Urteil des SozG Aachen vom 30.09.2010

SozG Aachen: ermittlung des sachverhaltes, umkehr der beweislast, planwidrige unvollständigkeit, eigenes verschulden, erfüllung, beweisvereitelung, beitragsforderung, unterlassen, geschäftsführer

Sozialgericht Aachen
Urteil vom 30.09.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Aachen S 14 U 141/08
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 10.393,77 Euro
festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von Bescheiden, mit welchen die Beklagte die Klägerin für
rückständige Unfallversicherungsbeiträge der I T J GmbH (ITJ) in Haftung nimmt.
Die ITJ war vom 20.06.2002 bis 04.03.2004 Mitglied der Beklagten; mit Beschluss vom 04.03.2004 des Amtsgerichts
Bielefeld wurde der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unternehmens mangels
Masse abgewiesen. In der Zeit ihres Bestehens führte die ITJ im Auftrag der Klägerin als Subunternehmerin
ausschließlich für diese Bauleistungen aus; die Klägerin selbst, welche zwar nach Außen hin als Installationsbetrieb
auftrat, beschäftigte keine gewerblichen Arbeitnehmer; nach Entgegennahme von Aufträgen ließ sie die Arbeiten
durch die ITJ und deren gewerbliche Arbeitnehmer ausführen.
Mit Bescheid vom 23.04.2004 setzte die Beklagte gegenüber der ITJ den Beitrag für das Jahr 2003 einschließlich
Nebenumlagebeiträgen auf 16.241,28 Euro unter Zugrundelegung von dieser gemeldeter Arbeitsentgelte von
454.376,00 Euro für den gewerblichen, 21.447,00 Euro für den kaufmännischen Bereich fest; unter dem 15.12.2004
erhob sie den Beitrag für das Jahr 2004 bis zur Einstellung des Betriebes in Höhe von 888,49 Euro unter
Zugrundelegung von gemeldeten Arbeitsentgelten von 22.546,00 Euro.
Nach vorheriger Anhörung erteilte die Beklagte der Klägerin unter dem 08.03.2005 Haftungsbescheide für das Jahr
2003 in Höhe von 9.505,28 Euro sowie für das Jahr 2004 in Höhe von 888,49 Euro; von der ursprünglichen
Beitragsforderung von 16.241,28 Euro für das Jahr 2003 der ITJ wurden insoweit von dieser geleistete Zahlungen am
25.07.2003 auf den Beitrag für 2003 in Höhe von 3.368,00 Euro sowie unter dem 23.08.2003 in gleicher Höhe, mithin
6.736,00 Euro abgesetzt.
Gegen die Haftungsbescheide erhob die Klägerin am 11.04.2005 Widerspruch, mit welchem sie geltend machte, die
Haftungsbescheide seien unverständlich, als die Beitragsforderung ausweislich der Buchungen in den Kontoauszügen
ausgeglichen seien; unabhängig davon bestehe eine Haftung nur für originäre Beiträge der Berufsgenossenschaft,
nicht jedoch für Nebenumlagen; letztlich seien die gesetzlichen Haftungsregelungen verfassungswidrig bzw.
lückenhaft, als der Gesetzgeber es im Sinne eines Redaktionsversehens unterlassen habe, die Absätze 3 b bis 3 f
des § 28 e des 4. Buches Sozialgesetzbuch -SGB IV- im Rahmen der Verweisung der Ausgangsbestimmung des §
150 Abs. 3 des 7. Buches Sozialgesetzbuch -SGB VII- in Bezug zu nehmen. Mit Widerspruchsbescheid vom
15.12.2005 wies die Beklagte die Widersprüche zurück; die gesetzlichen Haftungsbestimmungen seien eindeutig und
sähen eine entsprechende Anwendung der weiteren Bestimmungen des § 28 e SGB IV nicht vor; eine Verletzung
höherrangigen Rechtes durch die Haftungsbestimmungen sei ebenfalls nicht ersichtlich; auch der Höhe nach sei die
Inanspruchnahme nicht zu beanstanden, da die Haftung für die Erfüllung der Zahlungspflicht des Nachunternehmers
auch die Beiträge für Nebenumlagen umfasse; soweit geltend gemacht werde, die Beitragsforderungen seien
beglichen, seien durch die ITJ lediglich in 2003 zwei Zahlungen in Höhe 3.386,00 Euro zu berücksichtigen gewesen.
Hiergegen richtet sich die am 25.01.2006 erhobene Klage, zu deren Begründung die Klägerin zunächst ihren Vortrag
aus dem Widerspruchsverfahren wiederholte. Mit Einverständnis der Beteiligten ordnete das Gericht mit Beschluss
vom 31.05.2007 das Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf beim Bundessozialgericht -BSG- anhängige
Streitverfahren an, in welchen die Berechtigung zum Erlass von Haftungsbescheiden gemäß § 150 Abs. 3 SGB VII
zur Prüfung stand. Nachdem das BSG mit Urteilen vom 27.05.2008 (Az. B 2 U 11/07 R und B 2 U 21/07 R) in dem
Sinne befunden hatte, die Berufsgenossenschaften seien befugt, Haftungsansprüche durch Verwaltungsakt geltend zu
machen, die Haftungsregelungen als solche unterlägen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, auf den
Haftungsanspruch fänden, da eine Gesetzeslücke in Form eines Redaktionsversehens des Gesetzgebers bestehe,
jedoch auch die Absätze 3 b bis 3 f des § 28 e SGB IV Anwendungen, wurde das Verfahren im Juli 2008
wiederaufgenommen.
Beklagtenseites wurde insoweit, da nach genannten Bestimmungen die Haftung erst ab einem geschätzten
Gesamtwert aller für ein Bauwerk in Auftrag gegebener Bauleistungen von 500.000,00 Euro in Betracht kommt, die
Klägerin zur Prüfung dessen aufgefordert, die maßgeblichen Betriebs- bzw. Vertragsunterlagen aus den Jahren
2003/2004, eventuell auch Baugenehmigungen vorzulegen bzw. Auskunft zu erteilen. Die Klägerin sah sich hierzu
nicht verpflichtet. Sie machte zum Einen geltend, die gesamten Geschäftsunterlagen seien im Rahmen eines
staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens des früheren Gesellschafters und Geschäftsführers der Klägerin I T
beschlagnahmt und nicht an sie wieder herausgegeben worden. Sie vertrat im Übrigen die Auffassung, es obläge der
Beklagten darzulegen und zu beweisen, dass die Voraussetzungen der Haftungsregelungen vorlägen, nämlich das
Auftragsvolumen die bestimmten Grenzen überschritten habe. Die Beklagte sei insoweit ihren Ermittlungspflichten
nicht nachgekommen. Aus der Erinnerung könne sie im Übrigen zu den Bauvorhaben und Bauvolumina in 2003/2004
keine Angaben mehr machen.
Die Klägerin beantragt,
die Bescheide vom 08.03.2005 in der Gestalt des Widrspruchsbescheides vom 16.12.2005 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie macht geltend, ohne die Mitwirkung der Klägerin nicht in der Lage zu sein, zu prüfen, ob die Wertgrenzen der
jeweiligen abgewickelten Bauvorhaben überschritten seien; entsprechende Ermittlungen im Feststellungsverfahren
seien in Anbetracht der seinerzeit geltenden Rechtslage nicht erfolgt und nicht notwendig gewesen, da die ITJ
ausschließlich für die Klägerin Bauleistungen erbracht habe, vor diesem Hintergrund Rechnungsunterlagen
bedeutungslos waren. Dabei meint sie, die Klägerin habe nach den gesetzlichen Bestimmungen nachzuweisen, dass
die Wertgrenze von 500.000,00 Euro nicht erreicht worden sei; nach der Gesetzesbegründung zu § 28 e SGB IV trage
nämlich die Beweislast für das Nichtvorliegen der Haftung der Hauptunternehmer. Soweit die Klägerin Verlust ihrer
Geschäftsunterlagen geltend mache, müsste ihr, da die handelnden Geschäftsführer der Klägerin und der ITJ
identisch seien, zumindest die Angabe der Auftragsverhältnisse bekannt sein.
Wegen der sonstigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakte und der
Beitragsakte der Beklagten verwiesen. Dieser war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Die Beklagte hat die Klägerin zu Recht in festgestellter Höhe in Haftung für die rückständigen Beiträge der ITJ für die
Jahre 2003/2004 genommen. Die Klägerin ist von daher durch die angefochtenen Bescheide vom 08.03.2005 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2005 nicht beschwert (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Rechtsgrundlage für die Beitragshaftung bei der Ausführung eines Dienst- oder Werkvertrages im Baugewerbe ist §
150 Abs. 3 2. Alt. SGB VII in der ab 01.08.2002 geltenden Fassung, der § 28 e Abs. 3 a SGB IV für entsprechend
anwendbar erklärt. Nach dieser Bestimmung haftet ein Unternehmer des Baugewerbes, der einen anderen
Unternehmer mit der Erbringung von Bauleistungen beauftragt, für die Erfüllung der Zahlungspflicht dieses
Unternehmers oder eines von diesem Unternehmer beauftragten Verleihers wie ein selbstschuldnerischer Bürger.
Die Voraussetzungen dieser Haftungsregelung sind erfüllt. Dabei hat die Beklagte zunächst zur Geltendmachung des
Haftungsanspruchs zu Recht die Handlungsform des Verwaltungsaktes gewählt; diese Handlungsform war ihr durch
Gesetz, nämlich § 168 SGB VII gestattet, nach dessen Abs. 1 der Unfallversicherungsträger den Beitragspflichtigen
den von ihm zu zahlenden Beitrag schriftlich mitteilt; nach Abs. 2 handelt es sich bei dieser schriftlichen Mitteilung
um einen als Beitragsbescheid bezeichneten Verwaltungsakt. Wie das BSG in seinen Urteilen vom 27.05.2008
eingehend ausgeführt hat, erstreckt sich die Ermächtigung des § 168 SGB VII, in der Form des Verwaltungsaktes
handeln zu dürfen, auch auf den Haftungsanspruch aus § 150 Abs. 3 2. Alt. SGB VII, was sich aus der
Gesetzessystematik ergibt.
Die Klägerin ist auch eine Unternehmerin des Baugewerbes. Erforderlich ist insoweit nicht, dass die Klägerin selbst
durch eigene gewerbliche Arbeitnehmer Bauleistungen erbringt; erfasst werden vielmehr auch Unternehmer, die
ausschließlich andere Unternehmer Bauleistungen für sich ausführen lassen und bei denen dies wesentlicher
Gegenstand ihrer unmittelbaren geschäftlichen Betätigung ist. Bauleistungen sind Leistungen, die der Herstellung,
Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Die ITJ hat sich mit der
Verrichtung derartiger Tätigkeiten befasst; irrelevant ist, dass die in Anspruch genommene Klägerin, wie ausgeführt,
lediglich die von ihr beschafften Aufträge der ITJ als Subunternehmerin weitergegeben und von dieser hat ausführen
lassen, ohne selbst eigene gewerbliche Arbeitnehmer zu befassen (auch hierzu siehe Urteil des BSG vom 27.05.2008
- B 2 U 11/07 R-).
Die ITJ hat auch ihre Zahlungspflicht hinsichtlich der Maßgabe der Bescheide vom 23.04.2004 und 15.12.2004
erhobenen Beiträge für die Jahre 2003/2004 nicht erfüllt. Soweit die Klägerin unter Bezugnahme auf die der ITJ
erteilten Kontoauszüge meint, die Forderung sei beglichen, missversteht sie die Schlüsselungen in den
Kontoauszügen, was die Beklagte ausführlich in ihrem Widerspruchsbescheid dargelegt hat. Zahlungen sind insoweit
von der ITJ lediglich im Jahre 2003, und zwar am 25.07. und 23.08. (Textschlüssel: 50) geleistet worden, so dass auf
die Gesamtforderung für das Jahr 2003 in Höhe von 16.241,28 Euro lediglich 6.736,00 Euro (bei Verrechnung eines
Teilbetrages dieser Zahlungen auf die aus dem Jahre 2002 bestehende Restforderung) anzurechnen waren. Die
"Erfüllung der Zahlungspflicht" umfasst dabei (§ 28 e Abs. 4 SGB VII) die Beiträge und Säumniszuschläge; zu den
Beiträgen zählen dabei auch die Mittel für den arbeitsmedizinischen und sicherheitstechnischen Dienst nach § 24
SGB VII, insoweit auch die Mittel hierfür von den Unternehmern aufgebracht werden; gleiches gilt für die
Insolvenzgeldumlage zur Sicherung des Nettolohnanspruchs von Arbeitnehmern für die letzten 3 Monate vor
Eröffnung des Insolvenzverfahrens; diese Mittel werden durch die in § 358 des 3. Buches Sozialgesetzbuch -SGB III-
genannten Träger über eine Umlage der Unternehmer aufgebracht, was verfassungskonform ist (vgl. Bereiter-
Hahn/Schieke/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Handkommentar, § 152 SGB VII mit weiteren Nachweisen
und Hinweis auf Rechtsprechung des BSG).
Die Voraussetzungen des § 28 e Abs. 3 a SGB VII sind somit erfüllt.
Auf den Haftungsanspruch der Beklagten gegenüber der Klägerin findet aber nicht nur diese Bestimmung, sondern
auch die weiteren Abs. 3 b bis 3 f des § 28 SGB IV Anwendung, was das BSG in genannten Entscheidungen im
Hinblick auf eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes im Sinne eines Redaktionsversehens des Gesetzgebers
dargelegt hat. Soweit § 150 Abs. 3 SGB VII in der ab 01.08.2002 geltenden Fassung eine derartige Verweisung (so
nunmehr § 150 Abs. 3 Satz 1 SGB VII in der ab 01.10.2009 geltenden Fassung) nicht vorsah, war diese
Regelungslücke im Rahmen gesetzesemanenter Rechtsfortbildung durch eine Erweiterung der Verweisung zu
schließen. Dabei begegnet die um das Redaktionsversehen bereinigte Haftung keinen verfassungsrechtlichen
Bedenken, verstößt insbesondere nicht gegen das Grundrecht auf freie Berufsausübung (Artikel 12 Abs. 1 des
Grundgesetzes -GG-) oder den allgemeinen Gleichheitssatz (Artikel 3 Abs. 1 GG).
Insoweit findet Anwendung auch die Exculpationsregelung des § 28 e Abs. 3 b, wonach die Haftung nach Abs. 3 a
entfällt, wenn der Unternehmer nachweist, dass er ohne eigenes Verschulden davon ausgehen konnte, dass der
Nachunternehmer oder ein von ihm beauftragter Verleiher seine Zahlungspflicht erfüllt. Der Gesetzgeber verlangt
insoweit vom Hauptunternehmer, dass dieser gegenüber einem Subunternehmer alle Anstrengungen unternimmt, die
Erfüllung der Zahlungspflicht sicher zu stellen. Einer derartigen Entschuldung ist im vorliegenden Fall von vorne herein
die Grundlage entzogen, da die handelnden Geschäftsführer der Hauptschuldnerin und der hier in Haftung
genommenen Klägerin identisch sind.
Soweit überdies § 28 e Abs. 3 d Satz 1 SGB IV die Haftung des Abs. 3 a erst ab einem geschätzten Gesamtwert aller
für ein Bauwerk in Auftrag gegebenen Bauleistungen von 500.000,00 Euro (in der ab 01.10.2009 geltenden Fassung
nunmehr 275.000,00 Euro) eingreifen lässt, hat die Beklagte zwar keine diesbezüglich positive Feststellung getroffen,
wird allerdings, da die Klägerin sich den Vorwurf der Beweisvereitelung vorhalten lassen muss, so gestellt, als sei
diese Voraussetzung gegeben. Dabei trägt, was insoweit der Klägerin zuzugestehen ist, die Beklagte grundsätzlich
die Darlegungs- und Beweispflicht des Überschreitens dieser Größenordnung; mit einer Exkulpation, für welche nach
den Gesetzesmaterialien der Hauptunternehmer darlegungs- und beweispflichtig ist, hat die Regelung des Abs. 3 d
nichts zu tun, vielmehr handelt es sich um eine Grundvoraussetzung zulässiger Haftungsinanspruchnahme.
Die Klägerin hat jedoch durch ihre - unberechtigte - Weigerung, ihre Mitwirkungspflichten hinsichtlich der Feststellung
dieser Voraussetzung zu erfüllen, es der Beklagten unmöglich gemacht, ihrer gegebenen Amtsermittlungspflicht zu
genügen. Soweit sie "nicht gewillt ist, die Faulheit der Beklagten zu unterstützen" verstößt sie gegen gesetzliche
Mitwirkungspflichten im Sinne umfassender Auskunfts- und Rechnungslegungspflichten. Diese Verpflichtungen
ergeben sich aus § 166 Abs. 1 SGB VII sowie den Bestimmungen des 10. Buches des Sozialgesetzbuches -SGB X-.
Gemäß § 166 Abs. 1 SGB VII gelten für die Aufkunftspflicht der Unternehmer und die Beitragsüberwachung § 98 SGB
X entsprechend mit der Maßgabe, dass sich die Auskunfts- und Vorlagepflicht der Unternehmer und die Prüfungs- und
Überwachungsbefugnis der Unfallversicherungsträger auch auf Angaben und Unterlagen über die betrieblichen
Verhältnisse erstreckt, die für die Veranlagung der Unternehmen und die Zuordnung der Entgelte der Versicherten zu
den Gefahrklassen erforderlich sind. Gemäß § 21 SGB X sollen die Beteiligten bei der Ermittlung des Sachverhaltes
mitwirken, insbesondere ihnen bekannte Tatsachen und Beweismittel angeben. Dabei besteht eine weitergehende
Pflicht, bei der Ermittlung des Sachverhaltes mitzuwirken, nur, soweit sie durch Rechtsvorschrift besonders
vorgesehen ist. Derartige besondere Mitwirkungspflichten, welche nicht lediglich Obliegenheit sondern Rechtspflicht
sind, sind statuiert in § 166 Abs. 1 SGB VII und, wie angesprochen, insbesondere § 98 SGB X. Gemäß dessen Abs.
1 hat der Arbeitgeber, soweit es in der Sozialversicherung für die Erbringung von Sozialleistungen erforderlich ist, auf
Verlangen dem Leistungsträger Auskunft über die Art und Dauer der Beschäftigung, den Beschäftigungsort und das
Arbeitsentgelt zu erteilen (Satz 2). Nach Satz 2 - was hier einschlägig ist - hat wegen der Entrichtung von Beiträgen
der Arbeitgeber über alle Tatsachen Auskunft zu geben, die für die Erhebung der Beiträge notwendig sind. In diesem
Sinne hat der Arbeitgeber die Geschäftsbücher, Listen oder andere Unterlagen, aus denen die Angaben über die
Beschäftigung hervorgehen, vorzulegen. Soweit diese Bestimmung sich mit "Arbeitgebern" erfasst, erstreckt § 98
Abs. 3 SGB X die sich für diese ergebenden Rechte oder Pflichten auch auf andere Personen, die Beiträge zu
entrichten haben. Arbeitgebergleiche Personen können z.B. der Entleiher von Leiharbeitnehmern (§ 28 e Abs. 2 Satz 4
SGB IV) oder insbesondere auch die für die Beiträge gemäß § 150 Abs. 2 und 3 SGB VII Haftenden sein (vgl. zum
Ganzen Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 98 SGB X Anmerkungen 19 und 40). Damit unterlag auch
die Klägerin einer umfassenden Auskunftspflicht und Vorlagepflicht hinsichtlich Geschäftsbüchern, Listen und
anderen Unterlagen, aus denen sachdienliche Angaben hervorgingen. Diese Mitwirkungspflichten gelten auch
uneingeschränkt; § 98 SGB X unterscheidet insoweit zwischen Auskunftspflichten eines Arbeitgebers (Unternehmers)
wegen der Erbringung von Sozialleistungen im Einzelfall und der Entrichtung von Beiträgen; jeweils nach dem Zweck
der Auskunft sind die Mitwirkungspflichten unterschiedlich dahingehend ausgestaltet, dass für den Bereich der
Erbringung von Sozialleistungen sich Umfang und Grenzen der Mitwirkungspflicht nach einer entsprechenden
Anwendung von § 65 des 1. Buches Sozialgesetzbuch -SGB I- richten, wohingegen die Verpflichtung zur Auskunft
wegen der Entrichtung von Beiträgen nicht einschränkt.
Dieser Auskunfts- und Vorlagepflicht hat die Klägerin in keiner Weise genügt. Soweit sie einen Verlust ihrer
Geschäftsunterlagen behauptet, bestehen, was allerdings rechtlich irrelevant ist, bereits an dieser Behauptung
erhebliche, auch durch angebliche Bemühungen zur Wiederbeschaffung der angabegemäß in Verlust geratenen
Unterlagen Bemühungen nicht entkräftbare Zweifel, die sich darin gründen, dass nach Auskunft des die Interessen
des I T vertretenden Bevollmächtigten die Unterlagen für das gegen diesen gerichtete Ermittlungsverfahren irrelevant
waren, als sie einen anderen Verantwortungszeitraum betrafen; auch ist, was die Klägerin geltend macht, kaum
vorstellbar, wie diese die Rechnungsabschlüsse der Jahre 2003 und 2004 durchgeführt haben will, wären die
Unterlagen im Rahmen eines bereits 2003 eingeleiteten Ermittlungsverfahrens beschlagnahmt worden; über die
Beschlagnahme als solche wurde überdies nicht einmal ein Beschlagnahmeprotokoll vorgelegt. Unabhängig davon,
selbst einen angeblichen Verlust der Unterlagen unterstellt, ist es den handelnden Geschäftsführern der Klägerin
unzweifelhaft möglich, Angaben in dem von der Beklagten gewünschten Sinne zu machen. Sollten sie selbst an einer
Amnesie, wie sich glauben machen wollen, leiden und sich nicht erinnern können, an konkrete Aufträge, können sie
zumindest auf das Gedächtnis der in der ITJ beschäftigten Arbeitnehmer, die für sie in den maßgeblichen Jahren tätig
waren, zurückgreifen. Zur derartigen Erfüllung der Mitwrkungspflichten, auf welche nochmals eingehend im Rahmen
der mündlichen Verhandlung hingewiesen wurde, ist die Klägerin offensichtlich nicht bereit. Soweit die Klägerin der
Beklagten, "Faulheit und Ignoranz" vorhält, ist allein ihr Untätigkeit und Unwilligkeit, die gesetzlichen
Mitwrkungsbestimmungen zur Kenntnis zu nehmen, vorzuhalten.
Durch die Beweisvereitelung muss die Beklagte so gestellt werden, als läge die Voraussetzung des § 28 e Abs. 3 d
SGB IV vor. In der Regel ist zwar der Gesichtspunkt der fehlenden Mitwirkung nur im Rahmen der Beweiswürdigung
zu berücksichtigen, etwa in dem man das Beweismaß herabsetzt; ausnahmsweise kann jedoch eine
Beweisverteitelung zur Umkehr der objektiven Beweislast führen. Von einer Beweisvereitelung kann dann gesprochen
werden, wenn der beweisbelastete Beteiligte durch pflichtwidriges Handeln oder Unterlassen eines anderen Beteiligten
in eine Beweisnot, d.h. in eine ausweglose Lage gerät. In diesem Sinne war die unterlassene Mitwirkung unter
gänzlicher Verweigerung der obliegenden Auskünfte und Vorlage entsprechender Unterlagen der Klägerin grob
pflichtwidrig. Ohne deren Mithilfe ist die Beklagte auch nicht in die Lage versetzt, Ermittlungen im Rahmen ihrer
Amtsermittlungspflicht, zu welchen sie ausdrücklich gewillt war, nachzukommen. Bei einem Beweisnotstand, wenn er
auf einer Beweisvereitelung durch denjenigen beruht, dem die Unerweislichkeit der Tatsachen zum prozessualen
Vorteil gereicht, kommt es aber zu einer Umkehr der Beweislast (vgl. hierzu BSGE 24, 25; 41, 297, 300; 83, 279).
Diesen Rechtsgrundsatz bringt, in anderem Zusammenhang, auch § 165 Abs. 3 SGB VII zum Ausdruck, wonach,
soweit Unternehmer Angaben nicht machen, die Berufsgenossenschaft Schätzungen vornehmen kann; der
Unternehmer hat dann den Gegen-beweis der Unrichtigkeit dieser Schätzung zu führen.
Die Klage war nach alledem abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO-
, wonach der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens zu tragen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes -
GKG- in der ab 01.07.2004 geltenden Fassung.