Urteil des OVG Saarland vom 03.02.2011

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OVG Saarlouis Beschluß vom 3.2.2011, 3 A 270/10
Veröffentlichung im Internet nach dem Verbraucherinformationsgesetz
Leitsätze
§ 5 Abs. 1 Satz 2 VIG gewährt der zuständigen Stelle die Befugnis zu einer aktiven,
antragsunabhängigen Informationserteilung.
Einer Veröffentlichung kürzlich festgestellter erheblicher Verstöße gegen das LFGB im
Internet durch die zuständige Behörde steht nicht entgegen, dass die festgestellten Mängel
zwischenzeitlich beseitigt wurden.
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 24.8.2010 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes - 3
K 228/10 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Kläger.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das im Tenor genannte Urteil
des Verwaltungsgerichts des Saarlandes, durch das der Bescheid des Beklagten vom
15.12.2009 über die Internetveröffentlichung von Verstößen gegen das Lebensmittel- und
Futtermittelgesetzbuch (Im Folgenden: LFGB) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 19.2.2010 bestätigt wurde, ist zulässig, aber nicht begründet.
Das den Prüfungsumfang im Zulassungsverfahren begrenzende Vorbringen des Klägers in
der Antragsbegründung vom 26.10.2010 gibt keine Veranlassung, das vorgenannte Urteil
einer Überprüfung in einem Berufungsverfahren zuzuführen. Die geltend gemachten
Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung im Sinne des
§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO oder der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach §
124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegen nicht vor.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit einer Gerichtsentscheidung sind regelmäßig dann
begründet, wenn gegen deren Richtigkeit nach summarischer Prüfung gewichtige
Gesichtspunkte sprechen, wie es etwa der Fall ist, wenn ein einzelner tragender
Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten
in Frage gestellt werden
vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ
2000, 1163, 1164.
Richtigkeit im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO meint dabei die Ergebnisrichtigkeit des
Entscheidungstenors, nicht dagegen die (vollständige) Richtigkeit der dafür gegebenen
Begründung
vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.3.2004 - 7 AV 4/03 -, NVwZ-RR
2004, 542.
Die Angriffe des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vermögen derartige
Zweifel nicht zu begründen.
Dem Kläger kann nicht darin gefolgt werden, dass § 5 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zur
Verbesserung der gesundheitsbezogenen Verbraucherinformation -
Verbraucherinformationsgesetz - (im Folgenden: VIG), worauf der angefochtene Bescheid
gestützt ist, keine Rechtsgrundlage für eine aktive Informationstätigkeit der Behörden -
etwa durch Einstellen von Informationen ins Internet – beinhalte, vielmehr das VIG in erster
Linie ein Informationsverfahren vorsehe, das einen Antrag voraussetze. Die vom Kläger
vertretene Auffassung, § 5 Abs. 1 Satz 2 VIG verfolge rein verfahrens- und
finanzökonomische Ziele und eröffne den Behörden lediglich in Fällen, in denen eine Vielzahl
von Anträgen eingehe oder zu erwarten sei, die Möglichkeit, von aufwendigen
Einzelantworten abzusehen und auf öffentlich zugängliche Daten zu verweisen, vermag
nicht zu überzeugen. Sie beinhaltet eine unzulässige Auslegung contra legem, die sich über
den eindeutigen Wortlaut von § 5 Abs. 1 Satz 2 VIG hinwegsetzt. In der vorgenannten
Vorschrift ist ausdrücklich bestimmt, dass die informationspflichtige Stelle Informationen, zu
denen Zugang zu gewähren ist, auch unabhängig von einem Antrag nach § 3 Abs. 1
(Hervorhebung durch den Senat) über das Internet oder in sonstiger öffentlich zugänglicher
Weise zugänglich machen kann. Daraus ergibt sich unzweifelhaft eine Befugnis der
zuständigen Stellen zu einer antragsunabhängigen Informationsgewährung. Des Weiteren
lässt sich den Gesetzesmaterialien entnehmen, dass der Gesetzgeber eine solche auch
ausdrücklich gewollt hat. So ist im Gesetzesentwurf vom 22.5.2007
vgl. BT-Drs. 16/5404, S. 1
ausgeführt:
„Verbraucherinnen und Verbrauchern wird mit dem vorliegenden Gesetzentwurf Zugang zu
den bei den Behörden vorhandenen Informationen im Anwendungsbereich des LFGB und
des Weingesetzes eröffnet.
Darüber hinaus werden die Fälle ausgeweitet, in denen die Behörden von sich aus
(Hervorhebung durch den Senat) die Öffentlichkeit unter Namensnennung über
marktrelevante Vorkommnisse informieren sollen.“
Ziel des Gesetzes war und ist „die Gewährleistung einer umfassenden Information der
Verbraucherinnen und Verbraucher“.
„Um vorhandene Informationspotentiale … zu erschließen,“ sehe - so der Gesetzentwurf,
BT-Drs. 16/5404, S. 7 und 8 - „das Gesetz daher folgende Informationsmöglichkeiten vor:
- Die Ausweitung der Fälle, in denen die Behörden die Öffentlichkeit
unter Namensnennung informieren;
- das Recht der Verbraucherinnen und Verbraucher auf Zugang zu
den bei Behörden vorhandenen Informationen.“
Das Gesetz basiert damit auf zwei Säulen, die sich ergänzen: dem (subjektiven) Recht der
Verbraucher auf Zugang zu den bei Behörden vorhandenen Informationen und der
gesetzlichen Befugnis der Behörden zur Information der Öffentlichkeit von Amts wegen
über marktrelevante Vorkommnisse (gegebenenfalls unter Namensnennung)
so auch Schoch, NJW 2010, 2241 ff. m.w.N. aus der Literatur.
Für eine einschränkende Auslegung von § 5 Abs. 1 Satz 2 VIG im Sinne der vom Kläger in
Anlehnung an eine Mindermeinung in der Literatur
vgl. etwa Holzner, NVwZ 2010, 489
vertretene Auffassung gibt es demgegenüber keinerlei Anhaltspunkte. Das vom Kläger für
seine Auffassung ins Feld geführte Argument, wonach § 40 LFGB für Warnungen anlässlich
von Verstößen gegen das LFGB bereits eine Rechtsgrundlage biete, deren restriktiv
gefasste Voraussetzungen umgangen würden, wenn man darüber hinaus auch in § 5 Abs.
1 Satz 2 VIG eine Rechtsgrundlage für eine aktive Informationstätigkeit der zuständigen
Behörden sehe, überzeugt nicht. § 5 Abs. 1 Satz 2 VIG verfolgt eine andere Zielrichtung als
die Informationsbefugnis gemäß § 40 LFGB. Während Letztere auf eine Gefahrenabwehr
und Risikoprävention zielt, dient das VIG der hiervon zu unterscheidenden (schlichten)
Verbraucherinformation
so auch Wollenschläger, Staatliche Verbraucherinformation als neues
Instrument des Verbraucherschutzes, m.w.N..
Ziel des VIG war und ist die Gewährleistung einer umfassenden Information der
Verbraucherinnen und Verbraucher, um diese besser zu befähigen, Kaufentscheidungen
eigenverantwortlich zu treffen und auf diese Weise zu einer sinnvollen Steuerung der
gesamten Marktsysteme beizutragen. Das VIG wurde gerade geschaffen, weil die
bestehende Rechtslage, insbesondere die bereits vorhandenen Bestimmungen zur
Verbraucherinformation - etwa auch § 40 LFGB - als lückenhaft und
verbesserungsbedürftig erachtet wurden und strukturelle Informations-asymmetrien zu
Lasten der Verbraucherinnen und Verbraucher beseitigt werden sollten. Diesem Ziel dient
insbesondere die in § 5 Abs. 1 Satz 2 VIG normierte Befugnis der zuständigen Behörden,
auch unabhängig von einem Antrag Informationen über das Internet oder in sonstiger
Weise öffentlich zugänglich zu machen
vgl. BT-Drs. 16/5404, S. 7, 13.
Im Übrigen unterliegt auch die Informationserteilung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 VIG im
Hinblick auf den stets zu wahrenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Grenzen.
Dass aktive Informationsbefugnisse, wie sie § 5 Abs. 1 Satz 2 VIG vermittelt, im
Informationsrecht keinen Fremdkörper darstellen, verdeutlicht nicht zuletzt auch § 10 UIG,
der solche im Bereich der Umweltinformationen begründet.
Dementsprechend gehen auch die ganz überwiegende Literatur sowie die bisher hierzu
veröffentlichte Rechtsprechung davon aus, dass § 5 Abs. 1 Satz 2 VIG eine
Rechtsgrundlage für eine antragsunabhängige Informationsgewährung beinhaltet
vgl. etwa Schoch, a.a.O..; Wollenschläger, a.a.O.; jeweils mit
zahlreichen weiteren Nachweisen; VG Stuttgart, Beschluss vom
21.1.2009 - 4 K 5605/08 -, dokumentiert bei Juris.
Auch der weitere Einwand des Klägers, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass für
eine Veröffentlichung von Verstößen gegen das LFGB im Internet im Hinblick auf deren
Auswirkungen sowie das Übermaßverbot zumindest schwerwiegende Mängel zu fordern
seien, zu deren Annahme die beim Kläger getroffenen Feststellungen jedoch nicht
ausreichten, bleibt erfolglos.
Das Verwaltungsgericht ist zunächst zu Recht davon ausgegangen, dass nach § 1 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 VIG vom Grundsatz her jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes Anspruch auf
freien Zugang zu allen Daten u.a. über Verstöße gegen das LFGB sowie über im
Zusammenhang mit solchen Verstößen getroffene Maßnahmen und Entscheidungen hat,
soweit kein Ausschluss- oder Beschränkungsgrund nach § 2 VIG vorliegt. Zutreffend - und
im Zulassungsverfahren insoweit auch nicht angegriffen - hat das Verwaltungsgericht
weiter ausgeführt, dass der Kläger im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG gegen das
LFGB verstoßen hat und dies durch Bußgeldbescheid des Beklagten vom 21.9.2009
bestandskräftig festgestellt wurde.
Die konkreten Feststellungen im Bußgeldbescheid zugrunde legend hat das
Verwaltungsgericht des Weiteren angenommen, dass es sich dabei um erhebliche und zum
Teil gesundheitsgefährdende Mängel handelte, bezüglich derer ein gewichtiges und
überwiegendes Informationsinteresse der Verbraucher bestehe, während die
Schutzwürdigkeit des Interesses des Klägers als der für diese Mängel verantwortlichen
Person in gleichem Maße in den Hintergrund trete. Ein - hier allein in Betracht zu ziehender -
Ausschlussgrund im Sinne des § 2 Satz 1 Nr. 2 a VIG bestehe angesichts der konkreten
Fallumstände nicht. Auch dies ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Ausweislich der bestandskräftigen Feststellungen im Bußgeldbescheid vom 21.9.2009 hat
der Kläger es unterlassen, seine Betriebsräume in einem der Verordnung 852/04 (EG) über
Lebensmittelhygiene entsprechenden Zustand zu erhalten. Vorgefunden wurden
gravierende Mängel baulicher und hygienischer Art, die ein einwandfreies Herstellen,
Vorrätighalten und Inverkehrbringen von Lebensmitteln nicht mehr gewährleisteten.
Verfahrensgrundsätze zur Verhinderung solcher Mängel wurden vom Kläger weder
eingerichtet noch durchgeführt oder dokumentiert. Im Einzelnen wurden folgende Mängel
festgestellt: Im Verkaufsraum lagerten Backwaren auf nicht abwaschbaren, beschädigten
Holzbrettern. Die Wände des Zubereitungsraums waren nicht mit einem abwaschbaren
Anstrich versehen. Ein Insektengitter an den (geöffneten) Fenstern fehlte. Im Vorraum zur
Backstube blätterte der Deckenanstrich. In der Backstube waren die Deckenpaneele lose,
die Ablageflächen hatten Lackschäden und es fanden sich offene Kabelschächte. Im
Zubereitungsraum wurden alle Schubladen der Anrichte innen unsauber vorgefunden. Im
Treppenabgang zum Zubereitungsraum, durch den offene Backwaren in den Verkaufsraum
verbracht werden, waren Boden und Wände unsauber, die Tapeten an den Wänden
verschimmelt. Der Durchgangsraum zu den Lagerräumen befand sich ebenfalls in einem
verschmutzten Zustand, die Wände waren zum Teil unverputzt und verschimmelt, der
Abfluss im Boden mit altem Unrat verschmutzt, in den Ecken befanden sich Spinnweben,
Elektroleitungen und Steckdosen waren verschimmelt und zugestaubt. Darüber hinaus
lagerten dort Abfälle, Benzinkanister, Autoreifen und altes Mobiliar. Der Vorraum zur
Backstube wurde ebenfalls in allen Bereichen unsauber vorgefunden. Decke und Wände
waren verstaubt, verschmutzt und verschimmelt. In den Fliesenfugen fand sich teilweise
Schwarzschimmel. Regalböden waren verschmutzt und klebrig, Leitungen auf Putz
zugestaubt, in unsauberen und stellenweise mit Spinnweben behafteten Schubladen der
Arbeitstische waren offen verschiedene Backzutaten und Gerätschaften für den
Backbetrieb gelagert. Im hinteren Teil des Vorbereitungsraums standen auf dem
unsauberen Fußboden verschiedene unsaubere Brotkörbe, Eimer, Tüten mit Backzutaten
sowie Altbrot zur Herstellung von Paniermehl. In der Backstube selbst waren Fußboden und
Wände ebenfalls unsauber, in den Schubladen der Arbeitstische, wo offene Backzutaten
standen, fanden sich Staub und Spinnweben, auf dem verunreinigten Fußboden standen
ebenfalls offene Backzutaten, die Ablageflächen wiesen Lackabsplitterungen auf, der Abzug
über dem Backofen war verfettet und verstaubt, offene Kabelschächte waren mit
Gespinsten und Staub verunreinigt.
Das Verwaltungsgericht hat die vorstehend angeführten Mängel und Hygieneverstöße –
ebenso wie der Beklagte - zu Recht als schwerwiegend angesehen.
Der Einwand des Klägers, dass weder sein Betrieb geschlossen worden, noch von ihm
gesundheitsgefährdende Lebensmittel in Verkehr gebracht, noch die hergestellten
Lebensmittel aufgrund hygienischer Mängel nachteilig beeinflusst worden seien und damit
keine der auf der Internetseite des Beklagten bezeichneten Fallgruppen schwerwiegender
Hygienemängel vorgelegen habe, in denen regelmäßig eine Veröffentlichung von Amts
wegen erfolge, ist unerheblich. Auf der Internetseite des Beklagten sind die vom Kläger
angegebenen Fallgruppen ausdrücklich als bloße Regelbeispiele schwerwiegender
Hygienemängel, die eine Veröffentlichung nach sich ziehen, aufgeführt.
Ein zu einer Veröffentlichung berechtigender gravierender Verstoß gegen die Vorschriften
des LFGB liegt aber nicht erst dann vor, wenn die hergestellten Lebensmittel selbst bereits
nachteilig beeinflusst wurden bzw. von diesen eine Gesundheitsgefährdung ausging.
Vielmehr kann ein schwerwiegender Verstoß i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG auch schon
angenommen werden, wenn - wie vorliegend - aufgrund zahlreicher Verstöße gegen
Hygienevorschriften in Gestalt einer erheblichen Unsauberkeit inklusive Schimmelbildung die
Herstellung und das Inverkehrbringen einwandfreier Lebensmittel nicht mehr hinreichend
sichergestellt, vielmehr von einer latenten Gefahr der Beeinträchtigung auch der
Lebensmittel auszugehen war, auch wenn eine unmittelbare Gesundheitsgefährdung noch
nicht bestand.
Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte ausgehend von den oben
dargestellten erheblichen Verstößen gegen das LFGB ein die Schutzwürdigkeit der
Interessen des Klägers als der für diese Mängel verantwortlichen Person überwiegendes
Informationsinteresse der Verbraucher angenommen und demzufolge auch einen
Ausschlussgrund im Sinne von § 2 Satz 1 Nr. 2 a VIG verneint hat.
Das Verwaltungsgericht hat des Weiteren zu Recht angenommen, dass der Beklagte das
ihm im Rahmen des § 5 Abs. 1 Satz 2 VIG zukommende Ermessen erkannt und - unter
Berücksichtigung der hierzu ergangenen Verwaltungsrichtlinie - ordnungsgemäß ausgeübt
hat.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist insoweit auch kein Verstoß gegen das
Übermaßverbot ersichtlich. Dabei wird nicht verkannt, dass die vom Beklagten
beabsichtigte Veröffentlichung im Internet unter Umständen nicht unerhebliche Einbußen
für den Betrieb des Klägers zur Folge haben kann. Eventuelle Umsatzeinbußen hätte der
Kläger aber durch die von ihm zu vertretenden erheblichen Verstöße gegen
lebensmittelrechtliche Vorschriften letztlich selbst zu verantworten. Demgegenüber besteht
auf Seiten der Verbraucher ein schutzwürdiges Interesse daran, über schwerwiegende
Hygieneverstöße informiert zu werden. Der Beklagte ist bei seiner Entscheidung in nicht zu
beanstandender Weise davon ausgegangen, dass der mit den Vorschriften des VIG
bezweckte Schutz der Verbraucher durch Informationsgewährung in Fällen der
vorliegenden Art am effektivsten durch eine antragsunabhängige Veröffentlichung zu
realisieren ist.
Im Hinblick auf den vom Kläger angeführten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist dabei
auch zu berücksichtigen, dass lediglich eine Veröffentlichung für die Dauer eines Monats
vorgesehen ist. Mit dieser relativ kurzen Zeitspanne der Veröffentlichung ist den Interessen
des Klägers hinreichend Rechnung getragen.
Einer Veröffentlichung im Internet steht - anders als der Kläger meint - auch nicht
entgegen, dass die im August 2009 bzw. bei der Nachkontrolle im September 2009
festgestellten Verstöße – nach Aussage des Klägers - mittlerweile behoben sind. Der vom
Kläger in diesem Zusammenhang angeführten Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts
Beschluss vom 26.6.2002 – 1 BvR 558/91, 1 BvR 1428/91 -,
BVerfGE 105, 252,
wonach grundsätzlich Voraussetzung für eine Veröffentlichung ist, dass diese die
Transparenz am Markt und damit dessen Funktionsfähigkeit fördert, kann nicht
entnommen werden, dass eine Information nur zulässig ist, solange festgestellte Mängel
andauern. Denn auch Informationen über Mängel aus der jüngeren Vergangenheit sind
geeignet, zur Transparenz am Markt beizutragen. Entgegen der Auffassung des Klägers
kann das Ziel des VIG, zum einen den Verbrauchern eine eigenverantwortliche
Kaufentscheidung zu erleichtern und zum anderen Unregelmäßigkeiten bei der Herstellung,
Lagerung und Lieferung von Lebensmitteln möglichst einzudämmen, auch mit einer
Veröffentlichung nach Behebung der festgestellten Mängel durchaus noch erreicht werden.
Die lebensmittelrechtliche Unzuverlässigkeit eines Herstellers in der jüngeren Vergangenheit
kann durchaus eine für die Konsumentenentscheidung des Verbrauchers in Gegenwart und
Zukunft relevante Tatsache darstellen, auch wenn die festgestellten Verstöße
zwischenzeitlich beseitigt wurden. Nach dem Gesetzeszweck des VIG ist es dem
Verbraucher überlassen, welche Schlüsse er aus vor kurzer Zeit festgestellten Verstößen
gegen das LFGB zieht. Des Weiteren ist insoweit zu berücksichtigen, dass die im VIG
vorgesehene Möglichkeit einer Veröffentlichung von Verstößen im Internet nur dann die
gewünschte Wirkung auf das Verhalten von Lebens- bzw. Futtermittelherstellern zu
entfalten vermag, wenn eine Veröffentlichung festgestellter erheblicher Mängel auch nach
deren Beseitigung noch möglich bleibt. Denn ansonsten liefe das Instrument der
Internetveröffentlichung als ein wesentlicher Bestandteil des aktiven Informationsrechts der
Behörde angesichts zu wahrender Verfahrensrechte der Betroffenen, insbesondere
einzuräumender Rechtsmittelfristen, faktisch vielfach leer. In zahlreichen Fällen stehen die
einzuhaltenden verfahrensrechtlichen Bestimmungen einer tagesaktuellen Veröffentlichung
entgegen. Nicht zuletzt spricht auch die Regelung in § 2 Satz 1 Nr. 1 e VIG, wonach ein
einem Informationsanspruch entgegenstehender öffentlicher Belang in der Regel erst bei
Informationen anzunehmen ist, die vor mehr als fünf Jahren seit der Antragstellung
entstanden sind, dafür, dass schwerwiegende Hygienemängel auch nach deren Beseitigung
noch veröffentlicht werden dürfen. Vorliegend sind seit der Feststellung der Mängel erst
knapp 1 1/2 Jahre vergangen, so dass noch von einer ausreichenden Aktualität
ausgegangen werden kann.
Durch eine Veröffentlichung erst nach Abschluss des Rechtsmittelverfahrens wird - anders
als der Kläger meint - auch nicht der Eindruck erweckt, dass der festgestellte Verstoß
weiterhin fortbestehe. Einem solchen Eindruck wird bereits dadurch hinreichend
entgegengewirkt, dass auf der entsprechenden Internetseite des Beklagten vor den
Veröffentlichungen gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 VIG in Fettdruck folgender klarstellender
Hinweis erfolgt:
„Die Veröffentlichung im Internet spiegelt nur den Zustand zum Tatzeitpunkt wider.
Zwischen Kontrollbesuch mit Mängelfeststellung und Veröffentlichung können mehrere
Monate liegen, da die Entscheidung zur Veröffentlichung dem Betroffenen im Vorfeld
bekannt gegeben werden muss und Rechtsmittelfristen abzuwarten sind. Rückschlüsse auf
den Hygienezustand zum heutigen Zeitpunkt sind daher nicht möglich.“
Angesichts dieses eindeutigen Hinweises bestehen auch keine Bedenken unter dem Aspekt
der Richtigkeitsgewähr öffentlicher Verbraucherinformationen.
Der weitere Einwand des Klägers, eine Veröffentlichung im Internet habe nicht zuletzt
deshalb zu unterbleiben, weil die festgestellten Hygieneverstöße durch das bestandskräftig
verhängte Bußgeld abschließend geahndet seien, vermag ebenfalls nicht durchzudringen.
Dem steht bereits die unterschiedliche Zwecksetzung des Bußgeldverfahrens einerseits
und des VIG andererseits entgegen. Während es im Bußgeldverfahren vornehmlich um eine
Ahndung der festgestellten Verstöße geht, handelt es sich bei der Internetveröffentlichung
gemäß dem VIG nicht um eine Sanktion, sondern bezweckt diese in erster Linie eine
Information der Verbraucher, um eine adäquate Basis für Konsumentenentscheidungen zu
schaffen. Hierzu leistet das regelmäßig nicht unter den Augen der Öffentlichkeit zum
Einsatz kommende ordnungsrechtliche Instrumentarium keinen Beitrag. In Rechnung zu
stellen ist zudem die erhöhte Präventionswirkung bei zusätzlicher
Öffentlichkeitsinformation.
Nach alledem vermögen die Einwände des Klägers keine ernstlichen Zweifel an der
Richtigkeit des angefochtenen Urteils zu begründen.
Auch soweit sich der Kläger auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung im
Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO beruft, ist die Zulassung der Berufung nicht
gerechtfertigt.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn sie eine für die
Berufungsentscheidung erhebliche, klärungsfähige, höchst- oder obergerichtlich nicht
(hinreichend) geklärte Frage allgemeiner, fallübergreifender Bedeutung aufwirft, die im
Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder ihrer Fortentwicklung der
berufungsgerichtlichen Klärung bedarf. Nicht klärungsbedürftig ist eine Frage, deren
Beantwortung sich ohne Weiteres aus dem Gesetz ergibt
vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Auflage, § 124 VwGO RZ 10 m.w.N..
Der Kläger erachtet die rechtliche Frage als grundsätzlich klärungsbedürftig, „wann
Informationen, zu denen Zugang zu gewähren ist, auch unabhängig von einem Antrag nach
§ 3 Abs. 1 VIG über das Internet oder in sonstiger öffentlicher Weise zugänglich zu machen
sind, insbesondere ob insoweit an die aktive Informationstätigkeit einer Behörde im Hinblick
auf das eingeräumte Ermessen strengere Anforderungen als im Falle der
Informationserteilung aufgrund eines Antrags zu stellen sind.“
Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist insoweit nicht ersichtlich. Versteht man
dieses Vorbringen im Gesamtzusammenhang der Ausführungen des Klägers dahin, dass er
zunächst die Frage als grundsätzlich klärungsbedürftig erachtet, ob § 5 Abs. 1 Satz 2 VIG
der zuständigen Stelle überhaupt ein antrags-unabhängiges Informationsrecht einräumt, so
ist zur Klärung dieser Frage die Durchführung eines Berufungsverfahrens bereits deshalb
nicht erforderlich, weil diese sich - wie oben bereits dargelegt - ohne weiteres aus dem
Gesetz und den Gesetzesmaterialien heraus – bejahend - beantworten lässt.
Hinsichtlich der darüber hinaus vom Kläger aufgeworfenen Frage, wann Informationen, zu
denen Zugang zu gewähren ist, auch unabhängig von einem Antrag nach § 3 Abs. 1 VIG
über das Internet oder in sonstiger öffentlicher Weise zugänglich zu machen sind, ist zu
berücksichtigen, dass § 5 Abs. 1 Satz 2 VIG, der den zuständigen Stellen eine Befugnis zur
aktiven Informationstätigkeit vermittelt, den Behörden Ermessen einräumt, wann sie mit
Blick auf die Zielsetzung des VIG von dieser Berechtigung Gebrauch machen wollen. Dies
ergibt sich ohne Weiteres aus dem Wortlaut der Vorschrift, wonach die
informationspflichtige Stelle Informationen, zu denen Zugang zu gewähren ist, … über das
Internet oder in sonstiger öffentlich zugänglicher Weise zugänglich machen kann Dabei hat
die Behörde insbesondere auch im Hinblick auf den in § 2 Satz 1 Nr. 2 a VIG normierten
Ausschlussgrund, wonach Zugang zu personenbezogenen Daten nur zu gewähren ist,
wenn das Informationsinteresse der Verbraucherin oder des Verbrauchers das
schutzwürdige Interesse der oder des Dritten am Ausschluss des Informationszugangs
überwiegt oder die oder der Dritte eingewilligt hat, jeweils eine Einzelfallentscheidung unter
Abwägung der im konkreten Fall widerstreitenden Interessen mit Blick insbesondere auf die
Schwere der festgestellten Verstöße zu treffen, wie dies auch vorliegend erfolgt ist. Die für
diese Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte sind abhängig vom jeweiligen Einzelfall
und einer allgemeinen Klärung, wie sie der Kläger anstrebt, nicht zugänglich.
Der weitere vom Kläger angesprochene Aspekt, ob an die aktive Informationstätigkeit einer
Behörde im Hinblick auf das eingeräumte Ermessen strengere Anforderungen als im Falle
der Informationserteilung aufgrund eines Antrags zu stellen sind, ist im vorliegenden
Verfahren nicht entscheidungserheblich. Der Beklagte hat die angefochtene Entscheidung,
die im Betrieb des Klägers festgestellten Verstöße gegen das LFGB im Internet zu
veröffentlichen, darauf gestützt, dass es sich dabei um bestandskräftig festgestellte
schwerwiegende Hygienemängel handelte und von daher ein die privaten Belange des
Klägers überwiegendes allgemeines Informationsinteresse der Verbraucher anzunehmen
war, was - wie dargelegt - rechtlich nicht zu beanstanden ist. Ob auch unterhalb der
Schwelle bestandskräftig festgestellter schwerwiegender Hygienemängel eine aktive
Informationstätigkeit der Behörde in Betracht kommt bzw. ob insoweit andere Maßstäbe
als in einem Antragsverfahren gelten, ist im konkret zu entscheidenden Fall des Klägers
nicht relevant und bedarf schon deshalb keiner Klärung in einem Berufungsverfahren.
Liegen die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe demnach nicht vor, ist der
Antrag zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 und 47 Abs. 3 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.