Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 11.07.2005

OVG NRW: anteil, abwassergebühr, rüge, satzung, grundstück, mittelwert, datum, zahl

Oberverwaltungsgericht NRW, 9 A 2002/05
Datum:
11.07.2005
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
9. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
9 A 2002/05
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Arnsberg, 11 K 1723/04
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 19,92 EUR
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der Zulassungsantrag des Beklagten hat keinen Erfolg, da er nicht in einer den
Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise das Vorliegen von
Zulassungsgründen gemäß § 124 Abs. 2 VwGO darlegt.
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1. Das gilt zunächst für die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des
angegriffenen Urteils (Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das
Verwaltungsgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, der bei der Ermittlung der
Entwässerungsgebühren angewandte Frischwassermaßstab sei für die Bemessung der
Gebühren für eingeleitetes Niederschlagswasser vorliegend kein rechtmäßiger
Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Die Kosten für die Niederschlagswasserbeseitigung
betrügen deutlich mehr als 12 % der gesamten Entwässerungskosten; im Stadtgebiet
von N. bestehe keine homogene Bebauung; die Zahl derjenigen Grundstücke, die vom
typischen der Maßstabsbildung zu Grunde liegenden Fall abwichen, liege deutlich über
10 % der Gesamtzahl der veranlagten Grundstücke. Die hiergegen gerichteten Rügen
des Beklagten greifen nicht durch:
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Der Einwand des Beklagten, das Verwaltungsgericht hätte den Kostenanteil der
Niederschlagswasserbeseitigung an den gesamten Entwässerungskosten „genau
ermitteln müssen", weckt keine erstlichen Zweifel an der im angefochtenen Urteil
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enthaltenen Aussage, dieser Kostenanteil betrage deutlich mehr als 12 %. Es fehlen
jegliche Darlegungen bzw. konkrete Berechnungen zum Nachweis dafür, dass die
Kosten der Niederschlagswasserbeseitigung in N. weniger als 12 % der Gesamtkosten
betragen. Letzteres liegt im Übrigen auch völlig fern. In der Fachliteratur wird ein derartig
geringer Kostenanteil für nahezu ausgeschlossen gehalten. Bislang durchgeführte
Untersuchungen haben gezeigt, dass bei den Entwässerungskosten regelmäßig ein
Anteil von 25 % und mehr für die Niederschlagswasserbeseitigung gegeben ist.
Vgl. Dudey/Jacobi, Zur Erforderlichkeit der Einführung einer getrennten
Abwassergebühr nach dem Grundsatz der Typengerechtigkeit, GemH 2005, 83
(niedrigster Anteil: 25 %; Mittelwert: 41 %); Hennebrüder, Ist die gesplittete
Abwassergebühr notwendig?, KStZ 2003, 5, 11 (unter Bezugnahme auf
Untersuchungen des Gutachters Prof. Dr. Pecher, wonach der Anteil i.d.R. zwischen 35
% und 45 % liegt).
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Auch die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Relation zwischen dem
Frischwasserverbrauch und dem von dem Grundstück kanalwirksam abgeleiteten
Niederschlagswasser jedenfalls auf mehr als 10 % der Grundstücke nicht dem
„Regelfall" entspreche, wird durch die Darlegungen des Beklagten nicht erschüttert. Die
Rüge des Beklagten, das Verwaltungsgericht sei davon ausgegangen, die in der Anlage
zur Klageerwiderung aufgeführten 736 Grundstücke seien alle an die
Niederschlagswasserentwässerung angeschlossen, trifft schon nicht zu. Diese Aussage
ergibt sich aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils nicht. Im Übrigen
hat der Beklagte nicht dargelegt, weshalb es überhaupt darauf ankommen könnte,
wieviele der 736 Grundstücke nicht an die Niederschlagswasserentwässerung
angeschlossen sind. Einer solchen Darlegung hätte es mit Blick auf die Bestimmungen
der einschlägigen Entwässerungsgebührensatzung indessen bedurft. Denn die Satzung
enthält für diese Grundstücke keine Sonderregelungen für die Bemessung der
Entwässerungsgebühren. Durch den Frischwassermaßstab werden diese Grundstücke
mithin in erheblicher Weise gegenüber dem der Maßstabsregelung zu Grunde
liegenden Regeltyp benachteiligt. Mit Blick darauf weichen sie vom Regelfall ab und
sind bei der Prüfung, ob der Wahrscheinlichkeitsmaßstab im Rahmen der
Voraussetzungen der Typengerechtigkeit gedeckt ist, zu berücksichtigen. Davon ist der
Beklagte in seiner Klageerwiderung vom 27. Oktober 2004 auch selbst ausgegangen.
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2. Die Darlegungen des Beklagten zeigen des Weiteren keinen Verfahrensfehler auf
(Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), der eine Zulassung der Berufung
rechtfertigen könnte. Dem Beklagten ist nicht darin zu folgen, dass das
Verwaltungsgericht es unter Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz versäumt
habe, den Anteil der Kosten für die Niederschlagswasserentwässerung konkret zu
ermitteln. Angesichts der oben beschriebenen fachwissenschaftlichen Erkentnisse,
wonach ein unter 12 % liegender Anteil praktisch nicht vorkommt, und der sich aus den
Angaben des Beklagten ergebenden Mengen des in N. kanalwirksam anfallenden
Schmutz- und Niederschlagswassers war eine konkrete Ermittlung des Kostenanteils
nicht geboten. Zudem hat der Beklagte auch nicht ansatzweise dargelegt, dass bzw.
weshalb die von ihm geforderte Ermittlung zu einem für ihn günstigen, mithin
entscheidungsrelevanten Ergebnis geführt hätte.
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2. Dem Zulassungsvorbringen lassen sich ferner nicht die behaupteten besonderen
tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (Zulassungsgrund
nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) entnehmen. Mit den aufgezeigten
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Untersuchungserfordernissen zur Bebauungsstruktur bei der Prüfung der
Rechtmäßigkeit des Frischwassermaßstabes im vorliegenden Fall wird keine
Problematik aufgeworfen, die über den durchschnittlichen Schwierigkeitsgrad
benutzungsgebührenrechtlicher Verfahren hinausgeht. Zudem hat der Beklagte keine
entscheidungserheblichen Umstände aufgezeigt, die zu einer vom Verwaltungsgericht
abweichenden Bewertung Anlass geben könnten und weiterer schwieriger Ermittlungen
bedürften.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht
auf § 52 Abs. 3 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
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