Urteil des SozG Altenburg vom 27.08.2004

SozG Altenburg: gesellschaft mit beschränkter haftung, ddr, verordnung, industrie, firma, umwandlung, zugehörigkeit, ingenieurbüro, rechtsform, architektur

Sozialgericht Altenburg
Urteil vom 27.08.2004 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Altenburg S 12 RA 595/03
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob die Klägerin in der Zeit vom 1. September 1967 bis zum 30. Juni 1990
faktisch der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz angehört hat und die Beklagte in Folge dessen
die in dieser Zeit tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte zu ermitteln und durch Bescheid festzustellen hat.
Die am 1943 geborene Klägerin schloss den Besuch der Ingenieurschule für Bauwesen G. am 30. Juni 1967
erfolgreich ab und erhielt damit das Recht, die Berufsbezeichnung Ingenieur zu führen; dieser Abschluss wurde mit
Urkunde des Thüringer Ministers für Wissenschaft und Kunst vom 8. Februar 1993 als gleichwertig mit dem
Ausbildungsabschluss eines Diplom-Ingenieurs (FH) anerkannt.
Die Klägerin war vom 1. September 1967 an als Bauingenieurin im VEB Industriebauprojektierung D. tätig gewesen;
diese Tätigkeit beendete sie zum 31. Dezember 1968; ab 1. Januar 1969 war sie Bauingenieurin im volkseigenen Bau-
und Montagekombinat Kohle und Energie im Betriebsteil Industriebauprojektierung; diese Tätigkeit wurde von ihr bis
zum 30. April 1969 ausgeübt. Ab 1. Juni 1969 war die Klägerin als Bauingenieurin für Bauwirtschaft tätig im
Kombinatsbetrieb Industriebauprojektierung des volkseigenen Bau- und Montagekombinates E. Ab 1. Januar 1973 war
sie hier Bauingenieurin und Kostenplanerin, ab 1. Januar 1987 Bauingenieurin im Bereich Bauwirtschaft bzw.
Kostenplanung. Die Entgelt-Eintragungen im SV-Ausweis sind bereits am 30. Juni 1990 von der Firma I. GmbH
gestempelt worden.
Mit Bescheid vom 8. Juli 2002 lehnte die Beklagte die Überführung von Anwartschaften aus
Zusatzversorgungssystemen mit der Begründung ab, die Klägerin sei am 30. Juni 1990 nicht im Geltungsbereich der
Zusatzversorgung der technischen Intelligenz tätig gewesen.
Die Klägerin wandte sich dagegen mit Widerspruch vom 16. Juli 2002 und führte zur Begründung aus, dass sie in
einem Baubetrieb, nämlich dem Bau- und Montagekombinat als Diplom-Ingenieurin gearbeitet habe und damit die
Voraussetzungen für die Anerkennung von Zusatzversorgungszeiten seit dem 1. September 1967 erfülle.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 2003 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, die
Klägerin sei im Juni 1990 in einem Projektierungs- und Rationalisierungsbetrieb tätig gewesen und deshalb nicht von
dem Versorgungssystem der technischen Intelligenz erfasst gewesen.
Die Klägerin wendet sich dagegen mit der Klage vom 18. März 2003, die am 20. März 2003 bei Gericht eingegangen
ist.
Die Klägerin ist der Auffassung, maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Frage, ob sie in einem Produktionsbetrieb
der Industrie oder des Bauwesens tätig gewesen sei, sei das Kombinat, bei dem es sich offensichtlich um einen
Baubetrieb gehandelt habe; hilfsweise sei auch bezogen auf den Beschäftigungsbetrieb den VEB
Industriebauprojektierung davon auszugehen, dass sie in den Anwendungsbereich der Zusatzversorgung der
technischen Intelligenz falle, denn die Projektierung sei wichtiger als die eigentliche Bauausführung gewesen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 8. Juli 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2003 abzuändern und die
Beklagte zu verurteilen, für die Zeit von 1. September 1967 bis 30. Juni 1990 die Zugehörigkeit zum
Zusatzversorgungssystem 1 der Anlage 1 zum AAÜG festzustellen, die während dessen erzielten Entgelte und
sonstigen Sachverhalte zu ermitteln, mit Bescheid festzustellen und dem Rentenversicherungsträger zu übermitteln.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf die Ausführungen der angegriffenen Bescheide.
Aus den Auszügen des Registers der volkseigenen Wirtschaft, jetzt verwahrt beim Handelsregister beim Amtsgericht
Erfurt ergibt sich, dass das volkseigene Bau- und Montagekombinat (BMK) E. zahlreiche in der Rechtsform von VEB
geführte sog. Kombinatsbetriebe (KB) umfasste, unter anderem auch den VEB KB Industriebauprojektierung E. Dieser
KB wurde laut Änderungsantrag vom 2. Mai 1990 zum 1. Mai 1990 umbenannt in VEB T. Architektur- und
Ingenieurbüro für Bauplanung. Aus dem Eintrag ergibt sich weiterhin, dass dieser VEB mit Wirkung zum 29. Juni 1990
in die Fa. T. GmbH Architektur- und Ingenieurbüro für Bauplanung, Sitz E. umgewandelt wurde. Nach dem
Registereintrag ist diese GmbH dadurch entstanden, dass sich der im Register der volkseigenen Wirtschaft
eingetragene volkseigene Betrieb T. Architektur- und Ingenieurbüro für Bauplanung mit Umwandlungserklärung vom
16. Juni 1990 auf der Grundlage der Verordnung zur Umwandlung von volkseigenen Kombinaten, Betrieben und
Einrichtungen in Kapitelgesellschaften vom 1. März 1990 (Gesetzblatt Teil I, Nr. 14, S. 107) in eine Gesellschaft mit
beschränkter Haftung (GmbH) umgewandelt hat; der Gesellschaftervertrag wurde dem Registereintrag zufolge bereits
am 16. Juni 1990 abgeschlossen.
Die im SV-Ausweis der Klägerin am 30. Juni genannte Firma I. Architektur- und Ingenieurbüro GmbH, J. entstand als
eine Ausgliederung aus der Firma T. GmbH gem. dem Gesellschafterbeschluss ("Notarvertrag") vom 4. Juli 1990;
diese Gesellschaft wurde am 9. Oktober 1990 in das Handelsregister beim Amtsgericht J. eingetragen.
Die vorgenannten Handelsregistereintragungen und die Eintragungen in die Register der volkseigenen Wirtschaft beim
Amtsgericht Erfurt waren den Beteiligten teilweise bekannt; im Kammertermin vom 27. August 2004 hat der
Vorsitzende den Beteiligten diese Eintragungen in ihrer zeitlichen Abfolge und in ihrem rechtlichen und tatsächlichen
Zusammenhang und in ihrer Bedeutung für den vorliegenden Fall erläutert.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakte und insbesondere die schriftsätzlichen
Ausführungen der Beteiligten und die Sitzungsniederschrift vom 27. August 2004 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht vor dem örtlich zuständigen Sozialgericht erhoben
worden.
Die Klage ist unbegründet.
Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig, sie verletzen daher die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zu Zusatzversorgungssystemen
nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG), weil dieses Gesetz auf die
streitgegenständliche Beschäftigungszeit vom 1. September 1967 bis zum 30. Juni 1990 nicht anwendbar ist.
Voraussetzung für den Anspruch auf Feststellungen von Arbeitsentgelten und sonstigen Sachverhalten nach dem
AAÜG ist, dass dieses Gesetz überhaupt anwendbar ist; diese Frage ist nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundessozialgerichtes in einem ersten Prüfungsschritt zu klären. Erst wenn sie positiv bejaht werden konnte, ist im
zweiten Prüfungsschritt zu prüfen, welche konkreten Beschäftigungszeiten im Geltungsbereich eines
Versorgungssystemes im Sinne der Anlage 1 zum AAÜG tatsächlich zurückgelegt worden sind.
Die Anwendbarkeit des AAÜG ist nach § 1 dieses Gesetzes gegeben bei Personen, die am 1. August 1991
Versorgungsansprüche oder Anwartschaften auf Grund der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem hatten, weil
sie am 3. Oktober 1990 bereits in ein Versorgungssystem tatsächlich einbezogen waren oder danach wegen der
Aufhebung rechtswidriger Verwaltungsakte der ehemaligen DDR wieder einbezogen wurden oder vor dem 1. Juli 1990
einbezogen waren, aber auf Grund von Regelungen der Versorgungssysteme vor
dem 1. Juli 1990 wieder ausgeschieden waren; diese gesetzlich normierten Fallgestaltungen der Anwendbarkeit des
AAÜG sind dadurch gekennzeichnet, dass zu irgend einem Zeitpunkt vor Schließung der Systeme, nicht notwendig
am 30. Juni 1990 eine positive Entscheidung über die Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystemen getroffen worden
war.
Das Bundessozialgericht hat über diese gesetzlich normierten Fallgestaltungen hinaus in einer verfassungskonformen
Auslegung von § 1 AAÜG entschieden, dass auch Personen, die zu DDR-Zeit keine positive Versorgungszusage
erhalten hatten, aber nach der exakt am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage auf Grund der zu diesem Zeitpunkt zu
Bundesrecht gewordenen zwingenden Bestimmungen der Versorgungssysteme einen Anspruch auf die Einbeziehung
oder Versorgungszusage am 1. Juli 1990 gehabt hätten, auch ohne positive Versorgungszusage in der ehemaligen
DDR so zu behandeln sind, wie die tatsächlich Einbezogenen.
Diese (fiktive) Zugehörigkeit zur Zusatzversorgung setzt für die hier in Betracht kommende Zusatzversorgung der
technischen Intelligenz nach der Verordnung vom 17. August 1950 und der hierzu ergangenen Zweiten
Durchführungsbestimmung vom 24. Mai 1951 nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes voraus, dass
folgende drei Umstände am 30. Juni 1990 gleichzeitig und kumulativ gegeben waren und positiv festgestellt werden
können:
1. die Berechtigung zur Führung der Berufsbezeichnung als Ingenieur oder Techniker nach dem Recht der ehemaligen
DDR, 2. die Ausübung produktionstechnischer Tätigkeiten als Ingenieur, Techniker, Konstrukteur, Architekt oder
Statiker, 3. die Ausübung dieser Tätigkeit in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des
Bauwesens vgl. beispielhaft Urteil des Bundessozialgerichtes vom 31. Juli 2002, Az.: B 4 RA 62/01 R.
Soweit die Klägerin der Auffassung ist, sie sei am 30. Juni 1990 in einem volkseigenen Baubetrieb, nämlich dem
volkseigenen Bau- und Montagekombinat E. tätig gewesen, kann die Kammer dieser Auffassung nicht folgen:
Zum Einen ist festzustellen, dass nach der Verordnung über die volkseigenen Kombinate und Kombinatsbetriebe und
volkseigenen Betriebe vom 8. November 1979 (Gesetzblatt I, S. 355) zwar das Kombinat rechtsfähig war, also
Anknüpfungspunkt von Rechten und Pflichten und damit auch von Arbeitsverhältnissen sein konnte, allerdings galt
dies gleichermaßen auch für die sogenannten Kombinatsbetriebe, soweit sie nicht Betriebsteile des Kombinates
waren. Wenn sie als volkseigene Betriebe (VEB) firmierten, waren sie rechtsfähig. Es handelt sich bei ihnen um
selbstständige juristische Personen, die im eigenen Namen Rechte und Verbindlichkeiten begründeten (u. a. auch
Arbeitsverträge) und die für deren Erfüllung selbst hafteten (vgl. § 31 Kombinatsverordnung).
Die Klägerin war eindeutig nicht beim volkseigenen Bau- und Montagekombinat oder einem Betriebsteil des
Kombinates, sondern bei dem rechtlich selbstständigen Kombinatsbetrieb (KB), dem VEB Industriebauprojektierung
tätig gewesen; der allerdings kurz vor dem 30. Juni 1990 den Namen änderte und privatisiert wurde.
Der Betrieb hatte die Projektierung und Planung von Bauvorhaben, die bauausführende Aufsicht und die Kontrolle
soweit sie nicht der betrieblichen Technischen Kontrollorganisation (TKO) oblag, wahrzunehmen und in diesem
Zusammenhang die Planung je nach Stand und Bedarf während der Bauausführung zu überarbeiten und den baulichen
Notwendigkeiten anzupassen; die betriebliche TKO war dem Projektierungsbetrieb angeschlossen. Eine eigene
Bauabteilung, die bauausführende Arbeiten in eigener Regie tatsächlich ausgeführt hätte, war im VEB
Industriebauprojektierung,. nicht vorhanden. Die bauausführenden Arbeiten wurden vielmehr in anderen Betrieben des
Kombinates (oder von Drittbetrieben) ausgeführt.
Bei dem rechtlich selbstständigen (KB) VEB Industriebauprojektierung handelt es sich also offensichtlich nicht um
einen Baubetrieb; es handelt sich dabei auch nicht um ein selbstständiges Konstruktionsbüro im Sinne von § 1 Abs. 2
erster Halbsatz Zweite Durchführungsbestimmung vom 24. Mai 1951. Über die bloße Konstruktion von Bauwerken
hinaus ging die Tätigkeit des VEB Industriebauprojektierung hinaus, indem hier auch Aufgaben der Bauaufsicht, der
vorausgehenden Erhebungen (technische und wirtschaftliche Machbarkeit, Vor- und Nachkalkulation) von
Bauvorhaben zu erledigen waren.
Die Aufzählung der vom betrieblichen Geltungsbereich der Verordnung vom 17. August 1950 erfassten Bereiche in der
Zweiten Durchführungsbestimmung vom 24. Mai 1951 ist als
abgeschlossen zu verstehen, denn aus dem Wortlaut erschließen sich keine Anhaltspunkte dafür, dass überhaupt und
wenn, welche dort nicht genannten Tätigkeitsbereiche von der Verordnung erfasst werden sollten. Es ist daher nicht
möglich, auf Grund des Umstandes, dass in dem Beschäftigungsbetrieb der Klägerin auch Konstruktionsarbeiten
durchgeführt wurden, etwa im Wege einer juristischen Auslegung der Zweiten DB von der betrieblichen Anwendbarkeit
der Verordnung vom 17. August 1950 auszugehen. Denn der Kombinatsbetrieb Industriebauprojektierung hat über die
technische Konstruktion von Bauvorhaben hinaus, die mit dem Begriff "Konstruktionsbüros" ausdrücklich aufgezählt
worden ist, auch weitergehende Tätigkeiten im Vor- und Umfeld der Konstruktion von Bauvorhaben verrichtet. Es sind
keine Anhaltspunkte dafür bekannt, dass die Teilfunktion der Konstruktion schon ausreicht, den
Beschäftigungsbereich als Konstruktionsbüro im Sinne der Zweiten DB zu verstehen.
Dass es sich bei dem primär von der Zusatzversorgung der technischen Intelligenz Begünstigen um Beschäftigte in
volkseigenen Produktionsbetrieben der Industrie oder des Bauwesens handelte, ergibt sich zum Einen schon aus der
Überschrift der Verordnung vom 17. August 1950 und zum Anderen aus § 1 Abs. 2 Zweite Durchführungsbestimmung,
der mit den Worten einleitet "Den volkseigenen Produktionsbetrieben werden gleichgestellt ...". Dies besagt nichts
anderes, als dass die Beschäftigten in Betrieben, die in der Rechtsform eines volkseigenen Betriebes geführt wurden
und dabei in einem Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens tätig waren, von der Zusatzversorgung
begünstigt werden sollten, sofern sie die übrigen Voraussetzungen erfüllten.
Im Falle der Klägerin ist insoweit festzustellen, dass sie die Tätigkeit am 30. Juni 1990 nicht in einem
Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens, sondern in einem Projektierungsbetrieb verrichtet hat, so dass
Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens, sondern in einem Projektierungsbetrieb verrichtet hat, so dass
schon deshalb die Anwendbarkeit des AAÜG ausscheidet.
Hinzu kommt hier, dass die Klägerin am 30. Juni 1990 nicht mehr in einem volkseigenen Betrieb tätig war, sondern in
einer GmbH, nämlich der Firma T. GmbH.
Diese Firma war in mehreren Etappen aus dem VEB Industriebauprojektierung E., der noch ein Kombinatsbetrieb des
Bau- und Montagekombinates E. war, entstanden; im ersten Schritt wurde der Kombinatsbetrieb
Industriebauprojektierung E. umbenannt in
VEB T. und bei dieser Gelegenheit offenbar aus dem Kombinatsverbund des BMK herausgelöst.
Dieser umgewandelte Betrieb hat sich schon kurze Zeit später auf der Grundlage der Verordnung zur Umwandlung von
volkseigenen Kombinaten, Betrieben und Einrichtungen in Kapitalgesellschaften vom 1. März 1990 (Gesetzblatt I, S.
107 ) in eine GmbH, nämlich die Fa. T. GmbH umgewandelt, wie sich aus dem Auszug des Handelsregisters beim
Amtsgericht Erfurt eindeutig ergibt.
Die Umwandlung des VEB in eine GmbH wurde nach § 7 der Verordnung dadurch rechtswirksam, dass diese
Umwandlung in das Register eingetragen wurde. Mit der Eintragung wurde die GmbH Rechtsnachfolger des
umgewandelten VEB; der vor der Umwandlung bestehende VEB ist nach der Regelungstechnik dieser Verordnung
gleichzeitig erloschen.
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies nichts Anderes, als dass gleichzeitig mit der Eintragung der Firma T. GmbH
in das Handelsregister am 29. Juni 1990, also auch am 29. Juni 1990 der VEB T. erloschen ist, folglich war die Firma
T. GmbH spätestens ab dem 30. Juni 1990 Arbeitgeberin der Klägerin.
Weil es sich bei der Rechtsfolge der Privatisierung nach der Umwandlungsverordnung um eine
Gesamtrechtsnachfolge handelt, kommt es nicht darauf an, ob die Klägern von dieser Umwandlung Kenntnis hatte
oder mit ihr einverstanden war. Es ist auch nicht entscheidungserheblich, ob entsprechende Änderungen seitens des
Arbeitgebers oder seiner Repräsentanten arbeitsvertraglich oder auf sonstige Weise dokumentiert worden sind.
Entscheidend ist allein, dass der vormalige Beschäftigungsbetrieb der Klägerin, der KB VEB Industriebauprojektierung
nach der Namensänderung in VEB T. am 29. Juni 1990 die Rechtsform eines volkseigenen Betriebes verloren hat und
zur GmbH wurde.
Auf Grund dessen war die Klägerin am 30. Juni 1990 nicht in einem volkseigenen Betrieb tätig gewesen; die Tätigkeit
in einem VEB am Stichtag ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes Voraussetzung dafür, dass das
AAÜG überhaupt anwendbar ist (vgl. Urteil des Bundessozialgerichtes vom 29. Juli 2004, Az.: B 4 RA 12/04 R); diese
Auffassung hat das Thüringer Landessozialgericht im Übrigen unter Bezugnahme auf die bis dahin bekannte ständige
Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes schon mit seinem Urteil
vom 26. Januar 2004 (Az.: L 6 RA 304/02) gefolgt; die Kammer hatte sich ebenfalls dieser Rechtsprechung schon vor
dem o. g. Urteil des Bundessozialgerichtes angeschlossen.
Es ist nicht zu verkennen, dass die Privatisierung des Nachfolge-VEB des vormaligen Kombinatsbetriebes VEB
Industriebauprojektierung E., nämlich des VEB T., die noch unmittelbar vor dem 30. Juni 1990 erfolgt ist und damit
die Anwendbarkeit des AAÜG verhindert, von der Klägerin als Härte empfunden wird. Die Anwendung von
Stichtagsregelungen ist grundsätzlich mit Härten verbunden, die naturgemäß umso schmerzlicher wahrzunehmen
werden, je näher der entscheidende Sachverhalt vor oder nach einem Stichtag eingetreten ist.
Allerdings hat die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes mit der verfassungskonformen Ausweitung des
Anwendungsbereiches von § 1 AAÜG über seinen Wortlaut hinaus zu einer deutlichen Ausweitung des
Anwendungsbereiches dieses Gesetzes geführt, denn erst dadurch kann auch ohne positive Versorgungszusage von
der Anwendbarkeit dieses Gesetzes und damit der Annahme von (fiktiven) Versorgungsanwartschaften ausgegangen
werden.
Die Anwendung des Stichtages "30. Juni 1990" als maßgebliches Abgrenzungskriterium, um einen Verstoß gegen das
Verbot der nachträglichen Einbeziehung in Versorgungssysteme zu beachten, hat das Bundessozialgericht in seinen
Entscheidungen vom 9. und 10. April 2002 (Az.: B 4 RA 32/01 R, B 4 RA 31/01 R und B 4 RA 10/02 R) nach Ansicht
der Kammer hinreichend begründet, so dass der Stichtag keineswegs als willkürlich festgelegt erscheinen kann. Es
handelt sich hierbei um den letzten Termin, zu dem rechtstatsächlich Versorgungsanwartschaften in der DDR hätten
entstehen können; auf diesen Termin greift das AAÜG (nach der Auslegung des Bundessozialgerichtes) im Hinblick
auf die Schließung der Systeme deshalb zurück.
Hinzu kommt, was die Härte dieser Stichtagsregelung im vorliegenden Falle in ein milderes Licht stellen kann,
nämlich dass die Klägerin - wie oben bereits ausgeführt - auch schon am 29. Juni 1990 nicht in einem volkseigenen
Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens, noch einem gleichgestellten Bereich tätig war, weil es sich
weder bei dem VEB Industriebauprojektierung E. noch dem VEB T. um einen volkseigenen Produktionsbetrieb der
Industrie oder des Bauwesens gehandelt hat, noch um einen nach der Zweiten Durchführungsbestimmung solchen
gleichgestellten Bereich.
Wenn die Klägerin auch im Projektierungsbetrieb, gleich unter welcher Namensbezeichnung ingenieur-technische
Tätigkeiten verrichtet hat, die ein Bauingenieur in der Planungsabteilung eines weniger gegliederten Baubetriebes
verrichtet hat, der als faktisch zusatzversorgt anzusehen wäre, sofern er noch am 30. Juni 1990 in der Rechtsform
eines VEB geführt wurde, ist in dieser Differenzierung, die den tatsächlichen Gegebenheiten der
Beschäftigungsbetriebe folgt, keine willkürliche Ungleichbehandlung durch die Beklagte oder die Gerichte zu sehen.
Diese Abgrenzung folgt vielmehr der Regelungstechnik der Zweiten Durchführungsbestimmung vom 24. Mai 1951.
Mithin liegt in der Feststellung der Beklagten, dass die Klägerin nicht im Anwendungsbereich der Zusatzversorgung
der technischen Intelligenz tätig war, keine Wertung der fachlichen Qualität der von ihr geleisteten Arbeit oder der
wirtschaftlichen Bedeutung ihres Beschäftigungsbetriebes.
Die Beklagte hat vielmehr in den Fällen, in denen keine positive Versorgungszusage vorliegt, rein faktisch an Hand
des Wortlautes der Bestimmungen der ehemaligen DDR, die mangels Übernahme in das Bundesrecht ihre
Rechtsverbindlichkeit verloren haben, rein tatsächlich festzustellen, ob der jeweilige Versicherte zu DDR-Zeit faktisch
eindeutig zu dem Personenkreis gehört hat, der im Versicherungsfall der gesetzlichen Rentenversicherung mit
Leistungen aus der Zusatzversorgung hätte rechnen können, sofern dieser Versicherungsfall am 30. Juni 1990
eingetreten wäre, einem Termin zu dem mit der anschließenden rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechenden
Bearbeitung eines solchen Versorgungsfalles zu rechnen gewesen wäre.
Dabei bleibt unbeachtet, dass bei einem Versorgungsfall vor dem 30. Juni 1990, bei dem die Bearbeitung des Falles
nicht zwingend nach rechtsstaatlichen Gesichtspunkten erfolgt wäre, ein Versorgungsanspruch ohne eine positive
Versorgungszusage nicht durchsetzbar gewesen wäre. Denn zu DDR-Zeit hat ein "Anspruch auf Versorgungszusage"
rechtstatsächlich nicht bestanden, wie sich aus § 3 Zweite Durchführungsbestimmung ("Anmeldung der Ansprüche")
deutlich ergibt.
Trotz ihres Ingenieur-Abschlusses und trotz der ingenieurmäßigen Tätigkeit im einem volkseigenen Betrieb hat die
Klägerin also keine Rechtsstellung, die ihr im Versorgungsfall zum 30. Juni 1990 Leistungen aus der
Zusatzversorgung der technischen Intelligenz gegeben
hätte. Sie gehörte vielmehr zu den Personen, die durch eine Einzelfallentscheidung (sog. Ermessensentscheidung)
nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Zweite Durchführungsbestimmung in das Versorgungssystem hätten einbezogen werden
können.
Die bloße Möglichkeit, in ein Versorgungssystem einbezogen zu werden, hat jedoch keine Anwartschaft begründet,
die von der Beklagten festgestellt werden könnte, allenfalls eine Chance; dies gilt um so mehr, als ein Maßstab für die
Einbeziehung von potentiell Versorgungsberechtigten im Wege der Ermessensentscheidung nicht erkennbar ist. Im
Übrigen würde eine solche Einbeziehung nicht die Feststellung der faktisch bestehenden Anspruchsberechtigung bei
Schließung der Systeme betreffen, sondern die rückwirkende, also nachträgliche Neueinbeziehung zum Gegenstand
haben, die schon nach dem Einigungsvertrag nicht zulässig ist.
Im Hinblick darauf, dass die Entscheidung über die Versorgungsberechtigung der Klägerin zum 30. Juni 1990, also
allein auf der Grundlage der Regelungen der ehemaligen DDR erfolgt, sie also die historisch-tatsächlichen
Verhältnisse der ehemaligen DDR widerspiegelt, ist darin kein Verstoß gegen das bundesrechtliche Verfassungsgebot
der Gleichbehandlung von im Wesentlichen Gleichartigen (Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz) erkennbar. Die
unterschiedliche Behandlung der Beschäftigten je nach formalen Ausbildungsabschluss oder je nach
Beschäftigungsbetrieb war eine historische Tatsache der ehemaligen DDR, die von der Beklagten als
Versorgungsträger lediglich respektiert wird. Es findet mithin keine bundesrechtlich zu prüfende Differenzierung von
Beschäftigten statt, sondern lediglich die Feststellung, wie die ehemalige DDR seinerzeit
Zusatzversorgungsberechtigte von anderen, also von Nicht-Berechtigten abgegrenzt hat.
Der Bundesgesetzgeber ist nicht verpflichtet, Differenzierungen im Renten- und Zusatzversorgungsrecht der
ehemaligen DDR auszugleichen, so dass die Übernahme der Abgrenzungskriterien der ehemaligen DDR für die
Feststellung von Versorgungsanwartschaften rechtlich nicht zu beanstanden ist.
Der Gesetzgeber folgt damit vielmehr dem generellen Prinzip gerade auf dem Gebiet der gesetzlichen
Rentenversicherung, historische Gegebenheiten im Versicherungsverlauf, also die reale Erwerbsbiographie bei der
späteren Rentenberechnung so zu bewerten, wie sie sich tatsächlich abgespielt hat.
Die Kammer sieht deshalb in dieser gesetzlichen Regelung (in der Auslegung durch die ständige Rechtsprechung des
BSG) und die Anwendungspraxis der Beklagten keinen Verstoß gegen höherrangiges Recht. Sie befindet sich
insoweit in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes und des Thüringer
Landessozialgerichtes.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.