Urteil des OVG Saarland vom 24.02.2011

OVG Saarlouis: besondere härte, lebensgemeinschaft, aufenthaltserlaubnis, geschiedene frau, aufschiebende wirkung, trennung, familie, scheidungsurteil, stadt, beendigung

OVG Saarlouis Beschluß vom 24.2.2011, 2 B 17/11
Nacheheliches Aufenthaltsrecht
Leitsätze
Die ausnahmsweise für die Zubilligung eines eigenständigen nachehelichen
Aufenthaltsrechts ein Absehen von der Mindestbestandszeit der ehelichen
Lebensgemeinschaft nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG rechtfertigende und durch
die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vermeidbare "besondere" Härte nach § 31 Abs. 2
AufenthG kann unter dem Aspekt der notwendigen Rückkehr in das Heimatland nur
ausnahmsweise dann festgestellt werden, wenn die von der Ausländerin beziehungsweise
dem Ausländer zu gewärtigenden Schwierigkeiten der Wiedereingliederung in die
gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Herkunftslandes deutlich über die
damit naturgemäß regelmäßig verbundenen Probleme hinausgehen.
Von daher ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtung der
Aufenthaltsdauer und individuellen Integrationsleistungen speziell mit Blick auf geltend
gemachte Rückkehrschwierigkeiten eine besondere Härte nur anzunehmen, wenn im
Einzelfall über die regelmäßig mit der Aufenthaltsverlagerung in ein anderes Land
verbundenen Schwierigkeiten hinaus besondere Umstände vorliegen, aus denen heraus die
Ausreisepflicht den konkreten Ausländer oder die Ausländerin ungleich härter trifft als
andere in vergleichbarer Situation.
Die alle Rückkehrer beziehungsweise Rückkehrerinnen gleichermaßen treffenden typischen
Rückkehreffekte können die Ausreisepflicht von vornherein nicht über das Merkmal der
"besonderen Härte" in § 31 Abs. 2 Satz 1 AufenthG suspendieren. Das gilt beispielsweise
für einen vergleichsweise geringeren wirtschaftlichen Lebensstandard im Heimatland wie
auch einen mit der Aufenthaltsbeendigung verbundenen Verlust eines Arbeitsplatzes in
Deutschland.
Auch der Umstand, dass eine türkische Staatsangehörige nach einer gescheiterten Ehe als
Frau alleine in die Türkei zurückkehren muss begründet insoweit nicht schon eine
"besondere" Härte, da nach allgemeiner Erkenntnislage ungeachtet in bestimmten Teilen
der türkischen Gesellschaft vorhandener Vorbehalte gegen geschiedene oder "verstoßene"
Frauen zumindest in den Städten im Westen der Türkei ein selbständiges Leben für allein
stehende Frauen möglich ist.
Der Umstand, dass die Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft ausschließlich auf
die Initiative des Ehepartners des Ausländers oder - hier - der Ausländerin zurückgeht,
spricht ganz vehement gegen eine Unzumutbarkeit des Festhaltens an der ehelichen
Lebensgemeinschaft im Sinne des Regelbeispiels in § 31 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 Alt. 2
AufenthG. Diese Vorschrift gewährt keine Kompensation für erlittenes Unrecht, sondern will
verhindern, dass ein Ehegatte wegen der Gefahr der Beendigung seines akzessorischen
Aufenthaltsrechts auf Gedeih und Verderb zur Fortsetzung einer untragbaren
Lebensgemeinschaft gezwungen wird. Es greift von daher zumindest in der Regel nicht ein,
wenn ausschließlich der andere Ehegatte die Trennung herbeigeführt hat.
Tenor
Die Beschwerde der Antragsstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des
Saarlandes vom 22. Dezember 2010 – 10 L 2181/10 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin ist im Juni 1974 in Sorgun-Yozgat geboren, türkische Staatsangehörige
und begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage des § 31 Abs. 2
AufenthG.
Die Antragstellerin war nach einem von ihr vorgelegten Scheidungsurteil seit 1993 in erster
Ehe in ihrer Heimat mit Herrn C Ör verheiratet. Aus dieser Verbindung stammt der 1996
geborene Sohn E Ö. Diese Ehe wurde im Mai 2007 geschieden. Das Sorgerecht für den
Sohn wurde dem Vater übertragen. Der Sohn lebt bei ihm und den Großeltern in Sorgun.
(vgl. das Scheidungsurteil des Familiengerichts Sorgun vom 19.4.2007 – 2007/169 –)
Im April 2008 heiratete die Antragstellerin in Corum/Türkei den in N bei Heilbronn lebenden
türkischstämmigen Herrn H A., der seit 2002 die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.
Herr A. war ebenfalls geschieden und hat zwei Töchter.
Im Februar 2009 reiste die Antragstellerin in die Bundesrepublik ein. Im Mai 2009 wurde ihr
von der Ausländerbehörde in Heilbronn eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltserlaubnis
erteilt.
Ende Juni 2009 flog die Antragstellerin für vier Wochen in die Türkei. Unmittelbar nach ihrer
Abreise meldete der Ehemann die Antragstellerin unter der bis dahin gemeinsamen
Adresse als in die Türkei verzogen ab.
Im Juli 2009 kehrte die Antragstellerin in die Bundesrepublik zurück und begab sich nach A-
Stadt, wo eine ihrer Schwestern lebt. Am 24.7.2009 wurde sie im Frauenhaus der
Arbeiterwohlfahrt in A-Stadt aufgenommen. In einer dort abgegebenen Erklärung der
Antragstellerin vom September 2009 heißt es, ihr Mann wolle sie nicht mehr. Während der
kurzen Zeit des Zusammenlebens in Deutschland habe der Ehemann seine Freizeit mit
seinen Töchtern verbracht und sie – die Antragstellerin – nicht einbezogen. Sie habe sich
vernachlässigt gefühlt. Auf Anregung ihres Mannes habe sie sich vom 30.6. bis 24.7.2009
in der Türkei aufgehalten, um ihren Sohn aus erster Ehe zu besuchen. Ihr Mann habe ihr
telefonisch mitgeteilt, dass sie in der Türkei bleiben solle. Sie sei dennoch zurückgekehrt,
wolle einen Deutschkurs besuchen und denke vorerst nicht an Scheidung. Anfang März
2010 verließ die Antragstellerin das Frauenhaus und meldete sich in A-Stadt an.
Im April 2010 beantragte die Antragstellerin beim Antragsgegner, ihr eine
Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage des § 31 Abs. 2 AufenthG zu erteilen. Sie machte
geltend, sie habe nach ihrer Ersteinreise ständig Streit mit ihrem Ehemann gehabt. Dieser
habe sie unter Versprechungen nach Deutschland gelockt, sich dann aber als „Tyrann“
entpuppt, die „totale Unterwerfung“ von ihr verlangt und sie im Mai 2009 auch
geschlagen. Wegen unzureichender Deutschkenntnisse habe sie damals keinen Arzt
aufgesucht. Sie habe in der Türkei fünf Jahre die Schule besucht und sei mit 15 Jahren von
ihren Eltern zum ersten Mal verheiratet worden. Ihr erster Mann habe sie ständig körperlich
misshandelt. Weil sie sich von diesem getrennt habe, habe ihre Familie sie verstoßen und
jeglichen Kontakt zu ihr abgebrochen. Nach der Verstoßung durch den zweiten Ehemann
könne sie sich in der Türkei erst recht nicht mehr sehen lassen. Deswegen habe nun auch
ihre in Ankara lebende Schwester, die bisher die Treffen mit dem Sohn in ihrer Wohnung
ermöglicht gehabt habe, den Kontakt zu ihr abgebrochen. Dort finde sie keine
Lebensgrundlage mehr und müsse allenfalls am Rande des Existenzminimums
„dahinvegetieren“. Von ihrem ersten Mann und dessen Familie könne sie keine
Unterstützung erwarten. Einzig ihre in A-Stadt lebende Schwester halte noch Kontakt zu
ihr.
Im September 2010 lehnte der Antragsgegner die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab,
forderte die Antragstellerin zur Ausreise auf und drohte ihr für den Fall der Nichtbefolgung
die Abschiebung an. In der Begründung heißt es, ein eheunabhängiges eigenständiges
Aufenthaltsrecht stehe der Antragstellerin nicht zu. Die eheliche Lebensgemeinschaft in der
Bundesrepublik habe lediglich etwa vier Monate bestanden. Eine Rückkehr in das
Heimatland stelle im Fall der Antragstellerin auch keine besondere Härte dar. Sie habe den
Großteil ihres Lebens in der Türkei verbracht und dort einen Sohn, zu dem sie ausweislich
des Scheidungsurteils Kontakt halten dürfe. Die Scheidung mit der Folge des
Kontaktabbruchs seitens ihrer Familie sei bereits zwei Jahre vor der Ausreise gewesen. Da
sich die Lage türkischer Frauen in größeren Städten in den letzten Jahren einer „völligen
Emanzipation genähert“ habe, sei auch allein lebenden türkischen Frauen eine Rückkehr
zumutbar. Eine wirtschaftliche Eingliederung in Deutschland sei der Antragstellerin nicht
gelungen. Auch die angebliche Behandlung durch den zweiten Ehemann begründe keinen
besonderen Härtefall. Streitigkeiten und Kränkungen machten ein Festhalten an der Ehe
noch nicht unzumutbar. Nachweise für Misshandlungen durch den Ehemann habe die
Antragstellerin nicht vorlegen können.
Die Antragstellerin erhob Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid und stellte Anfang
November 2010 beim Verwaltungsgericht einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehbarkeit.
Sie hat den Verfahrensablauf geschildert und ihr Vorbringen wiederholt. Die eigene Familie
habe sie zwingen wollen, bei dem ersten Ehemann zu bleiben, obwohl dieser sie
misshandelt habe. Nach der Trennung sei der Kontakt abgebrochen worden. Das gelte
nach ihrer als ebenfalls ehrverletzend angesehenen zweiten Verstoßung auch für die in
Ankara lebende Schwester, die ihr bis dahin die Treffen mit ihrem Sohn ermöglicht habe.
Dass die Beziehung einer zwangsverheirateten Frau zu ihrer Familie nicht intakt sei, liege
auf der Hand. Im türkischen Kulturkreis würden Frauen, die Opfer von Misshandlung und
Vergewaltigung geworden seien, als „schlecht“ angesehen. Aus Scham habe sie der in A-
Stadt lebenden Schwester nicht von den Misshandlungen durch den zweiten Mann erzählt.
Diese habe ihr den Kontakt zu zwei Sozialarbeitern vermittelt, die ihr geraten hätten, in das
Frauenhaus zu gehen. Der Verweis des Antragsgegners auf ihren zwischenzeitlich 14-
jährigen Sohn sei nicht gerecht. Dieser könne sie nicht unterstützen. Vor ihrer Ausreise
habe sie zwei Jahre in einer dem zweiten Ehemann gehörenden Wohnung gelebt und sei
auch von ihm unterhalten worden. Diese Gelegenheit bestehe bei einer Rückkehr nicht
mehr. Der Hinweis des Antragsgegners auf die Lage allein stehender Frauen in größeren
türkischen Städten treffe nicht, da sie nicht aus einer solchen komme. Belege für die
Misshandlung durch den zweiten Ehemann könne sie nicht erbringen. Nachbarn, die das
mitbekommen hätten, seien mit Rücksicht auf das gute Verhältnis mit dem Ehemann nicht
bereit, gegenüber der Polizei Angaben zu machen. Der Ehemann habe sie in völliger
Abhängigkeit halten wollen und ihr die Teilnahme an Deutschkursen sowie die Aufnahme
einer Arbeit untersagt. Das Ausnutzen ihrer Hilflosigkeit rechtfertige die Anwendung der
Härtefallregelung. Inzwischen arbeite sie als Küchenhilfe bei der Firma A...-Grill in V. und
verdiene dort brutto 1.200,- EUR im Monat.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag Ende Dezember 2010 unter Verweis auf
mangelnde Erfolgsaussichten einer Klage gegen den Ablehnungsbescheid zurückgewiesen.
Die mit Blick auf das nur kurzzeitige Bestehen der ehelichen Lebensgemeinschaft mit dem
zweiten Mann in Deutschland für einen Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zu
fordernde besondere Härte liege nicht vor. Die Antragstellerin sei als Erwachsene im
Rückkehrfall nicht auf familiäre Unterstützung angewiesen und könne sich auch als
geschiedene Frau in die gesellschaftlichen Verhältnisse in der Türkei einfügen. In den
westlichen Provinzen des Landes, in deren Städten geschiedene Frauen mittlerweile zur
Normalität gehörten, sei es allein stehenden Frauen möglich, allein zu leben und den
eigenen Lebensunterhalt sicherzustellen. Zudem könne jeder türkische Staatsangehörige
soziale Hilfen in Anspruch nehmen. Vor allem in Istanbul gebe es zahlreiche nichtstaatliche
Frauenorganisationen, die Hilfen anböten. Die Antragstellerin sei mit den Verhältnissen in
der Türkei gut vertraut. Die Voraussetzungen der besonderen Härteklausel, dass dem
ausländischen Ehegatten das Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht mehr
zumutbar gewesen sei, lägen nur vor, wenn er diese auch aus eigener Initiative beendet
habe. Werde demgegenüber die Lebensgemeinschaft, wie hier, durch den
stammberechtigten Ehegatten aufgelöst, bestehe kein Grund von einer solchen
Unzumutbarkeit auszugehen. Des ungeachtet könne nach den Umständen des
vorliegenden Falles mit Blick auf die in der Rechtsprechung dazu anerkannten Fälle eine
Unzumutbarkeit nicht angenommen werden. Nach Darstellung der Antragstellerin solle es
ersichtlich einmal im Mai 2009 zu Schlägen durch den Ehemann gekommen sein. Selbst
wenn man das als wahr unterstelle, so habe die Antragstellerin zu Anlass und Folgen keine
wenn man das als wahr unterstelle, so habe die Antragstellerin zu Anlass und Folgen keine
detaillierten Angaben gemacht, keine Konsequenzen gezogen und weder einen Arzt
aufgesucht noch die Polizei eingeschaltet. Dies lasse sich nicht mit angeblich mangelnden
Deutschkenntnissen begründen. Auch sei der Vorfall für die Antragstellerin kein Grund zur
Trennung gewesen. Verbote, einen Deutschkurs zu besuchen oder eine Arbeit
aufzunehmen, seien nicht gleichzustellen mit einer Beraubung jeglicher freier Entfaltung der
Persönlichkeit. Nach eigener Einschätzung habe sie der Ehemann zuviel alleine gelassen
und zu viel Zeit mit seinen Töchtern verbracht, was für das Bestehen eines Freiraums
zumindest in dieser Zeit spreche.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom
22.12.2010 – 10 L 2181/10 – muss erfolglos bleiben. Das Verwaltungsgericht hat es zu
Recht abgelehnt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen
den Ablehnungsbescheid des Antragsgegners vom 30.9.2010 wieder herzustellen. Das
nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den gerichtlichen Prüfungsumfang abschließend
bestimmende Vorbringen in der Beschwerdebegründung vom 31.1.2011, das in der Sache
eine Vertiefung der bisherigen Argumentation der Antragstellerin enthält, rechtfertigt keine
abweichende Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsschutzbegehrens in der
Hauptsache.
Auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens kann nicht vom Bestehen eines
Anspruchs der Antragstellerin auf Erteilung einer (eheunabhängigen) Aufenthaltserlaubnis
auf der Grundlage des insoweit hier einzig ernsthaft in Betracht kommenden § 31 Abs. 1
Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 AufenthG ausgegangen werden. Die ausnahmsweise ein
Absehen von der hier bei weitem nicht erfüllten Mindestbestandszeit der ehelichen
Lebensgemeinschaft nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG rechtfertigende und durch
die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vermeidbare „besondere“ Härte bezogen auf den
Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft (vgl. hierzu etwa OVG des
Saarlandes, Beschluss vom 4.6.2010 – 2 B 86/10 –, SKZ 2010, 223, Leitsatz Nr. 49) liegt
hier offensichtlich nicht vor. Das hat das Verwaltungsgericht sowohl mit Blick auf
Schwierigkeiten bei einer Rückkehr der Antragstellerin in die Türkei (§ 31 Abs. 2 Satz 2 1.
Alt. AufenthG) als auch hinsichtlich des von ihr behaupteten Verhaltens ihres zweiten
Ehemanns (§ 31 Abs. 2 Satz 2 2. Alt. AufenthG) richtig festgestellt.
Nach der Rechtsprechung des Senats kann dem Ausländer oder der Ausländerin das
Vorliegen einer „besonderen“ Härte im Rahmen der Geltendmachung eines eigenständigen
nachehelichen Aufenthaltsrechts nach § 31 Abs. 2 AufenthG unter dem Aspekt der
notwendigen Rückkehr in das Heimatland nur ausnahmsweise dann zugebilligt werden,
wenn die von ihm/ihr zu gewärtigenden Schwierigkeiten der Wiedereingliederung in die
gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Herkunftslandes deutlich über die
damit naturgemäß regelmäßig verbundenen Probleme hinausgehen. Daher ist im Rahmen
einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtung der – hier bezogen auf die Trennung nicht
wirklich ins Gewicht fallenden beziehungsweise damals nicht erbrachten – Aufenthaltsdauer
und individuellen Integrationsleistungen speziell mit Blick auf geltend gemachte
Rückkehrschwierigkeiten eine besondere Härte nur anzunehmen, wenn im Einzelfall über
die regelmäßig mit der Aufenthaltsverlagerung in ein anderes Land verbundenen
Schwierigkeiten hinaus besondere Umstände vorliegen, aus denen heraus die
Ausreisepflicht den konkreten Ausländer oder die Ausländerin ungleich härter trifft als
andere in vergleichbarer Situation. (vgl. etwa OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom
23.11.2005 – 2 W 31/05 –, SKZ 2006, 61 Leitsatz Nr. 75 (Rückkehr einer geschiedenen
Frau nach Thailand), und vom 8.6.2000 – 9 V 14/00 –, SKZ 2000, 265 Leitsatz Nr. 126,
wonach die bei der Rückkehr zu erwartenden Schwierigkeiten nach Art und Schwere so
erheblich sein müssen, dass die Versagung der Aufenthaltserlaubnis als nicht mehr
vertretbar erscheinen würde, noch zu § 19 AuslG) Dafür gibt es angesichts der konkreten
Fallumstände keine Anhaltspunkte. Die Antragstellerin ist heute 36 Jahre alt, hat – soweit
ersichtlich – keine gravierenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen, arbeitet in einem
türkischen Restaurant, hat fast ihr ganzes bisheriges Leben in der Türkei zugebracht und
dürfte insoweit im Rückkehrfall keinerlei „Anpassungsschwierigkeiten“ haben. Die alle
Rückkehrer beziehungsweise Rückkehrerinnen gleichermaßen treffenden typischen
Rückkehreffekte können die Ausreisepflicht von vornherein nicht über das Merkmal der
„besonderen Härte“ in § 31 Abs. 2 Satz 1 AufenthG suspendieren. (vgl. OVG des
Saarlandes, Beschluss vom 18.9.2001 – 1 V 26/01 –, SKZ 2002, 168, Leitsatz Nr. 69)
Das gilt beispielsweise für einen geringeren wirtschaftlichen Lebensstandard wie auch einen
mit der Aufenthaltsbeendigung verbundenen Verlust eines Arbeitsplatzes in Deutschland.
(vgl. insbesondere auch dazu OVG des Saarlandes, Beschluss vom 18.9.2001 – 1 V 26/01
-, SKZ 2002, 168, Leitsatz Nr. 69)
Nichts anderes ergibt sich aus dem Umstand, dass die Antragstellerin nach einer
gescheiterten Ehe als Frau alleine in die Türkei zurückkehren würde. Das
Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass nach allgemeiner
Erkenntnislage ungeachtet in bestimmten Teilen der türkischen Gesellschaft vorhandener
Vorbehalte gegen geschiedene oder „verstoßene“ Frauen zumindest in den Städten im
Westen der Türkei ein selbständiges Leben für allein stehende Frauen – zur Not unter
Rückgriff auf zur Verfügung stehende private und öffentliche Hilfsangebote – möglich ist.
Der einschlägige Abschnitt im allgemeinen Lagebericht des Auswärtigen Amts über
geschlechtsspezifische Verfolgung in der Türkei (vgl. dazu den Bericht über die asyl- und
abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei vom 11.4.2010 – 508-516.80/3 TUR –,
dort 1.8., Seiten 16 ff.) befasst sich neben Fragen im Zusammenhang mit Homo- und
Transsexualität insbesondere mit Zwangsverheiratungen minderjähriger junger Frauen,
Ehrenmorden sowie Jungfräulichkeitstests und nennt die bereits vom Verwaltungsgericht
angeführten privaten Schutz- und Hilfeorganisationen sowie staatliche Schutzvorkehrungen
wie etwa die in Städten mit über 50.000 Einwohnern bestehende Pflicht zur Einrichtung
von Frauenhäusern. Das Problem einer bloß geschiedenen Frau wird als solches dort gar
nicht mehr erwähnt. Der Antragstellerin kann ohne weiteres zugemutet werden, ihren
künftigen Wohnsitz entsprechend zu wählen. Die Antragstellerin weist zudem selbst
zutreffend darauf hin, dass sie in der Türkei bereits einmal verheiratet gewesen ist und
2007 erstmals – mit der Konsequenz des Kontaktabbruchs durch die eigene Familie –
geschieden wurde. Geht man nach dem vorgelegten Scheidungsurteil (vgl. das
Scheidungsurteil des Familiengerichts Sorgun vom 19.4.2007 – 2007/169 –) insoweit von
einem Trennungszeitpunkt im Jahre 2006 aus, so hat die Antragstellerin für einen nicht
unwesentlichen Zeitraum mit dem von ihr behaupteten „Stigma“ beziehungsweise mit
dem „Makel des Verstoßenseins“ in der Herkunftsregion zugebracht, bevor sie 2009 zur
Begründung einer vergleichsweise kurzen, allenfalls drei bis vier Monate währenden
Lebensgemeinschaft mit dem jetzigen Ehemann nach Deutschland gekommen ist.
Das Verwaltungsgericht ist ferner zu Recht davon ausgegangen, dass sich eine
„besondere“ Härte auch nicht mit Blick auf das Verhalten ihres (zweiten) Ehemannes
begründen lässt. Eine solche ist nach der 2. Alt. des § 31 Abs. 2 Satz 2 AufenthG
„insbesondere“ auch dann anzunehmen, wenn dem Anspruchsteller wegen einer
Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange ein Festhalten an der ehelichen
Lebensgemeinschaft unzumutbar ist. Das ist hier nicht der Fall. Soweit die Antragstellerin
mit der Beschwerde erneut geltend macht, dass sie – was im Übrigen bezogen auf den im
Scheidungsurteil angegebenen Heiratszeitpunkt („1993“) zweifelhaft erscheint – im Alter
von 15 Jahren von ihren Eltern „zwangsverheiratet“ worden sei und dass sie von diesem
(ersten) Ehemann misshandelt worden sei, was dann zur Trennung geführt haben soll,
spielt das im Rahmen der vorliegenden Beurteilung keine Rolle. Ebenso wenig ist es von
Bedeutung, inwiefern persönliche Erwartungen und Hoffnungen, die die Antragstellerin nach
solchen „Gewalterfahrungen“ in der Türkei mit einer zweiten Ehe in Deutschland verbunden
hatte, enttäuscht wurden, weil sich auch der zweite Ehemann als „Pascha“ oder „Tyrann“
entpuppt oder sich aus ihrer Sicht nicht ausreichend um sie gekümmert beziehungsweise
sie oft allein gelassen oder nicht in Aktivitäten mit seinen Töchtern aus erster Ehe
einbezogen haben soll. In dieser Allgemeinheit gehören solche Erkenntnisse wohl eher zum
allgemeinen Lebensrisiko in dem Bereich und begründen jedenfalls keine „besondere“ Härte
im Sinne des § 31 Abs. 2 AufenthG.
Nichts anderes gilt im Ergebnis, soweit die Antragstellerin erneut vorbringt, dass sie im Mai
2009 von ihrem zweiten Ehemann geschlagen worden sei, nachdem sie ihn zur Rede
gestellt habe, weil er nach ihrer Einschätzung zu spät nach Hause gekommen sei. Dieser
Vorgang ist bis heute nicht belegt und nach dem eigenen Vorbringen der Antragstellerin
auch durch nichts (nachträglich) zu belegen. Sicher, weil von ihr selbst eingeräumt, ist
allerdings, dass sie selbst auch unmittelbar nach diesem behaupteten Vorfall keine
Veranlassung sah, sich auch von diesem Ehemann zu trennen. Vielmehr will sie nach ihrer
bei den Akten befindlichen schriftlichen Einlassung vom 21.9.2009, in der in einer
handschriftlichen Ergänzung eher beiläufig davon die Rede ist, dass sie ihr Mann „auch
geschlagen“ habe, im Folgemonat (Juni 2009) auf „Anregung“ des Ehemannes und weil sie
sich „vernachlässigt“ gefühlt habe, in die Türkei zum Besuch ihres Sohnes gereist sein.
Dort habe ihr der Ehemann zu ihrer Überraschung am Telefon eröffnet, er wünsche sich,
dass sie in der Türkei bliebe. Sie sei aber dennoch nach Deutschland zurückgekommen und
denke selbst vorerst nicht an Scheidung. Das Verwaltungsgericht hat in dem
Zusammenhang zutreffend ausgeführt, dass bereits der Umstand, dass die Beendigung
der ehelichen Lebensgemeinschaft ausschließlich auf die Initiative der Ehepartners des
Ausländers oder – hier – der Ausländerin zurückgeht, ganz vehement gegen eine
Unzumutbarkeit in diesem Sinne spricht. Das Regelbeispiel des § 31 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz
1 Alt. 2 AufenthG bietet keine Kompensation für erlittenes Unrecht, sondern will
verhindern, dass ein Ehegatte wegen der Gefahr der Beendigung seines akzessorischen
Aufenthaltsrechts auf Gedeih und Verderb zur Fortsetzung einer untragbaren
Lebensgemeinschaft gezwungen wird. Es greift von daher zumindest in der Regel nicht ein,
wenn ausschließlich der andere Ehegatte die Trennung herbeigeführt hat. (vgl. etwa
(generell) VGH München, Beschluss vom 13.8.2009 – 10 ZB 09.1020 –, bei juris, VGH
Kassel, Beschluss vom 10.10.2005 – 9 TG 2403/05 –, DÖV 2006, 177, zustimmend:
Storr/Wenger/Eberle/Albrecht/Harms, Zuwanderungsrecht, 2. Auflage 2008, § 31 Rn 24,
ablehnend dagegen: Huber, AufenthG, 1. Auflage 2010, § 31 Rn 16)
Aber auch wenn man die Frage, wer die Trennung herbeigeführt hat, aus den in der
erstinstanzlichen Entscheidung angeführten Gründen nicht als entscheidend ansehen
wollte, ergäbe sich aus dem geschilderten Einzelereignis, wenn es sich so zugetragen
haben sollte, kein durchgreifender Anhaltspunkt für eine „besondere“ Härte unter dem
Aspekt, dass allein deswegen die Versagung einer Aufenthaltserlaubnis als schlechterdings
nicht mehr vertretbar bewertet werden müsste.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung findet
ihre Grundlage in den §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 3, 52 Abs. 2, 47 GKG 2004, wobei eine
Halbierung des Auffangstreitwerts gerechtfertigt erscheint.
Der Beschluss ist unanfechtbar.