Urteil des OVG Saarland vom 25.03.2011

OVG Saarlouis: aufschiebende wirkung, ersetzung, auflage, bautiefe, neubau, wahrscheinlichkeit, haus, grundstück, interessenabwägung, behörde

OVG Saarlouis Beschluß vom 25.3.2011, 2 B 100/11
Ersetzung gemeindlichen Einvernehmens
Leitsätze
Der Ausschluss des Suspensiveffekts für Rechtsbehelfe gegen Baugenehmigungen gilt auch
für Widersprüche und - gegebenenfalls - Anfechtungsklagen von Gemeinden, die sich unter
Geltendmachung einer Verletzung ihres gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts (Art. 28
Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 117 Abs. 3 SVerf) gegen eine Baugenehmigung wenden. Nach § 72
Abs. 4 LBO 2004 entfällt die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs und einer
eventuell nachfolgenden Anfechtungsklage gegen die nach §§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3
VwGO, 212a Abs. 1 BauGB sofort vollziehbare Baugenehmigung auch hinsichtlich der
Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens.
Auch in einem von der Gemeinde eingeleiteten Antragsverfahren nach den §§ 80a Abs. 1
Nr. 2 und Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist Entscheidungskriterium für die
Verwaltungsgerichte die mit den Erkenntnismöglichkeiten des Eilverfahrens zu
prognostizierende Erfolgsaussicht ihres in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs. Eine
Anordnung der kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung (§§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3
VwGO, 212a Abs. 1 BauGB) ausgeschlossenen aufschiebenden Wirkung eines
Rechtsbehelfs gegen eine Baugenehmigung kommt auch in diesen Fällen nur in Betracht,
wenn die überschlägige Rechtskontrolle zumindest gewichtige Zweifel an der rechtlichen
Unbedenklichkeit der angefochtenen Genehmigung mit Blick auf die Position der Gemeinde
ergibt.
Einer im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens über das Einvernehmenserfordernis
einzubindenden Gemeinde, die entweder überhaupt nicht beteiligt wurde oder die ihr
Einvernehmen zu einem Bauvorhaben gegenüber der Bauaufsichtsbehörde rechtzeitig (§
36 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BauGB) verweigert hat, steht ein Anspruch auf Aufhebung einer
des ungeachtet erteilten Baugenehmigung schon wegen Verletzung ihres
Mitwirkungsrechts, also insbesondere unabhängig von der bodenrechtlichen Zulässigkeit
des zugelassenen Vorhabens nach den §§ 31, 33 bis 35 BauGB, zu.
Der § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB eröffnet den Standortgemeinden weder Ermessen noch
planerische Gestaltungsfreiheit bei der Beurteilung eines hinsichtlich seiner Zulässigkeit
bodenrechtlich am Maßstab des § 34 BauGB zu messenden Bauvorhabens. Ein nach dieser
Vorschrift zulässiges Vorhaben vermag die Gemeinde schon wegen der
verfassungsrechtlich verankerten Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) und der aus ihr
abzuleitenden Baufreiheit der Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer nicht über die
Verweigerung ihres Einvernehmens, sondern nur unter Ausnutzung des ihr vom
Bundesgesetzgeber in den §§ 14 ff. BauGB zur Verfügung gestellten Instrumentariums
gegensteuernder Bauleitplanung unter Einhaltung der dafür geltenden gesetzlichen
Anforderungen und Grenzen zu verhindern.
Im Falle einer rechtzeitigen Versagung ihres Einvernehmens hat die Gemeinde einen
Anspruch darauf, dass die Bauaufsichtsbehörde kein Vorhaben zulässt, das den im Rahmen
der Entscheidung nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB ihrer Beurteilung unterliegenden
planungsrechtlichen Zulässigkeitsanforderungen nicht entspricht. Dementsprechend ist die
Befugnis der Bauaufsichtsbehörde zur Ersetzung des Einvernehmens von vorneherein
zwingend auf die Fälle der "rechtswidrigen" Versagung durch die Gemeinde begrenzt.
Bei dem Kriterium des Maßes der baulichen Nutzung ist für die Beurteilung nach dem § 34
Abs. 1 Satz 1 BauGB zwar im Grundsatz auf die konkretisierenden Merkmale des § 16
Abs. 2 BauNVO 1990 zurückzugreifen. Da der § 34 BauGB indes nicht - wie im
Geltungsbereich eines Bebauungsplans (§ 30 BauGB) - an planerische Vorgaben der
Gemeinde anknüpft, sondern eine an der tatsächlich vorhanden Bebauung orientierte
faktische Betrachtung erfordert, ist dabei in erster Linie auf die Maße abzustellen, die
einerseits bei dem hinzutretenden Bauvorhaben und andererseits bei der maßgeblichen
Umgebungsbebauung für den Betrachter nach außen wahrnehmbar in Erscheinung treten.
Daher kommt es vordringlich auf die in dem § 16 Abs. 2 BauNVO 1990 genannten
"absoluten" Größenmaße des Baukörpers wie die aus Länge und Breite zu ermittelnde
Grundfläche, die erkennbar in Erscheinung tretende Geschosszahl und die Höhe der
jeweiligen Gebäude an.
Bei der vergleichenden Betrachtung der Rahmen bildenden Gebäude in der näheren
Umgebung und des Bauvorhabens nach diesen Kriterien, insbesondere Grundfläche und
Höhe sind die vorhandenen Gebäude nicht isoliert voneinander im Hinblick auf jeweils nur
eines dieser Merkmale, sondern vielmehr insgesamt in den Blick zu nehmen. Deswegen
kommt es nicht darauf an, ob ein Gebäude in der maßgeblichen Umgebung von der
Höhenentwicklung und (nur) ein anderes von der Grundfläche her vergleichbare Ausmaße
erreichen.
Bei dem Kriterium der überbaubaren Grundstücksfläche ist entsprechend dem
Rechtsgedanken des § 23 Abs. 4 Satz 2 BauNVO 1990 die vorhandene Bebauungstiefe
von der tatsächlichen Grenze der jeweils als Erschließungsanlage gewählten öffentlichen
Straße aus zu ermitteln, wobei die Bautiefe dem jeweiligen Straßenverlauf folgt und
gegebenenfalls entsprechend von Straßengrenzen gebildeten Kurven und Winkeln
verspringt. Dabei sind in der Regel nur, wenn auch nicht immer zwingend, die jeweils für
das Vorhaben als Zuwegung zum Grundstück ausersehene Straße und dabei die
Straßenseite, der das Vorhaben zugeordnet ist, in den Blick zu nehmen.
Es bleibt offen, ob der § 72 Abs. 1 LBO 2004 trotz der auf die Einräumung eines echten
"Ermessens" hindeutenden Formulierung ("kann") lediglich als landesrechtliche Umsetzung
des nach wohl überwiegendem Verständnis als bloße Befugnisnorm zu interpretierenden §
36 Abs. 2 Satz 3 BauGB (1998) zu verstehen ist.
Im Rahmen der nach den §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmenden
Interessenabwägung erlangen die durch eine wirtschaftlich zügige "Umsetzung" des
Vorhabens bereits aufgelaufenen Kosten und Haftungsrisiken des Bauherrn keine über die
Wertung in § 212a Abs. 1 BauGB hinausgehende eigenständige Bedeutung.
Tenor
Die Beschwerde der Beigeladenen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des
Saarlandes vom 17. Januar 2011 – 5 L 2428/10 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beigeladene.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 15.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin, eine saarländische Gemeinde, wendet sich mit ihrem
Aussetzungsbegehren (§ 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO) gegen eine der Beigeladenen erteilte
Bauerlaubnis des Antragsgegners.
Im Juli 2010 beantragte die Beigeladene im vereinfachten Genehmigungsverfahren die
Erteilung einer Baugenehmigung für den Neubau eines Mehrfamilienwohnhauses mit
Garagen auf der Parzelle Nr. .../3 in Flur 5 der Gemarkung L. (Anwesen W-straße 7). Das
Baugrundstück liegt in Ortslage. In der näheren Umgebung befindet sich überwiegend
Wohnbebauung. Ein Bebauungsplan existiert nicht. In den zugehörigen Bauvorlagen war ein
in der Grundfläche – bezogen auf das Erdgeschoss – 14,50 m auf 21,25 m großes,
maximal 10,33 m hohes, teilunterkellertes Gebäude dargestellt. Im Erd-, Ober- und in dem
darüber liegenden Staffelgeschoss sollten insgesamt fünf Wohnungen eingerichtet werden.
Nach dem Grundriss waren in den vorderen Eckbereichen des Erdgeschosses zur Straße
hin zwei durch den Hauseingangsteil getrennte Doppelgaragen sowie rechts- und linksseitig
zwei weitere, jeweils bis auf die seitlichen Grenzen reichende Einzelgaragen vorgesehen.
Anfang September 2010 teilte die Antragstellerin dem Antragsgegner mit, dass das
Einvernehmen zur Ausführung des aus ihrer Sicht bauplanungsrechtlich „allgemein
zulässigen“ Vorhabens nach entsprechender Beschlussfassung des Gemeinderates nicht
erteilt werde, weil es sich nach dem Maß der baulichen Nutzung und hinsichtlich der
überbaubaren Grundstücksfläche nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge.
Daraufhin stellte die Beigeladene Ende September 2010 einen Bauantrag für ein in der
Bautiefe bezogen auf den Hauptbaukörper auf 15 m reduziertes Vorhaben mit im
Obergeschoss 3 m vor die Rückfront auskragenden Balkonen. Vorgesehen sind nach wie
vor fünf Wohneinheiten. Anstelle der nach dem ersten Entwurf an der Vorderseite
geplanten Doppelgaragen sind in den geänderten Plänen Wohnräume und vor dem
Gebäude an der Straße vier offene Stellplätze dargestellt.
Auch zu diesem Vorhaben verweigerte die Antragstellerin Anfang November 2010 ihr
Einvernehmen mit gleich lautender Begründung. Der zuständige Ausschuss des
Gemeinderats bestätigte diese Entscheidung Anfang Dezember 2010, nachdem der
Antragsgegner darauf hingewiesen hatte, dass aus seiner Sicht keine planungsrechtlichen
Gründe für eine Versagung der Baugenehmigung vorlägen.
Daraufhin erteilte der Antragsgegner der Beigeladenen im Dezember 2010 eine
Baugenehmigung für den „Neubau eines Mehrfamilienwohnhauses mit 2 Garagen und 4
PKW Stellplätzen“ nach den überarbeiteten Plänen unter gleichzeitiger ausdrücklicher
Ersetzung des Einvernehmens der Antragstellerin. (vgl. dazu den Bauschein des
Antragsgegners vom 9.12.2010 – K 613-410-2010-02 –) Diese Entscheidung wurde in
dem Bauschein damit begründet, dass sich dieses Vorhaben nach Art und Maß der
baulichen Nutzung und auch hinsichtlich der geplanten Höhe des Gebäudes in die von ein-
und zweigeschossigen Wohnhäusern geprägte nähere Umgebungsbebauung in der W-
Straße einfüge. Darauf sei die Antragstellerin im Anhörungsverfahren hingewiesen worden.
Da diese dennoch ihr Einvernehmen rechtswidrig versagt habe, sei dieses nach Maßgabe
des § 72 LBO 2004 zu ersetzen gewesen.
Ende Dezember 2010 erhob die Antragstellerin Widerspruch gegen die Baugenehmigung
und beantragte beim Verwaltungsgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung zur
Vermeidung einer Schaffung „vollendeter Tatsachen“. Zur Begründung führte sie aus, sie
habe ihr Einvernehmen zu Recht versagt, da das Bauvorhaben am Maßstab des § 34
BauGB nicht genehmigungsfähig sei. Das Wohngebiet W-Straße sei bereits im Jahr 1941
als „geschlossene Arbeitersiedlung“ angesehen worden. „Grundlage“ seien jeweils kleine
eingeschossige Einfamilienhäuser gewesen, die bis heute gleich aussähen und eine
maximale Höhe von 7 m bis zu der Giebelspitze aufwiesen. Im Juni 1951 habe ihr
Gemeinderat ein entsprechendes Baugebiet „W-Straße“ festgelegt. Sie – die
Antragstellerin – wolle zumindest auf einer Länge von 240 m in der W-Straße diese Form
der Bebauung erhalten. Dazu passe keinesfalls die nach dem bereits begonnenen Abriss
des auf dem Grundstück bisher vorhandenen Einfamilienhauses vorgesehene Errichtung
eines mehr als 10 m hohen dreistöckigen Mehrfamilienhauses mit fünf Wohnungen, dessen
Grundfläche und Bautiefe die der vorhandenen „Arbeiterhäuser“ wesentlich überschreite.
Durch die Realisierung könne der Eindruck der Geschlossenheit der Siedlung, die sie
erhalten und planerisch fortentwickeln wolle, nicht mehr aufrechterhalten werden. Der vom
Antragsgegner angestellte Vergleich mit den vorhandenen Eckhäusern zur L Straße sei im
Hinblick auf die Abgeschlossenheit der Siedlung nicht zulässig. Die zum Vergleich
herangezogenen Mehrfamilienhäuser W-Straße Nr. 25 und Nr. 28 lägen außerhalb des
“schützenswerten Bereichs“.
Die Beigeladene hat geltend gemacht, die für die Aussetzung der gesetzlich vorgegebenen
Vollziehbarkeit einer Baugenehmigung notwendigen gewichtigen Zweifel an deren
rechtlicher Unbedenklichkeit bestünden hier nicht. Die Ausführung eines wie hier am
Maßstab des § 34 BauGB zulässigen Bauvorhabens könne eine Gemeinde nur unter
Rückgriff auf das Instrumentarium gegensteuernder Bauleitplanung verhindern. In der
maßgeblichen Umgebung gebe es nicht nur eingeschossige Einfamilienhäuser. Auf der
Parzelle Nr. 1469/4 (Anwesen L Straße 15) und auf der rechts davon liegenden Parzelle Nr.
1468 (W-Straße 1) befänden sich jeweils zweigeschossige Mehrfamilienhäuser, im
letztgenannten Fall sogar mit zusätzlichem Staffelgeschoss. Die auf der
gegenüberliegenden Straßenseite liegende Parzelle Nr. 1099/9 (W-Straße 8) sei mit einem
nach hinten versetzten Mehrfamilienhaus mit vorgelagerter Garagenzeile bebaut. Auf der
Parzelle Nr. 3346 (W-Straße 25) stehe ein Achtfamilienwohnhaus mit zwei Vollgeschossen
und ausgebautem Dachgeschoss. Ein weiteres Mehrfamilienhaus mit zwei bis drei
Vollgeschossen stehe auf der Parzelle Nr. 3368/1 (W-Straße 28). Die Gebäude wiesen zum
Teil Höhen von über 11 m auf. In diese Bebauung füge sich ihr – der Beigeladenen –
Vorhaben ein. Das gelte auch in Ansehung der überbaubaren Grundstücksfläche. Der
Antragsgegner habe daher das rechtswidrig verweigerte Einvernehmen der Antragstellerin
zu Recht ersetzt.
Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag der Antragstellerin entsprochen. In der
Begründung heißt es, die begehrte Anordnung der aufschiebenden Wirkung des
Widerspruchs gegen eine kraft Gesetzes sofort vollziehbare Baugenehmigung setze im
Grundsatz eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der Verletzung dem Schutz des jeweiligen
Antragstellers dienender Vorschriften voraus. Vorliegend spreche vieles für eine
überwiegende Wahrscheinlichkeit des Erfolgs des Rechtsbehelfs der Antragstellerin im
Hauptsacheverfahren. Im Grundsatz sei von einer Rechtsverletzung der Gemeinden
auszugehen, wenn deren für die Genehmigung notwendiges Einvernehmen zu Unrecht
übergangen werde. Der Gesetzgeber habe in § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB den Konflikt
zwischen Planungshoheit und Baufreiheit so geregelt, dass gegen den Willen der Gemeinde
bis zur gerichtlichen Klärung der Genehmigungsfähigkeit eines Bauvorhabens keine
Baugenehmigung erteilt werden dürfe. Materiellrechtlicher Bezugspunkt sei die
Planungshoheit. Das Einvernehmenserfordernis sei ein Sicherungsinstrument, durch das die
Gemeinde als sachnahe und fachkundige Behörde an der Beurteilung der
bebauungsrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen beteiligt werden solle. Seit 1998 habe
der Bundesgesetzgeber die Möglichkeit einer Ersetzung des rechtswidrig verweigerten
Einvernehmens eröffnet, wovon der Landesgesetzgeber nunmehr in § 72 LBO 2004
Gebrauch gemacht habe. Entscheidend sei daher, ob die Antragstellerin ihr Einvernehmen
rechtswidrig verweigert habe. Bedenken von erheblichem Gewicht ergäben sich mit Blick
auf die Frage, ob sich das Bauvorhaben der Beigeladenen hinsichtlich des Maßes der
baulichen Nutzung und der zur Überbauung vorgesehenen Grundfläche im Verständnis des
§ 34 Abs. 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge. Eine summarische
Betrachtung spreche eher dagegen. Soweit sich die Antragstellerin gegen die Vereinbarkeit
des Bauvorhabens mit dem aus der Umgebungsbebauung zu entnehmenden Maß der
baulichen Nutzung sowie hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche wende, berufe
sie sich auf Vorschriften, die ihrem Schutz dienten. Nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts dienten Festsetzungen dazu in Bebauungsplänen
städtebaulichen Zwecken und damit Belangen, die der Planungshoheit der Antragstellerin
unterfielen. Für den unbeplanten Innenbereich gelte nichts anderes. Damit komme es auf
die objektive Rechtmäßigkeit an. Wo vorliegend die Grenzen der für die Beurteilung des
Vorhabens maßgeblichen „näheren Umgebung“ zu ziehen seien, lasse sich nur durch eine
Ortsbesichtigung klären, für die im vorliegenden Verfahren kein Raum sei. Der
Antragsgegner habe sich bei seiner Entscheidung davon leiten lassen, dass unter anderem
mit den Gebäuden W-Straße 25 und 28 „Referenzbauten“ vorhanden seien. Das Anwesen
Nr. 25 sei 170 m, das der Nr. 28 noch weiter vom Baugrundstück entfernt. Dass sie noch
zur „näheren Umgebung“ im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB gehörten, sei „nahezu
zur „näheren Umgebung“ im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB gehörten, sei „nahezu
ausgeschlossen“. Daher verblieben innerhalb der übrigen durch „eineinhalbgeschossige“
Einfamilienhäuser mit Satteldach bebauten näheren Umgebung lediglich die Objekte W-
Straße 1 und 8 als Vergleichsbauten. Nach der amtlichen Katasterkarte habe das Anwesen
Nr. 1 eine Grundfläche von 100 qm, das mit der Nr. 8 eine solche von 110,25 qm,
wohingegen das genehmigte Bauvorhaben der Beigeladenen eine Grundfläche von 217,50
qm aufweise. Zwar lasse der § 34 Abs. 1 BauGB aufgrund des Begriffs des Einfügens auch
Entwicklungen zu, die sogar zur Veränderung einer Gebietsstruktur führen könnten. Dieser
Rahmen erscheine vorliegend aber „deutlich zu weit überschritten“. Ebenso könne eine
Bewertung des Anwesens Nr. 8 als „Fremdkörper“ derzeit nicht mit Sicherheit
ausgeschlossen werden. Die vorliegenden Luftbilder und die von den Beteiligten zur Akte
gereichten Fotos sprächen „eher dafür als dagegen“. Sofern sich dieser Eindruck bei einer
Ortsbesichtigung bestätige, fiele der Neubau mit noch größerer Deutlichkeit aus dem
Rahmen der Umgebungsbebauung, die dann durch ein- und zweigeschossige
Einfamilienhäuser mit Satteldach geprägt erscheine. Das gelte auch hinsichtlich der Kubatur
des Neubaus und seiner Höhenentwicklung. Selbst wenn man die Rechtslage bezogen auf
die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren als „offen“ einstufe, gebiete die
Interessenabwägung hier gleichwohl ausnahmsweise die Anordnung der aufschiebenden
Wirkung des Widerspruchs zur Sicherung der gemeindlichen Planungshoheit, der in dieser
Fallkonstellation ein erhebliches Gewicht zukomme. Bleibe es bei der Vollziehbarkeit der
Baugenehmigung und käme es von daher zur Verwirklichung des Vorhabens, so würde das
die Eigenart der näheren Umgebung „unwiederbringlich“ derart verändern, dass sogar
eventuell noch größere Objekte genehmigt werden müssten. Damit wäre die bestehende,
von der Antragstellerin planungsrechtlich gewünschte homogene Baustruktur der Auflösung
preisgegeben. Deshalb habe das Bauherreninteresse am Fortbestand der Ausnutzbarkeit
der Baugenehmigung zurückzustehen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Beigeladenen.
II.
Die gemäß § 146 VwGO statthafte Beschwerde der Beigeladenen (vgl. allgemein zu den
Anforderungen an die Statthaftigkeit bei Rechtsmitteln von Beigeladenen zuletzt OVG des
Saarlandes, Urteil vom 11.11.2010 – 2 A 29/10 –, SKZ 2011, 17 ff., 19) gegen den
Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 17.1.2011 – 5 L 2428/10 – ist unbegründet. Das
Verwaltungsgericht hat dem Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden
Wirkung ihres Widerspruchs gegen die der Beigeladenen mit Bauschein vom 9.12.2010
erteilte Baugenehmigung für den Neubau eines Mehrfamilienwohnhauses zu Recht
entsprochen. Die nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den gerichtlichen Prüfungsumfang im
Rechtsmittelverfahren bestimmende Beschwerdebegründung der Beigeladenen gebietet
keine abweichende Beurteilung.
Der Aussetzungsantrag ist statthaft. Der Ausschluss des Suspensiveffekts für
Rechtsbehelfe gegen Baugenehmigungen gilt auch für Widersprüche und – gegebenenfalls
– Anfechtungsklagen von Gemeinden, die sich unter Geltendmachung einer Verletzung
ihres gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 117 Abs. 3
SVerf) gegen eine Baugenehmigung wenden. „Dritter“ im Verständnis des § 212a Abs. 1
BauGB ist jeder durch die einen anderen begünstigende Baugenehmigung rechtlich
Belastete und daher insbesondere auch eine Standortgemeinde, die sich unter Berufung
auf die der formalen Absicherung der gemeindlichen Planungshoheit (§ 2 Abs. 1 BauGB)
dienenden Bestimmungen in § 36 BauGB gegen eine ohne ihr Einvernehmen erteilte
bauaufsichtliche Zulassung eines Bauvorhabens wendet. (vgl. hierzu zuletzt OVG des
Saarlandes, Beschluss vom 2.9.2010 – 2 B 215/10 –, SKZ 2011, 42, Leitsatz Nr. 24 mit
weiteren Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur) Nach § 72 Abs. 4 LBO 2004
entfällt die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs und einer eventuell nachfolgenden
Anfechtungsklage gegen die nach §§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, 212a Abs. 1 BauGB
sofort vollziehbare Baugenehmigung auch hinsichtlich der Ersetzung des gemeindlichen
Einvernehmens. (vgl. zu dem insoweit vom Landesgesetzgeber in § 73 Abs. 3 Satz 1 LBO
2004 gewählten integrativen Ansatz auch Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht
Saarland, 2. Auflage 2005, Kp VI Rn 103, wonach der Landesgesetzgeber insbesondere
durch die Regelung in § 72 Abs. 2 LBO 2004 klargestellt hat, dass es sich bei § 72 LBO
2004 um eine gegenüber kommunalaufsichtsrechtlichen Ersetzungsregelungen
selbständige Bestimmung handelt)
In Antragsverfahren nach den §§ 80a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist
Entscheidungskriterium für die Verwaltungsgerichte die mit den Erkenntnismöglichkeiten
des Eilverfahrens zu prognostizierende Erfolgsaussicht des in der Hauptsache eingelegten
Rechtsbehelfs des Dritten – hier der Antragstellerin – gegen die Baugenehmigung. Eine
Anordnung der kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung (§§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3
VwGO, 212a Abs. 1 BauGB) ausgeschlossenen aufschiebenden Wirkung eines
Rechtsbehelfs gegen eine Baugenehmigung kommt nach der Rechtsprechung des Senats
nur in Betracht, wenn die überschlägige Rechtskontrolle zumindest gewichtige Zweifel an
der rechtlichen Unbedenklichkeit der angefochtenen Genehmigung mit Blick auf die Position
des jeweiligen Rechtsbehelfsführers ergibt. (vgl. hierzu im Einzelnen etwa OVG des
Saarlandes, Beschlüsse vom 27.10.2003 – 1 W 34/03 und 1 W 35/03 -, SKZ 2004, 85,
Leitsatz Nr. 40, st. Rechtsprechung) Das hat das Verwaltungsgericht im konkreten Fall zu
Recht angenommen.
Ein Abwehrrecht der Antragstellerin als Gemeinde ergibt sich allerdings nicht bereits unter
formellen Gesichtspunkten mit Blick auf § 36 Abs. 1 BauGB. Zwar steht einer insoweit im
Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens über das Einvernehmenserfordernis
einzubindenden Gemeinde, die entweder überhaupt nicht beteiligt wurde oder die ihr
Einvernehmen zu einem Bauvorhaben gegenüber der Bauaufsichtsbehörde rechtzeitig (§
36 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BauGB) verweigert hat, im Grundsatz ein Anspruch auf
Aufhebung einer des ungeachtet erteilten Baugenehmigung schon wegen Verletzung ihres
Mitwirkungsrechts, also insbesondere unabhängig von der bodenrechtlichen Zulässigkeit
des zugelassenen Vorhabens nach den §§ 31, 33 bis 35 BauGB, zu. Der Antragsgegner
hat indes hier den sich aus dieser Vorschrift ergebenden Rechten der Antragstellerin auf
Beteiligung im Baugenehmigungsverfahren vollumfänglich Rechnung getragen. Der
Bundesgesetzgeber hat ferner in § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB zum Schutz der Bauherrinnen
und Bauherren aus Gründen der Beschleunigung des Verfahrens für die Fälle einer
rechtswidrigen Versagung des gemeindlichen Einvernehmens seit 1998 die Möglichkeit der
Ersetzung des Einvernehmens durch eine nach Landesrecht zuständige Behörde eröffnet.
Der saarländische Landesgesetzgeber hat diese Befugnis im Jahre 2004 vordringlich den
Unteren Bauaufsichtsbehörden, im konkreten Fall also dem Antragsgegner, eingeräumt
und dabei bestimmt, dass die Ersetzung durch die Baugenehmigung erfolgt, die insoweit
mit einer besonderen Begründung zu versehen ist (§ 72 Abs. 1 und Abs. 3 LBO 2004).
Davon hat der Antragsgegner hier Gebrauch gemacht.
Der § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB eröffnet den Standortgemeinden weder Ermessen noch
planerische Gestaltungsfreiheit bei der Beurteilung eines hinsichtlich seiner Zulässigkeit
bodenrechtlich am Maßstab des § 34 BauGB zu messenden Bauvorhabens. Ein nach dieser
Vorschrift zulässiges Vorhaben vermag die Gemeinde schon wegen der
verfassungsrechtlich verankerten Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) und der aus ihr
abzuleitenden Baufreiheit der Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer nicht über die
Verweigerung ihres Einvernehmens, sondern nur unter Ausnutzung des ihr vom
Bundesgesetzgeber in den §§ 14 ff. BauGB zur Verfügung gestellten Instrumentariums
gegensteuernder Bauleitplanung unter Einhaltung der dafür geltenden gesetzlichen
Anforderungen und Grenzen zu verhindern. Von daher lässt sich aus der gemeindlichen
Planungshoheit (§ 2 Abs. 1 Satz 1 BauGB) als solcher kein weitergehender
„Wertungsvorsprung“ für die sich gegen eine Baugenehmigung wendende
Standortgemeinde im Rahmen der Abwägung im Aussetzungsverfahren herleiten (§ 80
Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Die Gemeinde hat allerdings im Falle einer – wie hier – rechtzeitigen Versagung ihres
Einvernehmens einen Anspruch darauf, dass die Bauaufsichtsbehörde kein Vorhaben
zulässt, das den im Rahmen der Entscheidung nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB ihrer
Beurteilung unterliegenden planungsrechtlichen Zulässigkeitsanforderungen nicht
entspricht. Dementsprechend ist die Befugnis der Bauaufsichtsbehörde – hier des
Antragsgegners – zur Ersetzung des Einvernehmens von vorneherein zwingend auf die
Fälle der „rechtswidrigen“ Versagung durch die Gemeinde begrenzt. Damit wollte der
Gesetzgeber nicht nur die Fälle der Kompetenzüberschreitung oder offenkundiger
Fehlbeurteilungen der Gemeinde, etwa die Geltendmachung (vermeintlicher) anderweitiger
Rechtsverstöße außerhalb des planungsrechtlichen Entscheidungsprogramms nach § 36
Abs. 1 Satz 1 BauGB) erfassen, sondern ausdrücklich auch den Fall, dass die Gemeinde
das Vorliegen planungsrechtlicher Hinderungsgründe für die Erteilung der Genehmigung zu
Unrecht bejaht hat. (vgl. etwa Rieger in Schrödter, BauGB, 7. Auflage 2006, § 36 Rn 20
unter Verweis auf BT-Drs. 13/6392, Seite 60)
Die daher für die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs der Antragstellerin in
der Hauptsache in diesem Punkt entscheidende Vereinbarkeit des Neubauvorhabens des
Beigeladenen mit dem für die Beurteilung seiner bodenrechtlichen Zulässigkeit
einschlägigen § 34 BauGB lässt sich sicher nicht ohne eine dem Hauptsacheverfahren
vorzubehaltende Ortseinsicht (vgl. in dem Zusammenhang zuletzt OVG des Saarlandes,
Beschluss vom 26.11.2010 – 2 B 275/10 –, SKZ 2011, 45, Leitsatz Nr. 30, wonach
insbesondere auch das verfassungsrechtliche Effektivitätsgebot für den Rechtsschutz (Art.
19 Abs. 4 GG) keine verfahrensmäßige „Vorwegnahme“ des Hauptsacheverfahrens
hinsichtlich der Tatsachenermittlung im vorläufigen Rechtsschutz gebietet, ständige
Rechtsprechung) beantworten, unterliegt nach gegenwärtigem Erkenntnisstand, wie das
Verwaltungsgericht in dem angegriffenen Beschluss insoweit zutreffend ausgeführt hat, –
im eingangs genannten Sinne für die Beurteilung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO –
„gewichtigen Zweifeln“. Nach Aktenlage spricht eine überwiegende Wahrscheinlichkeit
dafür, dass sich das genehmigte Bauvorhaben der Beigeladenen auch in der gegenüber der
ursprünglichen Planung reduzierten Form nach dem für das Städtebaurecht eine zentrale
Bedeutung besitzenden Kriterium des Maßes der baulichen Nutzung und hinsichtlich der
überbaubaren Grundstücksfläche nicht in der von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB geforderten
Weise in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt.
Der Rahmen der insoweit maßgeblichen, weil für das Baugrundstück prägenden
Umgebungsbebauung ergibt sich allein aus § 34 Abs. 1 BauGB. Er lässt sich entgegen der
Auffassung der Antragstellerin nicht einschränken durch das Kriterium eines
„geschlossenen Baugebiets“, das von ihr „als schutzwürdig angesehen wird“ oder gar auf
einen von ihr ausgemachten „schutzwürdigen Wohnbereich (vorderer Teil der W-Straße)“.
Jenseits von besonderen gesetzlichen, etwa nach Denkmalschutzrecht, oder durch die
Gemeinden im Satzungswege (§§ 172 ff. BauGB) statuierten Erhaltungspflichten oder aber
von konkret eingeleiteten bauleitplanerischen Verfahren zur „Erhaltung“ oder zum „Schutz“
eines von der jeweiligen Gemeinde als bewahrenswert angesehenen Bauzustandes auf
ihrem Gebiet (§§ 14 ff. BauGB), ist – auch unter Eigentumsaspekten (Art. 14 GG) –
Maßstab für die Beurteilung eines Bauvorhabens in der nicht beplanten Ortslage allein der §
34 BauGB und insoweit auf der ersten Stufe die hinsichtlich der dort genannten
städtebaulichen Kriterien als Beurteilungsrahmen in den Blick zu nehmende Bebauung in
der näheren Umgebung. So wären beispielsweise die Eigentümer der entsprechenden
Anwesen grundsätzlich nicht gehindert, wie im Falle des Anwesens Nr. 7, die von der
Antragstellerin unter wohl eher „sozialgeschichtlichen“ Aspekten als Bestandteile einer
„geschlossenen Arbeitersiedlung“ als schutzwürdig erachteten Einfamilienhäuser
abzubrechen.
Entgegen der Ansicht der Beigeladenen spricht nach Aktenlage, insbesondere nach dem
von ihr vorgelegten Ergänzungslageplan, (vgl. den Lageplan (M 1:500) bei den mit
Genehmigungsvermerk versehen Bauvorlagen, Blatt 93 der Bauakte) viel für die Richtigkeit
der Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass die Bebauung auf den Anwesen W-Straße
Nr. 25 und Nr. 28 in Form von Mehrfamilienwohnhäusern aufgrund der unstreitigen
Entfernung zum Baugrundstück von mindestens etwa 170 m (Nr. 25) unter den beiden
genannten städtebaulichen Kriterien nicht mehr zu der „näheren Umgebung“ für die
Beurteilung einer Bebauung der Parzelle Nr. .../3 gehört und dass eine überwiegende
Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass das genehmigte Bauvorhaben der Beigeladenen
sowohl hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung als auch hinsichtlich der überbaubaren
Grundstücksfläche (Bautiefe) den aus der für das Baugrundstück prägenden
Umgebungsbebauung zu entwickelnden Rahmen überschreitet.
Bei dem Kriterium des Maßes der baulichen Nutzung ist für die Beurteilung nach dem § 34
Abs. 1 Satz 1 BauGB zwar im Grundsatz auf die konkretisierenden Merkmale des § 16
Abs. 2 BauNVO 1990 zurückzugreifen. Da der § 34 BauGB indes nicht – wie im
Geltungsbereich eines Bebauungsplans (§ 30 BauGB) – an planerischen Vorgaben der
Gemeinde anknüpft, sondern eine an der tatsächlich vorhandenen Bebauung orientierte
faktische Betrachtung erfordert, ist dabei in erster Linie auf die Maße abzustellen, die
einerseits bei dem hinzutretenden Bauvorhaben und andererseits bei der maßgeblichen
Umgebungsbebauung für den Betrachter nach außen wahrnehmbar in Erscheinung treten.
Daher kommt es vordringlich auf die in dem § 16 Abs. 2 BauNVO 1990 genannten
„absoluten“ Größenmaße des Baukörpers wie die aus Länge und Breite zu ermittelnde
Grundfläche, die erkennbar in Erscheinung tretende Geschosszahl und die Höhe der
jeweiligen Gebäude an. (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 21.6.2007 – 4 B 8.07 –, BRS
71 Nr. 83, unter Bestätigung von OVG des Saarlandes, Urteil vom 30.11.2006 – 2 R
11/05 –, SKZ 2007, 39, Leitsatz Nr. 21) Bei der vergleichenden Betrachtung der Rahmen
bildenden Gebäude in der näheren Umgebung und des Bauvorhabens nach diesen
Kriterien, insbesondere Grundfläche und Höhe sind die vorhandenen Gebäude nicht isoliert
voneinander im Hinblick auf jeweils nur eines dieser Merkmale, sondern vielmehr insgesamt
in den Blick zu nehmen. (vgl. dazu OVG des Saarlandes, Urteil vom 24.11.2005 – 2 R 6/05
–, BRS 69 Nr. 98) Deswegen kommt es vorliegend nicht darauf an, ob ein Gebäude in der
maßgeblichen Umgebung von der Höhenentwicklung und (nur) ein anderes von der
Grundfläche her vergleichbare Ausmaße erreichen.
Nach diesen Maßstäben drängt es sich nach dem genehmigten Lageplan in der Bauakte
auf, dass das bereits im Hauptbaukörper 14,50 m breite und 15 m lange Gebäude (=
217,50 qm) mit zusätzlich rückseitig einem 3 m tiefen Balkonanbau an Ober- und am
Staffelgeschoss von der Grundfläche her in der näheren Umgebung keine Entsprechung
findet und zwar auch dann nicht, wenn man das zur L Straße orientierte Haus auf der
Parzelle Nr. 1469/4 (Anwesen Nr. 15) in diese Betrachtung mit einbezieht. Dieses ist nach
dem Lageplan von der Grundfläche her deutlich kleiner und hat auch nach dem Vorbringen
der Beigeladenen lediglich eine Grundfläche von 169 qm. Das gilt im Übrigen erkennbar
auch für die Häuser W-Straße 1 (Parzelle Nr. 1468) und Nr. 2a (Parzellen Nr. 1101/1 und
Nr. 1099/16) mit nach Angaben der Beigeladenen 168 qm, die zudem nach den Fotos in
den Akten deutlich niedriger erscheinen, und den Hauptbaukörper des Anwesens Nr. 19
(Parzelle Nr. .../9), wobei die Angabe von „361 qm einschließlich der Nebenanlagen“ in der
Beschwerdebegründung nicht nachvollzogen werden kann. Bei dem zuletzt genannten
Haus würde sich im Übrigen – wie bei den Anwesen Nr. 25 und Nr. 26/28 – die Frage einer
für das Baugrundstück (noch) prägenden und damit (überhaupt) Maßstab gebenden
Wirkung stellen. Die Beigeladene weist in dem Zusammenhang zutreffend darauf hin, dass
insoweit keine „schematische“ Abgrenzung nach „Plänen“ erfolgen kann, sondern eine
Ortsbesichtigung mit anschließender Bewertung der tatsächlichen baulichen Situation vor
Ort erforderlich ist und insoweit allein abschließende Erkenntnisse erbringen kann. Das von
ihr angesprochene Anwesen Nr. 14 (Parzelle Nr. 1099/11) weist nach dem vorgelegten
Luftbild zwei hintereinander angeordnete, baulich aber selbständige Baukörper auf. Dass
möglicherweise – wie von der Beigeladenen vorgetragen – einzelne dieser Häuser, etwa
das Haus W-Straße Nr. 1, eine ihrem Bauvorhaben vergleichbare Höhe haben, ist nach der
erwähnten, eine hinsichtlich der Einzelmaße „atomisierende“ Betrachtung ausschließenden
Rechtsprechung nicht allein entscheidend. Aus gegenwärtiger Sicht spricht ferner Vieles
dafür, dass auch das Gebäude auf dem dem Baugrundstück schräg gegenüber liegenden
Anwesen W-Straße Nr. 8 (Parzelle Nr. 1099/9) nicht die Feststellung rechtfertigt, das
Bauvorhaben der Beigeladenen bewege sich innerhalb des durch die Umgebungsbebauung
vorgegebenen Rahmens und zwar auch dann nicht, wenn man – was wohl den
unterschiedlichen Grundflächenangaben einerseits der Antragstellerin und des
Verwaltungsgerichts (117 qm beziehungsweise 110,25 qm) und andererseits der
Beigeladenen (220 qm) zugrunde liegt – die dem Wohngebäudeteil zur Straße hin
vorgelagerte „Garagenzeile“ mit raumgreifender aufliegender Dachterrasse entsprechend
dem § 19 Abs. 4 Satz 1 BauNVO 1990 auch bei der faktischen Betrachtung
berücksichtigen wollte. In diesem Fall bliebe aller Voraussicht nach jedenfalls festzustellen,
dass auch dieser Anlage mit Blick auf die gebotene ganzheitliche, auch die dritte Dimension
einbeziehende Vergleichsbetrachtung keine aus Sicht des Bauvorhabens
„rahmeneröffnende“ Wirkung beigemessen werden könnte. Schon das Foto in der Bauakte
(vgl. dazu das Foto auf Blatt 47 der Bauakte zum Zustand (wohl) kurz nach der
Fertigstellung der Anlage) zeigt eine großteils im Erdreich befindliche Garage, die nach oben
hin – über die erwähnte Dachterrasse hinaus – keine bauliche Fortsetzung findet, so dass
vom äußeren Erscheinungsbild her eine deutlich hinter der des Bauvorhabens der
Beigeladenen zurückbleibende Gesamtbaumasse (§§ 16 Abs. 2 Nr. 2, 21 BauNVO 1990)
vorläge, auch wenn man die Grundfläche der Garage einbeziehen wollte.
Die Frage, ob sich das Bauvorhaben trotz voraussichtlicher Überschreitung des aus der
Umgebungsbebauung hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung abzuleitenden
Rahmens insoweit (wohlgemerkt nur:) ausnahmsweise doch im Verständnis des § 34 Abs.
1 Satz 1 BauGB einfügt, weil seine Verwirklichung keine städtebaulich beachtlichen
Spannungen hervorriefe, lässt sich in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes
mangels Eindrucks von der Örtlichkeit sicher nicht beantworten. Dafür spricht allerdings
wenig.
Darüber hinaus spricht nach Aktenlage, insbesondere bei Zugrundelegung des
Ergänzungslageplans alles dafür, dass das vom Antragsgegner genehmigte Bauvorhaben
sich auch unter dem insoweit selbständig zu betrachtenden städtebaulichen Merkmal der
überbaubaren Grundstücksfläche von der Bautiefe her wegen einer Überschreitung einer
faktischen rückwärtigen Baugrenze nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (§
34 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Bei dem Kriterium der überbaubaren Grundstücksfläche ist
entsprechend dem Rechtsgedanken des § 23 Abs. 4 Satz 2 BauNVO die vorhandene
Bebauungstiefe von der tatsächlichen Grenze der jeweils als Erschließungsanlage
gewählten öffentlichen Straße aus zu ermitteln, wobei die Bautiefe dem jeweiligen
Straßenverlauf folgt und gegebenenfalls entsprechend von Straßengrenzen gebildeten
Kurven und Winkeln verspringt. Dabei sind in der Regel nur, wenn auch nicht immer
zwingend, die jeweils für das Vorhaben als Zuwegung zum Grundstück ausersehene
Straße und dabei die Straßenseite, der das Vorhaben zugeordnet ist, in den Blick zu
nehmen. Einzelheiten und Besonderheiten lassen sich ebenfalls nur „vor Ort“ abschließend
beurteilen. Das muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
Ist das Aussetzungsbegehren der Antragstellerin bereits von daher begründet, so kann
dahinstehen, ob der § 72 Abs. 1 LBO 2004 trotz der auf die Einräumung eines echten
„Ermessens“ hindeutenden Formulierung („kann“) lediglich als landesrechtliche Umsetzung
des nach wohl überwiegendem Verständnis als bloße Befugnisnorm zu interpretierenden §
36 Abs. 2 Satz 3 BauGB (1998) (vgl. dazu etwa Roeser in Berliner Kommentar zum
BauGB, 3. Auflage, Loseblatt, § 36 Rn 14 unter Verweis auf Dippel NVwZ 1999, 921, 924;
dementsprechend zwingend formuliert ist beispielsweise die nordrhein-westfälische
Vorschrift in § 2 Nr. 4 des Bürokratieabbaugesetzes I vom 13.3.2007 (GV NRW 2007,
133) in Ergänzung zu § 72 BauONW; anders dagegen, für ein – allerdings bei offenkundiger
Rechtswidrigkeit der Versagung zugunsten einer Ersetzungsentscheidung intendiertes –
Ermessen der zuständigen Behörde etwa Rieger in Schrödter, BauGB, 7. Auflage 2006,
§ 36 Rn 23 m.w.N.; Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp
VI Rn 103,) zu verstehen ist und ob die knapp und sehr allgemein gehaltenen „Gründe“ für
die Ersetzungsentscheidung auf Blatt 2 des Bauscheins vom 9.12.2010 dem vom
Landesgesetzgeber – unabhängig von der Beantwortung der zuvor genannten
Grundsatzfrage – in § 72 Abs. 3 Satz 2 LBO 2004 normierten formalen
Begründungserfordernis genügen. Angesichts der geschilderten Verschiedenartigkeit des in
dem unmittelbaren Umfeld des Baugrundstücks vorhandenen Baubestands erscheint das
jedenfalls für den lediglich pauschalen Hinweis auf ein Einfügen des Vorhabens „nach Art
und Maß der baulichen Nutzung und auch von der Gebäudehöhe her“ in die nähere
Umgebung eher fraglich. Die dort folgende Kurzkennzeichnung dieser Umgebung als
geprägt „von ein- und zweigeschossigen Wohnhäusern“ könnte jedenfalls mit Blick auf das
geplante (dritte) Staffelgeschoss sogar eher gegen ein Einfügen sprechen, wenn man in
dem Zusammenhang für § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB nicht auf die rechnerische Ermittlung
der Relation der überbauten Flächen in Ober- und Staffelgeschoss (§ 2 Abs. 5 Satz 2 LBO
2004) für eine Vollgeschosseigenschaft, (vgl. insoweit die Berechnungen in der Bauakte
(Blatt 78), wonach das Maß von ¾ bei einem Verhältnis von 213,25 qm (Obergeschoss)
zu 131,10 qm (Staffelgeschoss) nicht erreicht wird) sondern auf das tatsächliche
Erscheinungsbild abstellt, was allerdings auch für eventuelle „Vergleichsbauten“ in der
maßgeblichen näheren Umgebung zu gelten hätte. (vgl. in dem Zusammenhang etwa
BVerwG, Urteil vom 23.3.1994 – 4 C 18.92 –, BRS 56 Nr. 63, wonach es für das Einfügen
nach dem Maß der baulichen Nutzung nicht auf „Feinheiten“ der an landesrechtliche
Begriffe des Vollgeschosses anknüpfenden Berechnungsregeln der BauNVO ankommt,
sondern darauf, ob sich das Gebäude „als solches“ in die Eigenart der näheren Umgebung
einfügt, und BVerwG, Beschluss vom 21.6.1996 – 4 B 84.96 –, BRS 58 Nr. 83, wonach es
auf die nach außen wahrnehmbare Erscheinung des Gebäudes im Verhältnis zur
Umgebungsbebauung ankommt und nicht auf ein Ergebnis komplizierter Berechnungen,
dazu insgesamt Hofherr in Berliner Kommentar zum BauGB, 3. Auflage, Loseblatt, § 34 Rn
33)
Im Ergebnis war die Beschwerde der Beigeladenen zurückzuweisen. Im Rahmen der nach
den §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung
erlangen die durch eine wirtschaftlich zügige „Umsetzung“ des Vorhabens bereits
aufgelaufenen Kosten und Haftungsrisiken der Beigeladenen keine eigenständige
Bedeutung. Derartigen Interessen an einer regelmäßig von Rechtsbehelfen Dritter
ungehinderten (vorläufigen) Ausnutzbarkeit der Baugenehmigung – wohlgemerkt bis zum
Abschluss der Hauptsacheverfahren immer „auf eigenes Risiko“ – hat der Gesetzgeber
durch die Einführung des § 212a Abs. 1 BauGB und die darin enthaltene Umkehrung des
Regel-Ausnahme-Verhältnisses Rechnung getragen. Deswegen fordert die Rechtsprechung
für eine Aussetzungsentscheidung die hier zu bejahenden „gewichtigen“ Zweifel an der
rechtlichen Unbedenklichkeit der Genehmigung. Liegen diese vor, so tritt das
typischerweise bestehende wirtschaftliche Bauherreninteresse an einer sofortigen
Ausnutzbarkeit der Baugenehmigung indes hinter das Interesse des Dritten an der
Verhinderung einer Schaffung „vollendeter Tatsachen“ vor abschließender Klärung im
Hauptsacheverfahren zurück. In welchem Umfang sich Bauherrn im Einzelfall auf dieser
Grundlage vorab wirtschaftlich engagieren, kann eine (weitere) Verschiebung dieser
Beurteilungsmaßstäbe nicht rechtfertigen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf dem § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in den §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 3, 52 Abs. 1,
47 GKG.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar.