Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 29.01.1997

OVG NRW (beschwerde, verwaltungsgericht, kläger, belastung, bremen, gesuch, zpo, baden, abstand, verletzung)

Oberverwaltungsgericht NRW, 8 E 1143/96
Datum:
29.01.1997
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
8. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
8 E 1143/96
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 21 K 7227/95
Tenor:
Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens, für das
Gerichtskosten nicht erhoben werden.
G r ü n d e :
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Die Beschwerde der Kläger, mit der diese sich dagegen wenden, daß das
Verwaltungsgericht über ihr Prozeßkostenhilfegesuch vom 29. September 1995 noch
nicht entschieden hat, ist unzulässig.
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Die Beschwerde ist nicht statthaft.
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Nach § 146 Abs. 1 VwGO (in der bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Fassung), der
auch im Verfahren wegen Bewilligung von Prozeßkostenhilfe gilt, ist gegen die
Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide
sind, die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht gegeben. Aus dieser Vorschrift
und aus dem Fehlen weiterer die Beschwerde eröffnender einschlägiger Vorschriften ist
abzuleiten, daß gegen sonstige verfahrensbegleitende Verfügungen und ebenfalls
gegen die bloße Untätigkeit des Verwaltungsgerichts in der
Verwaltungsgerichtsordnung keine Beschwerdemöglichkeit eingeräumt ist,
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vgl. Oberverwaltungsgericht (OVG) Bremen, Beschluß vom 10. Oktober 1984 - 2 B 96/83
-, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1984, 992 f.; Oberverwaltungsgericht für das
Land Nordrhein-Westfalen (OVG NW), Beschluß vom vom 4. Juni 1996 - 8 E 1345/95 -.
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Die Nichtentscheidung des Verwaltungsgerichts über das Gesuch der Kläger kann auch
nicht als (stillschweigende) Versagung der Prozeßkostenhilfe gedeutet werden.
Abgesehen davon, daß eine Anerkennung der Rechtsfigur einer "stillschweigenden
Gerichtsentscheidung" schon grundsätzlichen rechtlichen Bedenken begegnet, weil sie
- u.a. wegen des zu fingierenden Zeitpunktes der "Nichtentscheidung" und des Laufs
von Rechtsmittelfristen - dem Gebot der Klarheit gerichtlicher Entscheidungen
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widerspräche,
vgl. OVG Bremen, Beschluß vom 10. Oktober 1984 - 2 B 96/83 -, a.a.O.; OVG NW,
Beschluß vom 4. Juni 1996 - 8 E 1345/96 -,
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fehlt es vorliegend mit Blick auf die jedenfalls in Anwaltskreisen bekannte hohe
Belastung der Verwaltungsgerichte an greifbaren Anhaltspunkten dafür, die Untätigkeit
des Gerichts als faktische Ablehnung des Hilfegesuchs zu bewerten. Außerdem ergibt
sich aus dem bei den Gerichtsakten befindlichen Vermerk des Berichterstatters vom 17.
Oktober 1996 (Blatt 75 der Gerichtsakte), daß dieser sich im Hinblick auf die seinerzeit
gegebene besondere Belastung an einer "kurzfristigen Entscheidung über das PKH-
Gesuch" zur Zeit nicht in der Lage sah; von einer Entscheidung über das
Prozeßkostenhilfebegehren ist mithin ausdrücklich Abstand genommen worden, um aus
der Sicht des Berichterstatters vordringlichere Verfahren einer Entscheidung
zuzuführen.
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Ob im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die prozessuale Möglichkeit einer
außerordentlichen Beschwerde, die ihrerseits in aller Regel eine weitere
Verfahrensverzögerung auslöst, ausnahmsweise dennoch in Fällen anzuerkennen ist,
in denen die Untätigkeit des Gerichts einer Rechtsschutzverweigerung gleichkommt und
eine konkrete Verletzung des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG darstellt,
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offengelassen vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Beschluß vom 11. August
1977 - Nr. 102 VI 77 -, in: Bayerische Verwaltungsblätter (BayVBl.) 1978, 212 f. mit
Nachweisen zu einschlägigen zivilgerichtlichen Entscheidungen, und vom
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluß vom 25. Januar 1984 - 5 S
183/84 -, NJW 1984, 993; bejahend: Kopp, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar,
10. Aufl., § 146 Rdnr. 16 sowie § 146 Rdnr. 16 m.w.N. und § 102 Rdnr. 5 m.w.N.;
Redeker/ von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 11. Aufl., § 102 Rdnr. 3; ablehnend
u.a. Schmidt- Aßmann, in: Maunz/Dürig, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 263 m.w.N.,
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kann hier dahinstehen. Denn hinreichende Anhaltspunkte für eine Art. 19 Abs. 4 Satz 1
GG verletzende Rechtsschutzverweigerung durch die bisherige Nichtentscheidung über
das Prozeßkostenhilfebegehren seitens des Verwaltungsgerichts sind ohnehin nicht
ersichtlich.
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Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, daß die Kläger selbst erst mit Schriftsatz vom 11.
April 1996, eingegangen am 13. April 1996, die erforderlichen Erklärungen über ihre
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gemäß § 166 VwGO iVm § 117 Abs. 2
und 3 ZPO dem Verwaltungsgericht vorgelegt haben, so daß frühestens seit diesem
Zeitpunkt die von ihnen begehrte positive Entscheidung über ihr
Prozeßkostenhilfegesuch möglich gewesen wäre.
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Angesichts der bereits angesprochenen und jedenfalls in Anwaltskreisen bekannten
hohen Belastung der Verwaltungsgerichte ist es im übrigen rechtlich nicht zu
beanstanden, die an den Erfolgsaussichten der Klage ausgerichtete und daher mit der
Sichtung oft umfangreicher Verwaltungsvorgänge verbundene Entscheidung über das
Prozeßkostenhilfebegehren zur Vermeidung von Doppelarbeit in die zeitliche Nähe der
Entscheidung über die Klage zu legen, vgl. dazu auch OVG NW, Beschluß vom 4. Juni
1996 - 8 E 1345/96 -.
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Es ist weder von den Klägern vorgetragen worden noch sonst ersichtlich, daß das
Verwaltungsgericht über die Klage in gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verstoßenden
Weise bislang nicht entschieden worden ist.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 VwGO, § 124 Abs. 4
ZPO.
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Dieser Beschluß ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
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