Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 24.05.2007

OVG Koblenz: akteneinsicht, versendung, verwaltungsbehörde, vertreter, rechtskraft, strafprozessordnung, gebühr, kostenregelung, kompetenz, zufall

OVG
Koblenz
24.05.2007
7 A 10110/07.OVG
Verwaltungsgebühren
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Verwaltungsrechtsstreit
der H. AG, vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden,
- Klägerin und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Beck und Kollegen, Alexandrinenstraße 6, 96450 Coburg,
gegen
den Landkreis Altenkirchen, vertreten durch den Landrat, Parkstraße 1, 57610 Altenkirchen,
- Beklagter und Berufungskläger -
beteiligt:
Vertreter des öffentlichen Interesses - Ministerium der Justiz -, Ernst-Ludwig-Straße 3, 55116 Mainz,
wegen Verwaltungsgebühren
hat der 7. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom
24. Mai 2007, an der teilgenommen haben
Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Wünsch
Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Holl
Richter am Oberverwaltungsgericht Geis
ehrenamtlicher Richter Schlossermeister Pauls
ehrenamtlicher Richter Rentner Schneider
für Recht erkannt:
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 6. November 2006
wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung von Seiten der Klägerin gegen Sicherheitsleistung
oder Hinterlegung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abzuwenden, soweit nicht diese zuvor
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin, ein Versicherungsunternehmen, wendet sich gegen die Höhe der gegen sie festgesetzten
Gebühren für eine Aktenversendung an von ihr beauftragte Rechtsanwälte. Eine Versicherungsnehmerin
der Klägerin war am 14. September 2005 an einem Verkehrsunfall beteiligt; das gegen sie eingeleitete
Bußgeldverfahren wegen Fahrens mit nicht angemessener Geschwindigkeit wurde letztlich mit
Bußgeldbescheid vom 7. November 2005 abgeschlossen, der am 6. Dezember 2005 rechtskräftig wurde.
Wegen der zivilrechtlichen Auseinandersetzung zwischen der Versicherungsnehmerin und der weiteren
Unfallbeteiligten beauftragte die Klägerin eine Rechtsanwaltssozietät mit der Akteneinsicht in die
Bußgeldakte; zu diesem Zweck wurde von ihr mit Schreiben vom 25. April 2006 die Übersendung der
Akten an die Rechtsanwälte beantragt. Die Übersendung erfolgte mit Begleitschreiben vom 5. Mai 2006,
wobei gleichzeitig mit diesem Schreiben wegen der Übersendung eine Aktenversendungspauschale in
Höhe von 17,50 € angefordert wurde.
Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, die Gebühr für die
Aktenversendung könne sich nur nach § 107 Abs. 5 Ordnungswidrigkeitengesetz richten; danach sei
lediglich eine Aktenversendungspauschale in Höhe von 12,00 € vorgesehen. Landesrechtliche
Gebührensätze für die entsprechende Amtshandlung, die höher seien, könnten nicht erfolgreich herange-
zogen werden, da die bundesrechtliche Regelung insoweit speziell und abschließend sei.
Demgegenüber erläuterte der Beklagte mit Schreiben vom 16. Mai 2006 seinen Standpunkt dahingehend,
das hier heranzuziehende Allgemeine Gebührenverzeichnis (Landesverordnung über die Gebühren für
Amtshandlungen allgemeiner Art vom 15. Januar 2002, GVBl. S. 61) sehe unter Nr. 1.1.2 einen Rahmen
von 7,67 € bis 51,13 € vor, der zutreffend mit 17,50 € ausgefüllt worden sei. Diese Vorgehensweise
entspreche einer Stellungnahme des Innenministeriums vom 26. Januar 2006, die wiederum mit dem
Justizministerium abgestimmt worden sei. Landesgebührenrecht werde hier nicht verdrängt, da die
Akteneinsicht nach abgeschlossenem Ordnungswidrigkeitenverfahren erfolgt sei.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses des Beklagten vom
31. Juni 2006 zurückgewiesen, im Wesentlichen mit der Begründung, nach dem Wortlaut der Bestimmung
des § 107 Abs. 1 OWiG würden die bundesrechtlichen Auslagenregelungen nur "im Verfahren der
Verwaltungsbehörde nach dem OWiG" gelten, mithin nicht mehr nach Abschluss dieses Verfahrens, so
dass für die Gebührenregelung des Landesrechts dort wieder Raum sei. Der hier verfolgte Zweck der
Akteneinsicht liege auch außerhalb des Bußgeldverfahrens.
Die dagegen beim Verwaltungsgericht erhobene Klage mit dem Ziel, den Gebührenbescheid insoweit
aufzuheben, soweit er über die in § 107 Abs. 5 OWiG vorgesehene Gebührenpauschale von 12,00 €
hinausgehe, hatte Erfolg. Zur Begründung der Aufhebung des Gebührenbescheids und des
Widerspruchsbescheids insoweit hat das Verwaltungsgericht in seinem Urteil vom 6. November 2006
angeführt: Eine weitergehende Forderung habe in der landesrechtlichen Gebührenregelung keine
rechtliche Grundlage, da die bundesrechtliche Regelung Landesrecht hier verdränge. Es liege auch kein
Gegenstand vor, der außerhalb der bundesrechtlich in § 107 Abs. 5 OWiG geregelten Aktenversendungs-
pauschale liege. Die Regelung sehe für jede Aktenversendung auf der Grundlage des
Ordnungswidrigkeitenrechts je durchgeführte Sendung eine Pauschale von 12,00 € vor, unabhängig
davon, wer die Versendung beantragt habe - ob der vom Bußgeld Betroffene oder ein Dritter -, ob im
Rahmen eines anhängigen Bußgeldverfahrens oder danach und unabhängig von dem mit der
Akteneinsicht verfolgten Zweck. Dies ergebe sich aus dem nicht weiter eingeschränkten Wortlaut der
Regelung wie auch der systematischen Stellung sowie Sinn und Zweck der Bestimmung.
Mit der dagegen vom Senat zugelassenen Berufung hält der Beklagte an seiner Rechtsauffassung fest
und macht ergänzend geltend: Aus der systematischen Stellung der Regelung in § 107 Abs. 5 OWiG,
nämlich mit Blick auf die Trennung der Regelung über Auslagen für den vom
Ordnungswidrigkeitenverfahren Betroffenen in Abs. 3 der Bestimmung und der Regelung in Abs. 5 für
sonstige Dritte als Antragsteller einer Aktenversendung ergebe sich lediglich, dass die Aktenversen-
dungspauschale innerhalb des Verfahrens für Betroffene und Dritte gleich sei; indessen ergebe sich
daraus kein Aufschluss darüber, ob die Auslagenregelung sich Geltung auch über den Zeitpunkt des
Abschlusses des Ordnungswidrigkeitenverfahrens hinaus beimesse. Dafür könne schließlich auch nicht
die amtliche Begründung des Gesetzes in Anspruch genommen werden: Soweit es dort heiße, dass eine
Regelung betreffend die Versendung von Akten in gleicher Weise wie nach Nr. 9003 des
Kostenverzeichnisses zum GKG angestrebt werde, sei darauf hinzuweisen, dass in der einschlägigen
Kommentarliteratur zum GKG gerade streitig sei, ob die Kostenregelung auch nach Abschluss des
Gerichtsverfahrens Platz greife und nicht in solchen Fällen eine Gebührenerhebung nur auf der
Justizverwaltungskostenordnung beruhen könne.
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 6. November 2006 die Klage
abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt Bezug auf ihr Vorbringen erster Instanz und das Urteil des Verwaltungsgerichts und ergänzt
insoweit: Die von dem Beklagten angestrebte zeitliche Begrenzung der Anwendbarkeit des § 107 Abs. 5
OWiG ergebe sich aus dem Wortlaut der Bestimmung nicht; es mache auch keinen Sinn, eine
unterschiedliche Gebührenregelung im Hinblick auf das Akteneinsichtverlangen eines Dritten an dem
Zufall auszurichten, ob die Aktenanforderung und Versendung vor oder nach der Rechtskraft des
Bußgeldbescheids erfolge; regelmäßig handele es sich bei den an der Akteneinsicht interessierten Dritten
um Haftpflichtversicherer wie die Klägerin, für die es nicht einsichtig sein könne, dass im Hinblick auf die
Aktenversendungspauschale auf Umstände abgestellt werde, auf die sie keinen Einfluss hätten. Aus der
Formulierung in § 107 Abs. 1 OWiG, nach der "im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde" bestimmte
Gebühren erhoben würden, könne kein Aufschluss über den Anwendungsbereich des Abs. 5 gewonnen
werden, da die Regelung des Abs. 1 lediglich die Beteiligten des Ordnungswidrigkeitenverfahrens im
engeren Sinne betreffe. Es handele sich dort nämlich um die Regelung von Gebühren, die dem
Betroffenen im Zusammenhang mit einer Geldbuße auferlegt werden könnten.
Der Vertreter des öffentlichen Interesses beteiligt sich am Verfahren und äußert sich wie folgt: Es komme
darauf an, ob die Versendung im Rahmen eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens oder eines allgemeinen
Verwaltungshandelns erfolge. Für die zeitliche Reichweite der Regelung in § 107 Abs. 5 OWiG, soweit sie
die Akteneinsicht für Dritte betreffe, gebe weder der Wortlaut noch die systematische Stellung der
Bestimmung entscheidenden Aufschluss im Sinne der Entscheidung des Verwaltungsgerichts; in
systematischer Hinsicht sei zu berücksichtigen, dass der Abschnitt über die Kosten zum Zweiten Teil des
Gesetzes gehöre, der mit "Bußgeldverfahren" überschrieben sei. Dies sei ein Hinweis, dass die Regelung
des § 107 Abs. 5 OWiG für Sachverhalte außerhalb des Ordnungswidrigkeitenverfahrens keine Geltung
beanspruchen könne. Auch soweit die Rechtsprechung des OVG Münster im Hinblick auf die
Gesetzesmaterialien mit einer Parallele zu den Bestimmungen des Kostenverzeichnisses (Nr. 9003) zum
GKG argumentiere, spreche gegen die zeitliche Ausdehnung, dass auch für dieses Gebiet die
Kommentarmeinungen nicht einheitlich seien: Nach der 7. Auflage von Markl/Meyer werde ausgeführt,
Voraussetzung für die Aktenversendungspauschale nach Kostenverzeichnis Nr. 9003 sei stets, dass es
sich um ein noch nicht abgeschlossenes Verfahren handele; ansonsten seien die Auslagen nach der
Justizverwaltungskostenordnung zu erheben. Dass Bundesrecht das "Ob und Wie" der Aktenversendung
regele, schließe eine landesrechtliche Gebührenregelung nicht aus, weil für die Tätigkeit von
Landesbehörden grundsätzlich Gebühren nach Landesrecht zu erheben seien, soweit nicht
bundesrechtliche Spezialvorschriften vorgingen. Der Zufall, dass es sich hier um Bußgeldakten handele,
könne keine entscheidungserhebliche Rolle spielen, wenn man bedenke, dass von derselben Behörde im
Falle der Versendung von sonstigen Verwaltungsvorgängen etwa im Blick auf ein berechtigtes Interesse
an der Akteneinsicht wegen einer zivilrechtlichen Auseinandersetzung Gebühren ohne Zweifel auf der
Grundlage des Landesrechts zu erheben seien.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Beteiligten
sowie die einschlägigen Verwaltungs- und Widerspruchsakten Bezug genommen. Diese Unterlagen
waren Gegenstand der Beratung.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Verwaltungsgericht antragsgemäß den angefochtenen Gebührenbescheid aufgehoben,
soweit mehr als 12,00 € festgesetzt worden sind. Der Bescheid erweist sich nämlich insoweit als
rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), weil es an der
erforderlichen Rechtsgrundlage im Landesgebührenrecht fehlt.
Zwar sehen §§ 9, 13 Landesgebührengesetz (LGebG) i.V.m. § 1 und der Anlage zu § 1 der
Landesverordnung über die Gebühren für Amtshandlungen allgemeiner Art (Allgemeines
Gebührenverzeichnis vom 15. Januar 2002 - dort Ziffer 1.1.2) als Aktenversendungspauschale für die
Versendung außerhalb eines anhängigen Verfahrens eine Gebühr innerhalb eines Rahmens von 7,67 €
bis 51,13 € vor, der eine vorgesehene Erhebung, wie hier in Höhe von 17,50 € rechtfertigen könnte.
Indessen folgt der Senat dem Verwaltungsgericht in seiner Auffassung, dass die Anwendung des
Landesgebührenrechts hier gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 LGebG ausscheidet, weil eine spezialgesetzliche
Kostenregelung des Bundesgesetzgebers vorgeht, nämlich die in § 107 Abs. 5 Ordnungswidrigkeiten-
gesetz - OWiG - getroffene Regelung, die eine Aktenversendungspauschale in Höhe von nur 12,00 €
vorsieht. Nach dieser Bestimmung werden von demjenigen, der die Versendung von Akten beantragt, je
durchgeführte Sendung einschließlich Rücksendung pauschal 12,00 € als Auslagen erhoben. Diese
Bestimmung ist unabhängig davon anwendbar, ob der Antragsteller Beteiligter des Ordnungswidrig-
keitenverfahrens ist oder ein Dritter die Übersendung verlangt. Des Weiteren ist unerheblich, ob die
Versendung erfolgt, während das Ordnungswidrigkeitenverfahren zwischen den Hauptbeteiligten
anhängig ist, also demjenigen, dem das Bußgeld auferlegt wird und der Bußgeldbehörde, oder ob einer
der Beteiligten oder ein Dritter nach Rechtskraft der Bußgeldentscheidung die Aktenversendung
beantragt.
Dafür spricht zunächst schon der Wortlaut der Bestimmung, der eine entsprechende Eingrenzung nicht
erkennen lässt. Nach der offenen und umfassenden Formulierung, dass von jedem, der die Versendung
von Akten (Bußgeldakten) beantragt, die Aktenversendungspauschale erhoben wird, sollen alle Fälle der
Aktenversendung erfasst werden (vgl. OVG Münster, NJW 2005, 2795).
Aus dem Regelungszusammenhang und der systematischen Stellung der Vorschrift ergibt sich kein
anderes Ergebnis. Es mag zwar zunächst nahe liegend erscheinen - worauf die Stellungnahme des
Vertreters des öffentlichen Interesses schwerpunktmäßig abzielt -, dass zwischen dem Ordnungswidrig-
keitenverfahren im engeren Sinne zwischen den Hauptsbeteiligten und einer Verfahrensphase
unterschieden wird, in der die Verwaltungsbehörde gleichsam lediglich noch als aktenführende Stelle
nach Abschluss des Ordnungswidrigkeitenverfahrens im engeren Sinne befasst ist. Diese Phase nach der
Rechtskraft der Bußgeldentscheidung könnte dann als ein Zeitraum angesehen werden, in dem die
Behörde als allgemeine Verwaltungsbehörde handelt, so dass insoweit auch die allgemeinen
verwaltungsrechtlichen Regelungen über Akteneinsichtrechte und die damit verbundenen
Kostenregelungen nach Landesrecht Platz greifen würden.
Dagegen spricht indessen, dass für den Dritten, der Akteneinsicht beansprucht, die Verfahrenszäsur der
Beendigung des Verfahrens durch die Hauptbeteiligten gleichsam im Blick auf unterschiedliche
gebührenrechtliche Folgen zufällig und willkürlich erscheint. Entscheidend kommt hinzu, dass die
Verfahrensbestimmungen des Ordnungswidrigkeitenrechts sich nicht lediglich auf die genannte Phase
des Verfahrens zwischen den Hauptsbeteiligten, das heißt das Bußgeldverfahren im engeren Sinne,
beschränken, sondern darüber hinaus gehend in einem umfassenderen Sinne auch Akteneinsichtrechte
nach rechtskräftigem Abschluss des Bußgeldverfahrens regeln. Über die Generalverweisungsnorm des §
46 Abs. 1 OWiG ist vorgesehen, dass für das Bußgeldverfahren, soweit das Gesetz nichts anderes
bestimmt, die Vorschriften der allgemeinen Gesetze über das Strafverfahren, namentlich die
Strafprozessordnung, sinngemäß gelten. Die Strafprozessordnung ihrerseits sieht indessen nicht nur
Regelungen über die Ausgestaltung des Akteneinsichtsrechts des Verteidigers des von einem Verfahren
Betroffenen vor (§ 147 Abs. 4 StPO), sondern regelt in umfassender Weise zum Beispiel auch in diesem
Sachzusammenhang Befugnisse zum Beispiel des Verletzten (§ 406e StPO i.V.m. § 46 Abs. 3 Satz 4
OWiG) wie auch von sonstigen Privatpersonen, die ein berechtigtes Interesse für die Akteneinsicht
darlegen (§ 475 Abs. 1 StPO).
Nach § 406e Abs. 1 StPO kann für den Verletzten ein Rechtsanwalt die Akten einsehen, soweit er hierfür
ein berechtigtes Interesse darlegt. Nach Abs. 3 der Bestimmung können dem Rechtsanwalt die Akten in
seine Geschäftsräume oder seine Wohnung mitgegeben werden. Dem entspricht die hier streitige Akten-
versendung. Eine entsprechende Regelung wird in § 475 Abs. 3 Satz 2 StPO mit Blick auf Privatpersonen
mit einem berechtigten Interesse getroffen, was etwa bei der Geltendmachung von zivilrechtlichen
Ansprüchen in Betracht kommt. Dass diese im Zusammenhang des Strafprozessrechts und des
Ordnungswidrigkeitenverfahrensrechts getroffenen Regelungen zur Akteneinsicht und Aktenmitgabe bzw.
Aktenversendung an einen Rechtsanwalt nicht lediglich während des Verfahrens im engeren Sinne
gelten, ergibt sich ausdrücklich aus den vorgesehenen Zuständigkeitsregelungen. Nach § 406e Abs. 4
StPO entscheidet nämlich nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens die Staatsanwaltschaft über die
Akteneinsicht. Eine ebensolche Regelung trifft für die Akteneinsicht an sonstige Berechtigte § 478 Abs. 1
StPO. Nach Abs. 3 der Bestimmung kann gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft gemäß Abs. 1
gerichtliche Entscheidung nach Maßgabe des § 161a Abs. 3 Satz 2 bis 4 StPO beantragt werden. Es
handelt sich dabei um einen üblichen Rechtsbehelf im Rahmen des strafprozessualen Verfahrens, nicht
indessen um die Anfechtung eines Justizverwaltungsaktes i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG.
Hat demnach der Gesetzgeber des Strafverfahrensrechts und des Ordnungswidrigkeitenrechts aufgrund
seiner Kompetenz zur Regelung des Verfahrensrechts nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG die Akteneinsicht
Dritter auch nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens wegen des bestehenden
Sachzusammenhangs geregelt, spricht systematisch alles dafür, dass auch die in diesem Zusammenhang
getroffene Kostenregelung des § 107 Abs. 5 OWiG in deckungsgleicher Weise zu verstehen ist. Der Senat
ist mit dem OVG Münster (a.a.O. S. 2796) auch der Auffassung, dass der Bundesgesetzgeber zu einer
solchen Regelung berechtigt gewesen ist. Denn er hat mit der Einführung des § 107 Abs. 5 OWiG von
seiner Kompetenz im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung auf dem Gebiet des Strafrechts nach
Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG, zu dem auch das Ordnungswidrigkeitenrecht zählt, Gebrauch gemacht und damit
eine gegenüber dem Landesrecht abschließende Regelung bezüglich der Kosten für Aktenversendungen
in Ordnungswidrigkeitenverfahren vor der Verwaltungsbehörde getroffen (vgl. ebenso VG Karlsruhe, NJW
2005, 523).
Damit entspricht das umfassende Verständnis von dem Geltungsbereich des § 107 Abs. 5 OWiG auch der
Absicht des Gesetzgebers, die Aktenversendungspauschale wie im Geltungsbereich des
Gerichtskostengesetzes zu regeln, weil danach sachliche Gründe für eine abweichende Regelungen in
den beiden Verfahrensarten nicht bestünden (vgl. BT-Drucks. 14/3204). Nach Nr. 9003 des
Kostenverzeichnisses zum GKG (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2) wird eine Aktenversendungspauschale von
12,00 € erhoben. Die Regelung gilt ihrem Anwendungsbereich nach (§ 1 Nr. 6 GKG) auch für die Tätigkeit
der Staatsanwaltschaft nach der Strafprozessordnung. Daraus ergibt sich zugleich, dass die vom
Beklagten gezogene Parallele zu Justizverwaltungsangelegenheiten, die nach der Justiz-
verwaltungskostenordnung zu behandeln seien, fehl geht. Aus diesem Grunde greift auch die
Argumentation des OVG Münster (a.a.O.) zu den gesetzgeberischen Motiven der Parallelisierung der
Vorschriften nicht zu kurz. Ebenso wenig wie die Gewährung der Akteneinsicht nach der
Strafprozessordnung durch die Staatsanwaltschaft auch nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens
einen Justizverwaltungsakt darstellt, sondern eine Maßnahme auf dem Gebiet des Prozessrechts ist,
betrifft die Aktenversendung der Ordnungswidrigkeitenbehörde nach rechtskräftigem Abschluss des
Bußgeldverfahrens eine allgemeine Verwaltungsangelegenheit, die dem Landesgebührenrecht
unterliegen würde. Zwar ist es zutreffend, wenn der Vertreter des öffentlichen Interesses unter
Bezugnahme auf die Stellungnahme des Ministeriums der Justiz vom 17. August 2006 ausführt, dass eine
Sachregelung durch den Bundesgesetzgeber nicht ausschließe, dass für die Tätigkeit der
Landesbehörden Gebühren nach landesrechtlichen Regelungen erhoben würden. Dies wird aber gerade
ausgeschlossen, wenn wie im vorliegenden Fall der Bundesgesetzgeber unter Ausschöpfung seiner
Annexkompetenz (vgl. dazu BVerfGE 109, 190, 215) zur abschließenden Regelung eines
Massenverwaltungsverfahrens wie hier im Falle der Aktenversendung von Bußgeldakten eine
abschließende Regelung vorsieht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit
wegen der Kosten aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.
Rechtsmittelbelehrung
gez. Wünsch gez. Dr. Holl gez. Geis
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 5,50 € festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52
Abs. 2 GKG).
gez. Wünsch gez. Dr. Holl gez. Geis