Urteil des SozG Augsburg vom 07.12.2005

SozG Augsburg: zusicherung, verfassungskonforme auslegung, umzug, ermessensspielraum, unterbringung, wohnungsmarkt, wohnraum, stadt, genehmigung, entlassung

Sozialgericht Augsburg
Urteil vom 07.12.2005 (rechtskräftig)
Sozialgericht Augsburg S 6 AS 153/05
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 7. April 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2005
wird abgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Übernahme von Wohnbeschaffungskosten, Mietkautionen und Umzugskosten
streitig.
Der am 1959 geborene Kläger wurde am 04.03.2005 aus der Justizvollzugsanstalt L. entlassen. Da er ohne festen
Wohnsitz war, wohnte er zunächst in Pensionen. Am 17.03.2005 mietete er zum 01.04.2005 die Wohnung im H.weg in
N. an. Die Wohnfläche dieser Wohnung beträgt 75 qm. Hierfür bezahlte er eine Maklerprovision in Höhe von 830,00
EUR und eine Mietkaution in gleicher Höhe. Am 31.03.2005 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf
Übernahme der geleisteten Mietkaution und Maklerprovision und Umzugskosten (Anmietung eines Lkws bis 4,79 t,
um seine eingelagerten Möbel abholen zu können). Dies begründet er damit, dass ihm von behördlicher Seite keine
Wohnung vermittelt worden sei. Es habe sich dann eine "Bekannte", die namentlich nicht in Erscheinung treten
könne, sich kurzfristig bereit erklärt, ihm die Mietkaution und die Maklerprovision vorzustrecken. Eine andere
Vorgehensweise sei nicht möglich gewesen. Aus diesem Grund sei die Wohnung auch etwas größer, da eine 2-
Zimmer-Wohnung für ihn auf dem freien Wohnungsmarkt nicht erhältlich gewesen sei. Diesen Antrag lehnte die
Beklagte mit Bescheid vom 07.04.2005 ab. Die gemietete Wohnung überschreite einen angemessenen Umfang. Für
einen 1-Personen-Haushalt sei ein Flächenbedarf von maximal 45 qm anerkannt.
Hiergegen legte der Kläger am 18.04.2005 Widerspruch bei der Beklagten ein. Hierzu führte er aus, dass er bei der
Stadt U. am 10.03.2005 einen Antrag auf Arbeitslosengeld II gestellt habe. Dieser sei ihm wieder zurückgegeben
worden mit der Erklärung, dass für eine Zusicherung auf Übernahme aller Wohnungskosten (inkl. Mietkaution,
Provisionen, Umzugskosten, Festkosten und Heizung) eine konkrete Wohnung benannt werden müsse. Nachdem er
aber auf dem Wohnungsmarkt keine angemessene Wohnung gefunden habe, habe er unter Berücksichtigung des § 22
und 23 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) eine ca. 75 qm große Wohnung in N. angemietet. Der Mietbetrag sei
dann wegen der zuvor erteilten Zusicherung des für die Stadt U. zuständigen Trägers des Arbeitslosengelds II durch
eine Drittperson vorübergehend ausgelegt worden mit dem Zusatz, bzw. der Bedingung, dass dieser Betrag sofort
nach Erhalt durch die Behörde wieder zurückzuzahlen sei. Am 29.03.2005 habe er sich sodann bei der Beklagten
beraten lassen. Hier sei ihm empfohlen worden, einen Antrag auf Kostenübernahme zu stellen. Ihm sei nicht geraten
worden, vom Mietvertrag zurückzutreten. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom
25.04.2005 zurück. Der Kläger habe vor Anmietung seiner Wohnung keine Zusicherung der Beklagten eingeholt, so
dass die Wohnungsbeschaffungskosten nicht übernommen werden könnten. Darüber hinaus hätten bei dem Kläger
auch nicht die Voraussetzungen für eine Zusicherung vorgelegen. Dass der Kläger nämlich ohne Zusicherung nicht in
der Lage gewesen wäre, in angemessener Zeit eine Unterkunft zu finden, sei nicht belegt. So hätte der Kläger die
Möglichkeit gehabt, sich bei der für Unterbringung von Personen ohne festen Wohnsitz zuständigen Verwaltung zu
melden, die ihm dann eine vorübergehende Unterkunft zugewiesen hätte. Diese Unterkunft erfülle auch die
Voraussetzungen an einen festen Wohnsitz, wie er in den Führungsaufsichtsauflagen gefordert werde. Von dort aus
hätte er sich dann um eine angemessenen Wohnraum bemühen können.
Dagegen hat der Kläger am 19.05.2005 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Zur Begründung seiner Klage hat
der Kläger u. a. noch vorgetragen, dass der § 22 Abs. 3 SGB II der Beklagten einen Ermessensspielraum eröffne. So
werde festgelegt, dass Wohnungsbeschaffungskosten, sowie Mietkautionen und Umzugskosten bei vorheriger
Zusicherung durch den kommunalen Träger übernommen werden könnten. Die Beklagte habe dazu in ihrem
Widerspruchsbescheid aber ausgeführt, dass kein Ermessensspielraum vorhanden sei, falls eine
verfassungskonforme Auslegung stattfinde. Bei einer vorherigen Zusicherung seien die Kosten zu übernehmen. Damit
schränke die Beklagte nach Ansicht des Klägers den gesetzlich vorgegebenen "Ermessensspielraum"
unzulässigerweise ein. Es werde damit die Rechtsmeinung der Beklagten verfestigt, dass ohne vorherige Zustimmung
eine Gewährung dieser in § 22 Abs. 3 Satz 1 aufgeführten Leistung nicht erfolgen dürfte. Dies erscheint wesentlich zu
sein, denn eine vorherige Zusicherung sei im vorliegenden Fall faktisch gar nicht einholbar gewesen. Da von Seiten
der Beklagten kein Begleitdienst oder Jourdienst vorhanden sei, hätte für die derart plötzlich anberaumte
Wohnungsbesichtigung und die damit verbundene Sofortentscheidung keine konkrete vorherige Zusicherung eingeholt
werden können. Dem Hinweis auf die telefonische Erreichbarkeit darf vorsorglich entgegengehalten werden, dass ein
derartiges vor Ort nicht vorhanden gewesen sei. Zudem habe die Beklagte unmissverständlich erklärt, dass erst ein
schriftlicher Antrag mit der konkreten Benennung der Wohnung vorliegen müsse, damit anhand der Größe und des
Preises eine Zusicherung geprüft und erteilt werden könne.
In der mündlichen Verhandlung vom 07.12.2005 beantragt der Kläger,
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 07.04.2005 in Fasssung des Widerspruchsbescheids vom
25.04.2005 zu verurteilen, ihm die von ihm verauslagte Maklerprovision und Mietkaution sowie die noch anfallenden
Umzugskosten zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Klageakte Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 87, 90 Sozialgerichtsgesetz (SGG) frist- und formgerecht erhobene Klage ist zulässig, jedoch
unbegründet.
Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die vom Kläger geltend gemachten Wohnungsbeschaffungskosten sowie
Mietkaution und Umzugskosten zu übernehmen.
Gemäß § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II können durch den kommunalen Träger Wohnungsbeschaffungskosten sowie
Mietkautionen und Umzugskosten bei vorheriger Zusicherung übernommen werden. Voraussetzung für eine
Kostenübernahme ist danach nach Satz 1 eine vorherige Zusicherung durch die Beklagte. Aufgrund des klaren
Wortlauts ("bei vorheriger Zusicherung") können ohne Zusicherung keine Kosten übernommen werden. Eine
Kostenübernahme scheidet insgesamt daher aus, wenn die Kosten vertraglich vor der Zusicherung des Trägers
begründet wurden. Dies trifft im vorliegenden Fall auf die bezahlte Mietkaution in Höhe von 830,00 EUR und die
verauslagte Maklerprovision ebenfalls in Höhe von 830,00 EUR zu. Diese hat der Kläger bereits am 17.03.2005
verauslagt und damit noch vor der Antragstellung auf Kostenübernahme bei der Beklagten am 31.03.2005. Eine
Zusicherung der Beklagten auf Kostenübernahme lag somit eindeutig vor Eingehen seiner Verbindlichkeiten nicht vor.
Es ist auch davon auszugehen, dass es sich bei den Zusicherungen nach Abs. 2 und Abs. 3 um rechtlich getrennte
Zusicherungen handelt. Dafür spricht der enge Wortlaut des Abs. 2 ("Zusicherung des kommunalen Trägers zu den
Aufwendungen für die neue Unterkunft") und die gesetzliche Trennung in zwei verschiedenen Absätzen mit jeweils
unterschiedlichen Voraussetzungen für die Erteilung der Zusicherung (Schmid in Österreicher SGB XII/ SGB II, § 22
Rdnr 80). Damit ist für die Erteilung einer Zusicherung gemäß § 22 Abs. 3 SGB II unerheblich, ob die
Voraussetzungen für eine nachträgliche Genehmigung einer Anmietung einer sich als angemessen darstellende
Unterkunft im Sinne von § 22 Abs. 2 vorliegen. Nach der Gesetzessystematik und dem Wortlaut des § 22 Abs. 3 Satz
1 ist für die Übernahme der Wohnungsbeschaffungskosten kein Entscheidungskriterium, ob der Kläger in eine für ihn
angemessene Unterkunft gezogen ist, wenn er dies ohne vorherige Zustimmung getan hat. Eine nachträgliche
Genehmigung im Wege einer Ermessensentscheidung der Beklagten kann daher im Fall des § 22 Abs. 3 im
Gegensatz zu § 22 Abs. 2 nicht erfolgen. Die Erteilung der Zusicherung liegt dabei grundsätzlich im Ermessen des
Trägers. Der Wortlaut ("können bei vorheriger Zusicherung übernommen werden") ist insoweit zwar undeutlich. Es ist
aber davon auszugehen, dass sich das Ermessen auf die Erteilung der Zustimmung und nicht - wie es nach dem
Gesetz scheint - auf die Frage der Kostenübernahme bei erteilter Zustimmung bezieht (Schmid in Österreicher SGB
XII/SGB II § 22 Rdz 81). Nach dem Gesagten scheidet eine Kostenübernahme durch die Beklagte aufgrund der
fehlenden vorherigen Zusicherung bezogen auf die verauslagte Mietkaution und die Maklerprovision aus und kann
auch nicht nachträglich durch eine Ermessensentscheidung der Beklagten übernommen werden.
Anders verhält es sich im Hinblick auf die von dem Kläger beantragte Übernahme auf Anmietung eines Lkws zur
Abholung seiner bei seinem Sohn eingelagerten Möbel. Diese sind noch nicht angefallen und wären damit
grundsätzlich noch zusicherungsfähig. Nach § 22 Abs. 3 Satz 2 soll eine Zusicherung zur Kostenübernahme dann
erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist
und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Da es
sich bei der Zusicherung um eine Ermessensentscheidung der Beklagten handelt, hat der Kläger nur dann einen
Rechtsanspruch auf Übernahme seiner Umzugskosten, wenn aufgrund des vorliegenden Falls von einer
Ermessensreduzierung auf Null auszugehen wäre. Dies ist hier doch nicht der Fall. Zum einen hat die Beklagte den
Umzug nicht veranlasst zum anderen war der Umzug auch nicht aus anderen Gründen notwendig. Ein Umzug ist nur
dann notwendig, wenn nicht nur der Umzug an sich, sondern der Einzug in die konkrete Wohnung notwendig ist. Dies
setzt jedoch voraus, dass diese den Bedarf deckt und keine unangemessenen Kosten verursacht (vgl. VGH BW vom
19.04.1989, 6 S 3281/88, FEVS 39, 73). Der Kläger hat jedoch eine für einen 1-Personen-Haushalt unangemessen
große Wohnung angemietet. Aber auch die weitere Voraussetzung, dass es dem Kläger ohne die Zusicherung
unmöglich war, sich in einem angemessenen Zeitraum eine Unterkunft zu beschaffen, ist nicht gegeben. Als
angemessenen Zeitraum für die Beschaffung einer angemessenen Unterkunft sieht das Gericht entsprechend der
Regelung in § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II grundsätzlich einen Zeitraum von 6 Monaten an (vgl. hierzu Wenzel in:
Fichtner, BSHG, § 12, Rdnr 21). Selbst wenn man hier unter Berücksichtigung des Sonderfalls, dass der Kläger nach
Entlassung aus der Justizvollzugsanstalt L. wohnsitzlos war und somit bei ihm ein dringender Wohnbedarf bestand
als bei jemanden, der noch über eine Unterkunft verfügt, ist der Beklagten darin zuzustimmen, dass es dem Kläger
zumutbar gewesen wäre vorübergehend in einem Obdachlosenheim einzuziehen (so im Ergebnis auch
Eicher/Spellbrink, SGB II § 22 Rdz 17). Auf Dauer stellt die Unterbringung in einem Obdachlosenheim sicherlich keine
angemessene Unterkunft dar. Sie ist jedoch über einen gewissen Zeitraum, der vom Einzelfall abhängt (örtliche
Gegebenheiten, familiäre und berufliche Situation), zur Behebung einer Wohnungsnot zumutbar. Hier war der Kläger
jedoch, da er bereits 13 Tage nach seiner Entlassung die für ihn unangemessen große Wohnung angemietet hatte,
keineswegs unangemessen lange auf der Suche nach einem angemessenen Wohnraum, abgesehen davon, dass der
Kläger auch keinerlei Belege dafür geliefert hat, dass tatsächlich in diesem Zeitraum auch keine 45 qm große
Wohnung auffindbar gewesen wäre.
Insgesamt war daher der Bescheid der Beklagten vom 07.04.2005 in Fassung des Widerspruchsbescheids vom
25.04.2005 rechtlich nicht zu beanstanden und die Klage daher als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.