Urteil des OVG Saarland vom 10.06.2006

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OVG Saarlouis Beschluß vom 10.6.2006, 1 Q 80/05
Beihilfevorschriften des Saarlandes genügen nicht dem Gesetzesvorbehalt; höherer
Eigenanteil bei eingeschränktem Leistungsangebot der gewählten Krankenversicherung
Leitsätze
Die Beihilfevorschriften des Saarlandes genügen nicht den Anforderungen des
Gesetzesvorbehalts.
Die Beihilfeverordnung findet trotz Fehlens einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage
vorläufig weiterhin Anwendung.
Zahlt der Beamte stets einen geringen Krankenversicherungsbeitrag wegen des
eingeschränkten Leistungsangebots seiner Krankenversicherung, ist ihm zumutbar, deshalb
im Falle der Erkrankung einen höheren Eigenanteil aufzubringen.
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 18. Oktober 2005 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des
Saarlandes -3 K 234/04- wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Kläger.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren und unter Abänderung der im Beschluss
des Verwaltungsgerichts vom 18. Oktober 2005 -3 K 234/04- vorgenommenen
Festsetzung auch für das erstinstanzliche Verfahren auf 1.091,58 Euro festgesetzt.
Gründe
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das im Tenor genannte Urteil ist
zulässig, aber nicht begründet.
Mit diesem Urteil wurde das Begehren der Erhöhung des dem Kläger regelmäßig
zukommenden Bemessungssatzes der Beihilfe von 50 % auf 70 % für die 20 Sitzungen
übersteigenden Aufwendungen seiner psychotherapeutischen Behandlung zurückgewiesen.
Zur Begründung ist in dem Urteil dargelegt, die Beihilfeverordnung des Saarlandes genüge
zwar nicht den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts, doch
könnten Beihilfen für einen überschaubaren Zeitraum weiter nach deren einheitlichem
Handlungsprogramm erbracht werden. Des Weiteren habe die Begrenzung der
Kostenerstattung durch die private Krankenversicherung zwar dazu geführt, dass dem
Kläger durch Beihilfe und private Krankenversicherung nicht gedeckte Kosten von EUR
1.364,47 infolge psychotherapeutischer Behandlungen im Jahr 2004 verblieben seien.
Indes hätten im Falle des Klägers lediglich Umstände im privaten Bereich im
Zusammenhang mit der Finanzierung von Wohnraum zu einem gewissen, aber eindeutig
vorübergehenden finanziellen Engpass geführt. Damit liege ein besonderer Ausnahmefall im
Sinne des § 15 Abs. 7 BhVO, in dem zur Beseitigung offensichtlicher Härten eine
Ausnahmeregelung zwingend geboten erscheine, nicht vor. Der Dienstherr sei nicht
verpflichtet, ein Beihilfesystem zur Verfügung zu stellen, das gewissermaßen lückenlos zu
den Möglichkeiten ergänzender privater Eigenvorsorge des Beamten passe.
Das den Prüfungsumfang im Zulassungsverfahren begrenzende Vorbringen im Schriftsatz
des Klägers vom 27.12.2005 und in der der Erläuterung oder Verdeutlichung der
fristgerecht vorgebrachten Zulassungsgründe dienenden Ergänzung vom 3.5.2006 gibt
keine Veranlassung, das genannte Urteil einer Überprüfung in einem Berufungsverfahren
zuzuführen.
Weder bestehen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124
Abs. 2 Nr. 1 VwGO), noch weist die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche
Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Sie hat auch keine grundsätzliche
Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
a. Dies gilt zunächst hinsichtlich der Anwendbarkeit der landesrechtlichen
Beihilfevorschriften und der vom Kläger geforderten Aussetzung des Verfahrens bis zum
Erlass neuer, den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügender Bestimmungen, da
der vom Kläger geltend gemachte Anspruch nach dem bisherigen Recht zu beurteilen ist.
Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung sind die in Konkretisierung der Fürsorgepflicht
des Dienstherrn ergangenen saarländischen Beihilfevorschriften (§ 98 SBG in Verbindung
mit den einschlägigen Vorschriften der Verordnung über die Gewährung von Beihilfen in
Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen –BhVO – in der Fassung der
Bekanntmachung vom 10.3.1987 (Amtsbl. S. 329) unter Berücksichtigung der
Änderungen bis einschließlich der Verordnung vom 4.12.2003 (Amtsbl. S. 2995, 2996)
sowie der dazu ergangenen Erlasse und allgemeinen Verwaltungsvorschriften.
Zwar genügen – wovon bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgegangen ist – die
Beihilfevorschriften des Saarlandes nicht den Anforderungen des aus dem
Rechtsstaatsprinzip und dem Demokratiegebot resultierenden verfassungsrechtlichen
Gesetzesvorbehalts. Zu dieser Auffassung gelangt der Senat aufgrund der jüngeren
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
vgl. Urteile vom 17.6.2004 – 2 0/02 -, BVerwGE 121, 103 = NVwZ 2005, 713, und vom
28.10.2004 – 2 C 34/03 –, NVwZ 2005, 710 = ZBR 2005, 169,
mit der das Bundesverwaltungsgericht seine frühere Rechtsprechung aufgegeben hat. In
der erstgenannten Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht zu den
Beihilfevorschriften des Bundes u. a. ausgeführt:
Zwar beziehen sich die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in den vorgenannten
Entscheidungen auf in Form bloßer allgemeiner Verwaltungsvorschriften ergangene
beihilferechtliche Regelungen, die offenkundig den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts
nicht genügen. Ausgehend von den vom Bundesverwaltungsgericht dargelegten
Grundsätzen, denen sich der Senat anschließt, werden aber die saarländischen
Beihilfevorschriften dem Gesetzesvorbehalt ebenfalls nicht in hinreichendem Umfang
gerecht, auch wenn in § 98 SBG insoweit eine gesetzliche Regelung betreffend die Beihilfe
vorhanden ist und auf deren Grundlage die Beihilfeverordnung in Form einer
Rechtsverordnung – und nicht lediglich einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift – ergangen
ist. Denn § 98 SBG regelt die dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehaltenen
wesentlichen Grundsätze nicht in ausreichendem Maße und erfüllt insoweit nicht
vollumfänglich die Voraussetzungen des vorliegend maßgeblichen Art. 104 SVerf an eine
gesetzliche Ermächtigungsgrundlage.
Im vorgenannten Urteil vom 17.6.2004 hat das Bundesverwaltungsgericht dazu folgende
Anforderungen formuliert:
Dem wird § 98 SBG nicht hinreichend gerecht. Gemäß § 98 SBG werden Beamten und
Versorgungsempfängern zu den notwendigen und angemessenen Aufwendungen in
Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen, zur Gesundheitsvorsorge, zur
Früherkennung von Krankheiten sowie anlässlich eines nicht rechtswidrigen
Schwangerschaftsabbruchs und einer nicht rechtswidrigen Sterilisation Beihilfen gewährt.
Das Nähere regelt der Minister für Inneres und Sport im Einvernehmen mit dem Minister für
Finanzen und Bundesangelegenheiten durch Rechtsverordnung. In ihr sind insbesondere zu
bestimmen:
1. der Personenkreis der Beihilfeberechtigten und der zu berücksichtigenden
Familienangehörigen,
2. Art und Umfang der beihilfefähigen Aufwendungen,
3. die Voraussetzungen für die Gewährung einer Beihilfe,
4. die Bemessung der Beihilfe unter Berücksichtigung des Familienstandes, der
Krankenversicherungen und der wirtschaftlichen Verhältnisse des Ehegatten.
Aufwendungen für Wahlleistungen bei stationärer Behandlung sind nicht beihilfefähig.
Mit dieser Vorschrift hat der saarländische Gesetzgeber zwar selbst die Entscheidung
getroffen, dass und in welchen Fallkonstellationen Beamten und Versorgungsempfängern
Beihilfe gewährt wird und damit im Sinne der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts das Leistungssystem bestimmt, das dem Beamten und seiner
Familie Schutz im Falle von Krankheit und Pflegebedürftigkeit bietet, und die erfassten
„Risiken“ festgelegt. Es fehlt jedoch bereits an einer ausreichenden gesetzlichen Regelung
des begünstigten Personenkreises. Zwar besagt § 98 Satz 1 SBG, dass „Beamten und
Versorgungsempfängern“ Beihilfen gewährt werden; jedoch ergibt sich aus Satz 3 Nr. 1
der Vorschrift, dass die Regelung des Personenkreises der Beihilfeberechtigten und der zu
berücksichtigenden Familienangehörigen und damit im Sinne der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts der Personen, für die Leistungen beansprucht werden können,
letztendlich ohne nähere Vorgaben dem Verordnungsgeber überlassen wird. Auch
beinhaltet § 98 SBG keine Regelung darüber, nach welchen Grundsätzen Leistungen
erbracht und bemessen oder ausgeschlossen werden und welche zweckidentischen
Leistungen und Berechtigungen Vorrang haben. Es bleibt allein dem Verordnungsgeber
vorbehalten, darüber zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Höhe
Beihilfe geleistet wird. In diesem Bereich wird dem Verordnungsgeber die volle
Gestaltungskompetenz übertragen, ohne dass insoweit Vorgaben gemacht werden.
Ausgehend von der neuen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts genügen
demnach auch die saarländischen Beihilfevorschriften nicht den Anforderungen des
verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts
so auch Tegethoff, BayVBl 2005, 458 (463); vgl. zu dieser Problematik des Weiteren
Kugele, jurisPR-BVerwG: 1/2005 vom 3.1.2005.
Die abweichende Meinung von Saurer
DÖV 2005, 587 (593),
vermag dem gegenüber nicht zu überzeugen. Diese im Wesentlichen am Normtext des
Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG orientierte Auffassung verkennt, dass das
Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 17.6.2004 hinsichtlich der
tragenden Strukturprinzipien der Fürsorge im Falle von Krankheit oder Pflegebedürftigkeit
ausdrücklich von einem Parlamentsvorbehalt ausgegangen ist, mithin der parlamentarische
Gesetzgeber die wesentlichen Grundsätze in diesem Bereich selbst regeln muss. Nur
Detailregelungen zur Ausfüllung der vom parlamentarischen Gesetzgeber getroffenen
Grundentscheidungen können dem Verordnungsgeber überlassen bleiben.
Der Umstand, dass die Beihilfevorschriften begünstigende Regelungen sind, bietet ebenfalls
keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Denn das Bundesverwaltungsgericht hat dies
bei seiner Entscheidung berücksichtigt und trotz dieses Umstandes im Hinblick auf die
herausragende Bedeutung der Beihilfevorschriften für den Beamten und seine Familie eine
Regelung der oben genannten wesentlichen Grundzüge durch den parlamentarischen
Gesetzgeber selbst als erforderlich angesehen.
Trotz des Defizits normativer Regelungen ist nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts allerdings für eine Übergangszeit, die derzeit noch nicht
abgelaufen ist, von der Weitergeltung der Beihilfevorschriften auszugehen, wodurch eine
fortdauernde Leistungserbringung nach einem einheitlichen, bisher in aller Regel inhaltlich
nicht zu beanstandenden Handlungsprogramm gewährleistet ist. Dem schließt sich mit
Blick auf das saarländische Beihilferecht der Senat ebenso wie bereits das
Verwaltungsgericht an.
Der Rechtscharakter der saarländischen Beihilfeverordnung als einer Rechtsverordnung
gebietet keine andere Beurteilung. Zwar ist eine Rechtsverordnung, die auf einer dem
Rechtsstaats- und Demokratieprinzip nicht genügenden und damit verfassungsrechtlich
unzulänglichen Ermächtigungsgrundlage beruht, nach rechtstheoretischen Grundsätzen in
der Regel als nichtig anzusehen. Dies gilt aber in den Fällen nicht, in denen das Fehlen einer
ausreichenden gesetzlichen Grundlage für eine Übergangszeit zur Vermeidung eines
rechtlosen, die Verfassung in noch stärkerem Maße verletzenden Zustandes hingenommen
werden muss, um dem Gesetzgeber Gelegenheit zu einer rechtsförmlich einwandfreien
Regelung zu geben. Das Bundesverfassungsgericht
vgl. Beschluss vom 13.12.1988 – 2 BvL 1/84 –, BVerfGE 79, 245 (250/251) m.w.N.,
hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass untergesetzliche Normen – somit auch
Rechtsverordnungen -, die auf einer unzulänglichen Ermächtigungsgrundlage beruhen oder
für die gesetzliche Regelungen überhaupt fehlen, nicht schon deshalb als ohne weiteres
nichtig und damit unanwendbar anzusehen seien. Vielmehr ist zur Vermeidung eines
rechtlosen Zustands die Notwendigkeit einer übergangsweisen Fortgeltung anerkannt
worden, wenn es galt, Rechtsunsicherheit oder die Funktionsunfähigkeit staatlicher
Einrichtungen zu vermeiden, weil der sonst eintretende Zustand der verfassungsmäßigen
Ordnung noch ferner gestanden hätte als der bisherige
dazu auch Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum GG, 9. Auflage 1999, Art. 80 GG Rz.
119-121.
Eine solche Konstellation liegt angesichts der außergewöhnlichen Bedeutung des
Beihilferechts für die Beamten und ihre Familien auch hier vor mit der Folge, dass die
Beihilfeverordnung trotz Fehlens einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage vorläufig
weiterhin Anwendung findet.
b. Die Angriffe des Klägers gegen die im Urteil vom 18.10.2005 erfolgte konkrete
Fallwürdigung geben ebenfalls keine Veranlassung, die Berufung zuzulassen.
Wie das Verwaltungsgericht unter Anführen einschlägiger Rechtsprechung des Senats
Beschluss vom 30.12.1992 - 1 R 57/92 -, SKZ 1993, 107 Leitsatz 46, und Urteil vom
25.11.1993 - 1 R 65/91 -, SKZ 1994, 114 Leitsatz 53,
zu der im Fall des Klägers streitigen Regelung des § 15 Abs. 7 BhVO - wonach die
Festsetzungsstelle mit Zustimmung des Ministeriums für Inneres, Familie, Frauen und
Sport in besonderen Ausnahmefällen, in denen zur Beseitigung offensichtlicher Härten eine
Ausnahmeregelung zwingend geboten erscheint, den zustehenden Bemessungssatz
erhöhen kann - zutreffend dargelegt hat, liegt ein besonderer Ausnahmefall nicht darin,
dass dem Kläger seine Aufwendungen für insgesamt 79 psychotherapeutischen Sitzungen
von Januar bis Dezember 2004, zu denen er Beihilfe im Umfang des ihm allgemein
zukommenden Bemessungssatzes von 50 % erhielt, von seiner privaten
Krankenversicherung für die ersten 20 Sitzungen im Kalenderjahr zu 50 % und für die
restlichen lediglich zu 25 % erstattet wurden und er dadurch insgesamt für diese
Behandlung im Jahr 2004 mit eigenen Kosten in Höhe von EUR 1.364,47 belastet blieb. In
seiner Zusammenstellung zum Schriftsatz vom 22.2.2005 hat der Kläger für das
Kalenderjahr 2004 Bruttobezüge von insgesamt EUR 37.255,75 dargelegt. Nach den
vorliegenden Bezügemitteilungen wurden ihm monatlich rund EUR 2.300,-- ausgezahlt.
Demgegenüber stellt die zusätzliche Belastung mit dem streitigen Betrag von EUR
1.364,47 - verteilt auf 12 Monate: monatlich EUR 113,71 - keine unzumutbare, die
amtsangemessene Lebensführung des Beamten beeinträchtigende Belastung dar
vgl. VG Lüneburg, Urteil vom 24.11.2004 - 1 A 4/03 -, juris, eine unzumutbare Belastung
verneinend bei einer mtl. Belastung von EUR 150,-- und mtl. Nettobezügen von EUR
1.604,98.
Wegen des ergänzenden Charakters der Beihilfe müssen auch Härten und Nachteile
hingenommen werden, die sich aus der pauschalierenden und typisierenden
Konkretisierung der Fürsorgepflicht durch die Beihilfevorschriften ergeben und die keine
unzumutbare Belastung bedeuten. Die Beihilferegelung ist eine den durchschnittlichen
Verhältnissen angepasste Regelung, bei der in Kauf genommen werden muss, dass nicht in
jedem Einzelfall eine volle Deckung der Aufwendungen erreicht wird. Das ergibt sich auch
aus folgendem: Der Dienstherr stellt mit der Besoldung und Versorgung den Beamten,
Ruhestandsbeamten und Hinterbliebenen einen Durchschnittssatz zur Verfügung, der für
Aufwendungen im Krankheitsfall gedacht ist, die erfahrungsgemäß entstehen. Unmöglich
ist es jedoch, durch eine derartig abstrakte, auf durchschnittliche Verhältnisse abgestellte
Regelung den konkreten notwendigen Bedürfnissen gerecht zu werden, weil sie vom
jeweiligen Lebensschicksal des einzelnen Beamten abhängen und damit nicht vorhersehbar
sind. Soweit diese Aufwendungen den mit der Besoldung oder Versorgung abgegoltenen
Durchschnittssatz übersteigen, hat dies der Dienstherr durch die Gewährung von Beihilfen
auszugleichen. Die Beihilfevorschriften beruhen auf der Erwägung, dass den Beamten für
Krankheitsfälle eine angemessene Selbstvorsorge durch den freiwilligen Abschluss einer
Krankenversicherung zugemutet werden kann, dass es Versicherungsmöglichkeiten für alle
in Betracht kommenden, nicht ganz ungewöhnlichen Krankheitsfälle zu regelmäßig
zumutbaren Bedingungen gibt und dass deshalb die Beihilfe des Dienstherrn nur ergänzend
den Teil der durch Krankheit verursachten Aufwendungen annähernd zu decken braucht,
den eine den Beamten zumutbare Versicherung regelmäßig nicht deckt
vgl. BVerwG, Urteil vom 18.6.1980 - 6 C 19/79 - BVerwGE 60, 212 = ZBR 1980, 349.
Entscheidet sich der Dienstherr für ein "Mischsystem" aus Eigenleistungen des Beamten
und Beihilfen, so muss gewährleistet sein, dass dieser nicht mit erheblichen Aufwendungen
belastet bleibt, die er auch über eine ihm zumutbare Eigenvorsorge nicht abzusichern
vermag
vgl. BVerwG, Urteil vom 3.7.2003 - 2 C 36/02 - BVerwGE 118, 277 = ZBR 2004, 49.
Dem trägt die Beihilfeverordnung mit dem dem Kläger zukommenden allgemeinen
Bemessungssatz von 50 % auch im streitigen Fall Rechnung. Einer zusätzlichen
Beihilfegewährung nach § 15 Abs. 7 BhVO bedarf es nicht. Das eingeschränkte
Leistungsangebot von privaten Krankenversicherungen bei psychotherapeutischer
Behandlung neben dem der privaten Krankenversicherung des Klägers nach den von ihm
vorgelegten Bedingungen weiterer Versicherungsgesellschaften: auf anteilige Erstattung
nur von 30 Sitzungen im Kalenderjahr bzw. von 40 % der Aufwendungen aller Sitzungen
steht nicht der grundsätzlichen Annahme der Beihilfevorschriften, ein die Beihilfe
ergänzender Versicherungsschutz sei zu zumutbaren Bedingungen zu erlangen, entgegen.
Aus kalkulatorischen Gründen werden Versicherungsverträge mit eingeschränkten
Leistungen bei psychotherapeutischer Behandlung angeboten. Dies führt zu einem
geringeren Beitrag gegenüber einem auch diese Erkrankung umfassenden "Vollschutz". An
diese Beitragsersparnis, die dauerhaft dem Beamten verbleibt, ist anzuknüpfen. Von daher
ist der außerhalb des Systems der Beihilfe liegende Grund der allgemeinen Begrenzung der
Leistungen privater Krankenversicherer mit dem Ziel, im Beitrag günstigere private
Versicherungsverträge anzubieten, bei der Bestimmung des Umfangs der dem Beamten
zumutbaren Belastung durch Krankheitskosten zu berücksichtigen. Zahlt der Kläger danach
stets einen geringeren Krankenversicherungsbeitrag wegen des eingeschränkten
Leistungsangebots seiner Krankenversicherung ist ihm zumutbar, deshalb im Falle der
Erkrankung zeitweilig einen auf die Krankheit entfallenden Eigenanteil aufzubringen, der
höher ist als der von ihm angenommene Eigenanteil von 5 % der Aufwendungen der von
der privaten Krankenversicherung nur mit dem hälftigen Prozenttarif erstatteten Sitzungen
und der fallbezogen mit insgesamt EUR 1.364,47 im Kalenderjahr keine unzumutbare
Höhe erreicht. Dementsprechend ist der vorliegende Fall nicht einer kostenintensiven
Langzeitbehandlung eines Dialysepatienten vergleichbar, die der Vertreter des Beklagten in
der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht als Anwendungsfall des § 15 Abs.
7 BhVO genannt hat.
Erst recht stellt sich nicht die vom Kläger als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage,
ob die Pflicht des Dienstherrn, die amtsangemessene Alimentation des Beamten
sicherzustellen, unter den gegenwärtigen Verhältnissen verletzt ist, wenn der Kläger einen
Sockelbetrag seiner Aufwendungen in Krankheitsfällen, der mehr als 6,5 % seiner
Jahresbezüge ausmacht, selbst tragen muss. Anders als in dem dem Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 3.7.2003 - 2 C 36/02 - zugrunde liegenden Fall a.a.O., zu
generell nicht versicherbaren Aufwendungen in Krankheitsfällen im Sinne einer
Kostendämpfungspauschale im Beihilfesystem erhält der Kläger nach der saarländischen
Beihilfeverordnung im Zusammenhang mit der streitigen Behandlung eine Erstattung von
50 % der Aufwendungen. Dass der Dienstherr im Fall des Klägers nicht gezwungen ist, bei
der Bemessung der Beihilfe an eine nicht auf individuellen Gründen beruhende
Einschränkung des Leistungsangebots des privaten Versicherers des Beamten
anzuknüpfen, betrifft den Einzelfall und hat keine grundsätzliche Bedeutung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 63 Abs. 2 und 3, 52 Abs. 3 und 47 Abs. 3
GKG. In der Anlage zu seinem Schriftsatz vom 22.2.2005 hat der Kläger die Kosten seiner
psychotherapeutischen Behandlung im Kalenderjahr 2004 mit insgesamt EUR 7.308,12
beziffert. Bezüglich des auf die ersten 20 Sitzungen entfallenden Teilbetrags von EUR
1.850,20 erhielt er durch Beihilfe und private Krankenversicherung volle Kostenerstattung.
Zu dem verbleibenden Betrag begehrt er über den Anspruch auf Beihilfe nach dem
Bemessungssatz von 50 % hinaus - teils beziffert, teils im Wege der Feststellung - eine
weitere Beihilfe von 20 %, was EUR 1.091,58 entspricht. Auf diesen Betrag ist der
Streitwert, ohne den sonst üblichen "Feststellungsrabatt"
vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 6.1.2006 - 1 Y 16/05 -, juris,
festzusetzen, da die Zahlbarmachung der Beihilfe danach lediglich noch eine Formsache
wäre.