Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 20.11.2009

OVG NRW (antragsteller, unentgeltlich, lehre, freiwillig, streitwert, begehren, forschung, praxis, beteiligung, ersatz)

Oberverwaltungsgericht NRW, 13 C 271/09
Datum:
20.11.2009
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 C 271/09
Tenor:
Die im Rubrum aufgeführten Verfahren werden zur gemeinsamen
Entschei¬dung verbunden.
Die Beschwerden der Antragsteller gegen die Be-schlüsse des
Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 24. Juni 2009 werden auf
Kosten der jeweiligen Antragsteller zurückgewiesen.
Der Streitwert wird für die Beschwerdeverfah¬ren auf jeweils 5.000, Euro
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Die zulässigen Beschwerden, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur
im Rahmen der fristgerechten Darlegungen der Antragsteller befindet, sind unbegründet.
Die angefochtenen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts sind bei diesem
Prüfungsumfang nicht zu beanstanden.
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Die Antragsteller begehren unter Berufung auf § 10 KapVO die kapazitätsrechtliche
Berücksichtigung der ohne Vergütung am Lehrangebot der Vorklinik beteiligten
Lehrpersonen Prof. Dr. F. , PD Dr. L. , PD Dr. N. , PD Dr. N1. , PD Dr.
N2. , Prof. Dr. T. , PD Dr. N3. , PD Dr. C. , PD Dr. T1. sowie Prof. Dr.
N4. -W. . Entgegen der Auffassung der Antragsteller, die sich insbesondere auf
den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. Juli 2006 ( 7 CE
06.10152 u. a. -, juris) berufen, sind Lehrleistungen von Privatdozenten,
Honorardozenten und außerplanmäßigen Professoren als sog. Titellehre bei der
Kapazitätsermittlung aber nicht zu berücksichtigen.
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Grundlage der rechtlichen Erörterung ist demnach § 10 KapVO, da diese Dozenten eine
Stelle i. S. v. § 8 KapVO nicht innehaben.
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Das Modell der Kapazitätsverordnung geht vom sog. Stellenprinzip (§ 8 KapVO) und
von Lehreinheiten (§ 7 KapVO) aus und lässt die erst im Berechnungszeitraum greifbare
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Hochschulwirklichkeit außer Betracht. Als nicht aus Lehrpersonalstellen folgende Lehre
sind nach dem Kapazitätsberechnungsmodell lediglich die gemittelten
Lehrveranstaltungsstunden aus den beiden vergangenen Semestern vor dem
Berechnungsstichtag hinzuzurechnen (§ 10 Satz 1 KapVO). Die Berücksichtigung
weiterer das Lehrangebot erhöhender Lehre sieht das Modell der Kapazitätsverordnung
nicht vor. Dies ist Ausdruck seiner Praktikabilität und Unkompliziertheit.
Die Voraussetzungen des § 10 KapVO sind aber nicht gegeben. Nach dessen Satz 1
werden als Lehrauftragsstunden die Lehrveranstaltungsstunden in die Berechnung
einbezogen, die der Lehreinheit für den Ausbildungsaufwand nach § 13 Abs. 1 KapVO
in den dem Berechnungsstichtag vorausgehenden zwei Semestern im Durchschnitt je
Semester zur Verfügung gestanden haben und nicht auf einer Regellehrverpflichtung
beruhen. Dies gilt nicht, soweit die Lehrauftragsstunden aus Haushaltsmitteln für
unbesetzte Stellen vergütet worden sind (Satz 2). Dies gilt ferner nicht, soweit Personal
außeruniversitärer Forschungseinrichtungen freiwillig und unentgeltlich Lehrleistungen
übernimmt (Satz 3).
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Die Lehrtätigkeiten im Rahmen der Titellehre sind nicht als Lehrauftragsstunden i. S. v.
§ 10 Satz 1 KapVO anzurechnen, weil sie freiwillig und unentgeltlich erbracht werden.
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Hierzu Detmer, in: Leuze/Bender, WissHG NW, 1998, § 54 Rn. 19
Universitätsgesetz NRW; zur Verpflichtung von unentgeltlicher Titellehre
nach den Vorschriften der Berliner Hochschulgesetzes vgl. BVerwG, Urteil
vom 22. Juni 1994 6 C 40.92 -, BVerwGE 96, 136.
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Auf diese Lehrleistungen besteht kein Anspruch und es ist nicht sicher, ob sie
kontinuierlich fortgeführt werden. Die Titellehre stellt kein aus eigenen haushalts- und
stellenplanmäßigen Ressourcen der Hochschule folgendes und daher nicht mit der für
die Kapazitätsberechnung notwendigen Dauerhaftigkeit verfügbares und nicht mit der
notwendigen Zuverlässigkeit in die ex ante-Kapazitätsberechnung einstellbares
Lehrpotential dar. Dass die Titellehre nicht in die Kapazitätsberechnung einfließt, folgt
auch aus der vom Senat für geboten erachteten entsprechenden Anwendung des § 10
Satz 3 KapVO.
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Vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 28. Mai 2004 - 13 C 20/04 -, juris.
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Von § 10 Satz 3 KapVO sind unentgeltliche und freiwillig erbrachte Lehrauftragsstunden
erfasst. Es ist nicht erkennbar, warum es unter Berücksichtigung des Gebotes der
erschöpfenden Nutzung öffentlicher Mittel einen Unterschied machen soll, ob der
unentgeltlich Lehrende einer außeruniversitären Forschungseinrichtung angehört oder
etwa als Praktiker besondere Aspekte in eine Lehrveranstaltung, die zum Aufwand nach
§ 13 Abs. 1 KapVO gehört, einfließen lässt.
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Vgl. OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 11. März 2005 - 6 D 10132/05 -, juris; a. A.
Bay. VGH, Beschluss vom 11. Juli 2006 - 7 CE 06.10152 u. a. -, a. a. O.
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Die Auslegung des § 10 KapVO ist mit dem Kapazitätserschöpfungsgebot vereinbar,
denn es gebietet nicht, Titellehre kapazitätserhöhend zu berücksichtigen. Es stellt dem
Kapazitätsnormgeber frei, wie er sein Regelungsermessen in der Frage betätigt, ob und
wieweit im Pflichtlehrbereich erbrachte Titellehre in die Lehrangebotsberechnung
eingehen soll. Es könnte die hochschulpolitisch wünschenswerte, das Lehrangebot um
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Aspekte der Praxis und der spezialisierten Forschung bereichernde Titellehre
gefährden, wenn sie einen in die Lehrangebotsberechnung eingehenden Faktor
darstellte.
Hierzu näher BVerwG, Urteil vom 23. Juli 1987 - 7 C 10.86 u. a. -, NVwZ
1989, 360, 364 f.
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Ob die Beteiligung der von den Antragstellern angeführten Personen als Ersatz für das
aufgrund vakanter Lehrpersonalstellen fehlende Lehrpotential gewertet und bereits
deshalb nicht als kapazitätserhöhend eingebracht betrachtet werden kann, lässt der
Senat offen. Ebenso kommt es nicht darauf an, ob die angeführten Lehrkräfte sich
überhaupt an der Pflichtlehre i. S. v. § 13 Abs. 1 KapVO beteiligen.
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Soweit die Antragsteller die Berücksichtigung die Lehre von Drittmittelbediensteten bei
der Kapazitätsberechnung begehren, gelten die obigen Erwägungen auch hier.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. Juli 2009 - 13 C 87/09 u. a., a. a. O.; vgl.
auch Bay. VGH, Beschlüsse vom 11. Juli 2006 - 7 CE 06.10152 u. a. -,
a. a. O., und vom 3. Juli 2009 – 7 CE 09.10046 -, juris; Hess. VGH,
Beschluss vom 12. Mai 2009 10 B 1911/08.GM.S8 , juris.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Der Streitwert wird für die Beschwerdeverfahren entsprechend der geänderten
Rechtsprechung des Senats in Verfahren nach § 123 VwGO auf vorläufige Zulassung
zum Studium auf jeweils 5.000,-- Euro festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 1, § 52
Abs. 1, 2 GKG).
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Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 3. März 2009 13 C 264/08 u. a. -, a. a. O.
und vom 16. März 2009 13 C 1/09 , a. a. O.
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Von einer Änderung des Streitwerts für die erstinstanzlichen Verfahren hat der Senat vor
dem Hintergrund seiner bisherigen langjährigen Rechtsprechung abgesehen.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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