Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 21.04.2005
OVG NRW: verschlechterung des gesundheitszustandes, abschiebung, duldung, kauf, aussichtslosigkeit, unmöglichkeit, erkenntnis, ausländer, ausweisung, datum
Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Vorinstanz:
Schlagworte:
Normen:
Leitsätze:
Tenor:
1
2
3
Aktenzeichen:
Oberverwaltungsgericht NRW, 18 B 377/05
21.04.2005
Oberverwaltungsgericht NRW
18. Senat
Beschluss
18 B 377/05
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 7 L 3494/04
Reiseunfähigkeit Gesundheitszustand Gesundheitsverschlechterung
Familienangehörige Suizidgefahr Duldung rechtliche Unmöglichkeit
GG Art. 6 Abs. 1; AufenthG § 27; AufenthG § 58; AufenthG § 60a Abs. 2
Die mit der Erkenntnis der Aussichtslosigkeit eines Bleiberechts in der
Bundesrepublik Deutschland einhergehenden gesundheitlichen
Auswirkungen der Abschiebung eines Ausländers auf seine nahen
Familienangehörigen, die hier ein Bleiberecht besitzen, führen
regelmäßig nicht auf einen Duldungsgrund.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,- EUR
festgesetzt.
G r ü n d e:
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die mit der Beschwerde dargelegten Gründe, die vom
Senat im Beschwerdeverfahren regelmäßig nur zu prüfen sind (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO),
rechtfertigen keine Änderung der angefochtenen Entscheidung.
Der Antragsteller hat mit seinem Beschwerdevorbringen, das sich inhaltlich nur noch auf
seinen in erster Instanz gestellten Hilfsantrag auf die Gewährung von Abschiebungsschutz
erstreckt, weiterhin einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Ein Anspruch auf
Erteilung einer Duldung gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG wegen rechtlicher Unmöglichkeit
der Abschiebung kann sich hier nur aus übergeordnetem Recht ergeben. Dabei kommt den
Schutzgewährungen des Art. 6 Abs. 1 GG in Anbetracht der familiären Bindungen
zwischen dem Antragsteller und seiner in Deutschland lebenden Mutter zwar ein
erhebliches Gewicht zu. Es entspricht aber der in den §§ 27 ff. AufenthG zum Ausdruck
kommenden gesetzlichen Wertung, dass den erwachsenen Kindern von Ausländern der
Zuzug zum Zwecke der Familienzusammenführung grundsätzlich nicht ermöglicht wird.
Ausnahmen sind beispielsweise in Betracht zu ziehen, wenn nach den Verhältnissen des
Einzelfalles eine derartige Beistandsgemeinschaft besteht, dass ein Familienmitglied auf
4
5
6
7
8
9
10
11
12
die Lebenshilfe eines anderen zwingend angewiesen ist und diese Hilfe zumutbar nur in
Deutschland erbracht werden kann.
Vgl. Beschluss des Senats vom 1. Juli 2004 18 B 1165/04 -.
Schon danach erweist sich die Abschiebung des Antragstellers ungeachtet seiner -noch
nicht bestandskräftigen Ausweisung - nicht als rechtlich unmöglich. Die in den vorgelegten
ärztlichen Bescheinigungen prognostizierte Verschlechterung des Gesundheitszustands
seiner Mutter für den Fall seiner Abschiebung führt nicht dazu, dass ihm deswegen
Abschiebungsschutz zu gewähren wäre. Nach ständiger Senatsrechtsprechung führt
nämlich nicht jede mit der Erkenntnis der Aussichtslosigkeit eines Bleiberechts für die
Bundesrepublik Deutschland und einer bevorstehenden Rückkehr ins Heimatland
einhergehende, mithin also letztlich abschiebungsbedingte Gefährdung bzw.
Verschlechterung des Gesundheitszustandes auf einen Duldungsgrund. Indem das
Aufenthaltsgesetz die Abschiebung vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer unter
bestimmten Voraussetzungen vorsieht (vgl. § 58 AufenthG), nimmt es in diesem
Zusammenhang vielfach zu erwartende Auswirkungen auf den gesundheitlichen,
insbesondere psychischen Zustand der Betroffenen in Kauf und lässt diese nur unter
besonderen Umständen als Duldungsgründe gelten.
Vgl. zuletzt Senatsbeschluss vom 24. März 2005 18 B 1660/04 .
Diese in Bezug auf den gesundheitlichen Zustand des von der Abschiebung selbst
betroffenen Ausländers entwickelte Rechtsprechung gilt auch für den Gesundheitszustand
der Familienangehörigen des Abzuschiebenden, da das Aufenthaltsgesetz ebenso wie
zuvor das Ausländergesetz die gesundheitlichen und damit auch die hier geltend
gemachten psychischen Auswirkungen der Abschiebung eines vollziehbar
ausreisepflichtigen Ausländers auf seine nahen Familienangehörigen, die ein Bleiberecht
in der Bundesrepublik besitzen, gleichermaßen in Kauf nimmt.
Vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 29. August 2003 – 18 B 1459/03.
Für besondere Umstände, die ausnahmsweise eine von den vorstehenden Grundsätzen
abweichende Beurteilung rechtfertigen, ist dem Beschwerdeverfahren, in dem lediglich die
schon im erstinstanzlichen Verfahren eingereichten nervenärztlichen Bescheinigungen
erneut vorgelegt wurden, nichts zu entnehmen. Die darin enthaltene Prognose ist nicht
hinreichend aussagekräftig, um davon auszugehen, dass bei einer Abschiebung des
Antragstellers eine unmittelbar durch die Abschiebung bzw. als unmittelbare Folge der
Abschiebung eintretende wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes der
Mutter (bis hin zur Suizidalität) zu befürchten wäre, ohne dass dieser gegebenenfalls – wie
das Verwaltungsgericht unwidersprochen ausgeführt hat – durch eine Intensivierung der
medizinischen Betreuung und entsprechende Medikation in zumutbarer Weise begegnet
werden könnte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 3, 72 Nr. 1, 73
Abs. 1 Satz 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.