Urteil des SozG Aurich vom 22.09.2009

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Sozialgericht Aurich
Beschluss vom 22.09.2009 (rechtskräftig)
Sozialgericht Aurich S 21 SF 38/06 (AS)
In Änderung der Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Sozialgerichts Aurich vom 11. August
2006 (Az.: S 15 AS 151/06 ER) wird die Vergütung des Er-innerungsführers auf insgesamt 810,34 Euro festgesetzt.
Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Im Streit steht die Höhe der festzusetzenden Vergütung des Erinnerungsführers.
Der Erinnerungsführer hat die insgesamt vier Antragsteller in dem Rechtsstreit S 15 AS 151/06 ER, mit welchem sich
diese gegen die Vollziehung einer Aufrechnung eines Teils der Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 50,- EUR
monatlich gewandt haben, sowie in dem zu Grunde liegenden Klageverfahren (S 15 AS 128/06) und in einem weiteren
Ver-fahren des einstweiligen Rechtsschutzes (S 15 AS 172/06 ER) vertreten. Letzteres hat die durch die Behörde
getroffene Anordnung der sofortigen Vollziehung hinsichtlich der Aufrechnungsverfügung zum Gegenstand gehabt. Die
vorgenannten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sind im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 17.
Mai 2006 verbunden worden. Zugleich ist den Antragstellern Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Wegen der
Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 17. Mai 2006 Bezug genommen. Der Erinnerungsführer hat
sodann unter dem 07. Juli 2006 beantragt, seine Vergütung auf insgesamt 845,41 EUR festzusetzen. Er hat dabei u.a
eine Verfahrens-gebühr in Höhe von 475,- EUR geltend gemacht. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des
Sozialgerichts Aurich hat die Vergütung am 11. August 2006 auf 462,14 EUR festge-setzt. Er hat dabei u.a. eine auf
der Grundlage der Nr. 3103; 1008 VV RVG ermittelte Verfahrensgebühr in Höhe von 161,50 EUR berücksichtigt. Mit
seiner Erinnerung verfolgt der Erinnerungsführer seinen Festsetzungsantrag weiter.
II.
Die gemäß § 56 RVG zulässige Erinnerung ist teilweise begründet. Sie führt zu der aus der Entscheidungsformel
ersichtlichen Festsetzung.
Gegenstand der Erinnerung ist der zum Aktenzeichen S 15 AS 151/06 ER eingereichte Antrag auf Festsetzung der
Vergütung vom 07. Juli 2006 und die hierauf ergangene Ent-scheidung über die Festsetzung der Vergütung vom 11.
August 2006. Antrag und Fest-setzung bezeichnen zwar in ihrem Aktenzeichen lediglich den Rechtsstreit S 15 AS
151/06 ER. Gleichwohl ist auf dieser Grundlage auch über die in dem Rechtsstreit S 15 AS 172/06 ER bis zur
Verbindung verdiente Vergütung des Erinnerungsführers zu ent-scheiden.
Im vorliegenden Fall ist den Antragstellern für beide vorgenannten Rechtstreitigkeiten Prozesskostenhilfe unter
Beiordnung des Erinnerungsführers gewährt worden. Zwar er-gibt sich dies aus dem im Termin am 17. Mai 2006
ergangenen Beschluss nicht aus-drücklich. Es folgt allerdings aus den Gesamtumständen. Der Beschluss ist in dem
für beide Rechtsstreitigkeiten bestimmten Termin ergangen. Zwar ist dies unmittelbar nach dem Ausspruch der
Verbindung der Rechtsstreitigkeiten erfolgt. Eine Beschränkung der Bewilligung oder Beiordnung ist dem Beschluss
allerdings nicht zu entnehmen. Dass das Gericht eine Beschränkung hat vornehmen wollen, ist insbesondere vor dem
Hintergrund, dass in dem formell durch die Verbindung beendeten Rechtsstreit S 15 AS 172/06 ER kein –
insbesondere ablehnender – Beschluss ergangen ist, nicht anzunehmen. Der Erinnerungsführer hat zwar gleichfalls
seinen Festsetzungsantrag lediglich unter dem Aktenzeichen S 15 AS 151/06 ER eingereicht und hierin auch nur
jeweils eine Verfah-rens- und Terminsgebühr in Ansatz gebracht. Gleichwohl ist es vor dem dargestellten Hintergrund
geboten, den Antrag umfassender zu verstehen und über die insgesamt ent-standene Vergütung – im Rahmen des
durch den Erinnerungsführer geltend gemachten Gesamtbetrags – zu entscheiden.
Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG bestimmt sich die Höhe der Vergütung nach dem Vergü-tungsverzeichnis der Anlage
1 des Gesetzes. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in
denen – wie hier – das Ge-richtskostengesetz nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren. Gemäß § 14 Abs. 1
Satz 1 RVG bestimmt bei Rahmengebühren der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall nach billigem Ermessen.
Hierbei sind alle Umstände des Einzelfalls – vor allem der Um-fang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit,
die Bedeutung der Angelegenheit und die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers – sowie
gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 RVG das Haftungsrisiko zu berücksichtigen. Bei der Festsetzung der Vergütung nach § 55
RVG ist die durch den Rechtsanwalt getroffene Bestimmung der Gebühren auf ihre Billigkeit zu prüfen. Ist die durch
den Rechtsanwalt getroffene Bestim-mung unbillig, so ist sie für die Festsetzung der Vergütung nicht verbindlich.
Gemäß § 15 Abs. 4 RVG hat die Verbindung auf bereits entstandene Gebühren keinen Einfluss. Hiernach sind die
Gebühren wie folgt zu ermitteln:
Hinsichtlich des Rechtsstreits S 15 AS 151/06 ER ist die Verfahrensgebühr zwar dem abgesenkten Gebührenrahmen
der Nr. 3103 VV RVG zu entnehmen. Die Kammer hält an ihrer Rechtsprechung fest, dass Nr. 3103 VV RVG
grundsätzlich auch in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes anzuwenden ist und es insoweit lediglich auf eine
Vor-befassung des Rechtsanwalts mit dem inhaltlichen Gegenstand des gerichtlichen Verfah-rens im Rahmen eines
Verwaltungs- bzw. Vorverfahrens ankommt (vgl. nur Beschluss der Kammer vom 18. April 2007, Az. S 21 SF 14/05
AS; siehe auch: SG Osnabrück, Be-schluss vom 11. September 2009; Az.: S 1 SF 43/09 E m.w.N.). Eine solche
Vorbefas-sung ist vorliegend gegeben, denn der Erinnerungsführer hat seine Auftraggeber in dem zu Grunde liegenden
Vorverfahren vertreten. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit ist insoweit – auch wenn nicht auf den ersparten
Aufwand durch die Vorbefassung abgestellt werden darf – als unterdurchschnittlich anzusehen. Der Erinnerungsführer
hat lediglich einen Schriftsatz zu fertigen gehabt, in welchem er auf die begründenden Schriftsätze in anderen
Verfahren verwiesen hat. Die Schwierigkeit der Angelegenheit beurteilt die Kammer hingegen als durchschnittlich.
Dies ergibt sich insbesondere aus der besonde-ren Komplexität der zahlreich getroffenen und zu berücksichtigenden
Verwaltungsent-scheidungen. Bei leicht unterdurchschnittlicher Bedeutung und weit unterdurchschnittli-chen
Einkommens- und Vermögensverhältnissen ergibt sich eine insgesamt leicht unter-durchschnittliche Angelegenheit.
Diese führt ausgehend von einer Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV RVG von 120,- EUR unter Berücksichtigung der
vorzunehmenden Erhö-hung des Gebührenrahmens um 0,9 nach Nr. 1008 VV RVG zu einer Gebühr in Höhe von 228,-
EUR. Die Terminsgebühr ist mit der Mittelgebühr in Höhe von 200,- EUR zutreffend berücksichtigt worden.
Hinsichtlich des Rechtsstreits S 15 AS 172/06 ER ist eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG entstanden.
Gegenstand des Rechtstreits ist insoweit zwar die der Sache nach bereits im Streit stehende Vollziehung der
Aufrechnung gewesen. Insoweit hat der Antragsgegner des Ausgangsverfahrens mit der nachgehenden Anordnung der
soforti-gen Vollziehung aber eine neue Grundlage geschaffen. In der hier konkret vorliegenden Fallgestaltung ist es
nicht mehr angemessen, von einer Vorbefassung des Erinnerungs-führers auszugehen. Die anwaltliche Tätigkeit ist in
diesem Rahmen als unterdurch-schnittlich zu beurteilen. Dies gilt auch für deren Umfang und Schwierigkeit, weil der
Er-innerungsführer insoweit auf Vorkenntnisse aus den bereits anhängigen Verfahren hat zurückgreifen können und
der Streitgegenstand mit Blick auf die Anordnung der soforti-gen Vollziehung klar abzugrenzen gewesen ist. Auf der
Grundlage einer Verfahrensge-bühr von 110,- EUR ergibt sich unter Berücksichtigung der Nr. 1008 VV RVG eine
Gebühr in Höhe von 209,- EUR. Die gleichfalls entstandene Terminsgebühr ist vorliegend in Höhe der nach Nr. 3106
VV RVG vorgesehene Mindestgebühr (20,- EUR) zu begrenzen, da die Verbindung eingangs des Termins erfolgt ist
und die Tätigkeit in diesem Rechtsstreit damit beendet gewesen ist.
Hinsichtlich der entstanden Auslagen ist darauf hinzuweisen, dass die Fahrtkosten und das Abwesenheitsgeld in
voller Höhe zu berücksichtigen ist, da ein Termin im Rechts-streit S 15 AS 128/06 ausweislich der dortigen
Gerichtsakte am selben Tag tatsächlich – wie vom Erinnerungsführer geltend gemacht – nicht stattgefunden hat und
diese Ausla-gen folgerichtig in jenem Rechtsstreit auch nicht angesetzt worden sind.
Es ergibt sich nachstehende Berechnung der Vergütung:
• Verfahrensgebühr S 15 AS 151/06 ER (Nr. 3103; 1008 VV RVG): 228,- EUR • Verfahrensgebühr S 15 AS 172/06 ER
bis zur Verbindung (Nr. 3102; 1008 VV RVG): 209,- EUR • Terminsgebühr S 15 AS 151-06 ER (Nr. 3106 VV RVG):
200,- EUR • Terminsgebühr S 15 AS 172-06 ER bis zur Verbindung (Nr. 3106 VV RVG): 20,- EUR
• Fahrtkosten/Abwesenheitsgeld (Nr. 7003; 7005 VV RVG): 33,80 EUR
• Post- und Telekommunikationspauschale (Nr. 7002 VV RVG): 20,- EUR
• Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG, 16 v.H. auf 710,80 EUR): 113,73 EUR
insgesamt: 810, 34 EUR.
Nach der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen ist auch in Verfahren über die
Festsetzung der Vergütung nach §§ 55 f. RVG die Beschwerde gegen die Entscheidung des Sozialgerichts - entgegen
§§ 56 Abs. 2; 33 Abs. 3 RVG – gemäß §§ 178; 197 Abs. 2 SGG ausgeschlossen (vgl. etwa LSG Niedersachsen-
Bremen, Be-schluss vom 09. Juni 2009, Az.: L 13 B 1/08 SF m.w.N.).
Dieser Beschluss ist mithin endgültig.
Dr. Bußmann-Weigl