Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 14.03.2017

OVG NRW (bekanntmachung, stadt, der rat, kläger, veröffentlichung, öffentliche bekanntmachung, amtsblatt, satzung, rückwirkung, genehmigung)

Oberverwaltungsgericht NRW, II A 217/67
Datum:
08.10.1969
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
II. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
II A 217/67
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 3 K 765/66
Tenor:
Die Berufung wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
1
Der Kläger wurde von dem Beklagten durch Gewerbesteuerbescheid vom 2. Mai 1966
für das Kalenderjahr 1964 zu einer Gewerbesteuer von 1.824,-- DM herangezogen.
Nach Abzug der geleisteten Vorauszahlungen ergab sich eine Steuerschuld von noch
1.464,-- DM, welche der Kläger bezahlte. Gegen den Steuerbescheid erhob der Kläger
Widerspruch mit der Begründung, die Vorschrift des § 6 des Einführungsgesetzes zu
den Realsteuergesetzen vom 1. Dezember 1936, RGBl I 961 (EinfRealStG) in der
Fassung des Gesetzes zur Änderung des Gewerbesteuerrechts vom 27. Dezember
1951 BGBl. I 996, 1002, (GewStÄndG) verstoße gegen das Grundgesetz. Der Beklagte
wies den Widerspruch durch Bescheid vom 21. Juni 1966 zurück.
2
Am 28. Juni 1966 hat der Kläger Klage bei dem Verwaltungsgericht in Gelsenkirchen
erhoben, mit der er beantragt hat,
3
den Gewerbesteuerbescheid 1964 vom 2. Mai 1966 und den Widerspruchsbescheid
vom 21. Juni 1966 aufzuheben sowie, die für das Jahr 1964 gezahlte Gewerbesteuer zu
erstatten.
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Er hat geltend gemacht, die Vorschrift des § 6 EinfRealStG betreffend die Ermächtigung
der Landesregierungen zum Erlaß von Rechtsverordnungen über das Verhältnis der
Hebesätze der Realsteuern zueinander und über das Erfordernis einer
aufsichtsbehördlichen Genehmigung der Hebesätze entspreche nicht den nach Art. 80
Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) an eine Ermächtigungsnorm zu stellenden
Anforderungen, da Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung nicht hinreichend
bestimmt seien. Dem Bund habe es auch an der erforderlichen
5
Gesetzgebungszuständigkeit zur Änderung der Vorschrift des § 6 EinfRealStG gefehlt,
weil nach Art. 105 Abs. 2 Nr. 3 GG die Festsetzung der Hebesätze der Realsteuern der
Gesetzgebung des Bundes entzogen sei. Die Gesetzgebungszuständigkeit liege
insoweit allein bei den Ländern.
Der Beklagte hat beantragt,
6
die Klage abzuweisen.
7
Er hat ausgeführt, § 6 EinfRealStG verstoße weder gegen Art. 80 Abs. 1 GG noch gegen
Art. 105 Abs. 2 Nr. 3 GG und sei ebenso rechtsgültig wie die Bestimmungen des
Gewerbesteuergesetzes, nach denen die Gemeinden, zur Erhebung der Gewerbesteuer
und zur Festsetzung der Hebesätze berechtigt seien. Selbst wenn § 6 EinfRealStG nicht
alle in Art. 80 Abs. 1 GG erforderlichen Voraussetzungen erfüllen sollte, würde die
Heranziehung des Klägers zur Gewerbesteuer aufgrund der Haushaltssatzung der Stadt
xxx, zu der die erforderliche Genehmigung der Aufsichtsbehörde nach § 88 der
Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen vom 28. Oktober 1952, GV NW
283, (GO) erteilt worden sei, wirksam sein.
8
Das Verwaltungsgericht hat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil vom 24. Januar
1967 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:
9
Die Vorschrift des § 6 EinfRealStG in ihrer Fassung durch das Bundesgesetz vom 27.
Dezember 1951 stehe sowohl mit Art. 105 Abs. 2 und Art. 72 Abs. 2 GG als auch mit Art.
80 Abs. 1 GG in Einklang. Der Bundesgesetzgeber sei befugt gewesen, die
Landesregierungen zum Erlaß der erwähnten Vorschriften zu ermächtigen. Diese
Ermächtigung sei auch nach ihrem Inhalt, Zweck und Ausmaß ausreichend bestimmt.
Insbesondere lasse sich das Ausmaß der Ermächtigung aus § 6 EinfRealStG
entnehmen. Der Wortlaut der Vorschrift gebe einen Anhaltspunkt dafür, welches
Programm verwirklicht werden solle. Die Begrenzung der Höhe der Hebesätze der
Realsteuern in ihrem Verhältnis zueinander solle sich nach den wirtschaftlichen
Eigenarten der Länder unter gleichzeitiger Rücksichtnahme auf die notwendigen
Belange der Gemeinden und ihrer Bürger richten. Die Heranziehung des Klägers zur
Gewerbesteuer für das Jahr 1964 sei aufgrund der im Amtsblatt der Stadt xxx vom 1.
Februar 1964 ordnungsgemäß veröffentlichten Haushaltssatzung, welche die
erforderliche aufsichtsbehördliche Genehmigung nach der Verordnung der
Landesregierung von Nordrhein-Westfalen über die Genehmigungspflicht der
Realsteuerhebesätze der Gemeinden vom 9. Dezember 1952, GV NW 1953, 103,
erhalten habe, zu Recht erfolgt.
10
Der Kläger hat Berufung eingelegt.
11
Während des Berufungsverfahrens beschloß der Rat der Stadt xxx in seiner Sitzung
vom 18. Juni 1969 eine Satzung über die rückwirkende Inkraftsetzung der Hauptsatzung
der Stadt xxx vom 10. Juni 1953, welche im Amtsblatt der Stadt XXX Nr. 26 vom 28. Juni
1969 veröffentlicht wurde. Gleichzeitig wurde eine neue Hauptsatzung beschlossen, die
im Amtsblatt Nr. 27 vom 5. Juli 1969 bekanntgemacht wurde. Im Amtsblatt Nr. 30 vom
26. Juli 1969 erfolgte ferner eine Neubekanntmachung der Haushaltssatzung für das
Rechnungsjahr 1964.
12
Der Kläger beantragt mit seiner Berufung sinngemäß,
13
unter Änderung des angefochtenen Urteils nach seinem Klageantrag zu erkennen.
14
Er wiederholt und ergänzt seine Ausführungen aus dem ersten Rechtszug. Weiterhin
macht er geltend: Die Bekanntmachung der Haushaltssatzung für das Jahr 1964 in dem
Amtsblatt der Stadt xxx vom 1. Februar 1964 entspreche nicht dem § 37 Abs. 3 GO, weil
die Bekanntmachung nicht von dem Oberbürgermeister unterschrieben worden sei.
Durch die erneute Veröffentlichung im Juli 1969 habe die Haushaltssatzung für das Jahr
1964 keine rückwirkende Gültigkeit erlangen können, denn eine Haushaltssatzung
müsse in jedem Fall bis zum Ende des in Frage kommenden Rechnungsjahres
ordnungsgemäß bekanntgemacht werden. Zudem hätte es für die Neubekanntmachung
der Haushaltssatzung eines erneuten Ratsbeschlusses bedurft. Es fehle auch an der
erforderlichen Veröffentlichung der Genehmigung der Aufsichtsbehörde. Die
Hauptsatzung der Stadt xxx vom 10. Juni 1953 sei ungültig; sie habe auch nicht
rückwirkend in Kraft gesetzt werden können.
15
Der Beklagte beantragt,
16
die Berufung zurückzuweisen.
17
Er wiederholt sein früheres Vorbringen und führt ergänzend aus: Die Haushaltssatzung
der Stadt XXX für das Jahr 1964 sei einschließlich der dazu nach § 88 GO
erforderlichen Genehmigungen nach den geltenden Vorschriften im Amtsblatt der Stadt
vom 1. Februar 1964 rechtswirksam bekanntgemacht worden. Die Formerfordernisse
des § 37 Abs. 3 GO seien erfüllt, da der Oberbürgermeister dieser Bekanntmachung, wie
aus der von ihm beigefügten Paraphe hervorgehe, zugestimmt habe. Um indessen
sicher zu gehen, habe die Stadt XXX ihre Haushaltssatzung für das Jahr 1964 nach
dem Erlaß der neuen Hauptsatzung vom 18. Juni 1969 nochmals veröffentlicht.
Spätestens durch diese im Juli 1969 erfolgte Neubekanntmachung sei die
Haushaltssatzung rückwirkend in Kraft getreten. Es gebe keine gesetzliche Vorschrift,
welche es ausschließe, eine Haushaltssatung noch nach dem Ablauf des betreffenden
Rechnungsjahres bekannt zu machen. Die Rückwirkung sei nach allgemeinen
Grundsätzen zulässig, weil die Steuerpflichtigen seit der ersten Bekanntmachung der
Haushaltssatzung mit ihrer Heranziehung zur Gewerbesteuer hätten rechnen müssen.
18
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung
einverstanden erklärt.
19
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Parteien,
wird auf die Gerichtsakten und auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Stadt
XXX Bezug genommen.
20
Entscheidungsgründe:
21
Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung ergehen, weil alle Beteiligten
hiermit einverstanden sind (§ 125 Abs. 1 iVm § 101 Abs. 2 der
Verwaltungsgerichtsordnung vom 21. Januar 1960, BGBl. I 17, (VwGO).
22
Der von den Parteien mit ihren Schriftsätzen vom 12. Februar und vom 26. Februar 1968
ausgesprochene Verzicht auf mündliche Verhandlung ist nach wie vor wirksam. Es
bestand keine Veranlassung, trotz dieses Verzichtes, etwa im Hinblick auf das von dem
23
Kläger erwähnte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Oktober 1968
- III C 83.67 - Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1969, 252,
24
einen Verhandlungstermin zu bestimmen. Das Bundesverwaltungsgericht hat in dem
genannten Urteil ausgeführt, ein Verzicht auf mündliche Verhandlung sei nicht mehr
wirksam, wenn nach dem Verzicht ein Beweisbeschluß ergeht, den Beteiligten durch
Auflagenbeschluß eine Stellungnahme abgefordert wird oder Akten zu Beweiszwecken
beigezogen werden. Keine dieser Voraussetzungen ist hier gegeben. Insbesondere
sind die Verwaltungsvorgänge der Stadt XXX betreffend die neue Hauptsatzung vom
18. Juni 1969, die Satzung über die rückwirkende Inkraftsetzung der Hauptsatzung vom
10. Juni 1953 und die Haushaltssatzung für das Rechnungsjahr 1964 nicht zu
Beweiszwecken beigezogen worden, sondern der Beklagte hat diese
Verwaltungsvorgänge gemäß § 99 Abs. 1 VwGO vorgelegt. Der Kläger hat auch nicht
geltend gemacht, daß bei der in den Monaten Juni und Juli 1969 erfolgten
Veröffentlichung der Hauptsatzungen und der Haushaltssatzung für das Rechnungsjahr
1964 formelle Fehler unterlaufen seien, sondern sich nur mit Rechtsausführungen
gegen die Auffassung des Beklagten hinsichtlich des rückwirkenden Inkrafttretens
dieser Satzungen gewandt.
25
Die Berufung ist nicht begründet. Der Kläger kann die Aufhebung des angefochtenen
Gewerbesteuerbescheides des Beklagten vom 2. Mai 1966 und die Erstattung der für
das Jahr
26
1964 gezahlten Gewerbesteuer nicht verlangen, weil der Steuerbescheid rechtmäßig ist.
27
I.
28
Für die Entscheidung, ob der Kläger durch den angefochtenen Steuerbescheid in
seinen Rechten verletzt ist, kommt es darauf, ob der § 6 EinfRealstG rechtsgültig ist,
nicht an. Selbst wenn diese Vorschrift, wie der Kläger meint, wegen Verstoßes, gegen
das Grundgesetz, insbesondere gegen Art. 80 Abs. 1 GG, nichtig wäre, so würde dies
nicht die Rechtswidrigkeit der Heranziehung des Klägers zur Gewerbesteuer zur Folge
haben.
29
§ 6 EinfRealStG in der Fassung des Gewerbesteueränderungsgesetzes vom 27.
Dezember 1951 hat folgenden Wortlaut:
30
Die Landesregierung erläßt durch Rechtsverordnung Vorschriften darüber, in welchem
Verhältnis die
31
Hebesätze für die Grundsteuer und die Gewerbesteuer zueinander stehen müssen und
inwieweit die Hebesätze für diese Steuern der Genehmigung der
Gemeindeaufsichtsbehörden bedürfen.
32
Eine etwaige Nichtigkeit dieser Ermächtigungsnorm würde allerdings zur Folge haben,
daß auch die darauf beruhende Hebesätzeverordnung der Landesregierung von
Nordrhein-Westfalen vom 9. Dezember 1952 ungültig wäre. Das Land Nordrhein-
Westfalen hätte in einem solchen Fall zwar gemäß Art. 105 Abs. 2 Nr. 3 GG in eigener
Zuständigkeit eine der Verordnung vom 9. Dezember 1952 entsprechende Regelung
treffen können. Diese hätte jedoch in der Form eines Gesetzes ergehen müssen. Eine
33
Rechtsverordnung hätte nicht ausgereicht, da eine solche, abgesehen von dem
Sonderfall des Art. 80 GG, nach Art. 70 der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen
nur aufgrund einer landesgesetzlichen Ermächtigung erlassen werden darf.
Würde es somit an einer rechtsgültigen Vorschrift über das Erfordernis einer
Genehmigung der Realsteuerhebesätze durch die Aufsichtsbehörde fehlen, so würde
dies jedoch auf das sich aus den §§ 1 und 16 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG)
ergebende Recht der Gemeinden zur Erhebung der Gewerbesteuer und zur
Festsetzung ihrer Hebesätze ohne Einfluß sein.
34
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluß vom 21. Dezember 1966
35
- 1 BvR 33/64 -, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE) 21, 54,
36
mit dem es die Regelung der Lohnsummensteuer für verfassungsmäßig erklärte,
entschieden, die Bestimmungen der §§ 1, 6 Abs. 2 Satz 1, 16 und 25 GewStG, wonach
die Gemeinden die Gewerbesteuer in den verschiedenen vorgesehenen Formen
erheben und die Hebesätze festsetzen können, sei mit dem Grundgesetz, insbesondere
mit Art. 105 Abs. 2 Nr. 3 GG vereinbar; im Hinblick auf die historische Entwicklung sei
der Bundesgesetzgeber befugt, die Gemeinden unmittelbar zur Erhebung der
Gewerbesteuer und zur Festsetzung ihrer Hebesätze zu ermächtigen. Das Recht der
Gemeinden zur Festsetzung der Gewerbesteuerhebesätze ist allerdings durch die der
Landesregierung nach § 6 EinfRealStG in der Fassung vom 27. Dezember 1951
zugestandenen Einwirkungsmöglichkeiten beschränkt. Aus den §§ 1, 6 Abs. 2 Satz 1,
16 und 25 GewStG ergibt sich aber der eindeutige Wille des Gesetzgebers die
Entscheidung über die Erhebung der Gewerbesteuer und die Festsetzung der
Hebesätze den Gemeinden zu überlassen.
37
Das Bundesverfassungsgericht hat hieraus in dem genannten Beschluß vom 21.
Dezember 1966 gefolgert, die Gültigkeit des § 6 Abs. 2 Satz 1 GewStG, wonach die
Gemeinden die Einführung der Lohnsummensteuer beschließen können, würde durch
eine etwaige Nichtigkeit der Bestimmung des § 6. Abs. 2 Satz 2 GewStG, welche die
Erhebung der Lohnsummensteuer die Zustimmung der Landesregierung knüpft, nicht
berührt. Entsprechendes muß auch für den Fall einer Nichtigkeit der Vorschrift des § 6
EinfRealStG gelten. Es besteht kein Anhaltspunkt für die Annahme, daß der
Bundesgesetzgeber für den Fall einer Ungültigkeit der den Landesregierungen nach § 6
EinfRealStG erteilten Ermächtigung, Vorschriften über das Verhältnis der Hebesätze der
Realsteuern untereinander und über das Erfordernis einer aufsichtsbehördlichen
Genehmigung der Hebesätze zu treffen, ganz davon abgesehen hätte, den Gemeinden
die Festsetzung der Hebesätze der Gewerbesteuer zu übertragen. Eine etwaige
Nichtigkeit des § 6 EinfRealStG würde deshalb nicht zur Folge haben, daß damit auch
die den Gemeinden nach dem Gewerbesteuergesetz eingeräumte Befugnis zur
Festsetzung der Gewerbesteuerhebesätze entfallen würde. Vielmehr würden in einem
solchen Fall die Gemeinden zur Festsetzung der Hebesätze in eigener Zuständigkeit
berechtigt sein, ohne an das in der Hebesätzeverordnung vom 9. Dezember 1952
vorgeschriebene Koppelungsverhältnis gebunden zu sein und ohne einer
Genehmigung der Aufsichtsbehörde zu bedürfen.
38
Eine etwaige Ungültigkeit der Ermächtigungsvorschrift des § 6 EinfRealStG würde somit
im vorliegenden Fall lediglich zur Folge haben, daß eine Genehmigung des
Regierungspräsidenten zur Abweichung von dem gemäß § 1 der Hebesätzeverordnung
39
vom 9. Dezember 1952 vorgeschriebene Kopplungsverhältnis der Realsteuerhebesätze
der Stadt XXX für das Rechnungsjahr 1964 nicht erforderlich gewesen wäre. Die
Rechtmäßigkeit des von dem Kläger angefochtenen Gewerbesteuerbescheides würde
hierdurch aber nicht in Frage gestellt.
II.
40
Die formellen Voraussetzungen für die Erhebung der Gewerbesteuer durch die Stadt
XXX für das Rechnungsjahr 1964 sind gegeben, da die Gewerbesteuerhebesätze in der
Haushaltssatzung für dieses Rechnungsjahr rechtswirksam festgesetzt worden sind.
41
Nach § 2 Abs. 1 EinfRealStG sind die Hebesätze der Realsteuern für jedes
Rechnungsjahr neu festzusetzen. Die Festsetzung erfolgt nach § 85 Nr. 2 GO in der
Haushaltssatzung, welche nach § 28 Abs. 1 lit. h GO von dem Rat der Gemeinde zu
erlassen und gegebenenfalls nach einer gemäß § 88 Abs. 1 GO erforderlichen
Genehmigung der Aufsichtsbehörde, nach § 88 Abs. 2 GO öffentlich bekannt zu machen
ist.
42
Der Rat der Stadt XXX hat in seiner Sitzung vom 12. November 1963 die
Haushaltssatzung für das Rechnungsjahr 1964 beschlossen, in der die Festsetzung der
Realsteuerhebesätze enthalten ist. Hierzu hat der Regierungspräsident in XXX mit
Verfügung vom 28. November 1963 die aufsichtsbehördliche Genehmigung nach § 88
Abs. 1 Nr. 1 GO in Verbindung mit § 2 der Hebesätzeverordnung vom 9. Dezember 1952
erteilt. Die Haushaltssatzung ist schließlich auch durch Veröffentlichung im Amtsblatt
der Stadt XXX ordnungsgemäß bekanntgemacht worden.
43
1. Mit der ersten Bekanntmachung im Amtsblatt vom 1. Februar 1964 ist allerdings die
Haushaltssatzung für das Rechnungsjahr 1964 noch nicht rechtswirksam geworden. Die
Bekanntmachung ist fehlerhaft, weil dabei den Anforderungen des § 37 Abs. 3 Satz 1
GO nicht genügt worden ist.
44
Nach § 37 Abs. 3 Satz 1 GO wird, soweit Beschlüsse des Rates nach den geltenden
Bestimmungen im Wortlaut öffentlich bekanntzumachen sind, die Bekanntmachung vom
Bürgermeister oder seinem Stellvertreter unterzeichnet. Für Satzungen der Gemeinden
ist nach § 4 Abs. 4 GO die öffentliche Bekanntmachung vorgeschrieben.
45
Mit der Unterzeichnung der Bekanntmachung des Ratsbeschlusses gemäß § 37 Abs. 3
Satz 1 GO findet das Gesetzgebungsverfahren der Gemeinde seinen Abschluß. Die
Bedeutung dieser Vorschrift liegt darin, daß der Bürgermeister oder sein Stellvertreter
als Vorsitzender des gemeindlichen Gesetzgebungsorgans mit der Unterzeichnung der
Bekanntmachung dokumentiert, daß dies die vom Rat beschlossene - und
gegebenenfalls aufsichtsbehördlich genehmigte - Satzung ist, die nunmehr in der durch
seine Unterschrift beurkundeten Fassung Ortsrecht werden soll. Bedarf eine Satzung zu
ihrer Wirksamkeit einer Genehmigung der Aufsichtsbehörde, so kann die
Unterzeichnung der Bekanntmachung erst nach Vorliegen dieser Genehmigung,
erfolgen da die Genehmigung mit zum Rechtsetzungsverfahren gehört und vor ihrer
Erteilung die vom Rat beschlossene Satzung noch kein fertiges Ortsrecht ist. Der
Bürgermeister hat nach Eingang der aufsichtsbehördlichen Genehmigung zu prüfen, ob
diese uneingeschränkt erteilt oder ob sie etwa mit Maßgaben verbunden ist, denen
zunächst durch einen erneuten Ratsbeschluß Rechnung getragen werden muß, wenn
gültiges Ortsrecht entstehen soll. Durch die Unterzeichnung der Bekanntmachung nach
46
§ 37 Abs. 3 Satz 1 GO übernimmt der Bürgermeister auch die Verantwortung dafür, daß
die vom Rat beschlossene Satzung und die Genehmigung der Aufsichtsbehörde sich
decken. Auf die Unterzeichnung der Bekanntmachung kann der Bürgermeister nicht
verzichten, da er sich seiner in § 37 Abs. 3 Satz 1 GO. verfassungsmäßig übertragenen
Berechtigung und Verpflichtung, das Gesetzgebungsverfahren in dieser Weise zum
Abschluß zu bringen, nicht entziehen kann.
Vgl. die Urteile des Senats vom 29. Mai 1968 - II A 1473/66 -, Kommunale Steuer-
Zeitschrift
47
(KStZ) 1968, 224 = Deutsches Verwaltungsblatt (DVBl) 1968, 849 = Der
Gemeindehaushalt (Gemht)
48
1969, 91; vom 12. Februar 1969 - II A 1305/67-, zur Veröffentlichung bestimmt, und vom
10. September 1969 - II A 1225/67 -.
49
Die Bekanntmachung der Haushaltssatzung der Stadt für das Rechnungsjahr 1964 ist
vor ihrer ersten Veröffentlichung im Amtsblatt vom 1. Februar 1964 nicht gemäß § 37
Abs. 3 Satz 1 GO von dem Oberbürgermeister oder seinem Stellvertreter unterzeichnet,
worden.
50
Wie sich auch aus den Verwaltungsvorgängen des Beklagten ergibt, hat das Stadtamt
20 mit Schreiben vom 29. Januar 1964 unter Beifügung einer "Bekanntmachung der
Haushaltssatzung" das Stadtamt 13 - Presseamt - um deren Veröffentlichung im
Amtsblatt gebeten. Das Schreiben vom 29. Januar 1964 ist nach dem darauf gesetzten
Absendevermerk noch am gleichen Tage an das Presseamt abgegangen.
Anschließend hat dann das Stadtamt 20 den Entwurf des Schreibens vom 29. Januar
1964 dem Oberbürgermeister vorgelegt, welcher diesen Entwurf unter Angabe des
Datums "31. Januar 1964" mit seiner Paraphe abgezeichnet hat. Der Oberbürgermeister
hat somit, nachdem das Stadtamt 20 das Presseamt um Veröffentlichung der
Haushaltssatzung ersucht hatte, hiervon nachträglich zustimmend Kenntnis genommen.
Eine solche nachträgliche zustimmende Kenntnisnahme ist aber keine
Bekanntmachung durch den Bürgermeister gemäß § 37 Abs. 3 Satz 1 GO.
51
Vgl. dazu die genannten Urteile des Senats vom 12. Februar 1969 und vom 10.
September 1969.
52
Da mit der Unterzeichnung der Bekanntmachung der Bürgermeister die Verantwortung
dafür übernimmt, daß die bekanntzumachende Satzung ordnungsgemäß zustande
gekommen ist und ihr Inhalt mit den Beschlüssen des Rates und etwa erforderlichen
Genehmigungen der Aufsichtsbehörde übereinstimmt, ist das Erfordernis der
Unterzeichnung gemäß § 37 Abs. 3 Satz 1 GO auf den zur Veröffentlichung bestimmten
Text der Satzung zu beziehen. Daß der Bürgermeister auch selbst die Anordnung zur
technischen Durchführung der Veröffentlichung unterschreibt, ist dagegen nicht
erforderlich. Vielmehr kann diese Anordnung auch von einer anderen Stelle der
Gemeinde erteilt werden, sobald der Bürgermeister durch seine Unterschrift festgelegt
hat, was veröffentlicht werden soll. Da es sich bei der Satzung um ein Ortsgesetz
handelt, muß in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise festgestellt werden können,
welchen Wortlaut der Satzung der Bürgermeister durch seine Unterschrift zur
öffentlichen Bekanntmachung bestimmt hat.
53
Vgl. die o.a. Urteile des Senats vom 29. Mai 1968, vom 12. Februar 1969 und vom 10.
September 1969.
54
Aus den Verwaltungsvorgängen des Beklagten ergibt sich nicht, daß der
Oberbürgermeister der Stadt xxx den bekanntzumachenden Wortlaut der
Haushaltssatzung für das Jahr 1964 vor ihrer ersten Veröffentlichung im Amtsblatt vom
1. Februar 1964 unterzeichnet hat. Der Beklagte meint, dem Erfordernis der
Unterzeichnung gemäß § 37 Abs. 3 Satz 1 GO sei genügt, weil der Oberbürgermeister
das Schreiben des Stadtamtes 20 an das Presseamt vom 29. Januar 1964 mit seiner
Paraphe abgezeichnet habe; da die Vorlageverfügung des Stadtamtes 20 an den
Oberbürgermeister mit einem Kreuz versehen gewesen sei, bedeute die Abzeichnung
durch den Oberbürgermeister nach der Dienstanweisung und Geschäftsordnung der
Stadt nicht nur eine Kenntnisnahme von der beabsichtigten Veröffentlichung, sondern
der Oberbürgermeister habe damit zugestimmt, daß die Haushaltssatzung, wie sie ihm
in der Form des verbindlichen Musters vorgelegen habe, im Amtsblatt veröffentlicht
werde, und er habe damit seinen Willen bekundet, die Verantwortung für die
Bekanntmachung der Satzung zu übernehmen. Diese Auffassung trifft nicht zu. Da der
Bürgermeister mit der Unterzeichnung gemäß § 37 Abs. 3 Satz 1 GO als Vorsitzender
des gemeindlichen Gesetzgebungsorgans den zu veröffentlichenden Wortlaut der
Satzung endgültig zu bestimmen und damit das Gesetzgebungsverfahren zum
Abschluß zu bringen hat, diese Berechtigung und Verpflichtung aber nach dem
Gemeindeverfassungsrecht ausschließlich dem Bürgermeister bzw. seinem
Stellvertreter übertragen ist, genügt es nicht, wenn der Bürgermeister das Schreiben
einer anderen Stelle der Gemeindeverwaltung, mit dem die Bekanntmachung einer
Satzung angeordnet wurde, später abzeichnet und damit auch den beigefügten zu
veröffentlichenden Text billigt.
55
Überdies ist das Abzeichnen mit einer Paraphe keine Unterzeichnung der
Bekanntmachung im Sinne des § 37 Abs. 3 Satz 1 GO. Ein "Unterzeichnen" setzt eine
eigenhändige Unterschrift voraus. Diesem Erfordernis ist nur dann genügt, wenn die
Unterschrift erkennen läßt, daß der Unterzeichnende seinen vollen Namen hat
niederschreiben wollen. Eine erkennbar abgekürzte Form des Namens aus einem oder
mehreren Buchstaben kann grundsätzlich nicht als "Unterzeichnung" anerkannt werden.
Sie ist ihrem Wesen nach, wie es sich nach den Gepflogenheiten des Rechtsverkehrs,
und vor allem des behördlichen Schriftverkehrs herausgebildet hat, lediglich als eine im
inneren Betrieb verbleibende "Abzeichnung" anzusehen, während die Unterzeichnung
eines Schriftstücks mit vollem Namen die Kundgabe der Übernahme der Verantwortung
für den Inhalt des Schriftstücks nach außen bedeutet.
56
Vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Beschluß vom 13. Juli 1967 - I a ZB 1/67 -, NJW 1967,
2310.
57
Diese Grundsätze, die der Bundesgerichtshof für bestimmende Schriftsätze entwickelt
hat, müssen erst recht für die Unterzeichnung der Bekanntmachung im Verfahren der
Ortsgesetzgebung gelten. Denn es muß aufgrund der Unterzeichnung zweifelsfrei
feststehen, daß der Bürgermeister durch seine Unterschrift die Verantwortung für den
Inhalt und das ordnungsgemäße Zustandekommen der Satzung übernimmt und dies
nach außen hin kundtut. Das Erfordernis der Unterzeichnung der Bekanntmachung
durch den Bürgermeister gemäß § 37 Abs. 3 Satz 1 GO verlangt nach dem Sinn und
Zweck dieser Vorschrift die Unterzeichnung mit dem vollen Namen.
58
Vgl. die genannten Urteile des Senats vom 12. Februar 1969 - II A 1305/67 - und vom
10. September 1969 - II A 1225/67 -.
59
Der Beklagte kann sich demgegenüber nicht darauf berufen, daß das
Bundesverwaltungsgericht bei Rechtsmitteln im Interesse der Rechtsuchenden nicht
unbedingt eine Unterschrift fordere. Das Bundesverwaltungsgericht vertritt allerdings die
Auffassung, für einen schriftlichen Widerspruch nach § 70 VwGO und für andere
bestimmende Schriftsätze im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, wie die
Revisionsschrift und die Revisionsbegründungsschrift, sei eine Unterschrift nicht
zwingend und ausnahmslos erforderlich und dem der Rechtssicherheit Rechnung
tragenden Bedürfnis, daß ein bestimmender Schriftsatz klar den Urheber erkennen
lasse, könne auch auf andere Weise als durch Unterschrift genügt werden.
60
Vgl. insbesondere Beschluß vom 15. Juni 1959 - Gr.Sen. 1.58 -, Entscheidungen des
Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE) 10, 1 und Urteil vom 17. Oktober 1968 - II C
112.65 -, Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR) 1969, 330 = Die Öffentliche
Verwaltung (DÖV) 1969, 470, mit weiteren Nachweisen.
61
Aus dieser Rechtsprechung läßt sich ein allgemeiner bundesrechtlicher Grundsatz, daß
das Abzeichnen eines Schriftstücks mit einer Paraphe als "Unterzeichnung" anzusehen
ist, nicht herleiten. In diesem Zusammenhang ist - abgesehen von der erwähnten
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Unterzeichnung bestimmender
Schriftsätze im Verfahren vor den Zivilgerichten - noch darauf hinzuweisen, daß z.B. das
Verwaltungszustellungsgesetz vom 3. Juli 1952, BGBl I 379, (VwZG)
62
das nach § 17 Abs. 4 Satz 2 genügende Namenszeichen, also die Paraphe von der
nach § 5 Abs. 1 Satz 2 und § 11 Abs. 5 Satz 1 erforderlichen Unterschrift deutlich
unterscheidet.
63
Aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts über das Erfordernis der
Unterschrift bei bestimmenden Schriftsätzen kann deshalb nicht gefolgert werden, daß
zur Unterzeichnung der Bekanntmachung eines Ratsbeschlusses nach der
landesrechtlichen Vorschrift des § 37 Abs. 3 Satz 1 GO eine Paraphe genüge.
64
2. Die Haushaltssatzung für das Rechnungsjahr 1964 ist erst mit ihrer erneuten
Veröffentlichung im Amtsblatt der Stadt xxx vom 26. Juli 1969 ordnungsgemäß
bekanntgemacht worden.
65
Die Form dieser Bekanntmachung beruht auf § 11 Abs. 1 der neuen Hauptsatzung vom
18. Juni 1969, wonach das Amtsblatt der Stadt xxx amtliches Bekanntmachungsblatt ist.
66
Gegen die Gültigkeit dieser Vorschrift bestehen keine Bedenken. Die Hauptsatzung ist
gemäß § 28 Abs. 1 lit. g GO von dem Rat der Stadt xxx am 18. Juni 1969 beschlossen
worden. Einer Genehmigung der Aufsichtsbehörde hierzu bedurfte es nicht (§ 4 Abs. 1
GO). Die Bekanntmachung der Hauptsatzung ist von dem Oberbürgermeister am 2. Juli
1969 dem § 37 Abs. 3 Satz 1 GO entsprechend unterzeichnet worden. Sie ist sodann im
Amtsblatt der Stadt xxx vom 5. Juli 1969 ordnungsgemäß veröffentlicht und damit
rechtswirksam geworden. Eine Änderung der Hauptsatzung oder der Erlaß einer neuen
Hauptsatzung ist grundsätzlich nach der bis dahin gültigen Verkündungsnorm
bekanntzumachen, wenn eine solche zur Verfügung steht. Ist dies nicht der Fall, so kann
die Veröffentlichung aufgrund der neuen Verkündungsvorschrift erfolgen.
67
Vgl. Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster, Urteil vom 27. Juli 1965 - III A 95/64 -,
Deutsche Steuerzeitung Eildienst (DStZ/B) 1966, 518 = Deutsche Wohnungswirtschaft
(DWW) 1966, 400 = Zeitschrift für Miet- und Raumrecht (ZMR) 1967, 154.
68
Da als Form der Bekanntmachung die Veröffentlichung im Amtsblatt der Stadt xxx
gleichermaßen sowohl in § 7 der alten Hauptsatzung vom 10. Juni 1953 als auch in § 11
der neuen Hauptsatzung vom 18. Juni 1969 vorgeschrieben ist und zudem § 12 der
neuen Hauptsatzung ausdrücklich bestimmt, daß diese mit dem Tage ihrer
Bekanntmachung im "Amtsblatt der Stadt xxx" in Kraft trete, bedarf es hier keiner
Untersuchung, ob die alte Hauptsatzung vom 10. Juni 1953 gültig gewesen ist und ob
sie gegebenenfalls durch die Satzung über die rückwirkende Inkraftsetzung der
Hauptsatzung vom 10. Juni 1953, welche der Rat der Stadt xxx am 18. Juni 1969
beschlossen hat, rückwirkend in Kraft gesetzt worden ist. Da die neue Hauptsatzung
vom 18. Juni 1969 somit nach ihrem § 12 mit dem Tage nach ihrer Bekanntmachung im
Amtsblatt, also am 6. Juli 1969 in Kraft getreten ist, war die in dieser Satzung enthaltene
Bekanntmachungsvorschrift des § 11 die Grundlage für die Neubekanntmachung der
Haushaltssatzung für das Jahr 1964 am 26. Juli 1969.
69
Bei der Neubekanntmachung der Haushaltssatzung für das Rechnungsjahr 1964 ist
auch den Erfordernissen des § 37 Abs. 3 Satz 1 GO genügt worden. Die
bekanntzumachende Haushaltssatzung mit dem Hinweis auf die nach § 88 Abs. 1 GO
erteilten Genehmigungen des Regierungspräsidenten ist von dem Oberbürgermeister
am 16. Juli 1969 mit seinem vollen Namen unterzeichnet worden. Eines besonderen
Ratsbeschlusses bedurfte es entgegen der Auffassung des Klägers für die
Neubekanntmachung der Haushaltssatzung nicht.
70
Der mit der Haushaltssatzung für das Rechnungsjahr 1964 bekanntgemachte Hinweis,
daß die: nach § 88 Abs. 1 GO erforderlichen Genehmigungen der Aufsichtsbehörde
erteilt seien, entspricht dem Muster des aufgrund des § 49 der Verordnung über die
Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplanes der Gemeinden (GemHVO) vom 26.
Januar 1954, GV NRW 59, ergangenen Runderlasses des Innenministers und des
Finanzministers zur Ausführung der Gemeindehaushaltsverordnung vom 26. Januar
1954, MBl. NW 201, (219). Einer Bekanntmachung des Wortlauts der
Genehmigungsverfügungen bedurfte es, entgegen der Ansicht des Klägers, nicht. Die
zu § 18 Abs. 3 Satz 3 des Kommunalabgabengesetzes vom 14. Juli 1893, PrGS 152,
(KAG) in der Fassung der Änderungsverordnung vom 8. April 1932, PrGS 161,
ergangene Ausführungsanweisung der preußischen Minister des Innern, der Finanzen
und für Handel und Gewerbe vom 1. April 1932, MBliV 373, welche bei
Steuerordnungen eine Veröffentlichung auch der Genehmigungsverfügungen der
Aufsichtsbehörde vorschrieb, ist mit dem 1. Januar 1962 außer Kraft getreten, da sie in
die Anlage I zu § 1 des Gesetzes zur Bereinigung des in Nordrhein-Westfalen geltenden
preußischen Rechts vom 7. November 1961, GV NW 325, nicht mit-aufgenommen
worden ist. Außerdem galt diese Ausführungsanweisung, ebenso wie der § 18 KAG, auf
dem sie beruhte, nur für indirekte Gemeindesteuern, nicht aber für die Gewerbesteuer,
welche zu den direkten Steuern gehört.
71
3. Auf Grund ihrer Neubekanntmachung am 26. Juli 1969 ist die Haushaltssatzung für
das Rechnungsjahr 1964 mit Wirkung vom 1. Januar 1964 in Kraft getreten.
72
Daß die Haushaltssatzung nach dem Willen des Ortsgesetzgebers vom Beginn des
73
Rechnungsjahres 1964 ab rückwirkend Geltung erlangen sollte, ergibt sich ohne
weiteres daraus, daß die Satzung für dieses Rechnungsjahr erlassen worden ist. Einer
besonderen Bestimmung dieser Rückwirkung bedurfte es auch bei der erneuten
Veröffentlichung am 26. Juli 1969 nicht, da eine Haushaltssatzung ihrem Wesen nach
für das ganze Rechnungsjahr, für das sie erlassen ist, und nur für dieses Rechnungsjahr
gilt. Dies trifft auch für die darin enthaltene Festsetzung der Hebesätze der Realsteuern
zu.
Eine gesetzliche Bestimmung, wonach eine Haushaltssatzung spätestens bis zum Ende
des Rechnungsjahres, für das sie gelten soll, bekanntgemacht werden müßte, gibt es
nicht. Das Gemeinderecht des Landes Nordrhein-Westfalen enthält keine solche
Vorschrift. § 2 Abs. 2 EinfRealStG, wonach die Hebesätze der Realsteuern im Laufe des
Rechnungsjahres einmal geändert werden können, bestimmt allerdings in Satz 2, daß
die Nachtragshaushaltssatzung über die Festsetzung der neuen Hebesätze vor dem 1.
Januar, also bis zum Ablauf des Rechnungsjahres erlassen werden muß. Es braucht
hier nicht entschieden zu werden, ob das "Erlassen" der Nachtragshaushaltssatzung im
Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 2 EinfRealStG ihre öffentliche Bekanntmachung mit
einschließt, so daß auch die Veröffentlichung bis zum Ende des Rechnungsjahres
erfolgt sein müßte, oder ob nicht, ebenso wie in § 90 GO, unter dem Erlaß der
Nachtragshaushaltssatzung nur die Beschlußfassung durch den Rat der Gemeinde zu
verstehen ist, während die öffentliche Bekanntmachung auch noch nach dem Ablauf des
Rechnungsjahres vorgenommen werden kann.
74
Vgl. hierzu Kottenberg-Rehn, Gemeindeordnung für das Land Nordrhein- Westfalen, 8.
Aufl. 1968, Anm. I 3 zu § 90; Rauball, Gemeindeordnung für Nordrhein-Westfalen, 1968,
Anm. 1 zu § 90; Odenbreit-Hensel, Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-
Westfalen, 13. Aufl., S. 449.
75
§ 2 Abs. 2 Satz 2 EinfRealStG gilt ausschließlich für eine Nachtragshaushaltssatzung,
welche eine Änderung der bisherigen Hebesätze für das laufende Rechnungsjahr
enthält. Diese Vorschrift ist aber nach ihrem Wortlaut und Sinn nicht anwendbar auf die
für ein Rechnungsjahr beschlossene erste Haushaltssatzung, in der die
Realsteuerhebesätze erstmals für dieses Rechnungsjahr festgelegt werden. Da das
Gewerbesteuergesetz als Grundlage für die Erhebung der Gewerbesteuer allein nicht
ausreicht, sondern die Feststellung der Hebesätze der Gemeinde für das jeweilige
Rechnungsjahr hinzukommen muß, ist vor dieser Festsetzung eine vollständige
Regelung noch nicht vorhanden. Die Steuerpflichtigen müssen deshalb damit rechnen,
daß die Festsetzung der Hebesätze noch erfolgt. Hat die Gemeinde aber einmal die
Hebesätze festgesetzt, so können die Steuerpflichtigen davon ausgehen, daß es hierbei
verbleibt. Da eine spätere Änderung, der Hebesätze, welche auf den Beginn des
Erhebungszeitraumes zurückwirkt, in einen geregelten Rechtszustand eingreift, läßt § 2
Abs. 2 EinfRealStG eine solche Änderung nur beschränkt zu. Aus der Bestimmung des
§ 2 Abs. 2 EinfRealStG kann deshalb nicht geschlossen werden, daß auch die
Neufestsetzung der Realsteuerhebesätze für ein Rechnungsjahr gemäß § 2 Abs. 1
EinfRealStG nur bis zum Ablauf des Rechnungsjahres möglich sein soll.
76
Vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 1. November 1968 - III A 39/68 -, KStZ 1969, 99.
77
Es gibt auch keinen allgemeinen Grundsatz, wonach der Haushalt einer juristischen
Person des öffentlichen Rechts bis zum Ende des Rechnungsjahres endgültig
festgelegt sein müßte. So sind z.B. die Haushaltsgesetze der Bundesrepublik
78
Deutschland für die Rechnungsjahre 1949 und 1950 erst nach deren Ablauf erlassen
worden.
Vgl. Haushaltsgesetz 1949 vom 7. Juni 1950, BGBl 199, und Haushaltsgesetz 1950
vom 29. Juni 1951, BGBl II 125.
79
Hiergegen sind verfassungsrechtliche Bedenken nicht erhoben worden.
80
Vgl. Maunz-Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, RdNr. 23 und Anm. 5 zu Art. 110,
RdNr. 1 zu Art. 111; von Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, 1953, Nr. 3 zu Art. 110, S.
585/586; Vialon, Haushaltsrecht, 2. Aufl. 1959, S. 202.
81
Die Haushaltsgesetze des Landes Nordrhein-Westfalen für die Rechnungsjahre 1947
und 1948 sind ebenfalls erst im Laufe des folgenden Jahres ergangen.
82
Vgl. Haushaltsgesetz 1947 vom 5. April 1948, GV NW 213, und Haushaltsgesetz 1948
vom 17. März 1949, GV NW 119.
83
Davon, daß die Hebesätze der Realsteuern nach dem Ablauf des Rechnungsjahres
noch rechtsgültig festgesetzt werden können, geht offensichtlich auch das
Bundesverfassungsgericht aus. In dem Urteil vom 19. Dezember 1961
84
- 2 BvR 2/60 -, BVerfGE 13, 279 (284),
85
mit dem eine Verfassungsbeschwerde gegen das hamburgische Gesetz über die
Festsetzung der Hebesätze für die Gewerbesteuer für das Rechnungsjahr 1951 vom 21.
Dezember 1951 zurückgewiesen würde, weist das Bundesverfassungsgericht darauf
hin, die Beschwerdeführerin habe mit einer Bestimmung der Hebesätze erst im Laufe
des Rechnungsjahres um so mehr rechnen müssen, als die Hebesätze für die
vergangenen Rechnungsjahre ebenfalls erst während oder sogar nach Ablauf des
Rechnungsjahres festgelegt worden seien.
86
Die hier vertretene Ansicht, daß eine Haushaltssatzung nach dem Ende des in Frage
kommenden Rechnungsjahres noch ordnungsgemäß bekanntgemacht werden kann,
steht auch nicht in Widerspruch zu dem von dem Kläger erwähnten Urteil des Senats
vom 27. Juni 1967.
87
- II A 165/64 -, Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte Münster und Lüneburg
(OVGE) 23, 214 = KStZ 1968, 73 = DVBl 1968, 312 = DStZ/B 1968, 239.
88
In dem diesem Urteil zugrunde liegenden Fall war eine Haushaltssatzung, deren erste
Bekanntmachung sich als fehlerhaft herausgestellt hatte, Ende Dezember des Jahres,
für das die Satzung gelten sollte, neu bekanntgemacht worden. Die Klägerin hatte den
Einwand erhoben, ein rückwirkender Erlaß der Haushaltssatzung für die Zeit vom
Beginn des Rechnungsjahres ab würde gegen das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit
verstoßen. Dieser Auffassung ist der Senat entgegengetreten und hat dabei unter
Hinweis auf das genannte Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Dezember
1961 - 2 BvR 2/60 - ausgeführt, der Erlaß einer Haushaltssatzung mit Wirkung auf den
Beginn des Rechnungsjahres sei grundsätzlich noch bis zu dessen Ende zulässig, und
es sei auch verfassungsrechtlich unbedenklich, den Hebesatz der Lohnsummensteuer
noch bis zum Ablauf des Rechnungsjahres festzusetzen, weil das Vertrauen des
89
Staatsbürgers auf die Gültigkeit bestehenden Rechts dadurch nicht verletzt werde. Der
Senat hatte damals keine Veranlassung, die Frage zu erörtern, ob eine
Haushaltssatzung, in der die Realsteuerhebesätze für das in Frage kommende
Rechnungsjahr erstmals festgesetzt werden, auch noch nach dem Ablauf des
Rechnungsjahres wirksam bekanntgemacht werden kann.
Gegen das rückwirkende Inkrafttreten der Haushaltssatzung für das Rechnungsjahr
1964 aufgrund ihrer erneuten Bekanntmachung am 26. Juli 1969 bestehen auch keine
sonstigen Bedenken. Insbesondere stehen der Rückwirkung keine Grundsätze des
Verfassungsrechts entgegen.
90
Der Senat hat im Anschluß an die Rechtsprechung des III. Senats des Gerichtshofs
91
vgl. Urteil vom 8. Februar 1967
92
- III A 700/66 -, auszugsweise veröffentlicht Gemht 1967, 234,
93
mehrfach entschieden, daß der kommunale Gesetzgeber auch außerhalb des
Anwendungsbereiches des § 70a KAG Steuerordnungen mit rückwirkender Kraft unter
den gleichen Voraussetzungen erlassen kann, unter denen rückwirkende Gesetze des
Staates zulässig sind.
94
Vgl. insbesondere die zur Veröffentlichung bestimmten Urteile vom 7. Mai 1969
95
- II A 848/67 - und vom 4. Juni 1969
96
- II A 793/67 -.
97
In Übereinstimmung mit den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätzen
zur Rückwirkung von Steuergesetzen ist hierbei allerdings davon auszugehen, daß eine
Rückwirkung gesetzlicher Vorschriften, die den Bürger belasten, regelmäßig mit dem
Gebot der Rechtsstaatlichkeit unvereinbar ist. Zu den wesentlichen Elementen des
Rechtsstaatsprinzips gehört die Rechtssicherheit, die für den Bürger in erster Linie
Vertrauensschutz bedeutet. Der Bürger muß sich bei seinen Planungen an den jeweils
geltenden Gesetzen orientieren können. Von diesem Grundsatz gibt es jedoch
Ausnahmen. Der im Interesse der Rechtssicherheit gewährleistete Vertrauensschutz
kann dort nicht in Frage kommen, wo es kein Vertrauen gibt oder wo es sachlich nicht
gerechtfertigt und deshalb nicht schutzwürdig wäre. Das Vertrauen ist insbesondere
dann nicht schutzwürdig, wenn der Bürger in dem Zeitpunkt auf den der Eintritt der
Rechtsfolge von dem Gesetz zurückgezogen wird, mit dieser Regelung rechnen mußte.
Ist diese Voraussetzung gegeben, so ist der Erlaß eines rückwirkenden Gesetzes
verfassungsrechtlich zulässig.
98
Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfGE), Beschluß vom 12. November 1958 - 2 BvL 4,
26, 40/56, 1 7/57 -, BVerfGE 8, 274 (304/305); Urteil vom 19. Dezember 1961 - 2 BvL
6/59 -,
99
BVerfGE 13, 261 (271/272); Beschluß vom 31. März 1965 - 2 BvL 17/63 -, BVerfGE 18,
429 (439); Beschluß vom 16. November 1965 - 2 BvL 8/64 -, BVerfGE 19, 187 (195);
Beschluß vom 15. November 1967 - 2 BvL 7, 20, 22/64 -, BVerfGE 22, 330 (347); ferner
Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 22. November 1968 - IV C 87.68 -,
100
DÖV 1969, 359 = ZMR 1969, 189 = DVBl 1969, 273.
Ebenso wie eine gemeindliche Steuerordnung unter Beachtung dieser Grundsätze mit
rückwirkender Kraft ergehen kann, ist auch die rückwirkende Inkraftsetzung einer
Haushaltssatzung mit der darin enthaltenen Festsetzung der Realsteuerhebesätze
zulässig. Es besteht kein Grund, die Rückwirkung von Haushaltssatzungen der
Gemeinden unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten anders zu beurteilen als die
Rückwirkung von Steuerordnungen. Wo ein schutzwürdiges Vertrauen der
Steuerpflichtigen, welches einer Rückwirkung entgegenstehen könnte, nicht in Frage
kommt, kann eine Haushaltssatzung für ein vergangenes Rechnungsjahr mit der darin
enthaltenen Festsetzung der Realsteuerhebesätze auch noch nachträglich mit Wirkung
auf den Beginn des Rechnungsjahres, für das die Haushaltssatzung gelten soll,
wirksam bekanntgemacht werden. Hierbei gibt es keine absolute zeitliche Grenze bis zu
der die Bekanntmachung einer Haushaltssatzung für ein bestimmtes Rechnungsjahr
erfolgt sein müßte. Das gilt insbesondere dann, wenn eine frühere Bekanntmachung
vorausgegangen ist, diese aber wegen formeller Mängel ungültig war.
101
Im vorliegenden Fall kommt ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers und anderer
Steuerpflichtigen, welches durch das rückwirkende Inkrafttreten der Haushaltssatzung
der Stadt für das Rechnungsjahr 1964 verletzt werden könnte, nicht in Betracht.
102
Die Steuerpflichtigen mußten von Anfang an damit rechnen, für das Jahr 1964, ebenso
wie für die früheren Jahre, von der Stadt xxx zur Gewerbesteuer herangezogen zu
werden. Diese Erwartung wurde bestätigt durch die erste, wenn auch fehlerhafte
Bekanntmachung der Haushaltssatzung in dem Amtsblatt vom 1. Februar 1964. Daß
diese Bekanntmachung fehlerhaft und deshalb unwirksam war, war für die
Steuerpflichtigen nicht erkennbar. Am Schluß der am 1. Februar 1964
bekanntgemachten Haushaltssatzung ist angegeben: "xxx, den 31. Januar 1964, Der
Oberbürgermeister, xxx." Dadurch wurde der Anschein erweckt, als ob die
Bekanntmachung am 31. Januar 1964 von dem Oberbürgermeister entsprechend der
Vorschrift des § 37 Abs. 3 Satz 1 GO unterschrieben worden sei. Erst während des
Berufungsverfahrens in diesem Rechtsstreit entstanden erstmalig Zweifel, ob die
Haushaltssatzung für das Jahr 1964 ordnungsgemäß veröffentlicht sei, nachdem der
Senat in einem Aussetzungsbeschluß vom 20. Dezember 1968 - II D 50/67 - formelle
Bedenken gegen die Gültigkeit der Schankerlaubnissteuerordnung der Stadt xxx vom
15. Dezember 1959 geäußert hatte, bei deren Bekanntmachung in ähnlicher Weise
verfahren worden war wie bei der ersten Bekanntmachung der Haushaltssatzung für das
Rechnungsjahr 1964. Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers, dem dieser Beschluß
bekannt war, regte daraufhin mit Schriftsatz vom 4. Januar 1969 eine Nachprüfung an,
ob die Haushaltssatzung der Stadt für das Rechnungsjahr 1964 ordnungsgemäß
veröffentlicht worden sei.
103
Auch in der Zeit seit dem Auftauchen der ersten Zweifel an einer gültigen
Bekanntmachung der Haushaltssatzung bis zu ihrer erneuten Veröffentlichung in dem
Amtsblatt der Stadt xxx
104
vom 26. Juli 1969 konnte ein Vertrauen des Klägers dahin, daß für ihn keine
Gewerbesteuerpflicht für das Jahr 1964 bestehe, nicht aufkommen. Aufgrund des
Aussetzungsbeschlusses des Senats vom 20. Dezember 1968 mußten bei der Stadt xxx
allerdings Bedenken auftreten, ob ihre Haushaltssatzung für das Rechnungsjahr 1964
formell gültig sei. Sie konnte jedoch zunächst einmal den Ausgang des Hauptverfahrens
105
in der Schankerlaubnissteuersache abwarten, in dem sie sich gegen die Annahme einer
Ungültigkeit ihrer Schankerlaubnissteuerordnung wandte und geltend machte, mit der
Paraphe des Oberbürgermeisters auf dem die Veröffentlichung der Steuerordnung
anordnenden Schreiben der Stadtverwaltung sei den Anforderungen des § 37 Abs. 3.
Satz 1 GO genügt. In dem bereits erwähnten Urteil des Senats vom 12. Februar 1969 - II
A 1305/67 -, welches dem Beklagten Anfang März 1969 zugestellt worden ist, wurde
dann die Schankerlaubnissteuerordnung vom 15. Dezember 1959 wegen Verstoßes
gegen § 37 Abs. 3 Satz 1 GO für ungültig erklärt und die in dem Aussetzungsbeschluß
vom 20. Dezember 1968 nur angedeutete Auffassung des Senats hierzu näher
begründet. Nach Prüfung der Rechtslage zog die Stadt xxx daraufhin die
entsprechenden Folgerungen, indem der Rat der Stadt wegen der auch gegen die
Gültigkeit der Hauptsatzung vom 10. Juni 1963 aufgetretenen Bedenken zunächst die
neue Hauptsatzung vom 18. Juni 1969 beschloß und, nachdem diese im Amtsblatt vom
5. Juli 1969 bekanntgemacht worden war, die Haushaltssatzung für das Rechnungsjahr
1964, gleichzeitig mit den Haushaltssatzungen für die Jahre 1957 bis 1963 und 1965 bis
1969, am 26. Juli 1969 erneut veröffentlichte. Unter diesen Umständen konnte der
Kläger zu keiner Zeit bei seinen Planungen davon ausgehen, daß die Haushaltssatzung
der Stadt xxx für das Jahr 1964 ungültig sei und ungültig bleiben werde, und er
deswegen nicht der Gewerbesteuerpflicht unterliege. Abgesehen davon, daß die
Unwirksamkeit der ersten Bekanntmachung der Haushaltssatzung erst durch dieses
Urteil festgestellt wird, konnte der Kläger nicht erwarten, die Stadt werde sich mit einer
etwaigen Ungültigkeit ihrer Haushaltssatzung abfinden und die ihr dadurch
entstehenden Steuerausfälle hinnehmen. Vielmehr mußte er damit rechnen, daß die
Stadt alle rechtlichen Möglichkeiten ergreifen würde, um sich das in ihrem
Haushaltsplan veranschlagte Steueraufkommen in jedem Fall zu sichern, zumal der
Beklagte in seinem Schriftsatz vom 19. Mai 1959 darauf hingewiesen hatte, im Falle
einer Ungültigkeit der Haushaltssatzungen müsse die Stadt mit einem so erheblichen
Einnahmeausfall rechnen, daß sie außerstande sein würde, ihre öffentlichen Aufgaben
zu erfüllen.
Ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers wie auch aller übrigen Steuerpflichtigen,
welches einem rückwirkenden Inkrafttreten der Haushaltssatzung für das
Rechnungsjahr 1964 aufgrund ihrer erneuten Bekanntmachung am 26. Juli 1969
entgegenstehen könnte, kommt somit nicht in Betracht.
106
Für die rückwirkende Inkraftsetzung der Haushaltssatzung vom Beginn des
Rechnungsjahres 1964 ab bedurfte es schließlich auch keiner besonderen
Genehmigung der Aufsichtsbehörde. § 4 Abs. 1 Satz 2 GO, wonach
Gemeindesatzungen in der Regel der Genehmigung der Aufsichtsbehörde bedürfen,
soweit sie sich rückwirkende Kraft beilegen, gilt nicht für Haushaltssatzungen. Nach der
Sondervorschrift des § 88 Abs. 1 Satz 1 GO ist bei Haushaltssatzungen eine
Genehmigung nur in den dort unter Nr. 1 bis 3 angegebenen Fällen erforderlich. Im
übrigen bedarf eine Haushaltssatzung nach § 88 Abs. 1 Satz 2 GO keiner
Genehmigung, auch dann nicht, wenn sie rückwirkende Kraft erhält.
107
III.
108
Mit dem rückwirkenden Inkrafttreten der Haushaltssatzung für das Rechnungsjahr 1964
aufgrund der erneuten Bekanntmachung am 26. Juli 1969 hat der von dem Kläger
angefochtene Gewerbesteuerbescheid des Beklagten vom 2. Mai 1966 die bis dahin
fehlende Rechtsgrundlage erhalten.
109
Die Eigenart rückwirkender Gesetze besteht darin, daß sie eine bis zu ihrem
Inkrafttreten bestehende Rechtslage mit Wirkung für die Vergangenheit durch neues
Recht ordnen und nachträglich Rechtsfolgen an der Vergangenheit angehörende,
abgeschlossene Tatbestände knüpfen.
110
Vgl. BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 1961 - 2 BvR 2/60 -, aaO, S. 282; Urteil vom 19.
Dezember 1961 - 2 BvL 6/59 -, BVerfGE 13, 261, und Beschluß vom 14. März 1963 - 1
BvL 28/62 -, BVerfGE 15, 313 (324).
111
Hierbei macht es keinen Unterschied, ob das rückwirkende Gesetz Tatbestände, die
bisher rechtlich nicht geregelt waren, nunmehr einer Regelung unterwirft oder ob an die
Stelle der bisherigen Regelung eine andere gesetzt wird.
112
Ist ein rückwirkendes Gesetz verfassungsrechtlich zulässig, so wird seine Geltung von
dem Zeitpunkt an, zu dem es sich Rückwirkung beilegt, fingiert. Das neue Gesetz ist
daher maßgebend für die rechtliche Beurteilung aller davon erfaßten Tatbestände seit
dem Zeitpunkt, auf den es zurückwirkt. Es liegt deshalb nahe, auch die Frage der
Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten, welche nach diesem Zeitpunkt, aber vor der
Veröffentlichtung des Gesetzes ergangen sind, nach dem neuen rückwirkenden Gesetz
zu beurteilen. Dies hätte zur Folge, daß ein Verwaltungsakt, welcher bis dahin
rechtswidrig war, durch das rückwirkende Gesetz nachträglich eine rechtliche
Grundlage erhalten und damit rechtmäßig werden kann.
113
Der Senat hat allerdings in seinenm Urteil vom 27. Juni 1967 - II A 165/64 -, aaO, in
Anlehnung an die Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts
114
vgl. insbesondere Urteil vom 31. Oktober 1922 - VIII C 43/22 -, Entscheidungen des
Preußischen Oberverwaltungsgerichts (PrOVGE) 78, 124 = Preußisches
Verwaltungsblatt Band 44, 394,
115
und an das Urteil des III. Senats des Gerichtshofs vom 27. Januar 1967
116
- III A 451/64 -, OVGE 23, 63 = DStZ/B 1967, 254 = NJW 1967, 1336 = DVBl 1967, 585 =
ZMR 1967, 235 = DWW 1967, 178,
117
die Ansicht vertreten, daß eine rechtmäßige Heranziehung des Abgabenpflichtigen
aufgrund eines mit rückwirkender Kraft ausgestatteten Abgabengesetzes erst erfolgen
könne, wenn das Gesetz durch seine Verkündung Rechtswirksamkeit erlangt habe, und
daß eine vorher erfolgte Heranziehung trotz der Rückwirkung des Gesetzes rechtswidrig
bleibe. Diese Auffassung hat der Senat jedoch nach nochmaliger Prüfung in dem Urteil
vom 16. Juli 1969
118
- II A 714/66 -, zur Veröffentlichung bestimmt,
119
nicht mehr aufrecht-erhalten und sich dahin ausgesprochen, ein gültig rückwirkendes
Gesetz jedweder Rangordnung erfasse unmittelbar die im Rückwirkungszeitraum
erlassenen und noch nicht unanfechtbar gewordenen Verwaltungsakte, sofern ein
dahingehender Geltungswille des rückwirkenden Gesetzes erkennbar sei. Dieser
Grundsatz muß auch für Satzungen
120
der Gemeinden gelten.
121
Die Frage, ob ein bisher der Rechtsgrundlage entbehrender und deshalb rechtswidriger
Verwaltungsakt durch eine spätere, mit Rückwirkung ausgestattete Rechtsnorm
nachträglich rechtmäßig werden kann, ist;materiell-rechtlicher Natur. Es kommt deshalb
wesentlich auf den materiellen Geltungswillen der Norm, also darauf an, ob damit der
Verwaltung etwa nur, die Möglichkeit gegeben werden soll, an abgeschlossene
Tatbestände in der Zukunft Rechtsfolgen zu knüpfen, oder ob durch die Rückwirkung
auch für noch nicht unanfechtbar gewordene Verwaltungsakte nachträglich die bisher
fehlende Rechtsgrundlage geschaffen werden soll. Da das Wesen rückwirkender
Gesetze darin besteht, daß sie eine bis dahin bestehende Rechtslage mit Wirkung für
die Vergangenheit neu ordnen, wird man bei zulässiger Rückwirkung eines den Bürger
belastenden Gesetzes davon ausgehen können, daß, sofern nicht ein
entgegenstehender Wille des Gesetzgebers erkennbar ist, die Wirkung des Gesetzes
sich nicht nur darauf beschränkt der Verwaltung für die Zukunft neue
Eingriffsmöglichkeiten zu geben, sondern daß bereits vorher ergangene, noch nicht
unanfechtbar gewordene belastende Verwaltungsakte mit- erfaßt und sanktioniert
werden sollen. Dies hat vornehmlich dann zu gelten, wenn ein Verwaltungsakt aufgrund
einer nur wegen eines formellen Fehlers ungültigen Norm erlassen worden ist und der
Gesetzgeber diese rückwirkend durch eine gültige Norm gleichen Inhalts ersetzt, oder
wenn gar nur eine aus formellen Gründen ungültige Vorschrift unverändert mit
rückwirkender Kraft neu bekannt-gemacht wird.
122
So liegt es hier. - - - Die in dem Amtsblatt der Stadt xxx vom 26. Juli 1969 erfolgte
Neubekanntmachung der Haushaltssatzungen, von denen die Haushaltssatzung für das
Rechnungsjahr 1964 nur eine von mehreren war, sollte einmal dazu dienen, für die in
Frage kommenden Erhebungszeiträume eine einwandfreie Rechtsgrundlage für neue
Steuerheranziehungen und für Berichtigungsbescheide zu schaffen, welche bei der
Stadt xxx im Hinblick auf die in ihrem Gebiet gelegenen Betriebstätten zahlreicher der
Betriebsprüfung unterliegenden Unternehmen noch mehrere Jahre nach Ablauf des
fraglichen Erhebungszeitraumes notwendig werden. Darüber hinaus verfolgt die
Neuveröffentlichung der Haushaltssatzungen aber unverkennbar auch das Ziel, bereits
erlassenen, noch nicht unanfechtbar gewordenen Steuerbescheiden nachträglich die
bisher fehlende formell gültige Rechtsgrundlage zu geben. Die Stadt xxx wollte
offensichtlich durch die Neubekanntmachung ihrer Haushaltssatzungen sich generell
gegen alle nachteiligen Auswirkungen sichern, welche eine etwaige gerichtliche
Feststellung der Unwirksamkeit ihrer Haushaltssatzungen zur Folge gehabt haben
würde.
123
Durch die Neubekanntmachung der Haushaltssatzung für das Rechnungsjahr 1964 im
Juli 1969 ist deshalb die notwendige rechtliche Grundlage sowohl für neue
Steuerheranziehungen und Berichtigungsbescheide für diesen Erhebungszeitraum als
auch für bereits ergangene, noch nicht unanfechtbare Steuerbescheide geschaffen
worden. Das hat zur Folge, daß der von dem Kläger angefochtene
Gewerbesteuerbescheid des Beklagten vom 2. Mai 1966 nachträglich rechtmäßig
geworden ist.
124
Gegenüber diesem Ergebnis kann nicht eingewendet werden, die Rechtsposition
desjenigen, der eine Anfechtungsklage gegen einen belastenden Verwaltungsakt
erhoben habe, müsse erhalten bleiben und dürfe nicht nachträglich zu seinen
Ungunsten rückwirkend verschlechtert werden. Ein schutzwürdiges Vertrauen ist
125
insoweit nicht anzuerkennen. Wenn der im Interesse der Rechtssicherheit
gewährleistete Vertrauensschutz dem Erlaß eines Gesetzes mit rückwirkender Kraft
nicht entgegensteht, so kann auch das Vertrauen des Bürgers auf die durch eine
Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt erlangte prozessuale Rechtsstellung
nicht schutzwürdig sein. Der Bürger muß sich deshalb bei zulässiger Rückwirkung
eines Gesetzes gefallen lassen, daß dieses auch im Anfechtungsverfahren gegen einen
früher ergangenen Verwaltungsakt zu seinen Ungunsten angewendet wird.
Kostenrechtliche Gesichtspunkte stehen dem nicht entgegen. Der Kläger hat nach den
prozeßrechtlichen Vorschriften genügend Möglichkeiten, die nachteiligen Folgen des
durch die Neuordnung der Rechtslage veränderten Prozeßrisikos abzuwenden oder zu
mildern. So kann er nach der Veröffentlichung des rückwirkenden Gesetzes die
Hauptsache für erledigt erklären und dann eine Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2
VwGO erlangen. Falls er ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat, daß der
Verwaltungsakt bis dahin rechtswidrig gewesen ist, kommt auch eine gerichtliche
Entscheidung nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO in Betracht. Schließlich können bei
Anfechtungsklagen gegen eine Gemeinde dieser die Verfahrenskosten nach § 155 Abs.
5 VwGO auferlegt werden, wenn die Gemeinde erst nach der Klageerhebung durch eine
rückwirkende Satzung die erforderliche Rechtsgrundlage für den angefochtenen, bis
dahin rechtswidrigen Verwaltungsakt schafft und der Kläger daraufhin die Klage
zurücknimmt.
126
Der III. Senat des Gerichtshofs meint in dem erwähnten Urteil vom 25. Januar 1967 - III A
451/64 - aaO, einer Heilung bisher rechtswidriger Abgabenbescheide durch ein
rückwirkendes Gesetz ständen "die in der Rechtsprechung gefestigten Grundsätze"
entgegen, daß maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtslage bei
Anfechtungsklagen gegen Heranziehungsbescheide, der Zeitpunkt der letzten
Verwaltungsentscheidung sei, und dieser "durch höchstrichterliche Rechtsprechung
festgelegte Inhalt der bundesrechtlichen Verfahrensnorm des § 113 Abs. 1 Satz 1
VwGO" könne nicht durch eine landesrechtliche Norm oder eine ortsrechtliche Vorschrift
verändert werden. Dieser Auffassung vermag der Senat nicht zu folgen. Ein in der
Rechtsprechung entwickelter allgemeiner Grundsatz, daß es für die rechtliche
Beurteilung von Anfechtungsklagen gegen belastende Verwaltungsakte, insbesondere
gegen Heranziehungsbescheide, stets auf den Zeitpunkt der letzten
Verwaltungsentscheidung ankäme, könnte nur dann die Heilung vorher ergangener
Verwaltungsakte durch eine rückwirkende landesgesetzliche oder ortsrechtliche
Vorschrift ausschließen, wenn ein solcher Grundsatz Bundesgewohnheitsrecht
geworden wäre und deshalb nach Art. 31 GG dem Landesrecht und Ortsrecht vorgehen
würde. Wie in dem erwähnten Urteil des Senats vom 16. Juli 1969 - II A 714/66 - mit
ausführlicher Begründung dargelegt ist, kann jedoch angesichts der Vielzahl der in der
Rechtsprechung und im Schrifttum zu dieser Frage vertretenen Auffassungen von einem
gewohnheitsrechtlichen Rechtssatz, daß für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines
Heranziehungsbescheides stets die Rechtslage zur Zeit seines Erlasses - bzw. zur Zeit
der Widerspruchsentscheidung - maßgebend ist und auch bei zulässiger Rückwirkung
eines späteren Gesetzes maßgebend bleibt, nicht gesprochen werden. Im einzelnen
wird hierzu auf die Ausführungen in dem genannten Urteil und die dort angeführten
Nachweise aus Rechtsprechung und Schrifttum Bezug genommen.
127
Die Frage, ob und in welcher Weise eine nach der letzten Verwaltungsentscheidung in
Kraft getretene, mit zulässiger Rückwirkung ausgestattete Rechtsnorm die rechtliche
Beurteilung eines vorher ergangenen, noch nicht unanfechtbar gewordenen
128
Verwaltungsaktes zu beeinflussen vermag, ist, soweit festgestellt werden konnte - von
den angeführten Entscheidungen des Preußischen Oberverwaltungsgerichts, des III.
Senats vom 25. Januar 1967 und des erkennenden Senats vom 27. Juni 1967
abgesehen -, in der Rechtsprechung bisher kaum behandelt und in der
höchstrichterlichen Rechtsprechung überhaupt noch nicht eindeutig entschieden
worden. Zwar ist hinreichend geklärt, unter welchen Voraussetzungen eine den Bürger
belastende rückwirkende gesetzliche Regelung zulässig ist. Die Rechtsprechung der
oberen Bundesgerichte enthält aber, soweit ersichtlich, noch keinen eindeutigen
Ausspruch darüber, ob ein bisher rechtswidriger, noch nicht unanfechtbarer
Verwaltungsakt durch eine rückwirkende Norm nachträglich die fehlende
Rechtsgrundlage erhalten und damit rechtmäßig werden kann oder nicht. Es finden sich
jedoch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung einige Andeutungen, welche die hier
vertretene Ansicht, daß bei zulässiger Rückwirkung eines Gesetzes dadurch die
Fehlerhaftigkeit eines vorher ergangenen Verwaltungsaktes geheilt werden kann,
unterstützen.
Das Bundesverwaltungsgericht spricht allerdings in seinem Beschluß vom 19.
November 1953
129
- I B 95.53 -, BVerwGE 1, 35,
130
von einem "in der Rechtsprechung seit langem entwickelten feststehenden Grundsatz,
daß für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes die Rechtslage zur
Zeit seines Erlasses maßgebend sei und daher Änderungen derselben, die nach dem
Erlaß eingetreten seien, außer Betracht zu bleiben hätten". Dabei wird aber
ausdrücklich die Möglichkeit offengelassen, daß etwas anderes gelten könne, wenn ein
neues Gesetz sich rückwirkende Kraft beilege. In dem Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 6. April 1955
131
- V C 76.54 -, BVerwGE 2, 55 (58),
132
heißt es, ein rechtswidriger Verwaltungsakt könne nicht dadurch rechtmäßig werden,
daß ein späteres Gesetz der Verwaltungsbehörde stärkere Eingriffsmöglichkeiten
einräume. Im folgenden (S. 59) wird aber hervorgehoben, daß das hier in Frage
kommende neue Gesetz - das Wohnraumbewirtschaftungsgesetz vom 31. März 1953,
BGBl. I 97, - nicht diejenigen Tatbestände erfasse, die unter dem alten Recht bereits
abgeschlossen seien. Hieraus kann entnommen werden, daß das
Bundesverwaltungsgericht die Möglichkeit einer anderen rechtlichen Beurteilung bei
rückwirkenden Gesetzen, welche ihrem Wesen nach Rechtsfolgen gerade an
abgeschlossene Tatbestände knüpfen, unterstellt. In seinem Beschluß vom 24. April
1961
133
- VII B 120.60 -, KStZ 1961, 159,
134
führt das Bundesverwaltungsgericht aus, wenn die Voraussetzungen für die
Rückwirkung eines Abgabengesetzes gegeben seien, sei auch ein Abgabenbescheid
rechtswirksam, der vier Tage vor
135
der Verkündung des Abgabengesetzes ergangen sei. In diesem Fall war allerdings,
worauf schon in dem Urteil des Senats vom 27. Juni 1967 - II A 165/64 -, aaO,
hingewiesen ist, die mit rückwirkender Kraft ausgestattete Abgabensatzung bereits in
136
dem Zeitraum zwischen dem Erlaß des Heranziehungsbescheides und der
Beschwerdeentscheidung öffentlich bekannt-gemacht worden, so daß sie zur Zeit der
letzten Verwaltungsentscheidung bereits in Kraft war. Aus den Gründen der
Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts geht jedoch hervor, daß es offenbar einer
rückwirkenden Satzung heilende Kraft für vorher ergangene, bis dahin rechtswidrige
Verwaltungsakte beimißt. Denn das Bundesverwaltungsgericht führt aus:
"Wenn aber die Voraussetzungen für den Erlaß einer mit Rückwirkung ausgestatteten
Satzung über die Kurförderungsabgabe durch die Beklage gegeben waren, würde es
Formalismus sein, den an den Kläger gerichteten Abgabenbescheid deswegen für
rechtswidrig zu erklären, weil er vier Tage vor Beginn der Verkündung ergangen ist.
Tatsächlich wird der angefochtene Bescheid, wenn auch nachträglich, durch die
Satzung gedeckt."
137
Das Bundessozialgericht führt in seinem Urteil vom 28. März 1958
138
- 6 RKa 1/57 -, DVBl 1959, 208,
139
aus, bei reinen Anfechtungsklagen müsse die Berücksichtigung nachträglicher Rechts-
oder Tatsachenänderungen dort eine Grenze haben, "wo solche Änderungen, die durch
den Verwaltungsakt getroffene Regelung deswegen nicht mehr berühren können, weil
die Rechtswirkungen, die der Verwaltungsakt seinem Inhalt nach hervorbringen soll,
abgeschlossen in der Vergangenheit liegen, es sei denn, daß sich bei einer
Rechtsänderung das neue Recht ausnahmsweise Rückwirkung für bereits
abgeschlossene Tatbestände beilegt".
140
Schließlich hält offenbar auch das Bundesverfassungsgericht die Heilung eines bisher
rechtswidrigen Verwaltungsaktes durch ein rückwirkendes Gesetz für möglich. Denn in
dem Beschluß vom 15. November 1967
141
- 2 BvL 7, 20, 22/64 -, aaO, S. 348 - heißt es, der Gesetzgeber sei nicht gehindert, eine
aus formellen Gründen in ihrer Gültigkeit umstrittene Bestimmung, auch mit Wirkung für
denjenigen der sie anfechte, rückwirkend durch eine gültige Norm gleichen Inhalts zu
ersetzen.
142
Deutlicher als die Rechtsprechung spricht sich das Schrifttum in dieser Richtung aus.
Ule,
143
Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2. Aufl. 1962, Anm. III 1 zu § 108 VwGO, S. 368,
144
der grundsätzlich den Standpunkt vertritt, bei der Anfechtungsklage komme es auf den
Sachverhalt und die Rechtslage an, die bei Erlaß des Verwaltungsaktes vorlagen,
äußert sich dahin, die Berücksichtigung der veränderten Rechtslage, wenn einem
neuen Gesetz rückwirkende Kraft in dem Sinne zukomme, daß es auch die vor seinem
Inkrafttreten ergangenen, aber noch nicht unanfechtbar gewordenen Verwaltungsakte
erfassen wolle, sei nur eine scheinbare Ausnahme von diesem Grundsatz.
145
Schweiger,
146
Die für die Entscheidung über die verwaltungsgerichtliche Anfechtungsklage
maßgebende Sach- und Rechtslage, DVBl 1964, S.205 ff (211/212); ferner NJW 1967,
147
616,
der ebenfalls daran festhält, daß bei Anfechtungsprozessen die Sach- und Rechtslage
im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgebend sei, erkennt von diesem
Grundsatz ausdrücklich eine "Ausnahme" für den Fall einer über diesen Zeitpunkt
zurückwirkenden Gesetzesänderung an. Dementsprechend meint er bei
verfassungsrechtlich zulässiger Rückwirkung eines Gesetzes werde ein
Verwaltungsakt, der dem rückwirkenden Gesetz nicht entspreche, objektiv rechtswidrig,
und ebenso könne umgekehrt ein bis dahin rechtswidriger Verwaltungsakt durch ein
rückwirkendes Gesetz rechtmäßig werden.
148
Ähnlich auch Eyermann-Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl. 1965, Nr. 2 zu §
113; Bähr, Die maßgebliche Rechts- und Sachlage für die gerichtliche Beurteilung von
Verwaltungsakten, 1967, S. 21; Köhler, Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung
der verwaltungsgerichtlichen Aufhebungsklage, DVBl 1959, 650 ff (657/658): Schuegraf
in einer Anmerkung zu dem Urteil des III. Senats des Oberverwaltungsgerichts Münster
vom 25. Januar 1967 - III A 451/64 -, NJW 1967, 1876.
149
Da mit der erneuten Veröffentlichung der Haushaltssatzung der Stadt xxx für das
Rechnungsjahr 1964 im Amtsblatt vom 26. Juli 1969 die erforderliche Rechtsgrundlage
für den angefochtenen Gewerbesteuerbescheid des Beklagten vom 2. Mai 1966
rückwirkend geschaffen worden ist, ist dieser damit rechtmäßig geworden. Demgemäß
kann die Berufung keinen Erfolg haben.
150
IV.
151
Die Kosten des Verfahrens sind gemäß § 154 Abs. 2 VwGO in voller Höhe dem Kläger
aufzuerlegen, obwohl seine Klage und Berufung erst nachträglich unbegründet
geworden sind, nach dem während des Berufungsverfahrens die Haushaltssatzung der
Stadt xxx für das Rechnungsjahr 1964 neu veröffentlicht worden ist. Nach der
Neubekanntmachung der Haushaltssatzung ist bei dem Kläger durch gerichtliche
Verfügung angefragt worden, ob er im Hinblick hierauf und auf den Erlaß der neuen
Hauptsatzung vom 18. Juni 1969 und der Satzung über die rückwirkende Inkraftsetzung
der alten Hauptsatzung vom 10. Juni 1953 die Berufung aufrecht- erhalte. Er hat darauf
mit Schriftsatz vom 22. August 1969 geantwortet, es bestehe kein Anlaß, "die Klage
zurückzunehmen". Da der Kläger somit trotz der veränderten Rechtslage die Berufung
aufrechterhalten hat, ohne von den ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten
Gebrauch zu machen, die Hauptsache für erledigt zu erklären oder die Klage, bzw.
Berufung zurückzunehmen und damit eine Auferlegung der Kosten an den Beklagten
nach § 161 Abs. 2 VwGO oder nach § 155 Abs. 5 VwGO zu erreichen, hat er das volle
Prozeßrisiko auf sich genommen. Eine Auferlegung der Verfahrenskosten an den
Beklagten gemäß § 155 Abs. 5 VwGO deswegen, weil die Stadt xxx erst nachträglich
die erforderliche Rechtsgrundlage für den von dem Kläger angefochtenen, bis dahin
rechtswidrigen Steuerbescheid geschaffen hat, kommt nun nicht mehr in Betracht. Denn
die in diesem Verfahren ergehende Entscheidung, die Zurückweisung der von dem
Kläger eingelegten Berufung, beruht allein darauf, daß er nach der gültigen
Neubekanntmachung der Haushaltssatzung für das Rechnungsjahr 1964 trotz der
dieser zukommenden rückwirkenden Kraft das Berufungsverfahren fortgeführt hat. Er
muß deshalb die gesetzliche Kostenfolge des ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels
tragen.
152
Die Revision ist zuzulassen, weil die Frage, ob bei zulässiger Rückwirkung eines
Gesetzes oder einer Ortssatzung damit auch vorher ergangene, noch nicht
unanfechtbare Verwaltungsakte nachträglich die bisher fehlende Rechtsgrundlage
erhalten, von grundsätzlicher Bedeutung ist.
153
154