Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 25.08.1998

OVG Koblenz: erkenntnis, personalauswahl, kritik, wiederholung, objektivität, datum, beratung, behörde, insider, quelle

Beamtenrecht
OVG
Koblenz
25.08.1998
2 B 11710/98.OVG
Oberverwaltungsgericht
Rheinland-Pfalz
Beschluss
In dem Verwaltungsrechtsstreit
...
w e g e n Bewerbung um eine Beförderungsstelle
hier: Zulassung der Beschwerde
hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 25.
August 1998, an der teilgenommen haben
...
beschlossen:
Der Antrag des Antragstellers auf Zulassung der Beschwerde gegen den Beschlug des
Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 03. Juli 1998 wird abgelehnt.
Der Antragsteller hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen mit Ausnahme der
augergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 38.197,57 DM festgesetzt.
Gründe
Der Antrag auf Zulassung der Beschwerde führt nicht zum Erfolg. Die rechtlichen Voraussetzungen der
geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 146 Abs. 4 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 5 VwGO)
liegen nicht vor.
1. Der angegriffene verwaltungsgerichtliche Beschlug beruht auf keinem der beschwerdegerichtlichen
Beurteilung unterliegenden Verfahrensmangel (S 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
Soweit der Antragsteller mit Rücksicht auf die darin enthaltenen Darlegungen zur Kompetenz der
Konkurrenten zum wirtschaftlichen Handeln bemängelt, daß ihm der Schriftsatz des Antragsgegners vom
01. Juli 1998 nicht zur gesonderten Stellungnahme, sondern erst zusammen mit dem angefochtenen
Beschlug übermittelt worden sei, ist nicht zu erkennen, inwiefern die gerichtliche Entscheidung auf der
sinngemäß behaupteten Verkürzung des rechtlichen Gehörs beruhen kann. Für das Verwaltungsgericht,
dem der kontroverse Standpunkt zur Befähigung der Bewerber zum wirtschaftlichen Verwaltungshandeln
schon aus dem vorangegangenen Schriftverkehr bekannt war, kam es von seinem Rechtsstandpunkt aus
auf den weiteren Sachvortrag zu diesem Gegenstand nicht an. Es vertrat nämlich die Auffassung, daß die
unbestrittenen Qualitäten des Antragstellers auch auf dem hier in Rede stehenden Gebiet bei der im
Besetzungsbericht vorgenommenen Schwerpunktsetzung, namentlich in Anbetracht der
Beurteilungsprärogative des Dienstherrn, nicht dazu nötigten, dem Antragsteller den Vorzug bei der
Auswahlentscheidung einzuräumen.
Als nicht gerechtfertigt erweist sich auch die weitere Verfahrensrüge, wonach das Verwaltungsgericht es
versäumt habe, dem Antragsteller den Besetzungsbericht vom 13. Mai 1998 vorzulegen. Damit könnte
der Antragsteller nur durchdringen, wenn eine entsprechende Vorlagepflicht bestanden hätte. Dies war
jedoch nicht der Fall. Der Besetzungsbericht, der Bestandteil der dem Verwaltungsgericht vorgelegten
Verwaltungsakten ist, wird den Verfahrensbeteiligten nicht vom Amts wegen zur Kenntnis gebracht,
sondern diese haben das Recht, Einsicht in die einschlägigen Akten zu verlangen. Ein den
Besetzungsbericht betreffender Antrag nach § 100 Abs. 1 VwGO ist aber beim Verwaltungsgericht nicht
gestellt worden.
2. Auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (besondere tatsächliche oder
rechtliche Schwierigkeit) ist eine Zulassung der Rechtssache nicht geboten. Dabei kann dahingestellt
bleiben, ob die Gewährung von verwaltungsgerichtlichem Eilrechtsschutz in bezug auf eine
Auswahlentscheidung, die, so wie hier, eine nach Besoldungsgruppe B 5 bewertete Stelle betrifft und für
deren Vergabe ein besonderes Anforderungsprofil aufgestellt worden ist, an die verwaltungsgerichtlichen
Instanzen überdurchschnittliche Anforderungen in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht stellt. Selbst
wenn dies der Fall sein sollte, käme eine Zulassung nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift nur dann in
Betracht, wenn den in Rede stehenden besonderen Anforderungen im Beschwerdeverfahren in höherem
Nage Rechnung getragen werden könnte, als dies im Zulassungsverfahren der Fall ist. Dafür ist jedoch
nichts ersichtlich. Sowohl die Zulassungs- als auch die Beschwerdeentscheidung ergehen in schriftlichen
Verfahren, in denen dem Gericht die gleichen Erkenntnismöglichkeiten zur Verfügung stehen.
3. Schließlich haften dem angegriffenen Beschlug keine ernstlichen Richtigkeitsbedenken im Sinne von §
124 Abs. 1 Nr. 1 VwGO an, denn das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlag der beantragten
Sicherungsanordnung im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Dabei ist es zutreffend davon ausgegangen, daß
der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch nach Maßgabe von § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO glaubhaft
gemacht hat.
Dies ist freilich nicht schon deshalb der Fall, weil das Auswahlverfahren des Antragsgegners keinen
Anlaß zur Kritik böte. Ein Anordnungsanspruch ist vielmehr deshalb zu verneinen, weil aufgrund der
besonderen Umstände des Falles ausgeschlossen werden kann, daß der Antragsteller selbst bei einer
fehlerfreien Wiederholung des Auswahlverfahrens zum Präsidenten des Landesamtes für Straßen- und
Verkehrswesen ernannt werden würde.
Anlaß zur Kritik bietet das Auswahlverfahren insofern, als es im Hinblick auf die fehlende Dokumentation
des Leistungsvermögens von sieben der acht Bewerber an der von Rechts wegen gebotenen
hinreichend verläßlichen Zuordnung des Befähigungsprofils der Bewerber zu den Merkmalen des vom
Dienstherrn zulässigerweise aufgestellten Anforderungsprofils der Stelle fehlt. Bei der Aufstellung eines
speziellen Anforderungsprofils für die Vergabe einer Beförderungsstelle kann zwar nach feststehender
verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung der Vorrang aktueller und hinreichend vergleichbarer
dienstlicher Beurteilungen als Mittel zur Erkenntnis der Befähigung eines Bewerbers hinter andere
Erkenntnismittel zurücktreten, bzw. gänzlich entfallen. Letzteres gilt insbesondere insoweit, als der Inhalt
der dienstlichen Beurteilung zum Gegenstand des Anforderungsprofils keine Aussage trifft. Aus dieser
verwaltungsgerichtlichen Spruchpraxis darf jedoch nicht der unzutreffende Schlug gezogen werden, daß
an die Verläßlichkeit der Befähigungsfeststellung der Bewerber ein weniger aussagekräftiger Maßstab
anzulegen sei, als wenn dienstliche Beurteilungen die Grundlage der Auswahlentscheidung bildeten.
Löst sich der Dienstherr bei der Personalauswahl von der Leistungsdokumentation der dienstlichen
Beurteilungen, dann ist er mit Rücksicht auf die Objektivität des Verfahrens sowie zur Ermöglichung
effektiven Rechtsschutzes gehalten, seine Erkenntnisse über die Eignung und Befähigung der Bewerber
so zu beschaffen und festzuhalten, daß sie in ihrem Erkenntnis - und Dokumentationswert nicht hinter
den entsprechenden Funktionen dienstlicher Beurteilungen zurückbleiben. Dazu reicht die schlichte
Behauptung einzelner Qualifikationsmerkmale in einem Besetzungsbericht der personalentscheidenden
Stelle regelmäßig nicht aus. Notwendig ist vielmehr, daß sich die Leistungsfeststellungen auf alle
Merkmale des Anforderungsprofils beziehen und daß die Quellen, aus denen der Dienstherr die
entsprechenden Erkenntnisse schöpft, die von ihm gezogenen Schlußfolgerungen nachvollziehbar
tragen. Diese Voraussetzungen sind nach dem Eindruck des Senats in bezug auf die den Beigeladenen
betreffenden Qualifikationsfeststellungen nicht erfüllt. Die insoweit im Besetzungsbericht enthaltenen
Werturteile beruhen weithin auf pauschalen Behauptungen (nicht aktenkundige Mitteilungen des
früheren Behördenleiters, nicht näher belegter Eindruck der vorgesetzten Behörde) und sind als solche
weder objektivierbar noch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes verifizierbar.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlag der nachgesuchten einstweiligen Anordnung
gleichwohl im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Denn bei der vom Antragsgegner im Zuge des
Besetzungsverfahrens zulässigerweise getroffenen Schwerpunktbildung innerhalb der Merkmale des
Anforderungsprofils kann die Möglichkeit ausgeschlossen werden, daß der Antragsteller als externer
Bewerber mit seinem Beförderungsbegehren bei einer fehlerfreien Wiederholung der Personalauswahl
zum Zuge käme. Dem Antragsgegner kommt es bei zutreffender Ermittlung seiner Auswahlpräferenzen
vorrangig darauf an, das ausgeschriebene Beförderungsamt mit einem Bewerber zu besetzen, der als
"Insider" der Straßen- und Verkehrsverwaltung in leitender Funktion einschlägige Berufserfahrungen hat
sammeln können und der zugleich den Nachweis erbracht hat, daß er zu innovativen Impulsen auf die
Straßenbau- und Straßenverkehrspolitik des Landes befähigt ist. Bei dieser vom Ausschreibungstext noch
gedeckten Ausrichtung des Anforderungsprofils liegt auf der Hand, daß ein Bewerber, dessen beruflicher
Werdegang als Führungspersönlichkeit, so wie beim Antragsteller, durch seine Funktion im L. in den
zurückliegenden 18 Jahren maßgeblich geprägt worden ist, die Forderung des Antragsgegners nach
administrativer Kontinuität und verkehrspolitischer Innovationsfähigkeit, nicht in höherem Maße zu
rechtfertigen vermag als ein Konkurrent, der langjährig in leitender Funktion administrativ gestaltend tätig
ist. Bei dieser verwaltungsgerichtlich gebilligten Weichenstellung ist es auch unter Würdigung der
weiteren, über seine unmittelbare Prüfertätigkeit hinausgehenden Qualifikationen des Antragstellers
nicht überwiegend wahrscheinlich, daß die ihm nachteilige Prognoseentscheidung des Antragsgegners
in einem künftigen Beschwerdeverfahren beanstandet würde.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, Abs. 3, 152 Abs. 3 VwGO.
Die Entscheidung über die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes für das Zulassungsverfahren
stützt sich auf die §§ 13 Abs. 4 Satz 2, 14 Abs. 3, 20 Abs. 3 GKG.