Urteil des OVG Saarland vom 27.01.2006

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OVG Saarlouis Beschluß vom 27.1.2006, 3 Q 52/05
Unterhaltsvorschuss; Mitteilung einer Änderung bewilligungsrelevanter Verhältnisse verlangt
ein "in Kenntnis setzen"; Einzelfall der Verletzung einer Mitteilungspflicht
Leitsätze
1. Mitteilen einer Änderung bewilligungsrelevanter Verhältnisse im Verständnis von § 6 Abs.
4 UnterhaltsvorschussG bedeutet "in Kenntnis setzen" von dieser Änderung und verlangt
eine gezielte Unterrichtung der Behörde über diese Änderung.
2. Die Empfängerin von Unterhaltsvorschussleistungen kommt ihrer Mitteilungspflicht nach
§ 6 Abs. 4 UnterhaltsvorschussG nicht nach, wenn sie bei Stellung eines Antrages auf eine
andere Leistung der Jugendhilfe zwar ihre neue Wohnanschrift angibt, es aber der Findigkeit
der Behörde überlässt festzustellen, dass sie die neue Wohnung von dem säumigen
Unterhaltsschuldner angemietet hat und diesem regelmäßig Miete zahlt.
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des
Saarlandes vom 22. September 2005 – 6 K 136/05 – wird zurückgewiesen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben; die außergerichtlichen Kosten des
Berufungszulassungsverfahrens fallen der Klägerin zur Last.
Gründe
Durch Urteil vom 22.9.2005 hat das Verwaltungsgericht die Anfechtungsklage der Klägerin
gegen den Bescheid vom 25.2.2004 in der Gestalt des aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 9.7.2004 ergangenen Widerspruchsbescheides des Rechtsausschusses
für den Stadtverband abgewiesen, mit dem der Beklagte die Zahlung von
Unterhaltsvorschuss für ihre Kinder F., geboren am 17.11.1998, und S. J., geboren am
21.7.2003, eingestellt hat und gewährte Leistungen ab dem 1.11.2003 in Höhe von
insgesamt 976,-- Euro zurückfordert. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das
Verwaltungsgericht auf die Ausführungen in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid und
seinen Beschluss vom 16.8.2005 Bezug genommen, in dem es die Bewilligung von
Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren mangels hinreichender Erfolgsaussicht
der Klage abgelehnt hat.
Dem gemäß den §§ 124 Abs. 1, 124 a Abs. 4 VwGO statthaften und auch sonst
zulässigen Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil kann nicht
entsprochen werden. Der von der Klägerin allein geltend gemacht Zulassungstatbestand
des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist nicht erfüllt. Die Klägerin zeigt in der Begründung ihres
Zulassungsantrages, die den Umfang der gerichtlichen Nachprüfung in dem vorliegenden
Zulassungsverfahren begrenzt, keine Umstände auf, die ernstliche Zweifel an der
Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne ihrer voraussichtlichen
Fehlerhaftigkeit nicht nur in einzelnen Begründungselementen, sondern in ihrem Ergebnis
auslösen.
Zum Beurteilungsmaßstab bei § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO vgl. zum Beispiel
Oberverwaltungsgericht des Saarlandes, Beschlüsse vom 8.11.2002 – 2 Q 7/02 -, vom
18.3.2003 – 1 Q 9/03 -, und vom 18.3.2004 – 1 Q 2/04 -.
Die Klägerin wendet gegenüber der – sinngemäßen – Annahme des Verwaltungsgerichts,
sie habe ihre Mitteilungspflicht (nach § 6 Abs. 4 Unterhaltsvorschussgesetz) verletzt, indem
sie es unterlassen habe, den Beklagten unverzüglich über den am 30.9.2004 mit dem
Vater ihrer beiden eingangs genannten Kindern abgeschlossenen Mietvertrag über eine
Wohnung in dem diesem gehörenden Haus und über den Umzug in diese Wohnung
verbunden mit der Aufnahme von Mietzahlungen zum 1.11.2003 zu unterrichten, ein, sie
habe etwa drei Wochen nach dem Umzug im Rahmen eines Antrages auf Hilfe zum
Besuch des Kindergartens einem Sachbearbeiter des Beklagten ihre neue Adresse
genannt. Außerdem macht sie geltend, ihr werde zu Unrecht vorgeworfen, bei der
Vorsprache betreffend die Anerkennung der Vaterschaft bezüglich ihres Sohnes S. J. am
27.1.2004 eine falsche Adresse angegeben zu haben. Sie habe bei dieser Gelegenheit
überhaupt keine Adresse angegeben, sondern lediglich ihren Personalausweis vorgelegt,
auf dem die neue Anschrift bereits vermerkt gewesen sei. Der Sachbearbeiter des
Beklagten habe jedoch offensichtlich aus Unachtsamkeit die alte Adresse aufgenommen.
Dieses Vorbringen ändert indes nichts an der vom Verwaltungsgericht zutreffend bejahten
Verletzung der Mitwirkungspflicht. Nach § 6 Abs. 4 Unterhaltsvorschussgesetz ist der
Elternteil, bei dem der Berechtigte lebt, verpflichtet, der zuständigen Stelle die Änderungen
in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang
mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen. Hierüber
war die Klägerin - was sie selbst nicht in Abrede stellt – in den ihr gegenüber ergangenen
Bewilligungsbescheiden informiert worden. Mitteilen einer Änderung bedeutet „in Kenntnis
setzen“ von einer Änderung und verlangt eine gezielte Unterrichtung der Behörde über
diese Änderung der Verhältnisse. Nicht ausreichend ist in diesem Zusammenhang, wenn
der Pflichtige der Behörde lediglich die Möglichkeit verschafft, mit Überlegungs- und
Ermittlungsaufwand eine eingetretene Änderung zu erkennen. Vorliegend umfasste die für
die Bewilligung von Unterhaltsvorschussleistungen relevante Änderung der Verhältnisse
zwei Komponenten: Zum einen den Umzug in eine neue Wohnung und zum anderen den
Umstand, dass Vermieter dieser Wohnung und Empfänger der Mietzahlungen der Vater
der beiden Kinder ist, der – was Grund für die Gewährung von Unterhaltsvorschuss durch
den Beklagten war – seiner Unterhaltspflicht nicht nachkommt. Dass ihre
Mietzinszahlungen an den Unterhaltsschuldner, der seinerseits säumig ist, für die
Gewährung von Unterhaltsvorschuss bedeutsam sein könnten, musste der Klägerin auch
ohne rechtliche Vorkenntnisse einleuchten. Dass die Klägerin ihrer Pflicht zur Mitteilung
dieses Sachverhaltes nicht dadurch nachgekommen ist, dass sie etwa drei Wochen nach
ihrem Umzug anlässlich der Stellung eines Antrages auf eine andere Leistung des
Jugendamtes ihre neue Anschrift angegeben und es letztlich der Findigkeit des Beklagten
überlassen hat festzustellen, dass Vermieter der Vater der Kinder ist, denen wegen
Nichterfüllung der Unterhaltspflicht Unterhaltsvorschuss geleistet wird, liegt auf der Hand
und bedarf nicht erst der Bekräftigung in einem Berufungsverfahren. Ebenso wenig durfte
es die Klägerin dabei belassen, dem Sachbearbeiter des Beklagten bei der Vorsprache aus
Anlass der Vaterschaftsanerkennung am 27.1.2004 ihren Personalausweis mit der –
unterstellt die diesbezügliche Behauptung der Klägerin trifft zu – (auf der Rückseite) bereits
vermerkten Anschriftsänderung zu übergeben, und sich darauf zurückziehen, dieser werde
bei sorgfältiger Inaugenscheinnahme des Dokuments schon die geänderte Adresse und
deren Identität mit der Anschrift des Unterhaltsschuldners bemerken. Die Klägerin musste
vielmehr davon ausgehen, dass der Sachbearbeiter ohne Hinweis auf den Umzug keine
Veranlassung hatte, der auf der Rückseite des Personalausweises vermerkten Anschrift
besondere Beachtung zu schenken. Im Übrigen hat die Klägerin offenbar keinen Grund
gesehen, die unzutreffende Angabe ihrer Anschrift in der Niederschrift über die
Anerkennung der Vaterschaft richtig zu stellen.
Begründet das Vorbringen der Klägerin danach keine ernstlichen Zweifel daran, dass das
Verwaltungsgericht zu Recht eine Verletzung ihrer Mitteilungspflicht nach § 6 Abs. 4
Unterhaltsvorschussgesetz bejaht hat, so gibt ferner die in ihrem Vorbringen unter dem
Gesichtspunkt des etwa drei Wochen nach Umzug gestellten Leistungsantrages
aufgeworfene Frage der Kausalität der Pflichtverletzung für die Leistungsgewährung keine
Veranlassung, die erstinstanzliche Entscheidung als voraussichtlich fehlerhaft anzusehen.
Das ergibt sich schon daraus, dass sich die Verletzung der Mitwirkungspflicht nicht auf eine
Säumigkeit von etwa drei Wochen zwischen Umzug und Antrag auf eine andere Leistung
des Jugendamtes beschränkt hat, da – wie dargelegt – die Klägerin dieser Pflicht allein
durch die Angabe ihrer neuen Adresse aus Anlass dieser Antragstellung noch nicht
nachgekommen war. Im Übrigen ist der Umstand, dass der Beklagte nach Feststellung der
Anschriftenidentität zunächst von einem Zusammenleben der Klägerin mit dem Vater der
beiden Kinder ausgegangen ist, nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass ihm das
Mietverhältnis mit dem Unterhaltsschuldner nicht mitgeteilt worden war.
Sonstige Einwendungen gegen die erstinstanzliche Entscheidung hat die Klägerin in der
Begründung ihres Zulassungsantrages nicht erhoben.
Bei diesen Gegebenheiten ist für die erstrebte Rechtsmittelzulassung kein Raum.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 188 VwGO.
Zur Anwendung der letztgenannten Bestimmung auf Streitigkeiten über Leistungen nach
dem Unterhaltsvorschussgesetz vgl. Bader u.a., VwGO, 3. Auflage 2005, § 188 Rdnr. 5
m.w.N.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.