Urteil des OVG Saarland vom 03.02.2011

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OVG Saarlouis Urteil vom 3.2.2011, 2 A 484/09
Mitwirkungspflicht bei Beschaffung von Heimreisedokumenten; staatenloser Palästinenser
aus dem Libanon; schuldhafte Nichterfüllung zumutbarer Ausreisehindernisse
Leitsätze
Ein staatenloser Palästinenser aus dem Libanon verletzt seine Mitwirkungspflicht, wenn er
nach langjährigem geduldetem Aufenthalt im Bundesgebiet, während dessen sich die
Ausländerbehörde erfolglos um die Beschaffung von Reisedokumenten für seine Ausreise
bemüht hatte, die eigenständige Beantragung eines Reisedokuments unterlässt, obwohl
ihm zu diesem Zweck ein Aufenthaltstitel erteilt wurde.
Ein staatenloser Palästinenser aus dem Libanon, der dort den Beistand der UNRWA in
Anspruch genommen, legal sein Herkunftsland verlassen und aus eigenem Entschluss auf
eine Rückkehr verzichtet hat, erfüllt den Ausschlussgrund des § 1 Abs. 2 lit. I StlÜbk.
Tenor
Die Berufungen der Kläger gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18.
September 2009 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes – 10 K 109/09
– werden zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufungsverfahren tragen der Kläger zu 1. zu 2/5 und die Klägerinnen zu
2. bis 4. zu je 1/5.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der 1963 im Libanon geborene Kläger zu 1. – nachfolgend: Kläger -, der nach seinen
Angaben staatenloser Palästinenser ist, begehrt für sich und seine minderjährigen Kinder,
die Klägerinnen zu 2. bis 4., die Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnisse beziehungsweise
hilfsweise eine Bescheidung sowie für sich selbst die Verpflichtung des Beklagten zur
Ausstellung eines Reiseausweises nach dem Übereinkommen über die Rechtsstellung der
Staatenlosen beziehungsweise eine entsprechende Bescheidung.
Der Kläger reiste mit seiner Ehefrau, einer libanesischen Staatsangehörigen, im Jahre 1994
in die Bundesrepublik Deutschland ein. Asylverfahren - auch der in Deutschland geborenen
Klägerinnen - blieben in der Folge ohne Erfolg. Seit 1999 beziehungsweise 2002 wurden
die Kläger zunächst geduldet. Erstmals unter dem 16.11.1999 beantragte der
Rechtsvorgänger des Beklagten, das Landesamt für Ausländer- und
Flüchtlingsangelegenheiten Saarland -, die Ausstellung von Laissez-Passer zur Rückführung
in den Libanon bei der Botschaft des Libanon. Trotz zahlreicher Erinnerungsschreiben blieb
der Antrag in der Folge ohne Antwort.
Unter dem 24.5.2005 beantragten die Kläger die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und
der Kläger die Erteilung eines Staatenlosenausweises. Da in der Folge keine Bescheidung
erfolgte, erhoben die Kläger am 15.12.2005 Klage (5 K 159/05). Nachdem der Beklagte
den Klägern am 25.9.2007 eine bis 24.3.2008 (Ostermontag) gültige Aufenthaltserlaubnis
gemäß § 25 V AufenthG ausgestellt hatte, erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit in der
Hauptsache für erledigt; mit Beschluss vom 4.12.2007 wurde das Verfahren durch das
Verwaltungsgericht eingestellt. Unter dem 26.3.2008 beantragten die Kläger die
Verlängerung ihrer jeweiligen Aufenthaltserlaubnis, nachdem sie bereits am Vortag bei der
Ausländerbehörde vorgesprochen und eine Fiktionsbescheinigung gemäß § 81 IV AufenthG
erhalten hatten, die in der Folge jeweils verlängert wurde.
Mit Schreiben vom 3.4.2008 forderte der Beklagte die Kläger auf, Nachweise dafür
vorzulegen, dass sie sich um libanesische Pässe bemüht hätten.
Am 2.5.2008 hat der Kläger Klage (10 K 435/08) auf Verpflichtung des Beklagten zur
Am 2.5.2008 hat der Kläger Klage (10 K 435/08) auf Verpflichtung des Beklagten zur
Ausstellung eines Reiseausweises für Staatenlose erhoben. Er hat dabei Bezug genommen
auf das für erledigt erklärte Verfahren 5 K 159/05, in dem sich der Beklagte bereit erklärt
habe, eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 AufenthG zu erteilen. Diese
Aufenthaltserlaubnis habe er am 25. 9.2007 erhalten. Seit dem 24.3.2008 sei er im
Besitz einer Fiktionsbescheinigung. Auf seine Erinnerungen, in denen er um abschließende
Entscheidung gebeten habe, habe der Beklagte nicht reagiert. Die somit zulässige
Untätigkeitsklage sei auch begründet. Zweifel an seiner - des Klägers - Staatenlosigkeit
seien nicht vorgetragen worden; auch für das Gericht habe seine palästinensische
Volkszugehörigkeit festgestanden. Er habe keine Möglichkeit, ein „Document de Voyage“
(DDV) zu erhalten, da er hierfür das bisherige DDV sowie einen aktuellen blauen
Personalausweis benötige. Beides besitze er nicht. Außerdem ergebe sich aus dem
Schreiben des Bundesministeriums des Innern, dass das DDV nicht visierfähig sei und nicht
mit einem Visum oder Aufenthaltstitel versehen werden könne.
Am 17.2.2009 haben die Kläger Klage (10 K 109/09) auf Verpflichtung des Beklagten zur
Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnisse erhoben. Sie haben im Wesentlichen ausgeführt,
ihnen sei am 25.9.2007 jeweils eine bis 24.3.2008 befristete Aufenthaltserlaubnis gemäß
§ 25 V AufenthG erteilt worden, über ihren Antrag auf Verlängerung jedoch seit nahezu
einem Jahr nicht entschieden worden. Die Klage sei daher gemäß § 75 VwGO zulässig; sie
sei auch begründet, da sie einen Anspruch auf Verlängerung ihrer Aufenthaltstitel hätten.
Sie seien unstreitig staatenlose Palästinenser, wobei die Klägerinnen im Bundesgebiet
geboren seien. Ferner bezogen sie sich auch insoweit auf das Verfahren 5 K 159/05, in
dem der Beklagte ausgeführt habe, dass er seit dem 16.11.1999 erfolglos
Rückreisedokumente zum Zwecke der Abschiebung der Familie von der libanesischen
Botschaft zu erhalten suche. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die bisherige
Weigerungshaltung der Botschaft mit der palästinensischen Volkszugehörigkeit des Klägers
zusammenhänge. In der mündlichen Verhandlung in diesem Verfahren habe der Beklagte
angegeben, dass er bereits elfmal bei der libanesischen Botschaft angefragt habe, um
Papiere für die Kläger zu bekommen, ohne dass eine Reaktion erfolgt sei. Gleichwohl werde
er sich mit Hilfe der Clearingstelle weiterhin um eine Vorsprache der Kläger bei der
libanesischen Botschaft bemühen. Es bestünde jedoch das grundsätzliche Problem, dass
die libanesische Botschaft über den Inhalt der Vorsprache ihrer Staatsangehörigen keinerlei
Auskünfte an deutsche Behörden erteile, keine Bescheinigungen über den Inhalt dieser
Gespräche ausfertige und es auch dem Kontaktmann der Clearingstelle, der die
betreffende Sachbearbeiterin bei der dortigen Botschaft gut kenne, aber bei Vorsprachen
nicht anwesend sein dürfe, nicht möglich sei, nähere Einzelheiten über den Inhalt der
Gespräche zu erfahren. Eine amtliche Bestätigung, dass die Kläger ihre Bereitschaft zu
einer freiwilligen Rückkehr dort bekundet hätten, sei von deutscher Seite wohl nicht
möglich. Das Gericht habe im Verfahren 5 K 159/05 darauf hingewiesen, dass die
Anforderungen des § 25 V AufenthG nicht überspannt werden dürften. Wenn es den
Klägern objektiv nicht möglich sei, die bei der libanesischen Botschaft geäußerte
Bereitschaft zur freiwilligen Rückkehr zu belegen, könne das nicht zu ihren Lasten gehen.
Da das Landesamt jedoch selbst ein Interesse an der Klärung der anstehenden Sachfrage
habe und das Verfahren zum Abschluss gebracht werden solle, könne davon ausgegangen
werden, dass die Kläger klaglos gestellt würden, wenn eine derartige Vorsprache das
Ergebnis erbringe, dass selbst im Falle eines freiwilligen Rückkehrwunsches keine
Passersatzpapiere ausgestellt würden. Zur Vorgehensweise der libanesischen Botschaft
und zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 V AufenthG an staatenlose
Palästinenser haben die Kläger Rechtsprechung zitiert. Sie haben schließlich darauf
hingewiesen, dass sie am 20.6.2009 bei der libanesischen Botschaft zwecks
Neuausstellung eines Passes vorgesprochen hätten und dabei das zu den Akten gereichte
Merkblatt, das die Unterschrift des Sachbearbeiters trage, erhalten hätten.
Die Kläger haben beantragt,
den Beklagten zu verpflichten,
die Aufenthaltserlaubnisse der Kläger zu verlängern,
hilfsweise ,
über den Antrag der Kläger auf Verlängerung ihrer
Aufenthaltserlaubnisse unter Beachtung der Rechtsauffassung des
Gerichts zu entscheiden.
Der Kläger hat des Weiteren beantragt,
den Beklagten zu verpflichten,
ihm einen Reiseausweis nach dem Abkommen über die
Rechtsstellung der Staatenlosen auszustellen,
hilfsweise,
über den Antrag des Klägers auf Ausstellung eines Reiseausweises
nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen
unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
Der Beklagte hat jeweils beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat Zweifel daran geäußert, dass der Kläger Staatenloser im Sinne des Art. 1 I des
Staatenlosenübereinkommens sei. Das Bundesministerium des Innern habe nämlich
jedenfalls mit seinem Schreiben an die Innenministerien und Senatsverwaltungen für
Inneres der Länder vom 8.8.2008 verfügt, dass bei palästinensischen Volkszugehörigen
aus dem Libanon von den Ausländerbehörden ein Aufenthaltstitel nach der Einreise in das
Bundesgebiet in einem Ausweisersatz oder in begründeten Ausnahmefällen in einem
Reiseausweis für Ausländer anzubringen sei. Im Übrigen beabsichtige er, den Antrag auf
Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 V AufenthG abzulehnen. Wie sich aus
einem im Internet von der Botschaft des Libanon veröffentlichten Merkblatt ergebe, sei es
dem Kläger spätestens seit der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis am 25.9.2007 ohne
weiteres möglich gewesen, das von den Beklagten geforderte DDV bei der libanesischen
Botschaft zu beantragen und somit das Ausreisehindernis zu beseitigen. Dies sei auch von
der Prozessbevollmächtigten des Klägers in ihrem Schreiben an den Beklagten vom
15.6.2007 so gesehen worden. Darüber hinaus habe der Kläger am Tag der Erteilung der
Aufenthaltserlaubnis gegenüber dem Beklagten ausdrücklich erklärt, dass er sich nach
Erhalt der Aufenthaltserlaubnis um die Ausstellung eines DDV bemühen werde. Von
derartigen Bemühungen sei bislang jedoch nichts bekannt geworden, obwohl der Beklagte
sie mit Schreiben vom 3.4. und 22.4.2008 ausdrücklich um eine Mitteilung gebeten habe,
inwieweit sie sich seit der Erteilung der Aufenthaltserlaubnisse um die Ausstellung der
benötigten Ausweispapiere bemüht hätten. Sie hätten sich vielmehr darauf beschränkt,
weitere Anstrengungen allein dem Beklagten zu überlassen und die Sinnhaftigkeit eigener
Bemühungen in Frage zu stellen vor dem Hintergrund, dass die Botschaft ausweislich des
von ihr herausgegebenen Informationsblattes die Vorlage eines alten DDV sowie eines
blauen Personalausweises verlange, in deren Besitze sie nicht seien. Einen blauen
Palästinenserausweis habe der Kläger jedoch beim Beklagten hinterlegt, dessen
Aushändigung zur Beantragung eines DDV jedoch nicht mehr verlangt. Was die geforderte
Vorlage eines alten DDV angehe, so könne es hier nur um solche Antragsteller gehen, die
die Verlängerung eines bereits ausgestellten DDV begehrten. Da das bestehende
Ausreisehindernis vom Kläger nunmehr beseitigt werden könne, sei ein Antrag auf
Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abzulehnen. Allerdings könne dem Kläger nach
Ablehnung des Verlängerungsantrages oder im Falle einer Rücknahme des Antrages bei
Vorlage eines DDV und Erfüllen der übrigen Erteilungsvoraussetzungen die von ihm am
17.4.2007 beantragte Aufenthaltserlaubnis nach der gesetzlichen Altfallregelung des § 104
a AufenthG als Ausweisersatz oder im begründeten Ausnahmefall in einen Reiseausweis für
Ausländer erteilt werden. Eine Aufenthaltserlaubnis dürfe nach § 26 II AufenthG nicht
verlängert werden, wenn das Ausreisehindernis oder die sonstigen einer
Aufenthaltsbeendigung entgegenstehenden Gründe entfallen seien. Dies sei vorliegend der
Fall.
Das Verwaltungsgericht hat die beiden Verfahren 10 K 435/08 und 10 K 109/09 in der
mündlichen Verhandlung vom 18.9.2009 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung
verbunden, unter dem Aktenzeichen 10 K 109/09 fortgeführt und mit aufgrund dieser
mündlichen Verhandlung ergangenem Urteil die Klagen insgesamt abgewiesen. Zur
Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Den Klägern stehe zunächst kein
Anspruch auf Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 V AufenthG zu, da sie
das von ihnen geltend gemachte Ausreisehindernis zu vertreten hätten. Entgegen der
Ansicht des Beklagten stehe einer Verlängerung der Aufenthaltserlaubnisse allerdings nicht
§ 26 II AufenthG entgegen, denn das Ausreisehindernis oder die sonstigen einer
Aufenthaltsbeendigung entgegenstehende Gründe seien nicht entfallen. Die Kläger
verfügten weder über das erforderliche Reisedokument für die Rückkehr in den Libanon
noch über ein für die Ausstellung eines DDV von der libanesischen Botschaft gefordertes
Aufenthaltsrecht für die Bundesrepublik Deutschland. Die Situation im maßgeblichen
Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung sei trotz des fingierten rechtmäßigen Aufenthalts
der Kläger mit derjenigen vergleichbar, die vor Erteilung der Aufenthaltserlaubnis bestanden
habe. Jedenfalls eine freiwillige Rückkehr der Kläger in den Libanon mit einem bei der
libanesischen Botschaft zu beschaffenden DDV erscheine möglich. Die Kläger seien zu
eigenständigen Bemühungen zur Erlangung eines solchen Reisepapiers verpflichtet und
hätten, da sie dies bisher nicht einmal versucht hätten, das bestehende Ausreisehindernis
mit der Folge zu vertreten, dass eine Aufenthaltserlaubnis nicht erteilt werden dürfe. Der
Beklagte habe dem Kläger und seinen Familienangehörigen am 25.9.2007 eine
Aufenthaltserlaubnis erteilt, obwohl sich nicht habe verifizieren lassen, ob dieser anlässlich
seiner Vorsprache in der Botschaft tatsächlich seine Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise
bekundet gehabt habe. Gleichzeitig habe der Beklagte den Kläger und seine Ehefrau
schriftlich erklären lassen, dass sie sich unter anderem um die Ausstellung eines DDV für
palästinensische Volkszugehörige aus dem Libanon bemühten und dieses bei Erhalt sofort
der zuständigen Ausländerbehörde vorlegen würden. Trotz entsprechender Aufforderungen
durch den Beklagten habe der Kläger indes gegenüber dem Beklagten weder vorgetragen
noch belegt, ob beziehungsweise in welcher Weise er sich bemüht habe, ein libanesisches
Ausweisdokument zu beschaffen, nachdem er nunmehr über einen hierfür erforderlichen
Aufenthaltstitel verfügt habe. Auch seine Klageschrift gebe hierüber keinen Aufschluss;
seinen Ausführungen lasse sich allenfalls entnehmen, dass er einen Antrag auf Ausstellung
eines DDV durch die libanesische Botschaft für aussichtslos halte. Diese Annahme stütze er
indes allein auf den Wortlaut eines Informationsblattes, wobei er annehme, die dort
genannten Voraussetzungen nicht beziehungsweise nicht vollständig zu erfüllen. Dieses
Verhalten entspreche nicht der Mitwirkungspflicht beziehungsweise Initiativpflicht des
Klägers zur Beseitigung des Ausreisehindernisses. Die Beurteilung der Sach- und
Rechtslage hinsichtlich der Klägerinnen gestalte sich gleichermaßen, weil diese als sieben-
beziehungsweise dreizehnjährige Kinder des Klägers dessen ausländerrechtliches Schicksal
teilten. Der hilfsweise gestellte Klageantrag könne ebenfalls keinen Erfolg haben, da bereits
die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 25 V AufenthG nicht erfüllt seien
beziehungsweise ein Ermessen des Beklagten nicht eröffnet werde und daher auch kein
Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung des Beklagten gegeben sein könne. Dem
Kläger stehe zudem auch kein Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten zur Ausstellung
eines Reiseausweises für Staatenlose zu, weil sein Aufenthalt in Deutschland nicht
rechtmäßig im Sinne dieser Vorschrift sei. Darüber hinaus erfülle er die Voraussetzungen
der Ausschlussklausel in Art. 1 II lit. i des Staatenlosenabkommens, so dass das
Abkommen bereits nicht anwendbar sei. Betroffen würden von dieser Regelung in erster
Linie die von der UNRWA im Nahen Osten betreuten palästinensischen Flüchtlinge. Die
Betreuung setze nicht voraus, dass der einzelne Staatenlose zum Zeitpunkt der
Entscheidung von der UNRWA tatsächlich Hilfeleistungen erhalte und/oder in einem
Flüchtlingslager lebe. Maßgebend sei vielmehr, ob der Betroffene der Personengruppe
angehöre, deren Betreuung die UNRWA entsprechend ihrem Mandat übernommen habe.
Der Schutz entfalle, wenn die UNRWA ihre Tätigkeit einstelle oder in ihrer Schutz- oder
Beistandsleistung an die Betroffenen nicht nur vorübergehend verhindert werde. Verlasse
indes der Betroffene aus welchen Gründen auch immer das Tätigkeitsgebiet der UNRWA
oder reise er aus dem Staat, in dem die UNRWA tätig sei, aus, obwohl er - eventuell nach
Ablauf einer befristeten Rückkehrberechtigung - nicht dorthin zurückkehren könne, so sei
das Staatenlosen-Übereinkommen auf ihn nicht anwendbar. Dabei komme es nicht darauf
an, ob der Aufnahmestaat (hier: Libanon) später die Rückreise verzögere, faktisch
erschwere oder ausdrücklich versage. Nach dem Inhalt des von dem Kläger vorgelegten,
offenbar auch seitens der libanesischen Botschaft akzeptierten blauen Flüchtlingsausweises
handele es sich bei ihm um einen (im Zeitpunkt der Ausstellung des Ausweises) im Libanon
lebenden und dort staatlich registrierten palästinensischen Flüchtling. Er habe somit zu
dem Kreis der Personen gehört beziehungsweise gehöre er noch, welche im Normalfall
beziehungsweise regelmäßig durch die UNRWA betreut würden beziehungsweise deren
Mandat im Gebiet des Libanons unterfielen. Zu diesem Kreis gehörten sowohl die
originären sogenannten Palästina-Flüchtlinge als auch weitere Palästinenser, die infolge der
Feindseligkeiten vom Juni 1967 sowie späterer Feindseligkeiten gegenwärtig vertrieben
seien und dringend weitere Hilfe benötigten. Von diesem Flüchtlingsbegriff würden auch die
männlichen Nachkommen der betreffenden Personen erfasst, wobei der Status eines von
der UNRWA registrierten Flüchtlings in der männlichen Linie vererbt würde. Auch eine
nachträgliche Registrierung sei möglich. Eine Registrierung palästinensischer Flüchtlinge bei
der UNRWA sei für diese nur von Vorteil und entspreche auch dem Regelfall für diejenigen
Personen, welche deren Mandat unterfielen. Gleichfalls handele es sich bei diesem
Personenkreis um die im Libanon öffentlich anerkannten Palästina-Flüchtlinge. Vor diesem
Hintergrund sei davon auszugehen, dass der Kläger, der ein nachweislich im Libanon
staatlich anerkannter palästinensischer Flüchtling sei, die dargelegten Voraussetzungen des
Normalfalles eines palästinensischen Flüchtlings im Libanon bis zum Zeitpunkt seiner
Ausreise erfüllt habe und die Ausschlussklausel des Art. 1 II lit. i des
Staatenlosenabkommens unabhängig davon auf ihn Anwendung finde, warum ihm eine
Rückkehr in deren Mandatsgebiet nicht mehr möglich sei. Gegenteilige Anhaltspunkte
ergäben sich aus dem Vortrag des Klägers nicht. Auch das mit der Klage hilfsweise
verfolgte Begehren sei mangels Anwendbarkeit des Abkommens nicht begründet.
Gegen das den Klägern am 1.10.2009 zu Händen ihrer Prozessbevollmächtigten
zugestellte Urteil, in dem die Berufung zugelassen wurde, haben sie am 27.10.2009
Berufung eingelegt und diese am 30.11.2009 begründet. Sie beanstanden zunächst die
Annahme des Gerichts, dass ihnen die am 25.9.2007 ausgestellten Aufenthaltserlaubnisse
zur Beschaffung von Rückreisepapieren erteilt worden seien. Im Verfahren 5 K 159/05
seien das Gericht und die Verfahrensbeteiligten vielmehr übereinstimmend davon
ausgegangen, dass es sich nicht verifizieren lasse, ob die Kläger bei der Botschaft des
Libanons die Absicht bekundeten, freiwillig ausreisen zu wollen. Der Beklagte habe jedoch
zu keiner Zeit darauf hingewiesen, dass er die Aufenthaltsgenehmigungen zwecks erneuter
Vorsprache und Erhalt von Rückreisepapieren von der libanesischen Botschaft ausstellen
werde. Wäre dies seine Absicht gewesen, wäre Sinn und Zweck des Gerichtsverfahrens
nicht erklärbar. Wenn der Beklagte hiervon ausgegangen wäre, hätte er die Erlaubnisse
logischerweise spätestens anlässlich der Vorsprache des Klägers am 14.5.2007 erteilt,
und zwar auf der Grundlage des § 25 IV AufenthG für einen vorübergehenden Aufenthalt.
Tatsächlich sei den Klägern am Tag der Ausstellung der Aufenthaltserlaubnisse eine
„Erklärung“ zur Unterzeichnung mit dem Hinweis ausgehändigt worden, dass sie vor dem
Erhalt der Aufenthaltserlaubnis noch eine Unterschrift zu leisten hätten. Sie hätten diese
Erklärung jedoch unterzeichnet, ohne den Inhalt verstanden zu haben. Auch die Frage der
Zumutbarkeit der Bemühungen der Kläger zur Beschaffung von Rückreisepapieren sei vom
Gericht unzutreffend beurteilt worden. Eventuelle Bemühungen bei der libanesischen
Botschaft seien - wie in der Vergangenheit – aussichtslos, weil sie als staatenlose
Palästinenser keine Rückreisepapiere von dort erhalten würden. Im Übrigen leiteten die
Klägerinnen nach libanesischem Recht ihre Staatsangehörigkeit vom Vater ab und seien
zudem im Bundesgebiet geboren. Diese seien zu keiner Zeit im Besitz eines DDV oder
sonstiger vom Libanon ausgestellter Papiere gewesen. Ferner komme es bei der Frage
nach der Ausreisemöglichkeit auch auf die subjektive Möglichkeit und damit die
Zumutbarkeit der Ausreise an, da sonst die Regelung leerliefe. Die Kläger hätten unter dem
24.5.2005 die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis u.a. mit der Begründung beantragt,
dass sie seit Oktober 1994 im Bundesgebiet aufhältig beziehungsweise im Bundesgebiet
geboren seien. Auch in der am 14.12.2005 erhobenen Klage hätten sie erneut auf ihren
langjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet hingewiesen. Die Frage der Zumutbarkeit der
Ausreise sei weder vom Beklagten noch von dem Gericht geprüft worden, obwohl sie auch
einen Antrag gemäß § 104 a AufenthG gestellt hätten, über den noch nicht abschließend
entschieden sei. Im Verfahren 5 K 159/05 sei der Rechtsstreit ohne Kenntnis des Inhalts
der vom Beklagten zur Unterzeichnung vorgelegten Erklärung in der Annahme für erledigt
erklärt worden, dass es auf die Frage der Zumutbarkeit der Ausreise nicht mehr
ankommen werde. Im Übrigen erfasse die beantragte „Verlängerung“ des Aufenthaltstitels
auch grundsätzlich Ansprüche, die auf Neuerteilung einer Aufenthaltserlaubnis gerichtet
seien. Vorliegend sei auch eine außergewöhnliche Härte im Sinne des § 25 IV 2 AufenthG
zu prüfen gewesen. Ein Ermessen des Beklagten sei jedenfalls hinsichtlich der Frage der
Zumutbarkeit der Ausreise im Sinne des § 25 V AufenthG eröffnet. Der Kläger habe ferner
einen Anspruch auf Erteilung eines Staatenlosenausweises. Er halte sich auf der Grundlage
des § 81 IV AufenthG rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Die Ausschlussnorm des Art. 1 II lit.
i des Staatenlosen-Übereinkommens treffe auf ihn nicht zu. Die Formulierung
„gegenwärtig“ beziehe sich lediglich auf die Begründung des UNRWA-Schutzes, nicht
jedoch auf dessen Fortbestand, sonst hätte es des weiteren Zusatzes „solange sie diesen
Schutz genießen“ in der genannten Vorschrift nicht bedurft. Der Kläger gehöre nicht mehr
der Personengruppe an, die durch die UNRWA betreut werde, da er die Berechtigung zur
Rückkehr in den Libanon verloren habe. Nach der Note über die Anwendbarkeit von Art. 1 D
des Abkommens von 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge auf palästinensische
Flüchtlinge könne es Gründe geben, aus denen eine Person nicht in das UNRWA-
Einsatzgebiet zurückgeschickt werden könne, insbesondere wenn sie nicht in der Lage sei,
in dieses Gebiet zurückzukehren, weil sich die Behörden des betreffenden Landes
weigerten, sie rückzuübernehmen oder ihre Reisedokumente zu verlängern. Da das
Staatenlosen-Übereinkommen somit anwendbar sei, sei auch über den hilfsweise
gestellten Antrag zu entscheiden gewesen.
Die Kläger beantragen,
unter entsprechender Abänderung des aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 18. September 2009 ergangenen Urteils des
Verwaltungsgerichts des Saarlandes - 10 K 109/09 -, den Beklagten
zu verpflichten, ihre Aufenthaltserlaubnisse zu verlängern,
hilfsweise,
über ihre Anträge auf Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnisse unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
Der Kläger beantragt außerdem,
unter entsprechender Abänderung des aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 18. September 2009 ergangenen Urteils des
Verwaltungsgerichts des Saarlandes - 10 K 109/09 -, den Beklagten
zu verpflichten, ihm einen Reiseausweis nach dem Abkommen über
die Rechtsstellung der Staatenlosen auszustellen,
hilfsweise,
über seinen Antrag auf Ausstellung eines Reiseausweises nach dem
Abkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er bezieht sich auf das angefochtene Urteil und seine Stellungnahmen in den Verfahren 10
K 109/09 und 10 K 435/08.
Wegen des Sachverhaltes im Einzelnen wird Bezug genommen auf den Inhalt der
Gerichtsakten sowie der beigezogenen Akten des Verfahrens 5 K 159/05 sowie der
Verwaltungsunterlagen des Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe
Die vom Verwaltungsgericht gemäß § 124 I, II Nr. 3 i.V.m. § 124a I VwGO zugelassenen
Berufungen der Kläger sind fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 124a II, III
VwGO) und auch ansonsten zulässig. Sie sind jedoch unbegründet.
1. Das Verwaltungsgericht hat die gemäß § 75 VwGO zutreffend als Untätigkeitsklagen
erhobenen Verpflichtungsklagen der Kläger auf Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnisse
zu Recht abgewiesen. Die Kläger sind durch die Unterlassung der beantragten
Verwaltungsakte nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 V VwGO), denn die geltend
gemachten Ansprüche gegen den Beklagten stehen ihnen nicht zu. Die Klagen sind weder
hinsichtlich des Hauptantrags noch hinsichtlich des Hilfsantrags begründet.
a) Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs der Kläger auf Verlängerung ihrer
jeweiligen bis 24.3.2008 gültigen Aufenthaltserlaubnis vom 25.9.2007 sind nach § 8 I
AufenthG dieselben Vorschriften wie für die Erteilung. Somit findet § 25 V AufenthG nach
Maßgabe des § 26 II AufenthG Anwendung. Nach § 25 V AufenthG kann einem Ausländer,
der vollziehbar ausreisepflichtig ist, abweichend von § 11 I AufenthG eine
Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen
Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit
nicht zu rechnen ist (Satz 1). Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die
Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist (Satz 2). Sie darf nur erteilt werden, wenn
der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist (Satz 3). Ein Verschulden des
Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine
Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung
der Ausreisehindernisse nicht erfüllt (Satz 4). Eine – auch freiwillige – Ausreise muss dem
Ausländer aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen, die er auch unter Berücksichtigung
des Kausalitätsaspekts nicht zu vertreten hat, objektiv unmöglich oder – etwa mit Blick auf
grundrechtliche Gewährleistungen in Art. 6 GG oder den Art. 8 EMRK – subjektiv
unzumutbar sein. Die Aufenthaltserlaubnis darf indes nach § 26 II AufenthG nicht verlängert
werden, wenn das Ausreisehindernis oder die sonstigen einer Aufenthaltsbeendigung
entgegenstehenden Gründe entfallen sind. Die Kläger erfüllen die Voraussetzungen für die
begehrte Verlängerung ihrer jeweiligen Aufenthaltserlaubnis nach § 25 V AufenthG indes
nicht.
aa) Für die Kläger bestand und besteht allerdings weiterhin ein tatsächliches
Ausreisehindernis, da sie unstreitig über keine Pässe bzw. Passersatzpapiere/
Reisedokumente verfügen und nicht ersichtlich ist, dass eine Ausreise – im Wege der
Abschiebung oder der freiwilligen Ausreise (Vgl. BVerwG, Urteil vom 27.6.2006 – 1 C
14.05 -, BVerwGE 126, 192) - auch ohne ein solches Dokument in ihr Herkunftsland
Libanon möglich ist.
Seine Identität hat der Kläger, ein im Libanon geborener Palästinenser, durch Kopien eines -
dem Beklagten im Original vorliegenden - blauen Ausweises (ausgestellt – Datum
unleserlich - von der Generaldirektion für die Verwaltung der Angelegenheiten
palästinensischer Flüchtlinge, Aktennummer 902, Nr. des statistischen Registers 21000,
lfd. Nr. 146371), einer Heiratsurkunde von 1992 sowie durch eine Bescheinigung der
libanesischen Botschaft Berlin vom 12.8.2005, dass er laut Personalausweis für
palästinensische Flüchtlinge Nr. 19629, ausgestellt am 12.10.1995 in Beirut,
palästinensischer Volkszugehöriger aus dem Libanon sei, belegt. Der Senat geht außerdem
entsprechend dem durchgehenden Vortrag des Klägers von dessen Staatenlosigkeit aus.
Zwar hat der Beklagte in seiner Klageerwiderung unter Hinweis auf ein Rundschreiben des
BMI vom 8.8.2008, wonach Aufenthaltstitel für palästinensische Volkszugehörige nach der
Einreise ins Bundesgebiet in einem Ausweisersatz oder in begründeten Ausnahmefällen in
einem Reiseausweis für Ausländer anzubringen seien, Zweifel daran geäußert, dass der
Kläger Staatenloser im Sinne des Art. 1 I StlÜbk sei. Dieser Hinweis mag zwar mit Blick auf
den Ausschlussgrund des Art. 1 II i StlÜbk vor dem Hintergrund der Palästinenser-
Schutzorganistion UNRWA ergangen sein, ist aber nicht geeignet, die Staatenlosigkeit von
Palästinensern generell in Abrede zu stellen. Aus den vom Kläger vorgelegten Dokumenten
ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine allein in Betracht zu ziehende libanesische
Staatangehörigkeit. Allerdings hatte der Kläger bei seiner Anhörung im Rahmen seines
Asylverfahrens am 21.10.1994 erklärt, mit seinem eigenen, 1986 ausgestellten und bis
mindestens 1995 gültigen Reisepass aus dem Libanon ausgereist zu sein und diesen dem
Schlepper überlassen zu haben. Auf Befragen hat er gegenüber dem Senat den Besitz
eines Reisedokumentes zunächst abgestritten, auf Vorhalt seiner damaligen Erklärungen
jedoch eingeräumt. Dass es sich bei diesem Reisedokument tatsächlich um einen
„Reisepass“ und nicht um ein DDV handelte, erscheint vor dem Hintergrund des in der
Heiratsurkunde enthaltenen Vermerks, dass die Eheschließung im Register der - die
libanesische Staatsangehörigkeit besitzenden - Ehefrau eingetragen werden solle, indes
fraglich und spricht daher im Ergebnis nicht durchgreifend gegen die Staatenlosigkeit des
Klägers. Als Kinder eines somit als staatenlos anzusehenden Palästinensers aus dem
Libanon leiten die in Deutschland geborenen Klägerinnen zu 2. bis 4. ihren entsprechenden
Status von ihrem Vater ab.
Den Klägern steht entgegen ihrer Meinung kein Anspruch gemäß § 25 V AufenthG auf
Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu, da sie nicht unverschuldet an der Ausreise
gehindert sind (Satz 3). Denn die Kläger haben zumutbare Anforderungen zur Beseitigung
der Ausreisehindernisse nicht erfüllt (Satz 4); insofern müssen sich die minderjährigen
Klägerinnen das Verhalten ihrer Eltern als ihrer gesetzlichen Vertreter zurechnen lassen.
Über die Zumutbarkeit der einem Ausländer obliegenden Handlungen zur Beseitigung eines
Ausreisehindernisses ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu
entscheiden (BVerwG, Beschluss vom 15.6.2006 – 1 B 54/06 -, Buchholz 402.242 § 25
AufenthG Nr. 4) . Auch sind im Rahmen des § 25 V AufenthG die wechselseitigen Pflichten
des betroffenen Ausländers und der zuständigen Ausländerbehörde zu beachten und zu
werten. Dabei treffen den Ausländer eine Mitwirkungs- sowie eine Initiativpflicht hinsichtlich
ihm bekannter und zumutbarer Aufklärungsmöglichkeiten. Der Behörde hingegen obliegt
die Erfüllung einer Hinweis- sowie einer Anstoßpflicht. Sie muss den Ausländer auf
diejenigen Möglichkeiten zur Beseitigung von Ausreisehindernissen hinweisen, die ihm bei
objektiver Sichtweise nicht bekannt sein können. (Vgl. BayVGH, Urteil vom 23.3.2006 – 24
B 05.2889 -, zitiert nach juris) In aller Regel können von dem Ausländer Handlungen
gefordert werden, die zur Beschaffung des Dokuments erforderlich sind und nur von ihm
allein vorgenommen werden können, wie etwa Fertigung von Passfotos, persönliche
Vorsprachen bei der Auslandsvertretung seines Heimatlandes. Gerade bei der Beschaffung
von Identitätspapieren können von ihm mit Blick auf seine Passpflicht nach § 3 I AufenthG
und seine Mitwirkungspflicht nach § 48 III AufenthG gesteigerte Anstrengungen verlangt
werden. Dazu gehört auch, soweit erforderlich, die Abgabe einer Erklärung, dass er zur
freiwilligen Ausreise bereit sei, wenn von einer solchen Erklärung die Ausstellung des
Reisepapiers abhängig gemacht wird oder sie zu einer deutlich schnelleren Ausstellung des
Papiers führt. Auf einen eventuell entgegenstehenden inneren Willen des Ausländers
kommt es insofern nicht an. Eine solche Freiwilligkeitserklärung ist einem
ausreisepflichtigen Ausländer grundsätzlich zumutbar. (BVerwG, Urteil vom 10.11.2009 –
1 C 19.08 -, BVerwGE 135, 219) Unzumutbar sind lediglich solche Handlungen, die von
vornherein ohne Einfluss auf die Möglichkeit der Ausreise oder erkennbar aussichtslos sind.
(BVerwG, Beschluss vom 10.3.2009 – 1 B 4.09 -, Buchholz 402.242 § 25 AufenthG Nr.
11) Unterhalb dieser Schwelle besteht hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen einer
Verletzung von Mitwirkungspflichten und der Erfolgslosigkeit aufenthaltsbeendender
Maßnahmen, der immer nur hypothetisch beurteilt werden kann, eine tatsächliche
widerlegbare Vermutung zulasten des Ausländers. (BVerwG, Urteile vom 26.10.2010 – 1
C 18/09 -, zitiert nach juris, und vom 10.11.2009 – 1 C 19.08 -, BVerwGE 135, 219) Die
Darlegungs- und Nachweislast trifft den Ausländer dafür, dass er die erforderlichen und
zumutbaren Anstrengungen zur Beschaffung eines Heimreisedokuments unternommen
hat. Dies ist gerechtfertigt, da es um die Mitwirkungspflichten und Geschehnisse geht, die
typischerweise ausschließlich seinem Einflussbereich zugeordnet und der
Kenntnisnahmemöglichkeit der Ausländerbehörde entzogen sind. (So zu Recht OVG Berlin-
Brandenburg, Urteil vom 14.9.2010 – OVG 3 B 2.08 -, zitiert nach juris; OVG Münster,
Beschluss vom 14.3.2006 – 18 E 924/04 -, InfAuslR 2006, 288; a.A. Huber, AufenthG,
2010, § 25 Rdnr. 39)
Vorliegend sind keine konkreten Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Kläger auch im
Falle ihrer gebotenen Mitwirkung von der libanesischen Botschaft in Berlin keine
Ausreisepapiere hätten erhalten können. Die Praxis der libanesischen Botschaft hinsichtlich
der Ausstellung von Rückreisedokumenten hängt nach den Erkenntnissen des Senats
sowohl vom Status des Ausländers als auch dem Verwendungszweck des beantragten
Papiers (z.B. Eheschließung, Erlangung eines Aufenthaltstitels, - Freiwilligkeit der
vorgesehenen - Rückkehr) ab. Für Zwecke der Abschiebung libanesischer
Staatsangehöriger, deren Identität belegt ist, werden Laissez-Passer zwar nur ausgestellt,
wenn es sich um terrorismusverdächtige Personen, Straftäter sowie Familien handelt, die
nach dem 1.1.2000 eingereist sind. Darüber hinaus werden solche Dokumente
libanesischen Staatsangehörigen, zu denen die Ehefrau des Klägers bzw. Mutter der
Klägerinnen zählt, aber auch bei entsprechender Mitwirkung und Bereitschaft zu freiwilliger
Rückkehr oder zur Erlangung eines Aufenthaltstitels ausgestellt, wobei die konkreten
Mitwirkungshandlungen in individuellen Absprachen zwischen Botschaft und Betroffenen
festgelegt werden. (Auswärtiges Amt, Hinweis vom 26.9.2005 auf Schreiben der
Clearingstelle Trier vom 19.9.2005)
Zu dem Personenkreis, zu dem die Kläger rechnen, den staatenlosen Palästinensern, hat
die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Beirut in ihrer Auskunft vom 21.1.2004
(Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Beirut, Auskunft vom 21.1.2004 an VG
Cottbus – RK 516.80 -) ausgeführt, diese könnten mit einem Document de Voyage – DDV -
in den Libanon zurückgeführt werden. Die Erteilung dieses Dokuments setze neben einem
gewöhnlichen Aufenthalt im Libanon voraus, dass der Betreffende beim Innenministerium
und bei der für palästinensische Flüchtlinge zuständigen Organisation UNRWA registriert
sei; auch eine libanesische Botschaft im Ausland könne nach vorheriger Ermächtigung
durch die Sûreté Générale in Beirut ein solches Dokument ausstellen. In der Praxis gestalte
sich die Ausstellung eines DDV für Palästinenser durch die libanesische Botschaft in Berlin
insbesondere zum Zwecke der Rückführung von Palästinensern in den Libanon schwierig.
Ferner hat die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Beirut vom 7.6.2004 (Botschaft
der Bundesrepublik Deutschland Beirut, Auskunft vom 7.6.2004 an VG Freiburg (zu Az. 2
K 1442/03 )) dargelegt, dass alle staatenlosen Palästinenser, die im Besitz eines DDV
seien, im Libanon bei der Sûreté Générale registriert seien und auch zurückkehren könnten.
Ob allerdings Kindern, die nicht im Libanon geboren seien, Rückreisepapiere ausgestellt
werden könnten, müsse über die libanesische Botschaft in Berlin geklärt werden. Ohne
zusätzliche Überprüfung durch die Sûreté Générale kann nach der „Abgestimmten
Niederschrift“ über die Gespräche zwischen den Delegationen des Bundesministeriums der
Bundesrepublik Deutschland und der Sûreté Générale der Libanesischen Republik vom 19.
bis 20.12.1996, auf die die Deutsche Botschaft Beirut weiter hinwies, die libanesische
Botschaft in Deutschland Heimreisedokumente ausstellen, wenn libanesische
Registerauszüge von – libanesischen Staatsangehörigen und - im Libanon registrierten
Palästinensern vorgelegt werden können, die nach dem 1.1.1993 ausgestellt wurden.
Unter dem 23.4.2004 (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 23.4.2004 an VG Cottbus – 508-
516.50 PSE -) hat ferner das Auswärtige Amt erklärt, Palästinensern, die bei der dem
libanesischen Innenministerium zugeordneten Generaldirektion für das Zivilstandswesen
registriert seien, erhielten eine blaue Identitätskarte und bei Reiseabsichten ein
Reisedokument; fallweise werde auch ihre Rückführung akzeptiert. Während es nach der
Auskunftslage somit kaum durchsetzbar erscheint, bei der libanesischen Botschaft in Berlin
Heimreisepapiere für die Abschiebung staatenloser Palästinenser zu beschaffen, stellt sich
die Erlangung vom Rückreisedokumente für eine freiwillige Rückkehr des genannten
Personenkreises zumindest etwas günstiger dar.
Die Erkenntnisse der Verwaltungsgerichte zur Möglichkeit der Beschaffung von
Reisedokumenten für staatenlose Palästinenser insbesondere für eine freiwillige Rückkehr
gehen deutlich auseinander. So hat der VGH Mannheim in seinem Urteil vom 3.12.2008 (-
13 S 2483/07 – InfAuslR 2009, 109) dargelegt, dass viel dafür spreche, dass die
libanesische Botschaft Einzelanträge geduldeter staatenloser Palästinenser dann nicht
bearbeite, wenn sie von einem entsprechenden „Abschiebungshintergrund“ ausgehe und
keine behördlichen Zusagen auf Aufenthaltserlaubnis vorlägen. Positive Entscheidungen auf
behördliche Bitten seien insoweit für den Bereich Baden-Württemberg so gut wie nicht
bekannt geworden. Bei Einzelanträgen geduldeter staatenloser Palästinenser gehe die
Rechtsprechung jedenfalls bisher davon aus, dass – möglicherweise abgesehen von
Einzelfällen - ohne die Vorlage von Aufenthaltserlaubniszusagen ein DDV oder ein für die
Rückreise ausreichendes Laissez-Passer nicht ausgestellt werde. Hergeleitet wird dies aus
dem jeweiligen von der Botschaft ausgegebenen Merkblatt. Das VG Sigmaringen nimmt in
seinem – wie die vorstehende Entscheidung von den Klägern zitierten - Urteil vom
20.7.2006 – 8 K 577/07 – mit Blick auf den dortigen Kläger, einen geduldeten
libanesischen Staatsangehörigen, ebenfalls unter Bezug auf das entsprechende Merkblatt
der Botschaft an, dass diese bei einem Abschiebungshintergrund nur bei alleinstehenden
der Botschaft an, dass diese bei einem Abschiebungshintergrund nur bei alleinstehenden
Personen, terrorismusverdächtigen Personen, Straftätern und nach dem 1.1.2000
eingereisten Familien bei geklärter Identität Papiere ausstelle, für eine freiwillige Ausreise
nur auf Verlangen des Betroffenen. Allerdings könne auch nicht festgestellt werden, dass
generell bei freiwilliger Ausreisebereitschaft Rückreisedokumente ausgestellt würden; die
bekannten Referenzfällen, in denen Reisedokumente erteilt worden seien, unterschieden
sich vom zu entscheidenden (Einzel-)Fall. Das OVG Berlin-Brandenburg hat in seinem Urteil
vom 14.9.2010
13
(OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.9.2010 – OVG 3 B 2.08 -,
zitiert nach juris) die Auffassung vertreten, dass es für einen ausreisepflichtigen
staatenlosen Palästinenser aus dem Libanon nicht von vornherein erkennbar aussichtslos
sei, bei der Libanesischen Botschaft ein Dokument für die Heimreise zu erhalten. Das
Gericht hat hierzu auf vom dortigen Beklagten eingereichte Dokumentationen „aus der
jüngeren Vergangenheit“ verwiesen, in denen es staatenlosen Palästinensern aus dem
Libanon gelungen sei, ein Heimreisedokument zu beschaffen; teilweise habe auch die
Berliner Ausländerbehörde ein Laissez-Passer für den Betreffenden – einen Straftäter –
erlangt. Wie zudem die Zeugenvernehmung ergeben habe, gebe es neben
Antragsformularen, die das Vorliegen eines Aufenthaltstitels (DDV) verlangten, auch noch
das hierauf verzichtende Formular „Beantragung eines Rückreisedokumentes für eine sich
illegal in Deutschland aufhaltende Person“. Auch das OVG Lüneburg hat in seinem
Beschluss vom 21.1.2011 (OVG Lüneburg, Beschluss vom 21.1.2011 – 11 LC 312/10 -,
zitiert nach juris) betreffend einen staatenlosen, aber im Libanon registrierten
palästinensischen Volkszugehörigen - unter Bezugnahme auf Auskünfte der ZAAB
Niedersachsen vom 19.11.2010 - ausgeführt, einem solchen Palästinenser stünden
grundsätzlich zwei Möglichkeiten zum Erhalt neuer libanesischer Personal- bzw.
Rückreisepapiere zur Verfügung. Zum einen könne er ein (neues) DDV erhalten, was einen
Aufenthaltstitel in Deutschland voraussetze. Fehle dieser, gebe es die Möglichkeit, ein
Laissez-Passer zur einmaligen Einreise in den Libanon zu beantragen. Hierfür gebe es das
von der libanesischen Botschaft verwendete, gesonderte Antragsformular, das sich
ausdrücklich auf „eine sich illegal in Deutschland aufhaltende Person“ beziehe, also gerade
kein Aufenthaltsrecht voraussetze. Hierfür sei nur Voraussetzung, dass der – volljährige -
Ausländer für sich persönlich bei der libanesischen Botschaft einen Antrag stelle, seine
Fingerabdrücke abgebe und seine ausdrückliche Bereitschaft zur freiwilligen Rückkehr
erkläre. Auch ein solcher Antrag verspreche keinen sicheren Erfolg, sei aber jedenfalls nicht
von vornherein aussichtslos. Aussichtslos sei es hingegen, wenn ein entsprechender Antrag
über die bzw. von der Ausländerbehörde zwecks Erhalts von Passersatzpapieren gestellt
werde.
Angesichts der dargestellten Auskunftslage und der erwähnten Rechtsprechung ist – ohne
dass es einer eingehenderen Auseinandersetzung mit den einzelnen Standpunkten bedinge
– jedenfalls nicht feststellbar, dass Bemühungen eines staatenlosen, jedoch registrierten
Palästinensers um Reisedokumente bei der libanesischen Botschaft, wenn er nachdrücklich
seine Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise erklärt, keinerlei Aussicht auf Erfolg haben
könnten, zumal wenn er im Besitz eines Aufenthaltstitels ist. Dass eine Antragstellung
durch die Kläger auch im vorliegenden Fall nicht völlig aussichtslos gewesen wäre,
zumindest nachdem sie im Besitz eines Aufenthaltstitels waren, ergibt sich schon aus dem
Telefonat, das der Beklagte am 19.6.2007 mit dem Mitarbeiter der libanesischen
Botschaft Herrn F geführt hatte. Danach setze die Erteilung eines Reisedokumentes in
jedem Fall eine Bescheinigung voraus, dass der Antragsteller einen Aufenthaltstitel erlangen
werde. Nach Vorlage dieser Bescheinigung würde man ihm eine rosa Karte bzw. eine
weiße Karte zur Antragstellung aushändigen, die er von dem Beklagten siegeln lassen und
mit Foto versehen an die libanesische Botschaft zurückgeben müsste. Danach würde eine
Beantragung im Libanon durch die Botschaft erfolgen und erfahrungsgemäß innerhalb von
zwei Monaten ein Reisedokument vorliegen. Dies sind so konkrete Aussagen, dass bei
entsprechender eigenständiger Mitwirkung der Kläger eine Realisierbarkeit der
Dokumentenbeschaffung keineswegs ausgeschlossen werden konnte.
Diese Mitwirkung haben die Kläger nicht im erforderlichen Maße gezeigt.
Allerdings hat der Kläger gemeinsam mit seiner Ehefrau während ihres 13jährigen, bis zum
25.9.2007 währenden illegalen Aufenthalts im Bundesgebiet für die Beantragung von
Reisedokumenten für die Familie (zunächst mit einem Antrag auf Ausstellung von DDV/
Laissez-Passer bzw. Passersatzpapier, dann mit dem Formular „Beantragung eines
Rückreisedokuments für eine sich illegal in Deutschland aufhaltende Person“) dreimal
Antragsformulare ausgefüllt und unterschrieben, die die Ausländerbehörde am
16.11.1999, 23.3.2004 und 14.12.2005 an die libanesische Botschaft weitergeleitet und
mit zahlreichen Nachfragen begleitet hat; in diesem Zeitraum haben sie ferner am
12.8.2005 und am 12.6.2007 bei der Botschaft in Berlin vorgesprochen, ohne dass diese
sich zu einer Reaktion auf die Anträge veranlasst gesehen hätte. Zu dieser ersten
Vorsprache kam es, nachdem die Ausländerbehörde auf den Antrag der Kläger vom
24.5.2005 auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen die Familie im Vorfeld der
beabsichtigten Entscheidung über diesen Antrag mit Anhörungsschreiben vom 21.7.2005
u.a. darauf hingewiesen hatte, dass sie vollziehbar ausreisepflichtig sei und jederzeit die
Möglichkeit habe, die erforderlichen Rückreisedokumente durch persönliche Vorsprache
beim libanesischen Generalkonsulat zu beantragen. Nach dieser Vorsprache legten sie am
24.8.2005 eine vom Besuchstag datierende Bescheinigung der Botschaft vor, dass der
Kläger laut Personalausweis für palästinensische Flüchtlinge Nr. 19629, ausgestellt in
Beirut am 12.10.1995, palästinensischer Volkszugehöriger aus dem Libanon sei.
Ansonsten teilten sie nur mit, dass diesem Personenkreis seitens der Botschaft kein
Ausweispapier ausgestellt werde. Ob sie einen Antrag auf Ausstellung von
Rückreisedokumenten gestellt oder die Stellung versucht, ob sie Modalitäten der
Ausreisedokumentenbeschaffung in der Botschaft erfragt – etwa was im Hinblick auf die
Tatsache, dass der Kläger, wie er der Ausländerbehörde verschwiegen hat, den Libanon
1994 mit einem jedenfalls bis 1995 gültigen Reisedokument legal verlassen hatte und
damit offensichtlich zur Rückkehr berechtigt gewesen war (Vgl. hierzu Auskunft des
Auswärtigen Amtes vom 23.4.2004 an VG Cottbus – 508-516.50 PSE) , zu geschehen
habe - und insbesondere ob sie erklärt hatten, dass sie freiwillig zurückkehren wollten, geht
aus dem Klägervortrag nicht hervor. Insofern haben sie sich – obwohl durch PKH-
versagenden Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 8.11.2006 – 5 K 159/05 –
eingehend über ihre Mitwirkungspflichten belehrt - darauf beschränkt, in der folgenden
mündlichen Verhandlung vom 6.12.2006 zu erwähnen, dort vorgesprochen zu haben, um
Rückreisepapiere zu erhalten, die indes nicht erteilt worden seien.
Des Weiteren hat der Kläger, nachdem ihm und seiner Familie in der vorgenannten
mündlichen Verhandlung vom 6.12.2006 vom Beklagten die Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis für den Fall in Aussicht gestellt worden war, dass eine weitere
Vorsprache bei seiner Botschaft ergebe, dass selbst im Falle eines „freiwilligen
Rückkehrwunsches“ keine Passersatzpapiere ausgestellt würden, diese am 12.6.2007
erneut aufgesucht. Dem Kläger und seiner Ehefrau war ein Schreiben des Beklagten an die
Botschaft mitgegeben worden, in dem Letzterer darauf hinwies, dass sie bereit seien,
freiwillig in den Libanon auszureisen, und auf dem die Botschaft die Vorsprache des
Klägers, die Bekräftigung seiner Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise und die Beantragung
von Reisedokumenten für eine freiwillige Ausreise bestätigen sollte. Daraufhin hat der
Kläger ein von der Botschaft am 12.6.2007 abgezeichnetes Merkblatt über die für eine
Antragstellung erforderlichen Dokumente dem Beklagten übergeben; die von diesem
vorbereitete Erklärung ist unbestätigt, aber auf der Rückseite ebenfalls abgestempelt,
unterschrieben und mit dem Datum versehen worden. In ihrem Schriftsatz vom 15.6.2007
hoben die Kläger insoweit auch hervor, dass nach diesem Merkblatt die Neuausstellung
eines DDV entweder einen Aufenthaltstitel oder die Zusage, diesen bei Vorlage eines
gültigen Passes zu erteilen, voraussetze, und forderten die Erteilung von
Aufenthaltserlaubnissen unter Berufung auf das Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom
6.12.2006.
Ob die Kläger insoweit ihrer Mitwirkungspflicht zunächst genügt hatten, ist durchaus
fraglich, zumal sich ihrem Vortrag nicht entnehmen lässt, was sie bei der Botschaft im
Einzelnen unternommen haben, dies kann vorliegend aber dahinstehen. Denn die Kläger,
denen der Beklagte ebenso wie ihrer Ehefrau bzw. Mutter am 25.9.2007 trotz – allerdings
nicht verifizierbarer – Bedenken (Vgl. Schriftsatz des Beklagten vom 3.7.2007 an das
Verwaltungsgericht im Verfahren 5 K 159/05 -) , ob tatsächlich die vereinbarte
„Freiwilligkeitserklärung“ abgegeben worden war, eine Aufenthaltserlaubnis für 6 Monate
erteilte und damit die auch aus ihrer im vorgenannten Schriftsatz noch bestätigten Sicht
die für die Beseitigung des Ausreisehindernisses nach dem Merkblatt erforderliche
Erteilungsvoraussetzung eines Aufenthaltstitels schaffte, haben während der Gültigkeit der
erteilten Aufenthaltserlaubnis unstreitig weder die Erteilung von Ausreisepapieren bei der
erteilten Aufenthaltserlaubnis unstreitig weder die Erteilung von Ausreisepapieren bei der
libanesischen Botschaft beantragt noch Vorbereitungen für eine Antragstellung
unternommen. Diese Mitwirkung hat der Beklagte am 25.9.2007 vor der Erteilung der
Aufenthaltserlaubnis von ihnen jedoch ausdrücklich verlangt und ist von ihnen durch ihre
Unterschrift unter eine auf einer „Belehrung“ enthaltenen Passage, wonach sie sich um die
Ausstellung eines libanesischen Passes (für die Frau) bzw. von Documents de Voyage (für
die Kläger) bemühen und die Dokumente bei Erhalt sofort bei der Ausländerbehörde
vorlegen würden, auch akzeptiert worden. Durch diese Belehrung sind die Kläger erkennbar
dazu aufgefordert worden, alle ihnen möglichen und zumutbaren Mitwirkungshandlungen
zur Erlangung von Reisedokumenten zu leisten, wozu zweifellos eine Vorsprache bei der
libanesischen Botschaft, (eigenständige) Antragstellung unter Vorlage aller verfügbaren
Dokumente wie der Ausweisersatzpapiere mit Aufenthaltstitel und des beim Beklagten auf
Abruf (Vgl. Schreiben des Beklagten vom 21.7.2005: Hinweis auf diverse
Identitätsnachweise) vorgehaltenen blauen (Original-) Ausweises des Klägers, sofern dieser
nicht durch die Bescheinigung der Botschaft vom 12.6.2007 entbehrlich geworden war,
sowie die Bekräftigung einer ernsthaften Rückkehrbereitschaft zählte.
Gegen die ausdrücklich durch ihre Unterschrift akzeptierte Mitwirkung bei der Beschaffung
von Reisedokumenten können die Kläger zunächst nicht mit Erfolg – wie sie erklärten - „der
Vollständigkeit halber“ einwenden, dass ihnen gesagt worden sei, sie hätten vor Erhalt der
Aufenthaltserlaubnisse noch eine Unterschrift zu leisten, dass sie aber den Inhalt der von
ihnen unterzeichneten Erklärung nicht verstanden hätten. Zu sehen ist insoweit, dass die
unterzeichnete vorgefertigte Erklärung darauf hinweist, dass auf Vorladung alle fünf einzeln
aufgeführten Familienmitglieder erschienen seien, dass sie über die Bedeutung der
Ausweisersatzpapiere aufgeklärt wurden sowie dass sie erklärten, der deutschen Sprache
mächtig zu sein. Letzteres spricht mit Gewicht dafür, dass die beim Beklagten gezeigten
Sprachkenntnisse der Familie der Kläger tatsächlich diese Aussage rechtfertigten, da es
dem Beklagten mit der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gerade darauf ankam, diese in
die Lage zu versetzen, mit einer eigenständigen Antragstellung bei ihrer Botschaft die
Chancen auf die Beseitigung des bestehenden Ausreisehindernisses zu verbessern und er
insoweit auf ihre Mitwirkung angewiesen war. Wenn die Annahme ausreichender
Sprachkenntnisse indes gleichwohl unzutreffend gewesen sein sollte, wäre es Sache der
Kläger gewesen, darauf hinzuweisen und entweder um eine nähere Erläuterung der
Erklärung zu bitten, um den Sinn der von ihnen geforderten Erklärung ggf. mit Hilfe der
Klägerinnen zu 2. und 3. zu erschließen - die nach der in der mündlichen Verhandlung
gewonnenen Kenntnis des Senats jedenfalls nunmehr hervorragend deutsch sprechen,
während der seit 16 Jahren in Deutschland lebende Kläger den Stand seiner
Deutschkenntnisse nicht zu erkennen gab - oder aber eine schriftliche Übersetzung zu
fordern. Sie hätten zudem in jedem Fall die Unterschriftsleistung zurückstellen können, um
sich zuvor mit ihrer Prozessbevollmächtigten zu beraten. Da die Kläger nichts dergleichen
unternommen haben und zudem kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Kläger und
seine Ehefrau, die seit vielen Jahren damit vertraut sind, ihre Angelegenheiten mit
deutschen Ausländer- und Sozialbehörden und auch anderen Stellen – ggf. auch mit
anwaltlicher Hilfe – zu regeln, eine ihnen vorgelegte vorformulierte Erklärung unterschrieben
hätten, ohne den Inhalt zu verstehen oder – falls dies nicht der Fall sein sollte – Auskunft
über ihren Inhalt zu verlangen, vermag die pauschale – nachträgliche – Behauptung, sie
hätten nicht gewusst, was sie unterschrieben hätten, keinen Zweifel daran zu begründen,
dass ihnen der Inhalt der abgegebenen Erklärung sehr wohl bekannt war.
Die Forderung des Beklagten nach eigenständigen Bemühungen der Kläger um
Reisedokumente im Zusammenhang mit der Aufenthaltserlaubniserteilung stellt sich
entgegen deren Meinung auch nicht als unzulässig dar. Eine solche Unzulässigkeit ergibt
sich jedenfalls nicht aus dem Vortrag der Kläger, ein weiteres Bemühen um Reisepapiere
nach Erteilung der Aufenthaltserlaubnis sei nicht Sinn der Absprache im Verfahren 5 K
159/05 gewesen. Zwar hatte der Beklagte ausweislich des entsprechenden
Sitzungsprotokolls in Aussicht gestellt, die Kläger klaglos zu stellen – ihnen also eine
Aufenthaltserlaubnis zu erteilen -, wenn auch eine erneute Vorsprache bei der Botschaft
trotz dort erklärter Bereitschaft zur freiwilligen Rückkehr nicht zur Beschaffung von
Reisepapieren führte, um den Rechtsstreit zu einem Abschluss zu bringen. Dieser
Absichtserklärung lässt sich aber nicht ansatzweise entnehmen, dass der Beklagte den
bloßen Nachweis einer Vorsprache bei der Botschaft - allenfalls schwaches Indiz für die
Abgabe der vereinbarten „Freiwilligkeitserklärung“ - dafür genügen lassen wollte, seine
langjährigen Bemühungen um eine freiwillige Ausreise der Kläger nunmehr – endgültig -
aufzugeben. Dass dem tatsächlich auch nicht so war, zeigt schon die Tatsache, dass er
dem Kläger für den Besuch bei der Botschaft am 12.6.2007 für diese eine vorbereitete
Bestätigung der erwarteten “Freiwilligkeitserklärung“ mitgegeben hatte. Ferner haben die
Kläger selbst unmittelbar nach ihrer Vorsprache in Berlin noch mit Schriftsatz vom
15.6.2007, in dem sie die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen forderten, hervorgehoben,
dass nach dem von der Botschaft mitgebrachten Merkblatt die Neuausstellung eines DDV
entweder einen Aufenthaltstitel oder die Zusage, diesen bei Vorlage eines gültigen Passes
zu erteilen, voraussetze. Dass sie damit unterstrichen, dass sie ohne Erfüllung dieser
alternativen Voraussetzungen nicht in den Besitz eines DDV kommen könnten und keine
Möglichkeit hätten, das Ausreisehindernis zu beseitigen, spricht deutlich dagegen, dass das
„Übereinkommen“ vom 6.12.2006 dahingehend verstanden werden sollte, dass ihnen
nach der Berlin-Reise eine Aufenthaltserlaubnis unter Verzicht auf künftige Bemühungen
um Reisepapiere in jedem Fall erteilt werden sollte. Hiervon konnten sie nach Aktenlage
auch in der Folge nicht ausgehen, nachdem die vom Beklagten vorbereitete Erklärung von
der Botschaft unbestätigt geblieben war, sie selbst die Erfüllung der Bedingung betreffend
die Freiwilligkeitserklärung nicht einmal durch schlüssigen Vortrag dargetan und erst recht
nicht etwa durch eidesstattliche Versicherungen glaubhaft gemacht hatten, obwohl der
Beklagte in seinem Schriftsatz vom 3.7.2007 an das Verwaltungsgericht im Verfahren 5 K
159/05, wie sie selbst darlegen, seine entsprechenden Zweifel verdeutlicht hatte. Insoweit
war es nur folgerichtig und nicht zu beanstanden, dass der Beklagte im Rahmen der
Erteilung der Aufenthaltserlaubnis die „Mitwirkungszusage“ von den Klägern verlangte.
An der akzeptierten und im Übrigen auch ansonsten bestehenden Pflicht der Kläger, sich
jedenfalls ab Erhalt der sechs Monate gültigen Aufenthaltserlaubnis, deren Fehlen aus ihrer
mitgeteilten Sicht das entscheidende Hindernis bei der Erlangung vom Reisepapieren
dargestellt hatte, unverzüglich selbst um diese bei der Botschaft zu bemühen, änderte
auch das Schreiben des Beklagten vom 27.11.2007 nichts, mit dem dieser ihnen mitteilte,
dass er sich mit der libanesischen Botschaft in Berlin ins Benehmen setzen werde, um zu
klären, ob sie vor dem Hintergrund der am 25.9.2007 erteilten Aufenthaltserlaubnis
libanesische Ausweise erhalten könnten. Denn daraus konnten die Kläger schon mit Blick
auf die von ihnen ausdrücklich geforderte Mitwirkung vernünftigerweise nicht ableiten, dass
eine persönliche Vorsprache mit Antragstellung nicht erfolgen sollte, bis der Beklagte das
Ergebnis seiner Klärung ihnen mitteilen würde. Vielmehr spricht dieses Schreiben dafür,
dass der Beklagte – zwei Monate nach Erhalt der Aufenthaltserlaubnis verständlich - davon
ausging, dass sie sich bereits an die Botschaft gewandt hatten und sich nach den
Erfolgsaussichten ihrer Bemühungen erkundigen wollte.
Ob die Kläger im Rahmen der letzten Vorsprache bei der libanesischen Botschaft am
20.6.2009 – bzw. ausweislich des vermerkten Datums des wiederum ausgehändigten
Merkblatts am 20.7.2009 -, die nach Ablauf der Gültigkeit ihrer Aufenthaltserlaubnisse
stattfand, ihrer Mitwirkungspflicht noch hätten genügen können, kann dahinstehen, denn
es ist weder vorgetragen noch ansonsten ersichtlich, dass bei dieser Gelegenheit
Reisedokumente beantragt worden wären.
Nach allem haben der Kläger und die Klägerinnen, denen das Handeln ihrer Eltern
zuzurechnen ist, zumutbare Handlungen unterlassen und dadurch ihre Mitwirkungspflicht
verletzt. Da sie unstreitig keinen - ihnen ohne weiteres zumutbaren - Antrag auf Erteilung
von Reisepapieren (DDV) bei ihrer Botschaft während der Zeit der Gültigkeit ihres
Aufenthaltstitels gestellt und die Ursächlichkeit zwischen dieser Pflichtverletzung und dem
Fortbestand des Ausreisehindernisses auch nicht widerlegt haben (BVerwG, Urteile vom
26.10.2010 – 1 C 18/09 -, zitiert nach juris, und vom 10.11.2009 – 1 C 19.08 -, BVerwGE
135, 219) , sind sie nicht unverschuldet an der Ausreise gehindert, so dass der der
Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis entgegenstehende Ausschlussgrund des § 25 V 3
AufenthG eingreift.
Sind somit die Tatbestandsvoraussetzungen des mit dem Hauptantrag geltend gemachten
Anspruchs auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 V AufenthG schon nicht
erfüllt, ist für die mit dem auf Verpflichtung des Beklagten zur Bescheidung unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts gerichteten Hilfsantrag begehrte
Ermessensausübung durch den Beklagten kein Raum.
bb) Die Klagen auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen können aber auch auf der
Grundlage des § 25 V AufenthG i.V.m. Art. 8 I EMRK weder im Haupt- noch im Hilfsantrag
Erfolg haben. Die Ausreise ist den Klägern nicht aus rechtlichen Gründen unmöglich.
Das von Art. 8 I EMRK geschützte Recht auf Achtung des Privatlebens umfasst, auch
soweit es keinen familiären Bezug hat, die Summe der persönlichen, gesellschaftlichen und
wirtschaftlichen Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind
und denen – angesichts der zentralen Bedeutung dieser Bindungen für die Entfaltung der
Persönlichkeit eines Menschen – bei fortschreitender Dauer des Aufenthalts wachsende
Bedeutung zukommt. (EGMR, Urteil vom 23.6.2008 – 1638/03 – Maslov -, InfAuslR 2008,
333; BVerwG, Urteil vom 27.1.2009 – 1 C 40.07 -, BVerwGE 133, 73) Ein Privatleben im
Sinne des Art. 8 I EMRK, das den Schutzbereich der Vorschrift eröffnet und eine
Verwurzelung im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte begründet, kommt grundsätzlich nur auf der Grundlage eines
rechtmäßigen Aufenthalts und eines schutzwürdigen Vertrauens auf den Fortbestand des
Aufenthalts in Betracht. (BVerwG, Urteile vom 26.10.2010 – 1 C 18/09 –, zitiert nach juris,
und vom 30.4.2009 – 1 C 3.08 -, NVwZ 2009, 1239) Angesichts des Umstandes, dass
die Kläger bis zum 25.9.2007 nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels waren, ihnen dann für
sechs Monate eine Aufenthaltserlaubnis zur Beschaffung von Reisedokumenten zur
Aufenthaltsbeendigung erteilt wurden, sie sich seitdem auf der Grundlage einer
Fiktionsbescheinigung im Bundesgebiet aufhalten und ihnen nie eine Verfestigung ihres
Aufenthalts in Aussicht gestellt wurde, kann sich insoweit trotz ihres langjährigen
Aufenthalts ein schutzwürdiges Vertrauen auf dessen Fortbestand nicht ergeben.
Gleichwohl geht der Senat vorliegend von einem Eingriff in das Recht auf Privatleben der
Kläger aus, der jedoch verhältnismäßig im Sinne des Art. 8 II EMRK ist.
Was den Kläger betrifft, ist außer seinem langjährigen Aufenthalt in Deutschland nichts
vorgetragen, was für seine Verwurzelung in Deutschland sprechen könnte. Zunächst ist
weder vorgetragen noch ansonsten festgestellt, dass er sich auf deutsch verständigen
kann. Den Inhalt der von ihm am 25.9.2007 unterzeichneten Erklärung will er nicht
verstanden haben und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat er nicht zu
erkennen gegeben, inwieweit er nach 16jährigem Aufenthalt die deutsche Sprache
beherrscht. Für eine – eigene - soziale Integration ist auch ansonsten nichts vorgetragen.
Allerdings spricht einiges dafür, dass er jedenfalls der sozialen Integration der Klägerinnen
nicht im Wege gestanden hat. Wirtschaftlich ist er offensichtlich nicht integriert, denn außer
einem eingereichten Arbeitsangebot von 1997, dessen Entwicklung nicht aktenkundig ist,
spricht nichts dafür, dass er jemals berufstätig war oder sein wollte. Indessen geht aus den
Akten hervor, dass er gemeinnützige Arbeit geleistet, aber auch beharrlich abgelehnt hat,
was zur zeitweisen Kürzung seiner Sozialleistungen geführt hat. Dafür, dass er – die
Beseitigung des Ausreisehindernisses unterstellt, dessen Fortbestand er nach den
vorstehenden Darlegungen verschuldet hat - sich in einer Weise von seinem Herkunftsland,
in dem er geboren wurde und das er erst im Alter von 31 Jahren verlassen hat, derart
entfremdet hätte, dass ihm eine Rückkehr nicht mehr zugemutet werden könnte, ist nichts
vorgetragen und auch ansonsten nichts ersichtlich.
Die minderjährigen Klägerinnen sind in Deutschland geboren und aufgewachsen. Die
15jährigen Klägerinnen zu 2. und 3. haben sich nach dem Eindruck des Senates bisher
altersgemäß sozial gut im Bundesgebiet integriert. Sie sprechen sehr gut deutsch und sind
in der Schule so erfolgreich, dass sie nach der 9. Klasse von der ERS zum Gymnasium
wechseln können. Nicht so stark wie bei ihnen kann schon vom Lebensalter her der
Sozialisationsprozess bei der jüngsten, fast 9jährigen Klägerin sein, die noch die
Grundschule besucht. Dennoch kann bei ihnen derzeit noch nicht davon ausgegangen
werden, dass die Verwurzelung in die deutschen Lebensverhältnisse – schon mit Blick auf
den nicht dauerhaft gesicherten Aufenthalt in Deutschland, der sich durch diverse
Einschränkungen bemerkbar macht – so ausgeprägt ist, dass ihnen ein Leben im Heimat-/
Herkunftsland ihrer Eltern nicht mehr zugemutet werden könnte. Mit Blick darauf, dass
auch für ihre Mutter keinerlei Integrationsmerkmale vorgetragen wurden oder für das
Gericht sonst erkennbar sind, kann zudem davon ausgegangen werden, dass die
Klägerinnen in der Familie mit ihren Eltern arabisch sprechen. Entscheidend aus der Sicht
des Senates ist im Rahmen der Abwägung aber, dass bei Minderjährigen das
Aufenthaltsbestimmungsrecht der Eltern im Vordergrund steht. Die von Art. 6 II GG und
Art. 8 I EMRK geschützte Beziehung zwischen Eltern und Kindern führt nach der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dazu, dass Kinder in der familiären
Gemeinschaft grundsätzlich das aufenthaltsrechtliche Schicksal ihrer
Erziehungsberechtigten teilen. (BVerwG, Urteil vom 26.10.2010 – 1 C 18/09 –, zitiert
nach juris) Eine Ausnahmesituation, deretwegen den Klägerinnen die Ausreise in den
Libanon nicht zumutbar wäre, vermag der Senat vorliegend nicht zu erkennen.
Da die Ausreise den Klägern somit mangels rechtswidrigen Eingriffs in das nach Art. 8
EMRK geschützte Privatleben nicht unmöglich ist, liegen die Tatbestandsvoraussetzungen
des geltend gemachten Anspruchs auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 V
AufenthG auch insofern nicht vor und ist die erhobene Verpflichtungsklage im Hauptantrag
unbegründet. Für eine mit dem Hilfsantrag begehrte Ermessensentscheidung durch den
Beklagten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts ist kein Raum.
c) Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für die Kläger ergibt sich auch nicht
aus § 25 IV 2 AufenthG. Danach kann eine Aufenthaltserlaubnis abweichend von § 8 I und II
AufenthG verlängert werden, wenn aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls das
Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten
würde. Eine außergewöhnliche Härte liegt vor, wenn sich der Ausländer in einer individuellen
Sondersituation befindet, aufgrund derer ihn die Aufenthaltsbeendigung nach Art und
Schwere des Eingriffs wesentlich härter treffen würde als andere Ausländer, die nach
denselben Vorschriften ausreisepflichtig sind. (Vgl. Huber, AufenthG, 2010, § 25 AufenthG,
Rdnr. 23 m.w.N.) Für eine derartige „individuelle Sondersituation“ haben die Kläger indes
nichts vorgetragen.
d) Den Klägern steht schließlich entgegen ihrer Ansicht auch kein Anspruch auf Erteilung
von Aufenthaltserlaubnissen nach § 104a AufenthG zu. Zwar haben die Kläger keinen
ausdrücklichen Antrag unter Bezugnahme auf diese Vorschrift gestellt. Insofern kann aber
der vom Kläger und seiner Ehefrau unterschriebene Antrag vom 17.4.2007, den sie nach
der entsprechenden Information des (Rechtsvorgängers des) Beklagten über die
„Bleiberechtsregelung für ausreisepflichtige ausländische Staatsangehörige mit
langjährigem Aufenthalt, die faktisch, wirtschaftlich und sozial im Bundesgebiet integriert
sind“ vom 21.12.2006 stellten und über den nach ihrer Anhörung über die beabsichtigte
Ablehnung unter dem 5.6.2007 der Beklagte nicht abschließend entschieden hat, ab dem
Inkrafttreten des § 104a AufenthG zum 28.8.2007 (Eingefügt durch Art. 1 des Gesetzes
zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom
19.8.2007 (BGBl. I S. 1970)) herangezogen werden. Nach Abs. 1 S. 1 dieser gesetzlichen
Altfallregelung soll einem geduldeten Ausländer abweichend von § 5 I Nr. 1 und Abs. 2 eine
Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn er sich am 1.7.2007 seit mindestens acht Jahren
oder, falls er zusammen mit einem oder mehreren Kindern in häuslicher Gemeinschaft
lebt, seit mindestens sechs Jahren ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer
Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen im Bundesgebiet aufgehalten hat, und die
unter den Nrn. 1 bis 6 genannten weiteren Voraussetzungen erfüllt, erteilt werden. Ob der
Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senates als „geduldeter
Ausländer“ angesehen werden könnte, obwohl seine bisherige Aufenthaltserlaubnis
mangels behördlicher Entscheidung noch immer gemäß § 81 IV AufenthG als fortbestehend
und sein Aufenthalt damit als rechtmäßig gilt, kann dahinstehen. Jedenfalls hat der Kläger
entgegen § 104a I 1 Nr. 2 AufenthG bislang nicht vorgetragen und erst recht nicht bis zum
1.7.2008 (vgl. § 104a I 4 AufenthG) nachgewiesen, dass er über hinreichende mündliche
Deutschkenntnisse im Sinne der Stufe A2 des Gemeinsamen Europäischen
Referenzrahmens für Sprachen verfügt.
Da die auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen gerichteten Klagen daher insgesamt
unbegründet sind, bleiben ihre Berufungen ohne Erfolg.
2. Auch die gemäß § 75 VwGO zulässigerweise als Untätigkeitsklage erhobene Klage des
Klägers auf Verpflichtung des Beklagten zur Ausstellung eines Reiseausweises gemäß Art.
28 des Übereinkommens über die Rechtsstellung der Staatenlosen vom 28.9.1954 (In
Kraft getreten am 24.1.1977 (Bekanntmachung vom 10.2.1977, BGBl. II S. 235)) - StlÜbk
– hat das Verwaltungsgericht zu Recht abgewiesen. Der Kläger ist durch die Unterlassung
des beantragten Verwaltungsaktes nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 V VwGO). Die
Klage ist weder hinsichtlich des Hauptantrags noch hinsichtlich des Hilfsantrags begründet.
Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Erteilung eines Reiseausweises nach Art. 28 S. 1
noch Art. 28 S. 2 StlÜbk, denn das Übereinkommen findet auf den Kläger keine
Anwendung.
Staatenloser im Sinne des StlÜbk nach Art. 1 I dieses Übereinkommens ist eine Person, die
kein Staat aufgrund seines Rechtes als Staatsangehörigen ansieht. Dies ist nur bei solchen
Personen der Fall, die de iure staatenlos sind. (BVerwG, Urteil vom 16.10.1990 – 1 C
15/88 -, BVerwGE 87, 11) Insofern ist in der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass es keine palästinensische Staatsangehörigkeit
gibt, so dass Palästinenser, die keine andere Staatsangehörigkeit besitzen, Staatenlose im
Sinne des Art. 1 I StlÜbk sind (BVerwG, Beschluss vom 25.5.1993 – 1 B 21/93 -, InfAuslR
1993, 298, und Urteil vom 23.2.1993 – 1 C 45/90 -, InfAuslR 1993, 268) . Hiervon geht
der Senat wie dargelegt auch im Falle des Klägers aus.
Nach Art. 1 II lit.i StlÜbk findet das Übereinkommen aber keine Anwendung „auf Personen,
denen gegenwärtig ein Organ oder eine Organisation der Vereinten Nationen mit
Ausnahme des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen Schutz oder Beistand
gewährt, solange sie diesen Schutz oder Beistand genießen“. Diese Ausschlussklausel hat
nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteile vom 2.6.1992
– 1 C 14/90 – und vom 21.1.1992 – 1 C 17.90 -, zitiert nach juris) , der der Senat folgt, im
Wesentlichen denselben Inhalt wie Art. 1 D des Abkommens vom 28.7.1951 über die
Rechtsstellung der Flüchtlinge – Genfer Konvention (GK) -. Wie das Verwaltungsgericht
bereits eingehend ausgeführt hat, zählt zu den Schutz und Beistand gewährenden
Organisationen und Institutionen der Vereinten Nationen im Sinne dieser Ausschlussklausel
auch die durch Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen mit
Hilfeleistungen und Hilfsprogrammen für palästinensische Flüchtlinge im Nahen Osten
beauftragte, gegenüber dem UNHCR selbständige United Nations Relief and Works Agency
for Palestine Refugees in the Near East – UNRWA -. Schutz und Beistand leistet die UNRWA
hilfsbedürftigen palästinensischen Flüchtlingen durch Bereitstellung von Unterkunft in
Lagern und Verpflegung mit Lebensmitteln, nicht hingegen allgemeinen Schutz. Nach der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt die Betreuung durch die UNRWA im
Sinne der Klausel jedoch nicht voraus, dass der einzelne Staatenlose im Zeitpunkt der
Entscheidung von ihr tatsächlich Hilfsleistungen erhält. Maßgebend für den Schutz oder
Beistand der UNRWA ist vielmehr, ob der Betroffene (noch) der Personengruppe angehört,
deren Betreuung die UNRWA nach ihrem Mandat übernommen hat. Solange die Betreuung
dieser Personengruppe durch die UNRWA andauert und der einzelne dieser
Personengruppe angehört, besteht der Schutz oder Beistand grundsätzlich fort. Dieser
erstreckt sich auf alle Personen, die bei ihr als Palästina-Flüchtlinge registriert sind,
28
(BVerwG, Urteil vom 2.6.1992 – 1 C 14/90 -, zitiert nach juris) aber auch, wie der
Europäische Gerichtshof (EuGH Große Kammer, Urteil vom 17.6.2010 – C-31/09 -,
InfAuslR 2010, 327 (Bolbol) zu Art. 1D GK) festgestellt hat, auf Personen, die die Hilfe –
ohne Registrierung – tatsächlich in Anspruch genommen haben.
Dieser Schutz durch die UNRWA entfällt – und lässt dann die Anwendung des StlÜbk zu -,
wenn die Unterstützung der gesamten Personengruppe oder einzelner Personen, für die sie
bisher tätig geworden ist, endet. Dies ist dann der Fall, wenn die UNRWA ihre Tätigkeit
einstellt oder ihre Schutz– oder Beistandsleistung an die Betroffenen nicht nur
vorübergehend verhindert wird, weil etwa einem Betroffenen nach zuvor mit
Rückkehrberechtigung erfolgter Ausreise die Rückkehr in das Tätigkeitsgebiet der UNRWA
dauernd verwehrt wird. Anders ist es indes, wenn der Betroffene das Tätigkeitsgebiet der
UNRWA verlässt und anstelle dieses Schutzes oder Beistandes die Vergünstigungen des
StlÜbk für sich beansprucht. Kein zur Anwendung des StlÜbk führender Wegfall des
Schutzes oder Beistands der UNRWA liegt vor, wenn der Ausländer aus dem Staat, in dem
die UNRWA tätig ist, ausreist, obwohl er nicht dorthin zurückkehren kann oder im Ausland
verbleibt, obwohl er darüber seine Rückkehrberechtigung verliert. Insoweit ergibt sich aus
der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH Große Kammer, Urteil vom
17.6.2010 – C-31/09 -, InfAuslR 2010, 327 (Bolbol) zu Art. 1D GK) nichts Gegenteiliges.
Hiervon ausgehend ist festzustellen, dass der Kläger auf die entsprechenden
Hiervon ausgehend ist festzustellen, dass der Kläger auf die entsprechenden
verwaltungsgerichtlichen Ausführungen lediglich vorgetragen hat, er gehöre der
Personengruppe, die die UNRWA betreue, nicht mehr an. Deren Schutz bestehe nicht
mehr, da er die Berechtigung zur Rückkehr in den Libanon verloren habe. Damit stellt er
nicht in Abrede, dass er den Schutz und Beistand der UNRWA im Libanon tatsächlich in
Anspruch genommen hat. Zudem steht nach Aktenlage fest, dass er mit – gültigen -
Reisedokumenten aus dem Herkunftsstaat ausgereist ist und aus eigenem Entschluss auf
eine Rückkehr verzichtet hat. Im Übrigen ist noch immer nicht auszuschließen, dass er in
den Libanon zurückkehren könnte, wenn er sich nachhaltig darum bemühen würde. Der
nach wie vor bestehende Schutz der UNRWA begründet daher einen Ausschlussgrund
gemäß Art. 1 II i StlÜbk.
Die Berufung des Klägers ist daher zurückzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 I,159 VwGO, 100 II ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 167 VwGO,
708 Nr. 10 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 II VwGO liegen nicht vor.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 25.000,- EUR festgesetzt (§§ 63 Abs.
2, 52 Abs. 1, 47 GKG).
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.