Urteil des OVG Saarland vom 16.02.2011

OVG Saarlouis: ausweisung, öffentliche sicherheit, abschiebung, staatsangehörigkeit, usbekistan, aufenthaltserlaubnis, vorrang, trennung, lebensgemeinschaft, ausländer

OVG Saarlouis Beschluß vom 16.2.2011, 2 A 259/10
Ausweisung nach vielfachem Verstoß gegen Verkehrsstrafnormen
Leitsätze
Zur Rechtmäßigkeit der Ausweisung eines vielfach wegen Verkehrsstraftaten verurteilten
Ausländers auf der Grundlage des § 55 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 AufenthG.
Bei einer von dem Ausländer für den Abschiebungsfall geltend gemachten
Selbstmordgefahr allenfalls in Betracht kommende Duldungsgründe (§ 60a Abs. 2
AufenthG) stehen dem Erlass einer Abschiebungsandrohung nicht entgegen.
Eine im Einzelfall vorliegende Suizidgefahr steht einer Abschiebung nicht entgegen, wenn
durch die Ausländerbehörde die im konkreten Einzelfall erforderlichen Schutzmaßnahmen
getroffen werden.
Bei einem Ausländer, der nie ein Asylgesuch gestellt hat, ergeben sich keine
Sperrwirkungen für die Ausländerbehörde aus § 42 Satz 1 AsylVfG mit Blick auf
zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse (§ 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG), so dass auch
diese vor einer Abschiebung gegebenenfalls in den Blick zu nehmen sind (§ 79 Abs. 1
AufenthG).
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des
Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 16. Juli 2010 – 10 K 565/09 - wird
zurückgewiesen.
Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Kläger.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger ist 1960 in der damaligen Sowjetunion geboren und besitzt heute usbekische
Personalpapiere. Nachdem er bereits in den 1990er Jahren wiederholt seine als
Spätaussiedler in A-Stadt lebenden Eltern und Geschwister besucht hatte, reiste er im April
1999 zu Daueraufenthaltszwecken mit seiner usbekischen Ehefrau und zwei gemeinsamen
Kindern in die Bundesrepublik ein, erhielt eine Aufenthaltserlaubnis und arbeitete zunächst
als Montagehelfer im Gerüstbau. Die Aufenthaltserlaubnis wurde später mehrfach
verlängert, zuletzt bis zum Februar 2009.
In den Jahren 2001 bis 2008 wurde der Kläger mindestens achtmal wegen vorsätzlichen
Fahrens ohne Fahrerlaubnis, in zwei Fällen in Verbindung mit unerlaubtem Entfernen vom
Unfallort, teilweise in Tateinheit mit dem Führen eines Fahrzeugs ohne
Versicherungsschutz sowie Urkundenfälschung und Straßenverkehrsgefährdung
rechtskräftig zu Geld- und Freiheitsstrafen verurteilt. Im Rahmen der Erwägungen zur
Strafzumessung heißt es in dem neuesten Urteil vom Oktober 2008 (vgl. das Urteil des
Amtsgerichts Neunkirchen vom 1.10.2008 – 11 Ds 68 Js 640/08 (258/08), mit dem der
Kläger wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit dem Führen eines
Fahrzeugs ohne Haftpflichtversicherungsschutz zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten
verurteilt wurde, und das die Berufung des Klägers gegen diese Entscheidung verwerfende
Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 22.1.2009 – 11 Ns 207/08 –, in dem die
Vorverurteilungen im Einzelnen aufgeführt sind) unter anderem, bei dem Kläger handele es
sich um einen ignoranten, straßenverkehrsrechtlichen Intensivtäter mit hoher
Rückfallgeschwindigkeit. Dieser habe immer wieder gezeigt, dass ihn „staatliche
Rechtsfolgenaussprüche“ nicht ansatzweise interessierten und dass er dabei auch aus
geringfügigen Anlässen seinem Wunsch nach ungehinderter, motorisierter Fortbewegung
gegenüber fremden Sicherheitsinteressen den Vorrang einräume. Das wiederholte Fahren
ohne Fahrerlaubnis zeuge von einer tief verwurzelten Fehleinstellung des Klägers zu
straßenverkehrsrechtlichen Normen.
Infolge seiner bei einem selbst verschuldeten Verkehrsunfall im Jahre 2004 erlittenen
Verletzungen konnte der Kläger seiner bisherigen beruflichen Tätigkeit nicht mehr
nachgehen.
Im März 2006 wurde der Kläger von der Ausländerbehörde ausdrücklich darüber belehrt,
dass seiner Einreise nur zugestimmt worden sei, wenn der Lebensunterhalt für ihn und die
Familie ohne Inanspruchnahme von Sozialleistungen bestritten werde. Es werde erwartet,
dass er sich künftig straffrei halte. Falls das nicht geschehe, müsse er mit seiner
Ausweisung rechnen.
Nachdem der Kläger sich danach erneut strafbar gemacht hatte, wies der Beklagte ihn im
Oktober 2008 dauerhaft aus der Bundesrepublik aus, erklärte diese Entscheidung für sofort
vollziehbar und drohte ihm erforderlichenfalls seine Abschiebung nach Usbekistan an. In der
Begründung wurde auf die vom Kläger, der sich damals in Haft befand, begangenen
Straftaten verwiesen. Trotz ausdrücklicher ausländerbehördlicher Verwarnung und
Hinweises auf die Konsequenzen sei er erneut straffällig geworden. Eine günstige
Bewährungsprognose könne nicht mehr gestellt werden. Der Kläger habe gezeigt, dass er
nicht bereit sei, die deutschen Gesetze zu beachten. Seine Ausweisung sei sowohl aus
spezial- wie auch aus generalpräventiven Gründen geboten. Ein besonderer
Ausweisungsschutz sei nach Aktenlage nicht ersichtlich. Beide Kinder des Klägers seien
inzwischen volljährig und gingen eigenen Beschäftigungen nach. Letzteres gelte auch für die
Ehefrau, die wie der Kläger im Besitz einer befristeten Aufenthaltserlaubnis sei und ihn in
das gemeinsame Herkunftsland begleiten könne. Der Kläger verfüge kaum über deutsche
Sprachkenntnisse. Von seiner erfolgreichen Integration könne nicht ausgegangen werden.
Seine privaten Interessen hätten zurückzustehen.
Ein gegen die Sofortvollzugsanordnung gerichteter Aussetzungsantrag des Klägers blieb
ohne Erfolg. (vgl. dazu VG des Saarlandes, Beschluss vom 23.1.2009 – 2 L 1790/08 –)
Sein Widerspruch wurde vom Beklagten im Mai 2009 zurückgewiesen. (vgl. den
Widerspruchsbescheid vom 19.5.2009 – 2.3.3 – RL – N026910 –)
Im Juni 2009 hat der Kläger Klage erhoben. Er machte geltend, ihm sei trotz seiner
Deutschstämmigkeit im Gegensatz zu seinen Geschwistern die Einbürgerung verweigert
worden. Die Ausweisungsentscheidung sei unverhältnismäßig und verletzte ihn in seinen
Grundrechten aus Art. 8 EMRK und Art. 6 GG. Der Beklagte habe einfach unterstellt, dass
von ihm aufgrund in der Vergangenheit begangener Straftaten eine Gefahr für die
öffentliche Sicherheit ausgehe, da er sich von den gegen ihn verhängten Strafen nicht habe
abschrecken lassen. Das „greife zu kurz“, da er nun erstmals eine Haft verbüße, die ihm
die Tragweite seines bisherigen Verhaltens vor Augen führe. Er habe sich intensiv mit
seinen Taten befasst und bereue diese aufrichtig. Die begangenen Verkehrsdelikte seien
keinesfalls so schwerwiegend, dass sich damit seine Ausweisung generalpräventiv
rechtfertigen lasse. Er lebe nun seit knapp elf Jahren in der Bundesrepublik und habe sich
von seiner Heimat derart entfremdet, dass ihm eine Rückkehr dorthin nicht mehr
zuzumuten sei. Er verfüge dort weder über Verwandte noch über sonstige soziale
Kontakte. Die gesamte Familie lebe in Deutschland. Die Ausweisung bedeute eine
dauerhafte Trennung von seiner Mutter, seinen drei Geschwistern, seiner Frau und seinen
beiden Kindern, die ihn alle regelmäßig in der Haftanstalt besuchten. Er solle wegen einer
„lediglich unterstellten Gefahr“ für die öffentliche Sicherheit aus seinem familiären Umfeld
herausgerissen werden. Sein kürzlich verstorbener Bruder habe drei Kinder hinterlassen,
um die er – der Kläger – sich nun kümmern müsse. Zu seiner Mutter, für die er seit dem
Tod des Vaters im Jahre 2008 zu sorgen habe, bestehe ein sehr inniges
Beistandsverhältnis. Der Besitz eines usbekischen Reisepasses bedeute nicht automatisch,
dass er usbekischer Staatsangehöriger sei. Er habe nach dem Zusammenbruch der
Sowjetunion lediglich von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, sich einen solchen Pass
ausstellen zu lassen, ohne dadurch die usbekische Staatsangehörigkeit anzunehmen oder
seine Deutschstämmigkeit aufzugeben. Daher komme eine Ausreise nach Usbekistan
ohnehin nicht in Betracht. Ferner sei er seit seinem Unfall im Jahre 2004 schwerbehindert
und zudem herzkrank. Eine Ausweisung nach Usbekistan habe für ihn verheerende Folgen.
Er müsse ohne finanzielle Mittel, ohne Unterkunft und ohne die notwendigen Medikamente
das Leben eines Obdachlosen führen. Während der Haft habe er einen Deutschkurs belegt,
um seine Sprachkenntnisse zu verbessern. Seit 2009 arbeite er auch eine bei ihm
bestehende Alkoholproblematik in Einzel- und Gruppengesprächen bei einer Alkoholikerhilfe
auf.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Juli 2010 abgewiesen. In den Gründen heißt es,
die Ausweisungsentscheidung des Beklagten sei rechtmäßig. Im Gegensatz zu seinen
Eltern und Geschwistern, die als Aussiedler beziehungsweise als Spätaussiedler anerkannt
worden seien und mittlerweile über die deutsche Staatsangehörigkeit verfügten, sei der
Kläger gemeinsam mit Frau und Kindern im ausländerrechtlichen Nachzugsverfahren nach
Deutschland eingereist. Die von dem Kläger betonte „Deutschstämmigkeit“ ändere nichts
daran, dass auf ihn die Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes Anwendung fänden. Ob der
Kläger usbekischer Staatsangehöriger sei oder nicht, besitze keine Relevanz. Die
Ausweisung des Klägers, der sich nicht auf einen besonderen Ausweisungsschutz berufen
könne, sei mit Blick auf die wiederholten strafrechtlichen Verurteilungen auch unter
Ermessensgesichtspunkten gerechtfertigt. Angesichts der Vielzahl der begangenen
Verkehrsstraftaten sei eine Wiederholung zu erwarten. Das belegten auch die
Strafzumessungserwägungen in den Strafurteilen. Besonders ins Gewicht falle, dass sich
der Kläger ungeachtet der bei dem selbstverschuldeten Unfall im Jahr 2004 erlittenen
schweren Verletzungen und trotz einer ersten achtmonatigen Inhaftierung im Jahr 2005
sowie einer ausdrücklichen Belehrung durch den Beklagten über die Folgen einer weiteren
Straffälligkeit nicht von einer Begehung weiterer Taten habe abhalten lassen und dass er
auch während laufender Bewährungsfristen erneut einschlägig strafrechtlich in Erscheinung
getreten sei. Auch die Vollstreckungsgerichte hätten keine Anhaltspunkte für eine insoweit
günstige Entwicklung bei dem Kläger gesehen. (vgl. dazu Landgericht Saarbrücken,
Beschluss vom 26.5.2010 – II StVK 498/10, II StVK 499/10 und II StVK 500/10, und
Saarländisches OLG, Beschluss vom 13.7.2010 – 1 Ws 118/10 – (108, 124)) Ferner
spreche nichts dafür, dass es im Rahmen der Haftverbüßung zu einem grundlegenden und
nachhaltigen Wandel in der Einstellung des Klägers gekommen sei. Dass er sich im Rahmen
des Strafvollzugs ordentlich führe, sei selbstverständlich und in seinem eigenen Interesse
zu erwarten. Gleiches gelte für die begonnene Aufarbeitung einer Alkoholproblematik,
wobei ohnehin nicht erkennbar sei, dass diese bei der Begehung der Straftaten eine
maßgebliche Rolle gespielt habe. Die Ausweisung sei auch generalpräventiv hinreichend
veranlasst. Sie könne andere Ausländer von einer Begehung entsprechender
Verkehrsdelikte abhalten. Angesichts der Vielzahl der von ihm begangenen Straftaten sei
auch nicht nachzuvollziehen, wenn der Kläger diese als „nicht schwerwiegend“ ansehe.
Seine Ausweisung sei ferner verhältnismäßig. Der Beklagte habe alle Umstände des Falles
berücksichtigt und in nicht zu beanstandender Weise abgewogen. Das Ergebnis begegne
auch mit Blick auf Art. 8 EMRK keinen durchgreifenden Bedenken. Dem Kläger sei es in der
Zeit seines nunmehr elfjährigen Aufenthalts nicht gelungen, sich wirtschaftlich und sozial in
Deutschland zu integrieren. Er verfüge weder über einen Arbeitsplatz noch über
ausreichende Mittel zur Sicherung des Lebensunterhalts. Da er erst im Erwachsenenalter
mit 38 Jahren nach Deutschland gekommen sei, sei auch in Ansehung seines
Gesundheitszustands nicht zu erkennen, weshalb ihm eine Integration in seinem
Heimatland nun nicht mehr möglich sein sollte. Gleiches gelte mit Blick auf Art. 6 GG. Die
Ehefrau und seine zudem volljährigen und nicht mehr auf Unterstützung angewiesenen
Kinder besäßen ebenfalls die usbekische Staatsangehörigkeit, so dass die Herstellung einer
familiären Lebensgemeinschaft mit diesen nicht nur in Deutschland möglich sei. Auch
spreche nichts dafür, dass seine hier lebende Mutter zwingend auf eine Lebenshilfe gerade
durch den Kläger angewiesen sei. Notwendige Unterstützung könne die Mutter bei Bedarf
von den in ihrer unmittelbaren Nähe wohnenden Geschwistern des Klägers erhalten. Das
gelte auch für die Kinder des verstorbenen Bruders, deren hinreichende Betreuung durch
die Kindesmutter sichergestellt sei. Für die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung
spiele es ebenfalls keine Rolle, ob der Kläger die Staatsangehörigkeit des darin
angegebenen Zielstaats Usbekistan besitze.
Der Kläger, der im Dezember 2010 aus der Haft entlassen wurde, begehrt die Zulassung
der Berufung gegen dieses Urteil.
II.
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung (§§ 124a Abs. 4, 124 Abs. 1 VwGO)
gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 16.7.2010 – 10 K 565/09 – muss erfolglos
bleiben. Der mit Blick auf das an den Rechtsbehelfsführer gerichtete Darlegungsgebot (§
124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) den gerichtlichen Prüfungsumfang im
Zulassungsverfahren bestimmenden Antragsbegründung kann das Vorliegen eines der in §
124 Abs. 2 VwGO aufgeführten Zulassungsgründe nicht entnommen werden. Der Vortrag
des Klägers rechtfertigt nicht die Annahme ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der
erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), mit der seine Klage gegen die
mit Bescheid vom 14.10.2008 verfügte Ausweisung aus der Bundesrepublik abgewiesen
worden ist.
Das Verwaltungsgericht hat zu Recht auf das Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen
für eine Ausweisung nach § 55 Abs. 1 AufenthG aus Gründen der öffentlichen Sicherheit
und Ordnung und die angesichts der vielfachen strafgerichtlichen Verurteilungen des
Klägers auf der Hand liegende Erfüllung des Regelbeispiels in § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG
verwiesen. Dass es bei den vielfachen kurz aufeinander folgenden vorsätzlichen Verstößen
gegen Verkehrsstrafvorschriften entgegen der Ansicht des Klägers insbesondere nicht um
„geringfügige“ Rechtsverstöße ging, wurde in dem erstinstanzlichen Urteil herausgestellt.
Das wird im Zulassungsverfahren auch vom Kläger nicht mehr in Abrede gestellt. Soweit er
unter spezialpräventiven Gesichtspunkten nun noch einmal von einer lediglich „pauschalen
Prognose“ des Beklagten im Zusammenhang mit der bejahten Wiederholungsgefahr
ausgeht, ist dieser Vortrag nach dem Akteninhalt nicht nachzuvollziehen. Der Kläger hat
keine der ihm vielfach gebotenen Gelegenheiten zur Änderung seines Verhaltens genutzt.
Weder die zahlreichen Verurteilungen, noch die mehrfachen Strafaussetzungen zur
Bewährung im Falle der Verhängung von Freiheitsstrafen, noch eine erste Inhaftierung im
Jahr 2005 oder die nachdrückliche persönliche Belehrung im März 2006 über die
aufenthaltsrechtlichen Konsequenzen einer Begehung weiterer Straftaten haben ihm
Anlass gegeben, sich in der Folge straffrei zu verhalten.
Der Sachvortrag des Klägers rechtfertigt entgegen seiner Ansicht auch keine ernstlichen
Zweifel am Vorliegen einer ordnungsgemäßen Ausübung des dem Beklagten bei der
Entscheidung über die Ausweisung nach § 55 Abs. 1 AufenthG eingeräumten Ermessens.
Der Kläger wendet insofern erneut allgemein ein, der Beklagte habe – vom
Verwaltungsgericht letztlich zu Unrecht nicht beanstandet – seine „familiäre Situation
fehlerhaft gewürdigt“ und nicht berücksichtigt, dass seine Ausweisung eine dauerhafte
Trennung von seiner Ehefrau, seinen beiden Kindern, seiner hilfebedürftigen Mutter und von
seinen Geschwistern, zu denen er ebenfalls ein enges familiäres Verhältnis pflege, zur
Folge habe. Das trifft schon im Ansatz nicht zu. Sowohl der Beklagte als auch das
Verwaltungsgericht haben sich mit den unstreitigen und von Anfang an bekannten
Fallumständen ausführlich befasst. Der Beklagte hat in Erkenntnis der beschriebenen
Folgen der Ausweisung des Klägers den öffentlichen Interessen an der Beendigung seines
Aufenthalts in Deutschland vor dem Hintergrund seines unbelehrbaren deliktischen
Gesamtverhaltens im Ergebnis ohne weiteres nachvollziehbar den Vorrang eingeräumt. Der
Beklagte hat dabei zutreffend darauf verwiesen, dass beide Kinder des Klägers inzwischen
volljährig und auch wirtschaftlich selbständig sind und zudem – wenn sie es denn wollten –
aufgrund der usbekischen Staatsangehörigkeit den Kläger in das gemeinsame
Herkunftsland begleiten oder ihn dort besuchen könnten. Letzteres gilt auch für die
Ehefrau. Darauf wurde im Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 19.5.2009
hingewiesen. Dass die wohl weitgehend integrierten Kinder und auch die Ehefrau einen
eigenen Verbleib in Deutschland auch nach einer Beendigung des Aufenthalts des Klägers
vorziehen, rechtfertigt sicher keine abweichende Beurteilung.
Nach gegenwärtigem Erkenntnisstand kann ohnehin darüber hinaus nicht mehr vom für die
Beurteilung auf der Grundlage des Art. 6 Abs. 1 GG maßgeblichen (tatsächlichen)
Fortbestand einer ehelichen Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau
ausgegangen werden. Diese hat im Oktober 2010, etwa zwei Monate vor seiner
Haftentlassung, gegenüber der Ausländerbehörde erklärt, dass sie die Scheidung
eingereicht habe, also damals bereits eine Wiederaufnahme der ehelichen
Lebensgemeinschaft nach Haftende nicht mehr beabsichtigte. Der Vortrag des Klägers im
Zulassungsverfahren, dies sei auf ein „Anraten“ des Beklagten und auf dessen Hinweis
erfolgt, dass sich die Trennung vom Kläger positiv auf eine Verlängerung der eigenen
Aufenthaltserlaubnis der Ehefrau auswirken werde, und inzwischen überholt, da die Ehefrau
nunmehr doch die Beziehung fortsetzen wolle, weswegen ein Scheidungsantrag „nicht
vorliege“, vermag nicht zu überzeugen. Der Beklagte hat dazu einen Schriftsatz des
Prozessbevollmächtigten der Ehefrau vom 31.1.2011 in dem Scheidungsverfahren zu den
Akten gereicht, aus dem sich ergibt, dass die Ehefrau dem Kläger nach seiner Entlassung
aus einem psychiatrischen Krankenhaus, in das er sich unmittelbar nach der Freilassung
zur Behandlung begeben musste, lediglich kurzfristig, bis er zu einem Onkel gezogen sei,
Unterkunft in ihrer Wohnung gewährt habe, da sie es nicht über das Herz gebracht habe,
den Vater ihrer Kinder „vor die Tür zu setzen“. Eine Versöhnung sei aber nicht erfolgt und
die Scheidung sei nach wie vor beabsichtigt. Dem Vortrag ist der Kläger nicht mehr
entgegen getreten. Diese Umstände wären im Falle einer Eröffnung der
Rechtsmittelinstanz beim Abstellen auf den Zeitpunkt der (dann) mündlichen Verhandlung
in die Beurteilung einzustellen. Darauf muss indes hier nicht weiter eingegangen werden.
Hinsichtlich der erstinstanzlich nicht näher substantiiert eingewandten Hilfebedürftigkeit
seiner Mutter nach dem Tod ihres Ehemannes, des Vaters des Klägers, (vgl. dazu Seite 3
oben des Schriftsatzes vom 23.4.2010, Blatt 55 der Gerichtsakte) im Jahre 2008 hat der
Beklagte seine Erwägungen dahingehend ergänzt, dass die Betreuung der Mutter durch
zwei ebenfalls in A-Stadt, davon eine sogar in derselben Straße, wohnende Töchter
sichergestellt sei, so dass auch unter Berücksichtigung des Vortrags im gerichtlichen
Verfahren an der bisherigen Rechtsauffassung festgehalten und den öffentlichen Interessen
der Vorrang eingeräumt werde. (vgl. hierzu den Schriftsatz des Beklagten vom 26.5.2010,
Blätter 75 ff. der Gerichtsakte)
Das Verwaltungsgericht hat dieses ohnehin nur einer eingeschränkten gerichtlichen
Kontrolle unterliegende Abwägungsergebnis (§ 114 Satz 1 VwGO) ebenfalls unter
ausführlicher Würdigung der familiären Folgen für den Kläger unter
Verhältnismäßigkeitsaspekten zu Recht nicht beanstandet. Es hat insbesondere darauf
verwiesen, dass der Kläger bereits nicht dargelegt habe, weshalb seine „angeblich
herzkranke Mutter“ mehr als im Regelfall üblich auf persönlichen Beistand gerade des
Klägers, den dieser während seiner damaligen Inhaftierung ohnehin nicht erbringen konnte,
angewiesen sein sollte. Entsprechende Konkretisierungen sind auch der
Antragsbegründung nicht zu entnehmen, in der wiederum lediglich pauschal eine
„Hilfebedürftigkeit“ der Mutter in den Raum gestellt wird.
Soweit der Kläger ferner erneut ganz allgemein gehalten geltend macht, dass sein
gesundheitlicher Zustand „insbesondere seine Herzerkrankung sowie der Grad seiner
Behinderung im Urteil des Verwaltungsgerichts nicht mit einbezogen“ worden sei, so lassen
sich auch daraus durchgreifende Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Ausweisung nach
§ 55 AufenthG nicht herleiten. Im Übrigen hat der Beklagte bereits unter Verweis auf
entsprechende Erkenntnisse des Gesundheitsdienstes der Justizvollzugsanstalt ausgeführt,
dass beim Kläger nicht von einer schwerwiegenden Herzerkrankung ausgegangen werden
könne und dass dafür kein Attest vorgelegt worden sei. Letzteres ist – was die geltend
gemachte Herzerkrankung anbelangt – trotz eines erneuten entsprechenden Hinweises
des Beklagten im Zulassungsverfahren ebenfalls nicht geschehen.
Dass der Kläger bei einer eigenen „Abwägung“ unter Verweis auf „schwerwiegende
persönliche Folgen“ zu einer abweichenden Bewertung des Gewichts der beteiligten
eigenen und öffentlichen Interessen gelangt, ist aus seiner Sicht nachvollziehbar, begründet
aber keine durchgreifenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung des
Beklagten.
Die Abschiebungsandrohung im Bescheid vom 14.10.2008 begegnet ebenfalls keinen
durchgreifenden Bedenken (§§ 58, 59 AufenthG). Das hat bereits das Verwaltungsgericht
zutreffend ausgeführt. Das gilt insbesondere für die vom Kläger für den Abschiebungsfall
geltend gemachte Selbstmordgefahr. Insoweit allenfalls in Betracht kommende
Duldungsgründe (§ 60a Abs. 2 AufenthG) stehen dem Erlass einer Abschiebungsandrohung
nicht entgegen, so dass diese Fragen für den vorliegenden Rechtsstreit keine Bedeutung
haben. Daher kann dahinstehen, ob der Vortrag des Klägers im Schriftsatz vom 6.1.2011
bezüglich einer bei ihm insoweit bestehenden Selbstmordgefahr beziehungsweise die
Geltendmachung dieser bereits während seiner Haft von einem Psychologen
diagnostizierten „akuten suizidalen Gefährdung“ lange nach dem Ablauf der
Begründungsfrist für den Zulassungsantrag am 30.9.2010 eine Rechtsmittelzulassung
überhaupt hätte rechtfertigen können. Nach dem vorgelegten ärztlichen Attest vom
20.12.2010 im Nachgang zu einer bereits am Tage der Haftentlassung am 10.12.2010
erfolgten Aufnahme in einem psychiatrischen Krankenhaus konnte sich der Kläger zwar
„von Suizidhandlungen distanzieren“, äußerte aber mit Blick auf die drohende Abschiebung,
er wolle „seinem Leben dann ein Ende setzen“, da er in Usbekistan ins „soziale Nichts“
komme, obdachlos und ohne Anlaufstelle sei. Nach Auffassung der Ärzte bestand jedenfalls
zum damaligen Zeitpunkt ein ernsthaftes konkretes Suizidrisiko für den Fall seiner
Abschiebung. (vgl. das fachärztliche Attest der „Saarland Kliniken kreuznacher diakonie“,
Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie, vom 20.12.2010, Blatt 214 der Gerichtsakte)
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats steht eine im Einzelfall vorliegende Suizidgefahr
einer Abschiebung indes nicht entgegen, wenn durch die Ausländerbehörde insoweit die im
konkreten Einzelfall erforderlichen Schutzmaßnahmen getroffen werden. (vgl. dazu zuletzt
etwa OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 14.9.2010 – 2 B 210/10 – und vom
1.12.2010 – 2 B 286/10 –) Dass der Beklagte auch hier verantwortlich mit der Problematik
umgeht, zeigt der Umstand, dass er eine amtsärztliche Untersuchung des Klägers durch
das Gesundheitsamt in A-Stadt veranlasst hat, um die aktuelle Reisefähigkeit abzuklären,
dass er sich die abschließende Entscheidung über das Vorliegen eines „inlandsbezogenen
Abschiebungshindernisses“ vorbehalten und dass er mit Blick darauf die Abschiebung
vorläufig ausgesetzt hat. Ergänzen ließe sich lediglich, dass sich bei dem Kläger, der nie ein
Asylgesuch gestellt hat, keine Sperrwirkungen für die Ausländerbehörde aus § 42 Satz 1
AsylVfG mit Blick auf zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse (§ 60 Abs. 2 bis 7
AufenthG) ergeben, so dass auch dies in den Blick zu nehmen ist (§ 79 Abs. 1 AufenthG).
Da der vom Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund nicht gegeben ist, ist der Antrag
zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf dem § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung
findet ihre Grundlage in den §§ 63 Abs. 2, 52, 47 GKG, wobei der so genannte
Auffangwert in Ansatz zu bringen war.
Der Beschluss ist unanfechtbar.