Urteil des OVG Saarland vom 26.05.2006

OVG Saarlouis: kosovo, versorgung, minderheit, ausländer, behandlung, asylbewerber, rechtsschutz, ausschluss, unrichtigkeit, depression

OVG Saarlouis Beschluß vom 26.5.2006, 3 Q 51/06
(Behandelbarkeit von - auch psychischen - Erkrankungen und Zugangsmöglichkeit zu
medizinischer Versorgung im Kosovo sind Einzelfallentscheidungen; hier Minderheit der
Goran)
Leitsätze
a) Es entspricht der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes, dass
die Frage, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs 7 S 1 AufenthG angesichts einer -auch
psychischen- Erkrankung bei dem jeweiligen Ausländer vorliegen, nur einer Beurteilung
anhand der jeweiligen Fallumstände zugänglich ist, die nicht "abstrakt" für eine Vielzahl von
Fällen gleichsam vorab vorgenommen werden kann und bei der es sich deshalb nicht um
eine allgemein klärungsbedürftige Frage von grundsätzlicher Bedeutung handelt
b) Nichts anderes gilt hinsichtlich der Frage fehlender oder eingeschränkter
Zugangsmöglichkeiten zur medizinischen Versorgung auch mit Blick auf die Zugehörigkeit
zu einer Minderheit im Kosovo (im Anschluss an Beschluss vom 29.9.2004 -1 Q 23/04-)
Tenor
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 4. November 2005 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des
Saarlandes - 10 K 78/04.A - wird zurückgewiesen.
Die außergerichtlichen Kosten des gerichtskostenfreien Berufungszulassungsverfahrens hat
die Klägerin zu tragen.
Gründe
Dem Antrag der Klägerin, einer serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigen der
Volksgruppe der Goran aus dem Kosovo, auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil vom
4.11.2005, mit dem das Verwaltungsgericht ihre Klage mit dem Antrag abgewiesen hat,
„die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom
12.2.2004 zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 7 Satz
1 AufenthaltsG vorliegen“,
kann nicht entsprochen werden.
Die Klägerin, die im Verwaltungs- und im erstinstanzlichen Verfahren unter Vorlage
entsprechender ärztlicher Atteste geltend gemacht hat, sie leide an einer
posttraumatischen Belastungsstörung beziehungsweise an einer schweren Depression und
befinde sich deswegen in einer ärztlichen Behandlung, deren Unterbrechung nicht zu
verantworten sei, macht mit ihrem Berufungszulassungsantrag geltend, nach einem
Bericht des „Spiegel“ lehne es die UNMIK regelmäßig ab, traumatisierte Flüchtlinge wieder
in den Kosovo aufzunehmen, weil deren medizinische Versorgung nicht gesichert sei. Im
Hinblick hierauf werfe das Verfahren die grundsätzlich bedeutsame Frage auf, ob die
medizinische Versorgung zurückkehrender traumatisierter Flüchtlinge in den Kosovo,
Flüchtlinge, die zudem einer ethnischen Minderheit angehörten, gesichert sei.
Dieses Vorbringen, das den Umfang der gerichtlichen Nachprüfung in dem vorliegenden
Zulassungsverfahren begrenzt, rechtfertigt nicht die erstrebte Berufungszulassung auf der
Grundlage des insoweit einschlägigen Tatbestandes des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG.
Es entspricht nämlich der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes,
dass die Frage, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthaltsG angesichts
einer - auch psychischen - Erkrankung bei dem jeweiligen Ausländer vorliegen, nur einer
Beurteilung anhand der jeweiligen Fallumstände, d.h. des konkreten Krankheitsbildes und
eventuell benötigter Medikamente zugänglich ist, die nicht „abstrakt“ für eine Vielzahl von
Fällen gleichsam vorab vorgenommen werden kann. Es handelt sich demnach nicht um
eine allgemein klärungsfähige Frage von grundsätzlicher Bedeutung
vgl. z.B. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 13.5.2005 - 1 Q 9/05 - zum Fall einer
posttraumatischen Belastungsstörung.
Hinsichtlich der von der Klägerin in diesem Zusammenhang vorgebrachten fehlenden oder
eingeschränkten Zugangsmöglichkeiten zu einer medizinischen Behandlung gilt nichts
anderes. An dieser grundsätzlichen Einschätzung ändert auch die Geltendmachung einer
Minderheitenzugehörigkeit nichts. Insoweit ist ebenfalls eine (eingeschränkt) abstrakte
Beurteilung der Situation auf der Grundlage der individuellen Krankheitsdaten eines
Betroffenen - hier der Klägerin - nicht möglich. Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes
hat bereits in seinem Beschluss vom 29.9.2004 - 1 Q 23/04 - ausgeführt, nach dem
vorliegenden Dokumentationsmaterial könne jedenfalls nicht von einem generellen
Ausschluss von Angehörigen ethnischer Minderheiten von jeglicher medizinischen
Versorgung im Kosovo ausgegangen werden. Anhaltspunkte dafür, dass sich an dieser
Situation zwischenzeitlich etwas geändert haben könnte, hat die Klägerin nicht aufgezeigt.
Ob der hier gegebene Einzelfall vom Verwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend beurteilt
worden ist, hat indes Bedeutung nur für diesen, was nach der Gesetzeslage die Zulassung
der Berufung in Asylstreitigkeiten nicht rechtfertigen kann. Die Rechtsmittelbeschränkung in
Streitigkeiten nach dem Asylverfahrensgesetz (§ 78 AsylVfG) verdeutlicht vielmehr, dass -
anders als in Allgemeinverfahren (vgl. insoweit § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) - nicht jedem
beim Verwaltungsgericht unterlegenen Asylbewerber allein unter Geltendmachung der
angeblichen „Unrichtigkeit“ der erstinstanzlichen Entscheidung die Berufungsmöglichkeit
eröffnet und dass damit gerichtlicher Rechtsschutz in diesem Bereich grundsätzlich auf eine
Instanz beschränkt bleiben soll.
Von einer weiteren Begründung der Nichtzulassungsentscheidung wird abgesehen (§ 78
Abs. 5 Satz 1 AsylVfG).
Für die erstrebte Rechtsmittelzulassung ist danach kein Raum.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2 VwGO, 83 b AsylVfG.
Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.