kein Anordnungsgrund. Denn der
Antragstellerin ist es in den in der Vergangenheit liegenden Zeiträumen offensichtlich
gelungen, mit den ihr zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln, ihren Bedarf zu
decken. Insoweit erscheint der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht nötig, um
wesentliche Nachteile abzuwenden (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
Sozialgerichtsgesetz, 8. Auflage, § 86 b, Rdnr. 28).
Der Antrag zu 1.) ist jedoch auch unbegründet, soweit er sich auf die Zeit ab dem 9.
November 2006 (Tag der Antragstellung bei Gericht) bezieht. Insoweit besteht nämlich
kein Anordnungsanspruch. Dem von der Antragstellerin geltend gemachten Anspruch
auf Gewährung von Alg II nach den §§ 19 ff Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für
Arbeitsuchende - (SGB II) steht nämlich die Regelung des § 7 Abs. 5 SGB II entgegen.
Hiernach haben Auszubildende keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts, deren Ausbildung u.a. im Rahmen der §§ 60 bis 62 Sozialgesetzbuch -
Arbeitsförderung - (SGB III) dem Grund nach förderungsfähig ist. Die von der
Antragstellerin ab dem 1. August 2006 begonnene Ausbildung als Bootsbauerin ist aber
dem Grunde nach gemäß § 60 SGB III förderungsfähig, denn es handelt sich um einen
nach dem Berufsausbildungsgesetz staatlich anerkannten Ausbildungsberuf, der
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nach dem Berufsausbildungsgesetz staatlich anerkannten Ausbildungsberuf, der
betrieblich durchgeführt wird, wobei der dafür vorgesehene Berufsausbildungsvertrag
abgeschlossen worden ist (vgl. § 60 Abs. 1 SGB III).
Hiergegen kann nicht eingewandt werden, dass nach § 60 Abs. 2 SGB III grundsätzlich
nur die erstmalige Ausbildung förderungsfähig ist (die Bundesagentur für Arbeit hat die
Gewährung einer Berufsausbildungsbeihilfe unter Bezugnahme auf § 60 Abs. 2 SGB III
mit der Begründung abgelehnt, die Antragstellerin habe bereits eine Ausbildung
abgeschlossen - Bescheid vom 19. Oktober 2006 -). Im Rahmen des § 7 Abs. 5 Satz 1
SGB II kommt es nämlich allein darauf an, ob die Ausbildung als solche förderungsfähig
ist. Individuelle, in der Person der Antragstellerin liegende Gründe, die einer Förderung
der Ausbildung entgegenstehen, können hierbei nicht berücksichtigt werden. Der
Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II bezweckt, keine Ausbildungsförderung auf
einer „zweiten Ebene“ über die Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende zu
gewähren, sondern diese abschließend im Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG)
bzw. dem SGB III zu regeln (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 22.
September 2005 - L 7 AS 635/05 ER -).
Ein besonderer Härtefall im Sinne des § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II liegt nicht vor.
Denn die Ablehnung von Alg führt zu keinem Ergebnis, welches den von dem
Gesetzgeber mit der Schaffung des SGB II verfolgten Zielen offensichtlich
entgegenstehen würde. Hilfebedürftige, die eine Ausbildung der in § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB
II genannten Art betreiben und nach den dafür vorgesehenen Leistungsgesetzen nicht
gefördert werden, sind in der Regel gehalten, von der Ausbildung ganz oder
vorübergehend Abstand zu nehmen, um für die Dauer der Hilfebedürftigkeit den
Ausschluss von der Hilfe zum Lebensunterhalt abzuwenden. Dies muss insbesondere
dann gelten, wenn der Betreffende - wie die Antragstellerin - zuvor bereits eine berufliche
Ausbildung erfolgreich abgeschlossen hat.
Gegen das Vorliegen eines Härtefalls spricht zudem, dass sich die für die Zeit vom 1.
August 2006 bis zum 31. Januar 2010 vorgesehene Ausbildung zur Bootsbauerin noch in
ihrem unmittelbaren Anfangsstadium befindet, so dass die Antragstellerin infolge eines
möglichen Abbruchs ihrer Ausbildung nicht um die Früchte einer möglicherweise
jahrelangen Arbeit gebracht würde.
Damit ist auch der Antrag zu 2.) unbegründet.
Denn auch insoweit liegt kein Anordnungsanspruch vor. Da die Antragstellerin bereits
nach der Regelung des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II dem Grunde nach nicht nach dem SGB II
leistungsberechtigt ist, können auch die Voraussetzungen für die Gewährung einer
Zusicherung zur Übernahme von Aufwendungen einer neuen Wohnung nach § 22 Abs. 2
SGB II nicht vorliegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
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