Urteil des SozG Aachen vom 20.11.2007

SozG Aachen: stationäre behandlung, sozialhilfe, anfang, behandlungskosten, beweislast, name, krankenkasse, rechtshängigkeit, entschädigung, sachleistung

Sozialgericht Aachen, S 20 SO 67/06
Datum:
20.11.2007
Gericht:
Sozialgericht Aachen
Spruchkörper:
20. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 20 SO 67/06
Sachgebiet:
Sozialhilfe
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 16.08.2006 in
der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.08.2006 verurteilt,
der Klägerin 3.818,40 EUR nebst 4 % Zinsen seit dem 25.09.2006 zu
zahlen. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagten. Der Streitwert
wird auf 3.818,40 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
1
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung ihrer Aufwendungen für die
stationäre Behandlung der Beigeladenen vom 04.02. bis 14.02.2003 in Höhe von
3.818,40 EUR.
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Die Klägerin betreibt in Aachen ein zugelassenes Krankenhaus. Dort wurde die
Beigeladene zunächst - nicht notfallmäßig - vom 22.01. bis 28.01.2003 und
anschließend - notfallmäßig - vom 04.02. bis 14.02.2003 stationär behandelt. Dabei
wies sie sich unter Vorlage einer entsprechenden Krankenversicherungskarte als "N.C."
aus. Damals hatte die Beigeladene keinen festen Wohnsitz und hielt sich tatsächlich in
Aachen auf. Sie war vollziehbar ausreisepflichtig. Seit August 2003 lebt sie in einem
Übergangsheim für Asylbewerber in Duisburg und bezieht seitdem laufende Leistungen
nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Die Beigeladene war mehrere Jahre
als Zwangsprostituierte tätig und ist HIV-infiziert. Zu Beginn des Jahres 2003 hatte sie
mit der Prostitution bereits aufgehört. Sie hatte damals keine Einkünfte und keine
Ersparnisse. Sie lebte bei Freunden. Bei der ersten Krankenhausbehandlung im Januar
2003 wurde bei der Beigeladenen eine gynäkologische Operation durchgeführt. Am
04.02.2003 wurde sie wegen extremer Vaginalschmerzen bei Entzündung der
Wundfläche als Notfall in der Frauenklinik der Klägerin aufgenommen. Bis zur
Entlassung am 14.02.2003 wurde die Wunde täglich gespült und die Infektion
medikamentös behandelt.
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Als sich die Klägerin wegen der Behandlungskosten an die auf der
Krankenversicherungskarte angegebene Versicherte und deren Krankenkasse wandte,
stellte sich heraus, dass die Klägerin möglicherweise über die Identität der
behandelnden Person getäuscht worden war. Letzte Sicherheit, dass es sich bei dieser
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nicht um Frau C., sondern um die Beigeladene gehandelt hatte, erhielt die Klägerin
durch weitere eigene Recherchen, durch Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, durch
Angaben der Frau C. zur Identität der Beigeladenen (Schreiben vom 29.11.2005) durch
einen Bluttest der Frau C. und durch Erklärung der (damaligen) Bevollmächtigten der
Beigeladenen vom 30.03.2006, dass die Beigeladene Anfang 2003 im Krankenhaus der
Klägerin behandelt worden war.
Mit Schreiben vom 03.02.2006 forderte die Klägerin die Beigeladene auf, die
Behandlungskosten für die beiden Krankenhausaufenthalte bis spätestens 28.02.2006
zu begleichen. Die (damalige) Bevollmächtigte der Beigeladenen bat daraufhin
zunächst um Akteneinsicht, ferner darum, die Sache zunächst bis Ende April ruhen zu
lassen und die Forderung bis zu diesem Termin zu stunden. Am 30.03.2006 teilte sie
sodann der Klägerin mit, dass die Beigeladene kein Einkommen habe und sich wegen
der Behandlungskosten an das Sozialamt wenden wolle; sie forderte die Klägerin auf,
die Entscheidung des Sozialamts abzuwarten.
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Am 31.03.2006 beantragte die Beigeladene beim Beklagten die Übernahme der Kosten
ihrer Behandlung im Januar/Februar 2003. Der Beklagte lehnte den Antrag durch
Bescheid vom 24.04.2006 ab mit der Begründung, es liege zum Zeitpunkt der
Antragstellung keine akute Erkrankung vor; vielmehr bestehe eine Schuldverpflichtung
gegenüber dem Krankenhaus; für deren Übernahme bestehe keine
Anspruchsgrundlage. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte durch
Widerspruchsbescheid vom 24.07.2006 zurück. Dagegen erhob die Beigeladene am
28.08.2006 Klage. Diese ist beim Sozialgericht Duisburg unter dem Aktenzeichen S 2
(17) AY 6/06 anhängig.
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Mit Schreiben vom 12.06.2006 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Übernahme
der Kosten der Behandlung der Beigeladenen vom 04.02. bis 14.02.2003 in Höhe von
3.818,40 EUR. Sie legte den Sachverhalt dar. Sie meinte, den Antrag innerhalb
angemessener Frist gestellt zu haben; ihr sei erst seit Anfang April 2006 bekannt
gewesen, wer damals die Krankenversicherungskarte benutzt habe. Die finanziellen
Verhältnisse der Beigeladenen seien erst jetzt abschließend durch mehrere Telefonate
und den Schriftverkehr mit deren Rechtsanwältin bekannt geworden.
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Der Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 16.08.2006 ab. Er vertrat die
Auffassung, der Antrag sei nicht in angemessener Frist gestellt worden. Angesichts des
anhängigen staatsanwaltschaftlichen Verfahrens sei nicht nachvollziehbar, warum nicht
ein vorsorglicher Kostenübernahmeantrag gestellt worden sei.
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Dagegen legte die Klägerin am 23.08.2006 Widerspruch ein. Sie trug vor, im Februar
2006 sei lediglich der Name der Beigeladenen bekannt gewesen; erst im Juni 2006
seien die finanziellen Verhältnisse vollständig und aussagekräftig geklärt gewesen.
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Der Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 28.08.2006
zurück. Dagegen hat die Klägerin am 25.09.2006 Klage erhoben. Sie ist der Auffassung,
nach den besonderen Verhältnissen des vorliegenden Falles sei der Antrag auf
Erstattung ihrer Aufwendungen innerhalb einer angemessenen Frist gestellt worden.
Die Besonderheit bestehe vorliegend darin, dass die Identität der Beigeladenen erst
durch das Schreiben der Rechtsanwältin vom 30.03.2006 bekannt war; der Antrag auf
Kostenübernahme sei also lediglich gut zwei Monate später gestellt worden. Die
Klägerin habe vor der eigenen Antragstellung zunächst die Entscheidung des Beklagten
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bezüglich des Antrags der Beigeladenen abwarten wollen, da bei einer insoweit
positiven Bescheidung ein eigener Antrag nicht mehr notwendig gewesen wäre. Es
gebe keine Pflicht des Nothelfers, vorsorglich einen Antrag auf Kostenübernahme zu
stellen. Vielmehr sei es dem Nothelfer zunächst zuzubilligen, dass er seinen Anspruch
gegen den vorrangig Verpflichteten durchzusetzen versuche und sich wegen der ihm
obliegenden Beweislast vor einer Antragstellung beim Sozialhilfeträger einen
aussagekräftigen und letztlich auch beweisbaren Überblick über die Einkommens- und
Vermögensverhältnisse der Person, die Nothilfe erhalten habe, verschaffe, da die
Unaufklärbarkeit des anspruchsbegründenden Sachverhalts zu Lasten des Nothelfers
und damit zur Zurückweisung des geltend gemachten Anspruchs führe. Insoweit befinde
sich der Nothelfer in einer "Zwickmühle", da er einerseits möglichst schnell den
Aufwendungserstattungsantrag stellen müsse, andererseits aber bei zu schneller
Antragstellung Gefahr laufe, dass der Antrag wegen ungeklärten Sachverhalts
zurückgewiesen werden. Sinn der einschlägigen Vorschrift sei es, die spontane
Hilfsbereitschaft von Nothelfern im Interesse von in Not geratenen Menschen zu
erhalten und zu stärken; daher dürften sowohl an die Angemessenheit der Frist als auch
an die Beweislast keine überspannten Anforderungen gestellt werden, weil ansonsten
die Versagung der Sozialhilfe der Regelfall und der Erstattungsanspruch die Ausnahme
wäre. Dies sei aber gerade nicht die Intention des Gesetzgebers gewesen. Deshalb
dürfe die zuvor beschriebene "Zwickmühle" nicht zum Verlust bzw. zur
Nichtdurchsetzbarkeit des Anspruchs des Nothelfers führen.
Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 16.08.2006 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 28.08.2006 zu verurteilen, ihr 3.818,40 EUR nebst 4 %
Zinsen seit dem 25.09.2006 zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
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Er hält weiterhin den Antrag als nicht in angemessener Frist gestellt. Er behauptet, der
Klägerin sei bereits am 15.11.2005 durch Frau N.C. mitgeteilt worden, dass die
Beigeladene die Krankenhausleistungen in Anspruch genommen habe. Bereits zu
diesem Zeitpunkt sei der Klägerin ohne große Aufwand auch eine Kontaktaufnahme mit
der Beigeladenen und die Durchsetzung des Anspruchs möglich gewesen. Die Klägerin
habe die Beigeladene aber erst am 03.02.2006, fast 3 Monate später, erstmals
angeschrieben; sie habe daher nicht zügig versucht, die Erstattung gegenüber dem
vorrangig Verpflichteten durchzusetzen. Zudem sei der Antrag der Klägerin beim
Beklagten erst am 20.06.2006, also mehr als 7 Monate später, eingegangen. Selbst
wenn man für die Identitätsfeststellung auf den Zeitpunkt 03.02.2006 abstellen würde,
wäre der Antrag erst nach 4 1/2 Monaten gestellt worden. Im Übrigen sieht es der
Beklagte nicht als erwiesen an, dass die Beigeladene Anfang 2003 nicht über
Vermögen verfügt habe, das vorrangig einzusetzen gewesen wäre.
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Die Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der
Gerichtsakte, der die Beigeladene betreffende Patientenakte der Klägerin und der
Verwaltungsakte des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung
gewesen sind, Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist zulässig und begründet.
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Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide des Beklagten im Sinne des § 54
Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da sie rechtswidrig sind. Die Klägerin hat
Anspruch auf Erstattung ihrer Aufwendungen anlässlich der stationären
Krankenhausbehandlung der Beigeladenen vom 04.02. bis 14.02.2003 in Höhe von
3.818,40 EUR.
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Der Anspruch folgt aus analoger Anwendung vom § 25 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch
- SGB XII (vgl. bis 31.12.2004: § 121 Bundessozialhilfegesetz - BSHG). Die Vorschrift
findet nicht unmittelbar, sondern analog Anwendung, da die Klägerin anlässlich der
Krankenhausbehandlung nicht nach dem BSHG, sondern nach dem AsylbLG
leistungsberechtigt war. Sie war zum damaligen Zeitpunkt vollziehbar ausreisepflichtig
(vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG). Für Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG findet, da
eine entsprechende Nothelferregelung im AsylbLG fehlt, § 25 SGB XII entsprechende
Anwendung (vgl. bereits zu der Vorschrift des § 121 BSHG: OVG Münster, Urteil vom
05.12.2000 - 22 A 3164/99 = FEVS 53, 353; OVG Lüneburg, Urteil vom 11.06.2003 - 4
LB 583/02; OVG Berlin, Urteil vom 25.11.2004 - 6 B 17/02 = FEVS 56, 425; VGH Baden-
Württemberg, Urteil vom 10.06.2005 - 7 S 2618/03). Einschlägig ist § 25 SGB XII, nicht §
121 BSHG, da der Antrag der Klägerin erst 2006 gestellt wurde, zu einem Zeitpunkt
also, als das BSHG außer Kraft und das SGB XII in Kraft getreten war.
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Die Voraussetzungen des § 25 SGB XII sind erfüllt.
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Die Klägerin hat der Beigeladenen in der Zeit vom 04. bis 14.02.2003 in einem Eilfall
Hilfe geleistet. Denn die Krankenbehandlung in diesem Zeitraum war - dies ist zwischen
den Beteiligten unstreitig - eine Notfallbehandlung. Die Klägerin hat mit der
Krankenbehandlung eine Leistung erbracht, die bei rechtzeitigem Einsetzen von
Asylbewerberleistungen vom Beklagten als Sachleistung gemäß § 4 Abs. 1 AsylbLG zu
erbringen gewesen wäre. Die Beigeladene gehörte zum Zeitpunkt der Behandlung als
vollziehbar ausreisepflichtige Ausländerin zum Personenkreis des § 1 Abs. 1 AsylbLG.
Als solche hatte sie nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG Anspruch auf ärztliche Leistungen
in Fällen akuter Erkrankung und bei Schmerzzuständen, wie sie bei der
streitbefangenen Behandlung vorgelegen haben. Dem Anspruch der Beigeladenen auf
Leistungen nach dem AsylbLG standen im maßgeblichen Zeitpunkt auch nicht
Einkommen oder Vermögen der Beigeladenen entgegen. Wie bereits die (frühere)
Bevollmächtigte der Beigeladenen im Schriftverkehr mit der Klägerin und dem
Beklagten und im Verfahren vor dem Sozialgericht Duisburg dargelegt hat, verfügte die
Beigeladene Anfang 2003 weder über Einkommen noch über berücksichtungsfähiges
Vermögen. Die Beigeladene persönlich hat dies auch auf ausdrückliches Befragen der
Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der erkennenden Kammer am
20.11.2007 bestätigt. Unter Berücksichtigung der Umstände, die der Kammer in diesem
Zusammenhang bekannt geworden sind, hält sie die Angaben der Beigeladenen zu
ihrem damaligen Einkommen und Vermögen für glaubhaft.
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Die Klägerin hat die Erstattung auch innerhalb angemessener Frist beim Beklagten als
zuständigem Träger der Leistungen nach dem AsylbLG beantragt (vgl. § 25 Satz 2 SGB
XII). Das Gesetz bestimmt nicht näher, welche Frist angemessen ist. Es kommt daher
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auf die besonderen Umstände des Einzelfalles an, die durch die Interessen des
Nothelfers und der in Not geratenen Person, aber auch durch die Belange des
Leistungsträgers bestimmt werden (BVerwG, Urteil vom 27.01.1971 - V C 74/70 =
BVerwGE 37,133 = FEVS 18, 121; VGH Mannheim, Urteil vom 27.09.1995 - 6 S
2522/94; Grube-Wahrendorf, SGB XII, § 25 Rn. 16). Auf der Seite des Hilfeleistenden ist
das gesetzlich anerkannte Interesse an einer Entschädigung für die geleistete Hilfe
ebenso in Rechnung zu stellen wie die sich an den Verhältnissen des Einzelfalles
ausrichtende Verpflichtung, sorgsam die Interessen desjenigen zu waren, der für die
Kosten der Hilfe erstattungspflichtig sein könnte. Der Träger der
Sozialhilfe/Asylbewerberleistung hat seinerseits ein berechtigtes Interesse daran,
alsbald über den Hilfefall unterrichtet zu werden, um die in einem Hilfsfall notwendigen
Vorkehrungen treffen zu können (BVerwG a.a.O.). Der Lauf der Frist des § 25 Satz 2
SGB XII beginnt erst ab Kenntnis des Nothelfers von der - zumindest wahrscheinlichen -
Sozialhilfe-/Asylbewerberleistungsbedürftigkeit der in Not geratenen Person
(Grube/Wahrendorf a.a.O.). Dies setzt zunächst voraus, dass der Nothelfer um die
Identität der Person, der er Hilfe geleistet hat, weiß. Solange der Nothelfer sich bei
dieser Person um die Erstattung seiner Aufwendungen bemüht und vernünftigerweise
noch damit rechnen kann, dass sie Erstattung leisten wird, solange also eine
Sozialhilfe-/Asylbewerberleistungsbedürftigkeit nicht im Raum steht oder gar nicht
ersichtlich ist, besteht kein Anlass, überhaupt einen Nothelferanspruch geltend zu
machen, beginnt also auch nicht die Frist des § 25 Satz 2 SGB XII zu laufen. Erhält der
Nothelfer Kenntnis von Umständen, die eine Sozialhilfe-
/Asylbewerberleistungsbedürftigkeit wahrscheinlich erscheinen lassen, ist er noch nicht
verpflichtet, "vorsorglich" einen Antrag gemäß § 25 SGB XII zu stellen. Vielmehr hat er
angemessene Zeit, die Anspruchsvoraussetzungen für einen Nothelferanspruch zu
klären, bevor er einen entsprechenden Antrag beim Leistungsträger stellt. Dazu gehören
insbesondere Ermittlungen zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des
Nothilfeempfängers. Denn der Nothelfer trägt die materielle Beweislast für die
Sozialhilfe-/Asylbewerberleistungsbedürftigkeit des Nothilfeempfängers (BVerwG, Urteil
vom 28.03.1974 - V C 27/73 = BVerwGE 45,131 = FEVS 22, 301).
Die Klägerin hat erstmals durch das Schreiben der Frau C. vom 29.11.2005 (nicht - wie
der Beklagte behauptet - vom 15.11.2005) Kenntnis von Name und Anschrift der
Beigeladenen erhalten. Aufgrund dieses Schreibens konnte sie aber noch nicht sicher
sein, dass die Beigeladene tatsächlich die im Februar 2003 behandelte Patientin war.
Immerhin war Frau Bote an der Täuschungshandlung anlässlich der
Krankenhausbehandlung Anfang 2003 beteiligt. Im Ermittlungsverfahren der
Staatsanwaltschaft Aachen (904 Js 1976/04) waren mehrere Personen ermittelt worden,
die als seinerseits im Krankenhaus der Klägerin Behandelte in Betracht kamen. Die
Staatsanwaltschaft hat schließlich im Jahre 2005 das Verfahren eingestellt, da nicht
ausgeschlossen werden konnte, dass Frau C. die Behauptung, eine andere Person sei
mit ihrer Karte behandelt worden, nur erhebe, um den Zahlungsansprüchen der
Krankenkasse ihr gegenüber zu entgehen, da zum Tatzeitpunkt kein
Versicherungsschutz mehr bestanden habe (Schreiben der Staatsanwaltschaft Aachen
an die Klägerin vom 25.08.2005). In Kenntnis dieser Umstände war die Erklärung der
Frau C. vom 29.11.2005, in der sie die Beigeladene als diejenige bezeichnete, die sich
"meine Versicherungskarte angeeignet hat", für die Klägerin nicht das Papier wert, auf
dem sie stand. Auch durch das anschließende Ergebnis des Bluttests der Frau C.
wusste die Klägerin nunmehr nur, dass jedenfalls Frau C., also die auf der damals
vorgelegten Krankenversicherungskarte bezeichnete Person, nicht die Anfang 2003
behandelte Patientin war. Erst durch das Schreiben der (damaligen) Bevollmächtigten
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der Beigeladenen vom 30.03.2006 erhielt die Klägerin sichere Kenntnis davon, dass im
streitbefangenen Zeitraum in ihrem Krankenhaus die Beigeladene behandelt worden
war. Da diese zugleich erklärt hatte, den eigenen Anspruch beim Beklagten geltend zu
machen, und höflichst gebeten hatte, die Entscheidung des Sozialamts abzuwarten, war
es aus Sicht der Klägerin zweckmäßig, mit dem eigenen Antrag abzuwarten, zumal sie
nun auch davon ausgehen konnte, dass dem Beklagten der Hilfefall und der
maßgebliche Sachverhalt bekannt war. Am 05.06.2006 erfuhr die Klägerin dann per
FAX von der (damaligen) Bevollmächtigten der Beigeladenen, dass der Beklagte deren
Antrag abgelehnt hatte. Bis zur Abfassung des Antrags nach § 25 SGB XII am
12.06.2006 verging nur eine Woche. Der Antrag ging am 20.06.2006 beim Beklagten
ein. Dies war unter den geschilderten Umständen innerhalb angemessener Frist im
Sinne von § 25 Satz 2 SGB XII. Dementsprechend hat der Beklagte der Klägerin die ihr
anlässlich der Behandlung der Beigeladenen vom 04. bis 14.02.2003 entstandenen
Aufwendungen, deren Höhe von 3.818,40 EUR zwischen den Beteiligten unstreitig ist,
zu erstatten.
Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Prozesszinsen in Höhe von 4 %
ab Rechtshängigkeit (25.09.2006) findet seine Grundlage in entsprechender
Anwendung von §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Seine
früher vertretene andere Auffassung zum Anspruch auf Prozesszinsen hat das
Bundessozialgericht im Urteil vom 28.09.2005 (B 6 KA 71/04 R) jedenfalls für eine von §
197a Abs. 1 Satz 1 SGG erfasste Streitigkeit - wie der vorliegenden - aufgegeben. Dem
schließt sich die Kammer an.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 161
Abs. 1, 162 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
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Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 52
Abs. 3, 62 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG).
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