Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 25.03.2008

OVG NRW: behörde, täterschaft, erlass, auflage, beweismittel, wehr, verwaltungsgerichtsbarkeit, ermittlungsverfahren, sicherheit, datum

Oberverwaltungsgericht NRW, 8 A 586/08
Datum:
25.03.2008
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
8. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
8 A 586/08
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Minden, 3 K 3386/06
Tenor:
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das auf die
mündliche Verhandlung vom 9. Januar 2008 ergangene Urteil des
Verwaltungsgerichts Minden wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 2.400,00 EUR
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
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Die Berufung ist gemäß § 124 a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO nur zuzulassen,
wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO innerhalb der Begründungsfrist
dargelegt ist und vorliegt. Das ist hier nicht der Fall.
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Die Berufung ist nicht wegen von der Klägerin allein geltend gemachter ernstlicher
Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO zuzulassen.
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Die Voraussetzungen des § 31 a StVZO für die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage
hat das Verwaltungsgericht zu Recht als erfüllt angesehen. Die Feststellung des
Fahrzeugführers ist im Sinne des § 31 a Abs. 1 Satz 1 StVZO unmöglich, wenn die
Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage war, den Täter einer
Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften zu ermitteln, obwohl sie alle
angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Unmöglich ist die
Feststellung des Fahrzeugführers auch dann, wenn die Ermittlungen zwar auf einen
bestimmten Täter hindeuten, die Behörde jedoch keine ausreichende Überzeugung von
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der Täterschaft des Verdächtigen gewinnen konnte.
Hiervon ausgehend rügt die Klägerin ohne Erfolg die Annahme des
Verwaltungsgerichts, der Fahrzeugführer habe von der Behörde nicht festgestellt
werden können. Insbesondere ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon
ausgegangen, dass die Behörde nicht verpflichtet war, gegen Herrn B. E. , der nach dem
erstmaligen Vortrag der Klägerin im Klageverfahren der Fahrer gewesen sein soll, einen
Bußgeldbescheid zu erlassen. Denn die Täterschaft des Herrn E. war für die Behörde
nicht erwiesen.
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Die Stellungnahmen der Ermittlungspersonen S. und L. waren - entgegen der
Auffassung der Klägerin - nicht geeignet, bei der Behörde bestehende Zweifel an der
Identität des Fahrers auszuräumen.
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Zwar hat Polizeioberkommissar S. nach dem Bildvergleich die Ansicht vertreten, es
könne sich bei dem abgebildeten Fahrer um Herrn E. handeln. Zutreffend weist das
Verwaltungsgericht aber darauf hin, dass über das Lichtbild hinaus keine weiteren
Beweismittel benannt oder tatsächliche, die Beurteilung bestätigende Umstände
angeführt wurden. Dass solche, zudem den Erlass eines Bußgeldbescheides tragenden
Beweismittel oder Umstände bei einer erneuten Nachfrage der Behörde bei dem
ermittelnden Polizeibeamten von diesem benannt worden wären, zeigt die Klägerin
nicht auf und ist auch nicht ersichtlich.
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Auch die Angaben des Polizeikommissars L. boten keine ausreichende Grundlage für
die Feststellung, Herr B. E. habe die streitgegenständliche Verkehrsordnungswidrigkeit
begangen. Der Ermittlungsbeamte L. hat - wie das Verwaltungsgericht zu Recht
hervorhebt - lediglich mitgeteilt, dass es sich nach seiner Einschätzung bei der auf dem
Geschwindigkeitsmessfoto abgebildeten Person um Herrn E. handeln könnte, und nicht
etwa den Erlass eines Bußgeldbescheides angeregt, sondern die Anordnung, ein
Fahrtenbuch zu führen.
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Dass das Geschwindigkeitsmessfoto nicht mit ausreichender Sicherheit auf Herrn E. als
Fahrer schließen ließ, hat das Verwaltungsgericht eingehend begründet. Dem ist die
Klägerin nicht entgegengetreten.
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Die verbleibenden Zweifel an der Täterschaft des Herrn Thomas E. boten - entgegen
der Ansicht der Klägerin - ausreichenden Anlass, vom Erlass eines Bußgeldbescheides
abzusehen. Zu Unrecht ist die Klägerin der Auffassung, verbleibende Zweifel hinderten
den Erlass eines Bußgeldbescheides nicht, weil es nicht Aufgabe der Behörde, sondern
des Tatrichters sei, diese aufzuklären und den verantwortlichen Fahrer festzustellen.
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Zwar weist die Klägerin zutreffend darauf hin, dass es sich bei einem Bußgeldbescheid
um einen vorläufigen in einem Vorschaltverfahren ergehenden Spruch handele, der zu
einem endgültigen erst durch die Selbstunterwerfung des Betroffenen werde und im
Falle des Einspruchs nur die Bedeutung einer Beschuldigung habe, die das Gericht in
seiner Entscheidung nicht einenge,
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vgl. BayObLG, Beschluss vom 25. Februar 1972 - RReg. 8 St 517/71 Owi -, NJW 1972,
1771; Seitz, in: Göhler, Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, Kommentar, 14. Auflage,
2006, Vor § 65 Rn. 6 und 8.
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Daraus folgt jedoch nicht, dass die Behörde sich über ihre Zweifel hinwegzusetzen und
eine Bußgeldbescheid zu erlassen hätte. Der Erlass eines Bußgeldbescheides setzt
stets voraus, dass die Behörde einen dem Ermittlungsverfahren angemessenen Grad an
Überzeugung von der Täterschaft des Betroffenen gewonnen hat.
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Vgl. Seitz, in: Göhler, Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, Kommentar, 14. Auflage,
2006, Vor § 65 Rn. 1.
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Denn es ist dem Betroffenen nicht zuzumuten, dass er sich gegen einen an ihn
gerichteten Bußgeldbescheid zur Wehr setzen muss, obwohl nicht einmal die Behörde
seine Täterschaft für erwiesen hält.
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Vgl. Seitz, in: Göhler, Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, Kommentar, 14. Auflage,
2006, Vor § 65 Rn. 6.
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Überdies besteht bei verbleibenden Zweifeln an der Täterschaft des Betroffenen das
Risiko, dass der Bußgeldbescheid im gerichtlichen Verfahren aufgehoben und die
Kosten des Verfahrens gemäß § 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 467 Abs. 1 StPO der
Staatskasse auferlegt werden. Denn entsprechend dem Grundsatz "im Zweifel für den
Angeklagten" ist der Adressat des Bußgeldbescheides freizusprechen, wenn im
gerichtlichen Verfahren letztlich Zweifel an seiner Täterschaft verbleiben.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47, 52 Abs. 1 und 3 GKG. Dabei legt der
Senat in Anlehnung an Nr. 46.13 des Streitwertkatalogs für die
Verwaltungsgerichtsbarkeit von Juli 2004 (DVBl. 2004, 1525 = NVwZ 2004, 1327) für
jeden Monat der Geltungsdauer der Fahrtenbuchauflage einen Betrag von 400,00 EUR
zu Grunde.
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Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3
Satz 3 GKG).
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