Urteil des SozG Aachen vom 15.12.2005

SozG Aachen: ermächtigung, plastische chirurgie, versorgung, stationäre behandlung, beratung, plexuslähmung, therapie, verfügung, operation, rka

Sozialgericht Aachen, S 7 KA 8/05
Datum:
15.12.2005
Gericht:
Sozialgericht Aachen
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 7 KA 8/05
Nachinstanz:
Landessozialgericht NRW, L 11 KA 15/06
Sachgebiet:
Vertragsarztangelegenheiten
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
1. Der Bescheid des Beklagten vom 25.05.2005 wird dahingehend
abgeändert, dass Ziff. 1 der Ermächtigung entfällt. 2. Die weitergehende
Klage wird abgewiesen. 3. Die Klägerin trägt die Hälfte der
Gerichtskosten und der Kosten des Beklagten und des Beigeladenen zu
8). Der Beklagte und der Beigeladene zu 8) tragen je ¼ der
Gerichtskosten und der Kosten der Klägerin. Im Übrigen sind Kosten
nicht zu erstatten.
Tatbestand:
1
Streitig ist eine dem Beigeladenen zu 8) erteilte Ermächtigung.
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Der Beigeladene zu 8) ist Facharzt für Chirurgie (Teilgebiet Plastische
Chirurgie/Handchirurgie) und Oberarzt am G-Krankenhaus in B. Er beantragte am
16.11.2001 eine Ermächtigung zur Behandlung von Kindern mit geburtstraumatischer
Plexuslähmung. Die Erkrankung sei eine Komplikation bei einer von tausend Geburten
und in 10 % der Fälle operativ zu versorgen. Er habe bisher 150 derartige Operationen
durchgeführt und 400 Kinder behandelt. Erfahrung in diesem Gebiet hätten in
Deutschland nur 4 oder 5 weitere Kollegen.
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Der Zulassungsausschuss lehnte die Ermächtigung ab (Bescheid vom 27.06.2002), da
die Versorgung ausreichend durch Chirurgen, Neurochirurgen und Neurologen im
Planungsbereich Aachen sichergestellt sei. Mit dem hiergegen eingelegten
Widerspruch trug der Beigeladene zu 8 vor, seit April 2000 jährlich rund 100
Operationen durchgeführt zu haben, auf Überweisungen aus ganz Deutschland. 70 bis
80 % seiner Sprechstunden- und Operationstätigkeit entfielen auf diese Fälle. Er kenne
keinen Niedergelassenen, der diese Leistung erbringe. Der Beklagte ermächtigte den
Beigeladenen zu 8) mit Beschluss vom 11.12.2002 bis zum 31.12.2004 auf
Überweisung von Kinderärzten zu ambulanten Beratungsleistungen im Zusammenhang
mit selbst durchzuführenden/durchgeführten plexuschirurgischen Eingriffen an Kindern.
Zur Begründung führte er an, übereinstimmend werde von der Klägerin, der
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Beigeladenen zu 1) und der Beigeladenen zu 2) ein entsprechender Bedarf gesehen.
Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Am 02.09.2004 beantragte der Beigeladene zu 8) die Verlängerung der Ermächtigung.
Er habe ein konstantes Patientenaufkommen, ca. 70 Scheine pro Quartal, jährlich 100
Neuvorstellungen und ca. 350 klinische Kontrollen aus dem gesamten Bundesgebiet. Er
erbitte eine Erweiterung des Überweiserkreises auf Orthopäden und Hausärzte. Die
Beigeladene zu 2) stimmte dem Antrag zu. Die Klägerin äußerte sich ablehnend, weil
seit Februar 2004 die als Belegärzte am G-Krankenhaus tätigen Privatdozenten C und
M (Plastische Chirurgie/Handchirurgie) zugelassen seien, die die fraglichen Leistungen
erbrächten und freie Kapazitäten hätten.
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Der Zulassungsausschuss lehnte die Verlängerung der Ermächtigung ab, da die
beantragten Leistungen durch niedergelassene Ärzte sichergestellt seien (Bescheid
vom 20.12.2004). Den Widerspruch begründete der Beigeladene zu 8) damit, die
Ablehnung sei pauschal und undifferenziert erfolgt, notwendige Ermittlungen seien nicht
durchgeführt worden. Es könne dahinstehen, ob andere Ärzte die gleiche Leistung
erbrächten, da die Ermächtigung nur im Zusammenhang mit selbst durchgeführten
Operationen begehrt werde. Die Entscheidung, ob und welche Nachoperationen
erfolgen müssten, könne aber nur der Operateur selbst treffen, da die Vorgehensweise
individuell und nicht allgemein akzeptiert sei.
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Hiergegen wandte die Klägerin ein, es bestehe eine Überversorgung mit Chirurgen im
Plangebiet. Aus Stadt und Kreis B sei an den Beigeladenen zu 8) in 2003 und 2004 nur
eine einzige Überweisung vorgenommen worden. Zum Beleg ihres Vortrags,
Niedergelassene seien in der Lage, die streitigen Leistungen zu erbringen, legte sie ein
Schreiben der Privatdozenten C und M vom 25.04.2005 vor, in dem es wie folgt heißt:
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"Ohne Zweifel sind wir in der Lage, die vertragsärztliche Versorgung von Kindern mit
geburtstraumatischer Plexusparese sicherzustellen, dieses fällt in das Kerngebiet
unserer Tätigkeit ... Einschränkend möchten wir anmerken, dass nach unserer Erfahrung
ein gewisser Anteil an Beratungen und Untersuchungen vom Operateur geleistet
werden muss, weil die prä- und postoperative Behandlung und Beratung wie bei allen
komplexen mehrschrittigen Rekonstruktionsverfahren eng mit der stationären operativen
Therapie verknüpft ist, sie lässt sich nur bedingt und in Teilbereichen durchführen. Die
Eingriffe sind zu einem großen Anteil individuell zugeschnitten und zwischen Operateur
und Patient werden spezielle Absprachen getroffen. Da bei dieser Art von Chirurgie
kaum standardisierte Wege beschritten werden, sehen wir bei der Trennung von
Beratung und Operation ein hohes Risiko für medizinisch-haftungsrechtliche Fragen."
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Bei der Verhandlung vor dem Beklagten trug der Beigeladene zu 8) vor, jährlich kämen
bei ihm 100 Kinder neu hinzu, in 2/3 der Fälle sei zu operieren; es würden 150
Sekundäreingriffe und 30 mikrochirurgische Operationen jährlich durchgeführt. Er teile
sich den Operationssaal mit C und M.
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Der Beklagte ermächtigte den Beigeladenen zu 8) mit Beschluss vom 25.05.2005 bis
30.06.2007 auf Überweisung von Kinderärzten und Orthopäden
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1. zur konsiliarischen Beratung eines Vertragsarztes zur Operationsindikation bei der
Behandlung von Kindern mit geburtstraumatischer Plexuslähmung, ggf. einschließlich
notwendiger Untersuchungen, 2. zur ambulanten Beratung (Nr. 07210 und 07220 EBM
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2000 plus) im sogenannten Beobachtungszeitraum nach von ihm selbst durchgeführten
plexuschirurgischen Eingriffen.
Zur Begründung führte er an, bei der Interessenlage sei die Erneuerung der
Ermächtigung sachgerecht, da eine enge Kooperation zwischen dem Kläger und C und
M bestehe und die postoperative Beratung nur der Operateur sachgerecht durchführen
könne.
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Hiergegen richtet sich die Klage, mit der die Klägerin vorträgt, die den Gegenstand der
Ermächtigung bildenden Leistungen seien der stationären Versorgung zuzurechnen und
damit nicht ermächtigungsfähig. Soweit sie außerhalb des vor- oder nachstationären
Zeitraums erbracht würden, seien niedergelassene Ärzte vorhanden, die die Leistungen
erbringen könnten und bei denen Kapazitäten vorhanden seien. Im Planungsbereich
Aachen-Stadt bestehe praktisch kein Bedarf für die vom Kläger erbrachten Leistungen.
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Die Klägerin beantragt,
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den Beschluss des Beklagten vom 25.05.2005 aufzuheben.
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Der im Termin zur mündlichen Verhandlung am 00.00.0000 trotz entsprechender
gerichtlicher Anordnung nicht vertretene Beklagte hat schriftlich beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beigeladene zu 8) beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte habe im Rahmen seines Beurteilungsspielraums zutreffend eine
Versorgungslücke angenommen. Diese ergebe sich daraus, dass die nachoperative
Beobachtung zwingend durch den Operateur selbst durchzuführen sei.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch Beiziehung der Akten des parallelen
Eilrechtschutzverfahrens S 0 KA 00/00 ER, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen
Verhandlung war. Auf den Inhalt der Akten, insbesondere die Niederschrift der
Vernehmung des Zeugen C im Erörterungstermin am 00.00.0000 wird Bezug
genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet. Ziffer 2 des angefochtenen Bescheides
ist nicht zu beanstanden, denn insoweit hat der Beigeladene zu 8) Anspruch auf die ihm
erteilte Ermächtigung. Jedoch fehlt es an einer tragfähigen Rechtsgrundlage für die
deshalb rechtswidrige Ermächtigung zu Ziffer 1 des Bescheides vom 25.5.2005.
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Rechtsgrundlage der Entscheidung des Beklagten ist § 116 SGB V in Verbindung mit §
31a Abs. 1 Ärzte-ZV. Nach diesen Vorschriften können Krankenhausärzte mit
abgeschlossener Weiterbildung mit Zustimmung des Krankenhausträgers vom
Zulassungsausschuss zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung der
Versicherten ermächtigt werden. Die Ermächtigung ist zu erteilen, soweit und solange
eine ausreichende ärztliche Versorgung der Versicherten ohne die besonderen
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Untersuchungs- und Behandlungsmethoden oder Kenntnisse von hierfür geeigneten
Krankenhausärzten nicht sichergestellt wird.
Diese Voraussetzungen hat der Beklagte zutreffend bejaht, soweit Ziffer 2 der
angefochtenen Ermächtigung betroffen ist. Er hat insoweit ohne Überschreitung seines
Beurteilungsspielraums einen qualitativ-speziellen Bedarf für eine Ermächtigung des
Beigeladenen zu 8) angenommen.
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Eine Ermächtigung des Beigeladenen zu 8) erübrigt sich nicht im Hinblick auf § 115a
SGB V, der die vor- und nachstationäre Behandlung im Krankenhaus regelt, die auch
dann der Krankenhausbehandlung und damit nicht dem vertragsärztlichen Bereich
zuzuordnen ist, wenn und soweit sie ambulant erfolgt. Zwar geht es dort wie im hier zu
entscheidenden Fall um Leistungen, die der Vor- und Nachbereitung von stationär
durchzuführenden Operationen dienen. § 115a Abs. 2 Satz 2 sieht aber vor, dass die
nachstationäre Behandlung 7 Behandlungstage innerhalb von 14 Tagen, bei
Organübertragungen nach § 9 TPG drei Monate nach Beendigung der stationären
Krankenhausbehandlung nicht überschreiten darf. Die Frist von 14 Tagen oder drei
Monaten kann in medizinisch begründeten Einzelfällen im Einvernehmen mit dem
einweisenden Arzt verlängert werden. Mit der Einführung der vor- und nachstationären
Behandlung als Krankenhausleistung sollen nach der Absicht des Gesetzgebers die
Kosten der stationären Versorgung dadurch reduziert werden, dass Versicherte in
medizinisch geeigneten Fällen ohne Unterkunft und Verpflegung behandelt werden,
wenn es darum geht, die Erforderlichkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung
zu klären, die vollstationäre Krankenhausbehandlung vorzubereiten oder im Anschluss
an eine vollstationäre Krankenhausbehandlung den Behandlungserfolg zu sichern oder
zu festigen (BSG, Urteil vom 19. Juni 1996 (- 6 RKa 15/95 -; SozR 3-2500 § 116 Nr. 13).
Nach dem Wortlaut des § 115a SGB V ist die postoperative Behandlung nur innerhalb
der genannten engen Fristen möglich, darüber hinaus nur "in medizinisch begründeten
Einzelfällen im Einvernehmen mit dem einweisenden Arzt". Angesichts dieses
eindeutigen Wortlautes kommt eine Ausweitung der Regelung über die genannten
Zeiträume hinaus, zudem bezogen nicht auf einen Einzelfall, sondern auf den Regelfall
der operativen Behandlung der geburtstraumatischen Plexuslähmung, nicht in Betracht.
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Auch ein Fall des § 116b SGB V, der Krankenhäusern auf vertraglicher Grundlage unter
bestimmten Voraussetzungen die ambulante Erbringung im einzelnen genannter
hochspezialisierter Leistungen oder spezieller Erkrankungen gestattet, ist nicht
gegeben, auch wenn der Beklagte im angefochtenen Beschluss von hochspezialisierten
Leistungen spricht. Denn in dem bisher noch abschließenden Katalog des § 116b Abs.
3 SGB V sind die vom Beigeladenen zu 8) erbrachten Leistungen und behandelten
Erkrankungen nicht aufgeführt.
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Die streitigen Leistungen können vom Beigel. zu 8) deshalb nur im Wege der
Ermächtigung erbracht werden. In den einschlägigen Regelungen des § 116 SGB V
i.V.m. § 31a Abs. 1 Ärzte-ZV kommt zum Ausdruck, dass die ambulante Versorgung der
Versicherten in erster Linie den niedergelassenen Ärzten vorbehalten ist. Soweit die
niedergelassenen Ärzte daher in der Lage sind, eine den Vorgaben von § 2 Abs. 1, § 12
Abs. 1, § 70 Abs. 1 SGB V entsprechende ärztliche Krankenbehandlung im Sinne von §
27 Abs. 1 Nr. 1 SGB V zu erbringen, können Dritte, insbesondere Krankenhausärzte,
eine Ermächtigung nicht beanspruchen. Deren Einbeziehung in die vertragsärztliche
Versorgung kommt erst bei einer Minderversorgung in Betracht und dient ausschließlich
dazu, Versorgungslücken zu schließen. Eine derartige Versorgungslücke kann sich
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nach der Rechtsprechung entweder daraus ergeben, dass in einem bestimmten Bereich
zu wenige niedergelassene Ärzte vorhanden sind, um den Bedarf zu decken
(quantitativ-allgemeiner Bedarf), oder daraus, dass ein Krankenhausarzt besondere, für
eine ausreichende Versorgung notwendige Untersuchungs- und Behandlungsmethoden
anbietet, die von den niedergelassenen Ärzten nicht bzw. nicht im erforderlichen
Umfang erbracht werden (qualitativ-spezieller Bedarf; zum Ganzen vgl. BSG, SozR 3-
2500 § 116 Nr. 23 m.w.N.).
Hinsichtlich der Frage, ob ein "Bedarf" für eine Ermächtigung in dem dargestellten
Sinne besteht, haben die Zulassungsgremien einen gerichtlich nur eingeschränkt
überprüfbaren Beurteilungsspielraum. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich auf die
Prüfung, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtig und vollständig ermittelter
Sachverhalt zugrunde liegt, ob die Zulassungsgremien die durch Auslegung des
unbestimmten Rechtsbegriffes ermittelten Grenzen eingehalten und ob sie ihre
Subsumtionserwägungen so verdeutlicht und begründet haben, dass im Rahmen des
Möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und
nachvollziehbar ist. Diese eingeschränkte Überprüfungsbefugnis der Gerichte beruht im
Wesentlichen darauf, dass die ortsnahen fachkundigen Zulassungsinstanzen nur
ungefähr entscheiden können, ob und inwieweit die bereits niedergelassenen Ärzte
eine qualitativ ausreichende Versorgung gewährleisten, da zur Beantwortung dieser
Frage eine Vielzahl von Faktoren in die Entscheidung einzubeziehen ist.
Entscheidungen der Zulassungsgremien sind daher hinzunehmen, wenn sie sich im
Rahmen der Beurteilungsermächtigung halten (vgl. BSG, aaO. m.w.N.).
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Einen Bedarf in quantitativ-allgemeiner Hinsicht, also im Hinblick darauf, dass für das
jeweilige Fachgebiet keine ausreichende Zahl von Ärzten für die ambulante Versorgung
zur Verfügung steht (BSG, SozR 3-2500 § 116 Nr. 4), hat der Beklagte nicht
angenommen und ist auch sonst nicht ersichtlich.
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Die Prüfung eines qualitativ-speziellen Bedarfs als Grundlage für die angestrebte
Erweiterung der dem Beigel. zu 8) erteilten Ermächtigung konzentriert sich auf die
Beurteilung der Frage, ob eine ausreichende ärztliche Versorgung der Versicherten im
Sinne des § 116 SGB V ohne die besonderen Untersuchungs- und
Behandlungsmethoden oder Kenntnisse von Krankenhausärzten nicht sichergestellt
wird.
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Dabei hat der Beklagte erwogen, dass zwei niedergelassene plastische Chirurgen an
dem selben Krankenhaus, an dem auch der Beigel. zu 8) beschäftigt ist, als Belegärzte
tätig sind und, wie der Zeuge C bei seiner Vernehmung im parallelen Eilverfahren
bekundet hat, grundsätzlich vergleichbare Leistungen erbringen. Er sah jedoch
besondere Umstände, die eine Teilnahme des Beigel. zu 8) an der vertragsärztlichen
Versorgung gebieten. Bei der stationären Behandlung von Kindern mit
geburtstraumatischer Plexuslähmung handele es sich um eine hochspezialisierte
Leistung, die in sehr starkem Maße von der Beurteilung des Operateurs abhänge. Es sei
wegen unterschiedlicher "Durchführungsweisen" zu einer intensiven Kooperation mit
den beiden auf diesem Gebiet tätigen niedergelassenen Ärzten gekommen, bei der sich
Subspezialisierungen hinsichtlich des Patientenkreises herausgebildet hätten. Die
niedergelassenen Ärzte M und C hätten bestätigt, dass die Beratung im
Beobachtungszeitraum zwischen Operationen wegen des hohen Risikos nur vom
Operateur selbst vorgenommen werden könne
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Aus diesen Erwägungen des Beklagten und aus dem vom Zeugen C in der Sache
bestätigten Einwand der Klägerin, dass nur ganz vereinzelt Patienten aus der B Region
und weit überwiegend aus dem gesamten Bundesgebiet anreisende Patienten
behandelt werden, ergibt sich, dass der Bedarf an den vom Beigel. zu 8) angebotenen
Leistungen im örtlichen Planungsbereich die streitige Ermächtigung nicht gebietet,
sondern schon durch einen der beiden niedergelassenen plastischen Chirurgen
übererfüllt wäre. Die Kammer teilt allerdings nicht die Auffassung der Klägerin, dass für
den qualitativ-speziellen Bedarf nur der Bedarf im Planungsbereich ausschlaggebend
ist. Dies ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom
30.11.1994 (BSG, Besch.v. 30.11.1994, 6 BKa 27/93, der bei juris ein insoweit
missverständlicher nichtamtlicher Orientierungssatz vorangestellt ist), denn diese betrifft
einen Fall des qualitativ allgemeinen Bedarfs, zu dem in der dort in Bezug genommenen
früheren Entscheidung desselben Gerichts (BSG, Urt. v. 22.6.1994, 6 RKa 46/93) in der
Tat ausgesprochen ist, dass (nur) dieser anhand des regionalen Planungsbereichs zu
ermitteln sei.
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Die Zulassungsgremien müssen für die Beurteilung eines qualitativ-speziellen Bedarfs
auch auf überregionale – mehrere Planungsbereiche umfassende – Gebiete abstellen
können. Dies ist u.a. dann der Fall, wenn spezielle Leistungen in Frage stehen, die nur
von einer zahlenmäßig kleinen Minderheit der Ärzte der betroffenen Facharztgruppe
erbracht werden, so dass eine planungsbereichsübergreifende Inanspruchnahme dieser
Spezialisten üblich ist (LSG ND-B, Urt. v. 9.2.2005, L 3 KA 253/02). Hiervon ist der
Beklagte – wie sich zur Überzeugung der Kammer aus der Aussage des Zeugen C
ergibt, zu Recht – für den vorliegenden Fall ausgegangen, Da mit dem Vorrang der
niedergelassenen Ärzte eine möglichst umfassende qualitativ hochwertige ambulante
ärztliche Versorgung der Versicherten gefördert werden soll, kann in solchen
Ausnahmefällen dieses Ziel bei gesonderter Betrachtung jedes einzelnen
Planungsbereichs gefährdet werden. Spezielle Leistungen können nicht selten in
Anbetracht einer quantitativ geringen Nachfrage und/oder aufgrund etwaiger besonderer
fachlicher und/oder technischer Anforderungen an ihre Erbringung in fachlicher
und/oder ökonomischer Hinsicht nur dann angemessen angeboten werden, wenn dem
entsprechend spezialisierten Facharzt ein die Grenzen eines üblichen
Planungsbereiches nachhaltig übersteigender regionaler Einzugsbereich zur Verfügung
steht (LSG ND-B, Urt. v. 9.2.2005, L 3 KA 253/02).
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Dabei kann sich der qualitativ-spezielle Bedarf daraus ergeben, dass aus
medizinischen Gründen der die spezielle Operation oder stationäre Behandlung
durchführende Krankenhausarzt auch die (über die nachstationäre Behandlung nach
§115a SGB V hinausgehende) Nachbehandlung durchführen muss (erwogen vom BSG
z.B. für Spätfolgenkontrolle durch Strahlentherapeuten, Beschl. v. 14.3.2001, B 6 KA
78/00 B, Rdnr. 5; onkologische Therapie durch vorbehandelnden Krankenhaus-Arzt, Urt.
v. 12.9.2001, B 6 KA 86/00 R, Rdnr. 26f.).
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So liegt der Fall hier, soweit Ziff. 2 des angefochtenen Beschlusses (nachgehende
Beratung nach vom Beigel. zu 8) selbst durchgeführten Eingriffen) betroffen ist. Der
Beklagte ist aufgrund durchgeführter Ermittlungen durch die Auswertung einer
Stellungnahme niedergelassener Vertragsärzte des gleichen Fachgebiets
nachvollziehbar zu dem Ergebnis gelangt, dass eine medizinische Notwendigkeit
besteht, Erfolgskontrolle und Planung evtl. Folgeoperationen bei der operativen
Therapie geburtstraumatischer Plexuslähmungen bei Kindern dem Operateur zu
überlassen. Dies hat im Grundsatz der Zeuge C auch bei seiner gerichtlichen
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Vernehmung bestätigt. Der Beklagte durfte deshalb im Rahmen des ihm eingeräumten
Beurteilungsspielraums zu dem Ergebnis kommen, dass ein qualitativ-spezieller Bedarf
für eine Ermächtigung des Beigel. zu 8) besteht. Diese Erwägungen des Beklagten sind
auch hinreichend nach außen deutlich geworden, denn sie haben Eingang in die
Begründung des angefochtenen Beschlusses gefunden. Außerdem hat der Beklagte,
wie nach der Rechtsprechung in derartigen Fällen notwendig (BSG, Urt. v. 12.9.2001, B
6 KA 86/00 R, Rdnr. 26), die Ermächtigung auf die Nachbehandlung nach eigenen
Operationen beschränkt.
Die Erwägungen des Beklagten tragen allerdings nicht die Ziff. 1 des angefochtenen
Beschlusses, wonach die konsiliarische Beratung von Vertragsärzten hinsichtlich der
Operationsindikation von der Ermächtigung umfasst sein soll. Zum einen geht der
Beklagte damit über den Antrag des Klägers hinaus, der diesen Teil der Ermächtigung
in Fortschreibung des Beschlusses vom 11.12.2002 nur für von ihm selbst
durchzuführende Operationen beantragt hatte. Zum anderen hat die Beweisaufnahme
ergeben, dass niedergelassene Vertragsärzte – nämlich der Zeuge C und M – diese
Leistung in gleicher Weise erbringen können und – da diese beiden Ärzte auch
operieren – insoweit eine zwingende Fixierung auf die Person des Beigel. zu 8) nicht
gegeben ist. Dies folgt für die Kammer überzeugend aus der entsprechenden Aussage
des Zeugen C. Insoweit macht deshalb die Klägerin im Ergebnis zu Recht den Vorrang
der niedergelassenen Vertragsärzte geltend.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 197a SGG, 154 Abs 1 und 3, 155 Abs. 1, 162 Abs.
3 VwGO, die Kosten des Vorverfahrens sind umfasst (§ 162 VwGO).
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