Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 26.01.2011

OVG NRW (politische verfolgung, religionsfreiheit, richtlinie, kläger, syrien, religion, eingriff, verfolgung, gerichtskosten, gefahr)

Oberverwaltungsgericht NRW, 14 A 64/11.A
Datum:
26.01.2011
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
14. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
14 A 64/11.A
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens, für das
Gerichtskosten nicht erhoben werden.
G r ü n d e :
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Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund
grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 1 des
Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) nicht vorliegt.
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Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine bisher
höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die sich in dem erstrebten
Berufungsverfahren stellen würde und die im Interesse der einheitlichen Auslegung und
Anwendung oder der Fortentwicklung des Rechts der Klärung bedarf, oder wenn sie
eine tatsächliche Frage aufwirft, deren in der Berufungsentscheidung zu erwartende
Klärung verallgemeinerungsfähige Auswirkungen hat. Verallgemeinerungsfähige
Auswirkungen hat die Klärung einer Tatsachenfrage, wenn sich diese Frage nicht nur in
dem zu entscheidenden Fall, sondern darüber hinaus auch noch für einen nicht
überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft stellt.
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Der aufgeworfenen Frage,
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wie die vom Bundesverwaltungsgericht in den Beschlüssen vom 9.
Dezember 2010 (10 C 19.09 und 10 C 21.09) zum Zwecke der
Vorabentscheidung nach Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der
Europäischen Union gestellten Fragen zu beantworten seien, die auch im
Falle des Klägers Bedeutung hätten,
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kommt die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung nicht zu, da sie im vorliegenden
Verfahren nicht klärungsfähig ist. Was die allgemeine Situation der Yeziden betrifft, ist in
der Rechtsprechung des beschließenden Senats,
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vgl. zuletzt OVG NRW, Beschluss vom 2. Dezember 2010 - 14 A 2541/10.A
-, S. 2 f. des amtl. Abdrucks m. w. N.,
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ebenso wie in der Rechtsprechung der früher für Syrien zuständigen Senate des
beschließenden Gerichts,
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vgl. die Nachweise in OVG NRW, Beschluss vom 26. August 2010 - 14 A
1835/10.A -, S. 3,
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geklärt, dass eine Gruppenverfolgung der Yeziden in Syrien wegen ihrer
Glaubensüberzeugung nicht stattfindet.
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Ob der Maßstab für den asylrechtlich relevanten Schutzbereich bei der Religionsfreiheit
das religiöse Existenzminimum auch unter Zugrundelegung der Art. 9 Abs. 1 Buchst. a
und 10 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG (sog. Qualifikationsrichtlinie) ist,
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vgl. zu diesem Begriff BVerwG, Urteil vom 20. Januar 2004 - 1 C 9.03 -, juris
Rn. 12,
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wie es von der Rechtsprechung bislang angenommen wurde,
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vgl. BVerwG, Urteil vom 5. März 2009 - 10 C 51.07 -, juris Rn. 9 ff.,
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mag klärungsbedürftig sein, da durch die genannten Beschlüsse des
Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Dezember 2010 dem Europäischen Gerichtshof im
Wege des Vorabentscheidungsverfahrens die Frage vorgelegt wurde, ob Art. 9 Abs. 1
Buchst. a der Richtlinie 2004/83/EG dahin auszulegen ist, dass nicht jeder Eingriff in die
Religionsfreiheit, der gegen Art. 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention
verstößt, eine Verfolgungshandlung im Sinne der erstgenannten Vorschrift darstellt,
sondern eine schwerwiegende Verletzung der Religionsfreiheit als grundlegendes
Menschenrecht nur dann vorliegt, wenn ihr Kernbereich betroffen ist. In den dortigen
Verfahren mag die Frage auch klärungsfähig sein, in denen es nach den Feststellungen
des Berufungsgerichts um dem Glauben der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft eng
und verpflichtend verbundene pakistanische Staatsangehörige geht, zu deren
Überzeugung es auch gehört, den Glauben in der Öffentlichkeit zu leben und in diese zu
tragen.
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Vgl. die vom Kläger genannte Pressemitteilung des BVerwG Nr. 113/2010
vom 9. Dezember 2010.
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In Pakistan mögen Verhältnisse herrschen, die letzteres nur unter asylrechtlich
relevanter Gefahr ermöglichen. Im vorliegenden Verfahren stellt sich die Frage jedoch
nicht. Hier geht es um einen (nach Angaben des Klägers) syrischen Staatsangehörigen
kurdischer Volks- und yezidischer Religionszugehörigkeit, der sich vor dem Bundesamt
und in der verwaltungsgerichtlichen Anhörung als Verfolgungsgrund nicht auf die
Hinderung der Ausübung seiner Religion, sondern auf Unzuträglichkeiten mit Arabern
wegen seiner Eigenschaft als Kurde und Yezide berufen hat. Daher steht hier alleine
eine politische Verfolgung wegen der genannten Unzuträglichkeiten in Rede. Da diese
nicht die Qualität einer politischen Verfolgung aufweisen, liegt auch kein Eingriff in die
Religionsfreiheit durch Hinderung der Ausübung der Religion vor. Der Kläger kann -
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auch unter Zugrundelegung seines Vortrags - ohne asylrechtlich relevante Gefahr seine
Religion im Sinne des Art. 10 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG in Syrien
ausüben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die
Gerichtskosten ergibt sich aus § 83b AsylVfG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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