Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 15.04.2011

OVG Koblenz: angriff, lebensgefahr, einfache körperverletzung, teleologische auslegung, körperliche unversehrtheit, minderung, erwerbsfähigkeit, bad, körperschaden, versetzung

OVG
Koblenz
15.04.2011
10 A 11091/10.OVG
Richterrecht
Verkündet am: 15.04.2011
…….
Justizbeschäftigte als Urkunds-
beamtin der Geschäftsstelle
Oberverwaltungsgericht
Rheinland-Pfalz
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Verwaltungsrechtsstreit
……….
- Kläger und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Rohwedder & Partner, Kaiserstraße 74, 55116 Mainz,
gegen
das Land Rheinland-Pfalz, vertreten durch den Minister der Justiz, Ernst-Ludwig-Straße 3, 55116 Mainz,
- Beklagter und Berufungsbeklagter -
wegen Anerkennung eines qualifizierten Dienstunfalls
hat der 10. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 16. März 2011, an der teilgenommen haben
Vizepräsident des Oberverwaltungsgerichts Steppling
Richter am Oberverwaltungsgericht Hennig
Richter am Oberverwaltungsgericht Möller
ehrenamtlicher Richter Sparkassenbetriebswirt Coßmann
ehrenamtlicher Richter Elektromeister Weitzel
für Recht erkannt:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 26. August 2010 wird
zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der im Jahre 1948 geborene und bis zu seiner Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand wegen
Dienstunfähigkeit als Richter am Amtsgericht beim Amtsgericht B….. tätig gewesene Kläger begehrt die
Anerkennung eines qualifizierten Dienstunfalls und ein erhöhtes Unfallruhegehalt.
Der Dienstunfall ereignete sich am 13. November 2007, als der Kläger als Zivilrichter über einen Antrag
auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mündlich verhandelte. In dem Verfahren eines gewissen K…..
ging es darum, dass dieser einem früheren Freund von ihm den Kontakt mit ihm verbieten lassen wollte.
Zur Verhandlung erschienen die Parteien mit ihren Rechtsbeiständen. Schon bald entstand eine
Diskussion zwischen den Beteiligten, in deren Verlauf der Verfügungskläger K….. laut wurde und den
Verfügungsbeklagten anschrie. Daraufhin verließ der Kläger den Sitzungssaal und verhandelte die
Folgesache in seinem Dienstzimmer. Nachdem der Rechtsbeistand des Verfügungsklägers erklärt hatte,
das einstweilige Verfügungsverfahren könne weiter verhandelt werden, kehrte der Kläger in die
Verhandlung zurück und verhängte gegen beide Parteien ein Ordnungsgeld. Daraufhin entwickelte sich
zwischen dem Rechtsbeistand des Verfügungsklägers und dem Kläger eine laute Diskussion, dabei stand
der Rechtsbeistand auf und ging zur Tür. Der Kläger erklärte sodann, dass er unter diesen Umständen die
Verhandlung nicht weiterführen könne und forderte den Verfügungskläger zum Verlassen des
Sitzungssaales auf. Als er das nicht tat, verließ der Kläger selbst den Sitzungssaal. Nach den
Feststellungen der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach vom 13. Dezember 2007 gegen
den Verfügungskläger K…. verfolgte dieser den Kläger und sagte zu ihm: „Du bist kein Richter. Du musst
deine Arbeit anständig machen.“ Weiterhin schrie er in den Vorraum zu den dort auf das nächste
Verfahren wartenden Personen: „Ihr deutschen Schweine, nur weil ich Türke bin und beschützt werden
will, macht ihr das nicht.“ Dann baute sich der Verfügungskläger K…. vor dem Kläger auf und wollte
offensichtlich auf diesen einschlagen. Er wurde jedoch von den umstehenden Personen zurückgehalten.
Daraufhin schrie er in Richtung des Klägers: „Dich mach ich kalt.“ Später beim Weggehen wiederholte
K…. seine Drohung, indem er mit dem Finger auf den Kläger zeigte und ihm zurief. „Und Du bist tot.“
Das gegen den Verfügungskläger K…. wegen Hausfriedensbruch, Bedrohung und versuchter
Körperverletzung zum Nachteil des Klägers eingeleitete Strafverfahren wurde alsbald vom Amtsgericht
B….. wegen geringer Schuld eingestellt.
Aufgrund des Vorfalls war der Kläger vom 13. bis zum 28. November 2007 und danach tageweise bis zum
14. Dezember 2007 dienstunfähig krank. Seit dem 2. Januar 2008 versah er krankheitsbedingt keinen
Dienst mehr.
Die fachpsychiatrische Untersuchung und Begutachtung des Klägers durch den Leitenden Arzt des
Westpfalz-Klinikums Dr. J….. ergab unter dem 3. Juli 2008 eine posttraumatische Belastungsstörung und
aufgrund dessen eine mittelschwere depressive Episode. Die posttraumatische Belastungsstörung hat
danach ihre wesentliche Ursache in dem Vorfall vom 13. November 2007. Zugleich wurde dringend eine
ambulante Traumtherapie, auch eine stationäre Therapie in einer spezialisierten Klinik empfohlen.
Aufgrund einer darauf gestützten Stellungnahme des Gesundheitsamtes Bad Kreuznach erkannte das
Oberlandesgericht Koblenz mit Bescheid vom 31. Juli 2008 den Vorfall vom 13. November 2007 als
(einfachen) Dienstunfall i.S.d. § 31 Abs. 1 des Beamtenversorgungsgesetzes an.
Eine weitere Begutachtung durch den Leitenden Arzt des Westpfalz-Klinikums Dr. ….. vom 7. April 2009
und die darauf gestützte Stellungnahme des Gesundheitsamtes Bad Kreuznach vom 29. April 2009
stellten als Folgen des Dienstunfalls eine posttraumatische Belastungsstörung, phobische Störungen und
rezidivierende depressive Episoden sowie eine Minderung der Erwerbsfähigkeit ab dem 13. Juni 2008 in
Höhe von 40 v.H. fest. Mit Feststellungsbescheid vom 7. Juli 2009 erkannte das Oberlandesgericht
Koblenz dem Kläger daraufhin einen Unfallausgleich in Höhe der Grundrente nach § 31 Abs. 1 bis 4 des
Bundesversorgungsgesetzes zu. Gegen diesen Feststellungsbescheid hat der Kläger Rechtsmittel
eingelegt mit dem Ziel, eine Erhöhung der Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50 v.H. zu
erreichen. Das Verfahren befindet sich zurzeit beim Verwaltungsgericht Koblenz unter dem Aktenzeichen
6 K 1358/09.KO in der Beweisaufnahme.
Zur gleichen Zeit betrieb das beklagte Land ein Verfahren auf Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand
wegen Dienstunfähigkeit. Dieses führte mit Zustimmung des Klägers zu seiner Versetzung in den
Ruhestand mit Ablauf des 30. September 2009.
Offen war zu dieser Zeit noch die Entscheidung über den Antrag des Klägers, den Vorfall vom 13.
November 2008 wegen seiner Schwere als qualifizierten Dienstunfall i.S.d. § 37 Abs. 2 des
Beamtenversorgungsgesetzes anzuerkennen. Dieses Begehren, das den Gegenstand des vorliegenden
Verfahrens bildet, lehnte das Ministerium der Justiz mit Bescheid vom 7. September 2009 ab. Zur
Begründung heißt es, die Voraussetzungen eines qualifizierten Dienstunfalls und damit eines erhöhten
Unfallruhegehalts lägen nicht vor. Dabei könne dahinstehen, ob die Erwerbsfähigkeit des Klägers im
Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand infolge des Dienstunfalls um mindestens 50 v.H. (und nicht wie
bisher festgestellt um 40 v.H.) gemindert sei. Denn jedenfalls habe er den Dienstunfall – was weitere
Voraussetzung hierfür sei – nicht durch einen rechtswidrigen Angriff i.S.d. § 37 Abs. 2 Nr. 1 des
Beamtenversorgungsgesetzes erlitten. Hierfür sei nämlich aus systematischen und teleologischen
Gründen eine der Lebensgefahr i.S.d. des § 37 Abs. 1 des Beamtenversorgungsgesetzes qualitativ
vergleichbare Gefähr-dungssituation erforderlich. Eine solche habe hier aber nicht bestanden. Lediglich
die körperliche Unversehrtheit des Klägers sei bedroht gewesen. Diese habe aber objektiv in ihrer
Zielrichtung keine der Lebensgefahr vergleichbare Rechtsgut-verletzung mit sich bringen können.
Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat der Kläger Klage erhoben und im Wesentlichen
vorgetragen: Sehr wohl sei er bei dem Vorfall einem rechtswidrigen Angriff i.S.d. § 37 Abs. 2 Nr. 1 des
Beamtenversorgungsgesetzes ausgesetzt gewesen. Dabei komme es nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungs-gerichts nicht entscheidend auf eine der Lebensgefahr vergleichbare Rechtsgut-
verletzung an. Der rechtswidrige Angriff liege vielmehr in der Verletzungshandlung, d.h. darin, dass der
Handelnde mit Wissen und Wollen dem Beamten/Richter eine Rechtsgutbeeinträchtigung zufügen wolle
und diese in einem inneren Zusammenhang mit der Dienstverrichtung stehe. Damit erleide er durch den
Dienst ein Sonderopfer, und das sei der eigentliche Grund für die Gewährung des erhöhten
Unfallruhegehalts. Darüber hinaus auch eine der Lebensgefahr vergleichbare Rechtsgutbeeinträchtigung
zu fordern, komme demgegenüber nicht in Betracht, zumal es ein dem Leben vergleichbares Rechtsgut
letzten Endes nicht gebe. Einem solchen rechtswidrigen Angriff sei er aber ausgesetzt gewesen, sei doch
der damalige Verfügungskläger massiv auf ihn zugegangen, habe ihn aufs Übelste beschimpft und
bedroht und sogar die Fäuste erhoben, um ihn körperlich zu verletzen; nur das Eingreifen Dritter habe das
verhindern können. Aus dem gesamten Verhalten des damaligen Verfügungsklägers sei klar erkennbar
gewesen, dass er mit höchster Zielrichtung gerade ihn angegangen sei und angegriffen habe. Der
Zusammenhang zur Dienstverrichtung sei sogar in unmittelbarster Weise gegeben gewesen, da die
Handlungen in zeitlich direktem Zusammenhang mit einem gerichtlichen Streitverfahren gestanden
hätten, bei dem der Angreifer eine Prozesspartei und der Angegriffene der die Sache entscheidende
Richter gewesen sei. Im Übrigen werde der parallel zu diesem Verfahren von ihm verfolgte Prozess
wegen der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Az. 6 K 1358/09.KO) ergeben, dass diese beim Eintritt in den
Ruhestand mindestens 50 v.H. betragen habe.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Ministeriums der Justiz vom 7. September 2009 in
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. November 2009 zu verpflichten, das Vorliegen eines
qualifizierten Dienstunfalls anzuerkennen und ein erhöhtes Unfallruhegehalt zu bewilligen,
hilfsweise,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Ministeriums der Justiz vom 7. September 2009 in
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. November 2009 zu verpflichten, über seinen Antrag vom
15. Juni 2008 unter Beachtung der Rechtsauffassung erneut zu entscheiden.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es hat seine in den Bescheiden vertretene Rechtsaufassung wiederholt und vertieft.
Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 26. August 2010 die Klage abgewiesen und sich der
Rechtsauffassung des beklagten Landes angeschlossen, wonach auch § 37 Abs. 2 Nr. 1 des
Beamtenversorgungsgesetzes - wie dessen Abs. 1 - eine besondere Lebensgefahr bei dem Unfall
voraussetze, eine solche hier aber nicht bestanden habe.
Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er
verweist insbesondere darauf, dass der Wortlaut des § 37 Abs. 2 Nr. 1 des Beamtenversorgungsgesetzes
– anders als dessen Absatz 1 Satz 1 – keine „besondere Lebensgefahr“ verlange, sondern einen
rechtswidrigen Angriff ausreichen lasse. Damit sei für eine Auslegung, wie sie das Verwaltungs-gericht
vorgenommen habe, kein Raum, bilde doch der mögliche Wortsinn die Grenze jeglicher
Norminterpretation.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach seinem Antrag erster Instanz zu erkennen,
äußerst hilfsweise,
den Rechtsstreit im Hinblick auf das beim Verwaltungsgericht Koblenz anhängige Verfahren wegen der
Minderung der Erwerbsfähigkeit (Az. 6 K 1358/09.KO) an die Vorinstanz zurück zu verweisen.
Das beklagte Land beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Es verteidigt das angefochtene Urteil mit Rechtsausführungen.
Wegen des Sach- und Streitstandes in allen Einzelheiten wird auf die zu den Akten gereichten
Schriftstücke und Schriftsätze verwiesen sowie auf die den Kläger betreffenden Personalakten und die
das Verfahren betreffenden Verwaltungsvorgänge und die Gerichtsakte des Verwaltungsgerichts Koblenz
6 K 1358/09.KO. Diese lagen dem Senat vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.
Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht die Klage des Klägers auf Gewährung des erhöhten
Unfallruhegehalts abgewiesen. Denn er hat darauf keinen Anspruch, da die Voraussetzungen hierfür nicht
vorliegen.
Nach § 37 des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG), der hier gemäß § 71a des Deutschen
Richtergesetzes (DRiG) für den Kläger als Richter entsprechend anwendbar ist, kommt die Gewährung
von erhöhtem Unfallruhegehalt in drei Konstellationen in Betracht: Gemäß § 37 Abs. 1 BeamtVG, wenn
sich der Beamte bei Ausübung einer Diensthandlung einer damit verbundenen besonderen Lebensgefahr
ausgesetzt und infolge dieser Gefährdung einen Dienstunfall erleidet, gemäß § 37 Abs. 2 BeamtVG, wenn
der Beamte einen Dienstunfall nach Nr. 1 in Ausübung des Dienstes einen rechtswidrigen Angriff oder
nach Nr. 2 außerhalb des Dienstes einen näher bezeichneten Angriff erleidet oder gemäß § 37 Abs. 3
BeamtVG, wenn es zu einem Einsatzunfall bei einer besonderen Verwendung im Ausland kommt. Da der
Kläger den Unfall nicht im Ausland und auch nicht außerhalb des Dienstes erlitten hat und er auch keiner
Lebensgefahr ausgesetzt gewesen war, kommt hier – wovon das Verwaltungsgericht zu Recht
ausgegangen ist und auch die Beteiligten übereinstimmend ausgehen - nur die Gewährung des erhöhten
Unfallruhegehalts wegen eines rechtswidrigen Angriffs gemäß § 37 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG ernstlich in
Betracht.
Ein solcher Anspruch des Klägers scheitert nicht bereits daran, dass der Kläger bei seinem Dienstunfall
am 13. November 2007 nicht einer besonderen Lebensgefahr ausgesetzt war. Denn entgegen der
Rechtsauffassung des beklagten Landes und dem ihm folgenden Verwaltungsgericht gebietet eine
systematische und teleologische Auslegung des § 37 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG nicht die Annahme eines
solchen zusätzlichen, ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals. Vielmehr macht der Kläger zu Recht
geltend, dass ein solches weiteres Merkmal der Regelung des § 37 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG jegliche
eigenständige Bedeutung nimmt. Denn forderte man auch für § 37 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG eine besondere
Lebensgefahr, dann liefe diese Vorschrift leer, unterfiele doch der Sachverhalt ohne weiteres bereits § 37
Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG (so auch der für das Landesbeamtenrecht zuständige 2. Senat des Gerichts in
seinem Beschluss vom 27. Juni 2007 - 2 A 10463/07.OVG -).
Indessen ist dem Verwaltungsgericht und dem beklagten Land insoweit zuzustimmen, dass mit Blick auf
die von § 37 Abs. 1 BeamtVG vorausgesetzte besondere Lebensgefahr strenge Anforderungen an den
„rechtswidrigen Angriff“ i.S.d. § 37 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG zu stellen sind. Dies entspricht auch der Recht-
sprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Denn es verlangt für § 37 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG insoweit
„Niveaugleichheit“ (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Oktober 1998, ZBR 1999, S. 95 [96]: „Niveaugleich im
Hinblick auf diese Tatbestandsmodalitäten ist die Gefährdungslage nach § 37 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG
wegen einer Verletzungshandlung, die vom Handelnden mit Wissen und Wollen der zu erwartenden
Rechtsgutbeeinträchtigung ausgeführt wird und die in einem inneren Zusammenhang mit der
Dienstverrichtung des Beamten steht.“). Diese Niveaugleichheit kann aber – wie dargelegt – nicht durch
die Forderung einer besonderen Lebensgefahr erreicht werden. Hierfür bedarf es anderer Kriterien. Erste
Anhaltspunkte lassen sich schon aus der Gesetzgebungsgeschichte herleiten:
Die erhöhte Unfallversorgung fand in das Beamtenrecht Eingang durch das
Beamtenrechtsänderungsgesetz vom 21. August 1961. Mit diesem wurden § 141a in das
Bundesbeamtengesetz und § 80 Abs. 2 in das Beamtenrechtsrahmen-gesetz eingefügt (vgl. dazu und
zum folgenden: Schnupp, DÖD 1968, S. 146 ff.). Die Neuregelung war ein Anliegen der Länder, die ein
höheres Unfallruhegehalt insbesondere für bestimmte Beamtengruppen, wie für Feuerwehrleute und
Polizeibeamte, schaffen wollten, die bei Ausübung einer Diensthandlung, die für sie mit einer besonderen
Lebensgefahr verbunden ist, ihr Leben einsetzen. Die genannten Bestimmungen wurden daraufhin von
der Rechtsprechung von vornherein eng ausgelegt und fanden deshalb keinen großen Anwendungs-
bereich. Aus diesem Grund regten die Länder an, den Anwendungsbereich der Vorschriften zu erweitern.
Neben die bisherige subjektive Tatbestandsvoraussetzung des bewussten Lebenseinsatzes des Beamten
sollte die objektive Voraussetzung des vorsätzlichen und rechtswidrigen Angriffs treten.
Daraufhin fand der Innenausschuss des Bundestages einen Kompromiss, der die Folgen eines
rechtswidrigen Angriffs in die erhöhte Unfallversorgung einbezog und § 141a Abs. 2 BBG schuf (vgl.
Schnupp, a.a.O., S. 147). Nach dieser Vorschrift, die später als § 37 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG übernommen
wurde, wurde das erhöhte Unfallruhegehalt auch gewährt, wenn der Beamte in Ausübung des Dienstes
durch einen vorsätzlichen rechtswidrigen Angriff einen Dienstunfall mit besonderen Folgen erlitt. Später ist
lediglich noch das Merkmal der „Vorsätzlichkeit“ des Angriffs vom Gesetzgeber gestrichen worden, um
Angriffe von Geisteskranken und anderen Schuldunfähigen nicht von § 141a Abs. 2 BBG auszunehmen.
Erforderlich ist aber, dass der Angriff von einem „natürlichen Vorsatz“ getragen ist. Anlass für die
Neuregelung war, wie der Abgeordnete Lautenschlager für den Innenausschuss im Bundestag erklärte,
das Unbefriedigende der früheren Regelung. Die Praxis habe nämlich gezeigt, dass es sich oft um
Sekunden oder deren Bruchteile handele, in denen der Beamte die Entscheidung, ob er bewusst sein
Leben einsetzen wolle, fällen müsse. Vielfach biete aber die Gefahrensituation, insbesondere bei der
Verbrechensbekämpfung, keine Gelegenheit mehr zu solch schwerwiegenden Entscheidungen. Um
gleichwohl auch in solchen Fällen ein erhöhtes Unfallruhegehalt gewähren zu können, würden die Folgen
eines rechtswidrigen Angriffs in die erhöhte Versorgung einbezogen.
Zur Begründung der Neufassung führte der schriftliche Bericht des Innenausschusses (BT-Drs. V/1491, S.
10 f.; zit. nach: Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz - BBG -, Loseblattkommentar, Stand: Februar 2011 -,
§ 37 BeamtVG, Rdnr. 2b) Folgendes aus:
Mit Mehrheit hat damit der Ausschuss einem Antrag der Innenministerkonferenz der Länder entsprochen.
Die vom Ausschuss beschlossene Fassung stellt neben die bisherige subjektive
Tatbestandsvoraussetzung des bewussten Lebenseinsatzes des Beamten die objektive Voraussetzung
des vorsätzlichen rechtswidrigen Angriffs. Zu einer darüber hinausgehenden Erweiterung sah sich der
Ausschuss wegen der gegen jede Erweiterung sprechenden Bedenken nicht in der Lage.“
„Belohnungscharakter“ für das erhöhte Unfallruhegehalt sollte also nicht nur das bewusste Einsetzen des
eigenen Lebens sein, sondern auch das - objektive - Erleiden eines vorsätzlichen, rechtswidrigen Angriffs
in einer besonderen Gefahrensituation. Erwähnt werden soll dabei noch, dass sich an diesem System der
Qualifizierungsgründe in der Folgezeit nichts Wesentliches mehr änderte. Seit der Neufassung des § 37
Abs. 1 BeamtVG durch Art. 1 Nr. 25 des Versorgungsänderungsgesetzes 2001 vom 20. Dezember 2001
(BGBl. I S. 3926) wird allerdings nicht mehr gefordert, dass sich der Beamte einer Lebensgefahr bewusst
aussetzt. Es muss nur objektiv eine besondere Lebensgefahr bestanden haben - selbst wenn sie von ihm
nicht einmal individuell erkannt wurde.
Deutlich wird aber auch bei diesen Erweiterungen der Tatbestandsvoraussetzungen, dass der
Gesetzgeber die erhöhte Unfallversorgung nur unter eng begrenzten Voraussetzungen gewähren wollte
und diese nur nach und nach und auch wiederum nur unter engen Voraussetzungen geringfügig
erweiterte. Zunächst war für ihn das Einsetzen des Lebens Voraussetzung. Damit knüpfte er der
qualifizierte Dienstunfall an die Gefährdung eines ganz bestimmten, höchsten Rechtsguts an, an das
Leben, das der Beamte bewusst einsetzen musste. Mit der neuen Vorschrift des § 141 Abs. 2 BBG (heute:
§ 37 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG) nahm der Gesetzgeber schon bald einen Paradigmenwechsel vor. Kriterium
für das erhöhte Unfallruhegehalt in dieser Konstellation sollte nicht (mehr) die Gefährdung eines sehr
hohen Rechtsgutes des Beamten sein, sondern vielmehr eine bestimmte Verletzungshandlung des den
Beamten angreifenden Schädigers – der rechtswidrige Angriff -, die bei objektiver Betrachtungsweise eine
besondere Gefahrensituation schuf.
Vor dem Hintergrund der aufgezeigten Gesetzgebungsgeschichte sollte dieser Paradigmenwechsel nach
dem Willen des historischen Gesetzgebers aber nicht das System der erhöhten Versorgung sprengen.
Das hat nach Auffassung des Senats notwendigerweise zur Folge, dass strenge Maßstäbe an das
Vorliegen eines rechtswidrigen Angriffs i.S.d. § 37 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG zu stellen sind. Dem kann im
Übrigen – was nicht unerwähnt bleiben soll – nicht entgegen gehalten werden, hierfür bestehe kein
Anlass, da die Unfallfolgen mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50 v.H.
voraussetzungsgemäß schon erheblich sind. Dies ist zwar zutreffend, ändert aber nichts daran, dass die
weiteren Voraussetzungen der besonderen Lebensgefahr nach § 37 Abs. 1 BeamtVG und des
rechtswidrigen Angriffs nach § 37 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG eigenständige und zusätzliche Bedeutung für
den qualifizierten Dienstunfall haben.
Ausgehend von diesen strengen Maßstäben spricht schon viel dafür, dass es sich um einen massiven
Angriff handeln muss (dazu unter Ziffer 1). Jedenfalls wird man eine (einfache) Körperverletzung als
unmittelbare Folge eines zielgerichteten Handelns des Schädigers verlangen müssen (dazu unter Ziffer
2). Unverzichtbar erscheint zumindest eine objektiv bestehende Gefahr einer schweren Körperverletzung
(dazu unter Ziffer 3). Keine dieser Voraussetzungen sind hier erfüllt.
1. Nach dem dargestellten Willen des historischen Gesetzgebers und mit Blick auf die vom
Bundesverwaltungsgericht geforderte, aber nicht näher dargelegte „Niveaugleichheit“ des
Qualifizierungsgrundes gemäß § 37 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG mit dem des § 37 Abs. 1 BeamtVG muss es
sich nach Auffassung des Senats in objektiver Hinsicht um einen massiven Angriff handeln. Wenn er auch
keine Lebensgefahr hervorrufen muss, so muss er im Allgemeinen doch unter Anwendung von - schwerer
und unmittelbarer körperlicher - Gewalt erfolgen und typischerweise eine schwere Verletzung bewirken.
Für einen solchen massiven Angriff wurde deshalb in der Rechtsprechung schon eine „Gewalttat“ verlangt
(OVG Münster, Urteil vom 13. Dezember 1984, DVBl. 1985, S. 458 [460]). Ein derartiger Gewaltakt fehlt
hier aber offensichtlich. Der Vorfall vom 13. November 2007 führte nämlich nicht einmal zu einem
körperlichen Kontakt des Angreifers mit dem Kläger.
2. Aber auch wenn man die Anforderungen an den rechtswidrigen Angriff i.S.d. § 37 Abs. 2 Nr. 1
BeamtVG niedriger ansetzt und dafür eine (einfache) Körperverletzung ausreichen lässt, führt dies zu
keinem anderen Ergebnis. Denn hier hat der Angreifer den Kläger überhaupt nicht berührt.
Dementsprechend lautete die Anklage der Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach auch „nur“ auf versuchte
Körperverletzung.
Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Attacke des Handelnden wesentliche Ursache für die beim
Kläger alsbald aufgetretene psychische Erkrankung in Form einer posttraumatischen Belastungsstörung
und anderer Beeinträchtigungen war. Diese krankhaften Vorgänge sind aber „nur“ mittelbare Folge des
Vorfalls am 13. November 2007 gewesen. Als solche können sie zwar Grundlage für die Anerkennung als
(einfacher) Dienstunfall i.S.d. § 31 Abs. 1 BeamtVG sein (vgl. BVerwGE 35, 133 ff.), sie stellen aber keinen
rechtswidrigen Angriff i.S.d. des qualifizierten Dienstunfalls i.S.d. § 37 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG dar (vgl.
BVerwGE 135, 176 ff.).
Zudem verlangt die Rechtsprechung für einen Angriff eine zielgerichtete Verletzungshandlung des
Schädigers (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Oktober 1998, ZBR 1999, S. 95 f.). Auch diese vermag der Senat
hier nicht zu erkennen. Denn ganz ersichtlich ging es dem Angreifer darum, den Kläger in seinem
sozialen Geltungsanspruch herabzusetzen, ihn zu beleidigen und auch zu bedrohen. Im Vordergrund
seiner Handlungsweise stand eine intensive, unberechtigte und herabwürdigende Kritik an dem
dienstlichen Verhalten des Klägers. Dabei bedrohte er ihn auch, jedoch war seine Drohung („Dich mach
ich kalt“ und „Du bist tot“) ersichtlich ohne objektiv realen Hintergrund. Denn zum einen war der Anlass für
das Aufbrausen des Schädigers – das einstweilige Verfügungsverfahren, um einem früheren Freund den
Umgang mit ihm zu untersagen – nicht derartig existenziell wichtig für ihn, dass er deswegen eine
Gewalttat begehen würde. Auch hatte der Angreifer keinerlei Waffe im weitesten Sinne bei sich, um diese
Drohungen in die Tat umzusetzen. Offenbar war diese Eskalation mit der Drohung „Dich mach ich kalt“
und „Du bist tot“ dem aufbrausenden „südländischen“ Charakter des Handelnden geschuldet sowie auch
gerade dem Umstand, dass er von Umstehenden abgehalten wurde, weiter den Kläger zu beschimpfen
und ihn körperlich zu verletzen. Das ärgerte ihn und machte ihn offenbar so wütend, dass er dem Kläger
diese Drohung noch hinterher rufen musste.
3. Die letztgenannten Erwägungen schließen auch noch aus einem anderen Aspekt die
Annahme eines Angriffs i.S.d. § 37 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG aus. Denn wenn man dafür nicht stets einen
(schweren) Körperschaden wird fordern müssen, so ist doch – wie bei § 37 Abs. 1 BeamtVG eine objektiv
gegebene Lebensgefahr – hier eine objektiv bestehende Gefahr einer schweren Verletzung des Körpers
zu verlangen. Davon geht wohl auch das Bundesverwaltungsgericht aus. In seinem zum
„Vergeltungsangriff“ gemäß § 31 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG ergangenen Urteil vom 29. Oktober 2009
(BVerwGE 135, 176 [181]) heißt es dazu:
Aus dem Zweck der Norm und ihrem Zusammenhang mit § 31 Abs. 1 BeamtVG ist darüber hinaus
abzuleiten, dass ein Angriff nur dann vorliegt, wenn der Beamte objektiv in die Gefahr gerät, einen
Körperschaden zu erleiden. Eine solche objektive Gefährdungslage erfordert, dass der Beamte sich derart
„in Reichweite“ des Täters befindet, dass die Angriffshandlung nicht nur nach der subjektiven Vorstellung
des Beamten gefährlich ist, sondern auch bei objektiver Betrachtung eine reale Gefahr für ihn darstellt.
Dieses Verständnis eines Angriffs muss auch hier im Rahmen des § 37 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG gelten,
nimmt doch das Bundesverwaltungsgericht bereits im ersten Leitsatz dieser Entscheidung ausdrücklich
Bezug auf das zu § 37 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG ergangene Urteil desselben Gerichts vom 8. Oktober 1998
(ZBR 1999, S. 95) und unterscheiden sich § 31 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG und § 37 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG
insoweit lediglich dadurch, dass der Angriff außerhalb des Dienstes bzw. bei der Dienstausübung erfolgt
(vgl. dazu: Stegmüller/Schmalhofer/Bauer: BeamtVG, Loseblattkommentar, Stand: Oktober 2010, § 37, Erl.
12).
Danach stellt allein das subjektive Gefahrempfinden des Klägers, das bei ihm zu erheblichen
gesundheitlichen Schäden geführt hat, kein „Sonderopfer“ i.S. der Rechtsprechung dar. Selbst wenn das
Empfinden psychische Reaktionen ausgelöst und dann (mittelbar) zu einem Körperschaden geführt hat,
ist dieser Körperschaden lediglich die Grundvoraussetzung eines Dienstunfalls und rechtfertigt insofern
nicht zugleich die Annahme eines qualifizierten Dienstunfalls.
Nach alledem scheitert der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Gewährung von erhöhtem
Unfallruhegehalt bereits daran, dass in dem Vorfall vom 13. November 2007 kein rechtswidriger Angriff
i.S.d. § 37 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG lag – und zwar in allen drei hier in Betracht gezogenen
Auslegungsmöglichkeiten.
Liegt danach jedenfalls diese tatbestandliche Voraussetzung nicht vor, bestand für den Senat weder
Anlass, auf den ersten Hilfsantrag hin das beklagte Land zu verpflichten, über den Antrag des Klägers
vom 15. Juni 2008 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden, noch ein
Grund, den Rechtsstreit im Hinblick auf das beim Verwaltungsgericht Koblenz anhängige Verfahren
wegen der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Az. 6 K 1358/09.KO) an die Vorinstanz zurück zu verweisen.
Wie ausgeführt, ist der Rechtsstreit spruchreif und mit diesem Urteil „durchentschieden“, so dass für
Weiteres kein Raum ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Der Ausspruch hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO.
Die Revision ist gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Es ist weiterhin klärungsbedürftig, unter
welchen Voraussetzungen ein rechtswidriger Angriff i.S.d. § 37 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG bei Fehlen eines
unmittelbaren Körperschadens anzunehmen ist.
Rechtsmittelbelehrung
gez. Steppling
gez. Hennig
gez. Möller
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 27.769,34 € festgesetzt (§§ 47, 52
Abs. 1, 63 Abs. 2 GKG).
gez. Steppling
gez. Hennig
gez. Möller