Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 24.02.1997

OVG NRW (industrie, handelsregister, juristische person, handelskammer, tätigkeit, eintragung im handelsregister, bezug, wirtschaft, begründung, zugehörigkeit)

Oberverwaltungsgericht NRW, 25 A 2531/94
Datum:
24.02.1997
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
25. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
25 A 2531/94
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 3 K 11928/93
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts
Düsseldorf vom 12. April 1994 wird auf Kosten der Klägerin
zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden
Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
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Die Klägerin ist eine Steuerberatungsgesellschaft, deren Unternehmensgegenstand
gemäß § 2 Abs. 1 ihrer Satzung "Die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen"
ist; gemäß § 2 Abs. 3 der Satzung ist die Klägerin zudem befugt, sich - "sofern
berufsrechtliche Bedenken nicht bestehen" - "an gleichartigen oder ähnlichen
Unternehmungen zu beteiligen, sowie Zweigniederlassungen und Geschäftsstellen im
Ausland zu errichten". Im Handelsregister ist als Gegenstand des Unternehmens "Die
geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen" eingetragen.
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Mit vorläufigem Beitragsbescheid vom 5. Februar 1993 zog die Beklagte die Klägerin zu
einem Kammerbeitrag für das Beitragsjahr 1993 heran, der sich auf einen Grundbeitrag
von DM beschränkt; eine Umlage wurde nicht erhoben.
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Zur Begründung ihres am 12. Februar 1993 eingelegten Widerspruchs trug die Klägerin
vor: Aus ihrer Zwangsmitgliedschaft in der Steuerberaterkammer, die ebenfalls Beiträge
erhebe, ergebe sich für sie im Falle einer Mitgliedschaft auch bei der Beklagten eine
rechtlich bedenkliche Doppelbelastung. Eine treuhänderische oder andere gewerbliche
Tätigkeit, die nach einer Vereinbarung zwischen der Bundessteuerberaterkammer und
dem Deutschen Industrie- und Handelstag (DIHT) Grundlage für die Ermittlung des
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Umlageanteils des Beitrags zur Industrie- und Handelskammer sei, übe sie nicht aus.
Mangels gewerblicher Tätigkeit sei aber bereits überhaupt ihre Mitgliedschaft bei der
Beklagten zu verneinen.
Mit - nicht zugestelltem - Widerspruchsbescheid vom 20. Oktober 1993 wies die
Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus: Die
Klägerin sei kammerzugehörig, da sie entsprechend den in § 2 Abs. 1 IHKG genannten
allgemeinen Voraussetzungen eine juristische Person des privaten Rechts sei, die zur
Gewerbesteuer veranlagt werde, und darüber hinaus - wie in § 2 Abs. 2 IHKG für die
Kammerzugehörigkeit der einen freien Beruf ausübenden Personen und Gesellschaften
verlangt - in das Handelsregister eingetragen sei. Die Zugehörigkeit der Klägerin zur
Steuerberaterkammer einerseits und zur Industrie- und Handelskammer andererseits sei
unbedenklich. Die letztgenannte Mitgliedschaft rechtfertige sich allein daraus, daß die
Klägerin als GmbH kraft Rechtsform Kaufmann sei. Soweit früher als Voraussetzung für
die Kammerzugehörigkeit und damit für die Beitragspflicht die Ausübung einer
gewerblichen Tätigkeit angesehen worden sei, habe das Bundesverwaltungsgericht
diese Auffassung in seinem Urteil vom 25. Oktober 1977 aufgegeben.
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Die Klägerin hat am 22. November 1993 Klage erhoben und zusätzlich zu ihrem
Widerspruchsvorbringen vorgetragen, es verstoße gegen den
Gleichbehandlungsgrundsatz, daß bei juristischen Personen, die - wie sie - einer
Berufskammer angehörten, nicht eine der in § 2 Abs. 3 IHKG für Handwerksbetriebe
betroffenen Regelung entsprechende Ausnahme von der Zugehörigkeit zur Industrie-
und Handelskammer vorgesehen sei.
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Die Klägerin hat beantragt,
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den Bescheid der Beklagten vom 5. Februar 1993 und den Widerspruchsbescheid vom
20. Oktober 1993 aufzuheben.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen,
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und zur Begründung über die Ausführungen im Widerspruchsbescheid hinaus
ausgeführt: Die Behauptung der Klägerin, ausschließlich freiberufliche Tätigkeiten der
Steuerberatung auszuüben, sei für die Kammerzugehörigkeit irrelevant, wie § 2 Abs. 2
IHKG zeige. Auch ausschließlich freiberufliche Tätigkeiten führten nämlich zur
Kammerzugehörigkeit, wenn dafür eine handelsrechtliche Rechtsform gewählt werde
und die Eintragung im Handelsregister erfolge. Außerdem hätten verschiedene von der
Klägerin im Rahmen ihres im Handelsregister eingetragenen
Unternehmensgegenstandes ausgeübte Tätigkeiten gewerblichen Charakter. Zum
einen umfasse die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen auch die einer
Steuerberatungsgesellschaft nach § 57 Abs. 3 Nr. 3 des Steuerberatungsgesetzes
(StBerG) erlaubte Übernahme treuhänderischer Tätigkeiten, die eindeutig gewerblicher
Art und nach der Satzung der Klägerin nicht eindeutig ausgeschlossen seien. Zum
anderen seien auch die in § 6 Nr. 4 StBerG aufgeführten Hilfeleistungen in
Steuersachen gewerblicher Natur. Dies zeige die Zulässigkeit der Ausübung der dort
aufgeführten Tätigkeiten durch gewerbliche Buchführungshelfer, die Folge der vom
Bundesverfassungsgericht festgestellten Verfassungswidrigkeit des
Buchführungsprivilegs für steuerberatende Berufe sei. Der sich aus der Zugehörigkeit
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auch zur Steuerberaterkammer ergebenden beitragsmäßigen Doppelbelastung werde
dadurch in ausreichendem Maße Rechnung getragen, daß die grundsätzlich neben dem
Grundbeitrag zu erhebende Umlage entfalle, wenn - wie von der Klägerin angegeben -
keine einer Steuerberatungsgesellschaft nach Berufsrecht und GmbH-Satzung
offenstehenden gewerblichen Tätigkeiten ausgeübt würden. Auch liege die von der
Klägerin gerügte Ungleichbehandlung gegenüber Handwerksbetrieben nicht vor, da
sich § 2 Abs. 3 IHKG auf Handwerkskaufleute beziehe, die keine gewerblichen
Tätigkeiten ausübten, während für die Zugehörigkeit zur Industrie- und Handelskammer
bei Personen oder Gesellschaften, die bereits einer Kammer der freien Berufe
angehörten, entscheidend sei, ob sie für ihre Berufsausübung eine handelsrechtliche
Rechtsform gewählt hätten und damit im Handelsregister eingetragen seien.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 12. April 1994 abgewiesen, gegen
das die Klägerin nach Zustellung am 27. April 1994 am 27. Mai 1994 Berufung eingelegt
hat. Zur Begründung macht sie geltend, ihre bloße Eintragung in das Handelsregister
reiche nicht aus, um die die Beitragspflicht rechtfertigende Annahme zu begründen,
auch ihre Interessen würden durch die Wahrnehmung der in § 1 Abs. 1 IHKG
umschriebenen Aufgaben der Beklagten gefördert. Der demgegenüber in dem
angefochtenen Urteil angenommenen Nähe zur gewerblichen Tätigkeit stehe zudem §
57 Abs. 4 StBerG entgegen, wonach eine gewerbliche Tätigkeit unvereinbar mit der
Berufsausübung des Steuerberaters sei. Ihr Unternehmensgegenstand beschränke sich
auf steuerberatende Tätigkeiten im Sinne von § 32 StBerG. Ihre sich aus dieser Tätigkeit
ergebenden Interessen würden umfassend von der Steuerberaterkammer gewahrt, die
außerdem auch im Vergleich zur Beklagten weitreichendere Überwachungsbefugnisse
habe.
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Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
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das angefochtene Urteil zu ändern und nach ihrem erstinstanzlichen Klageantrag zu
erkennen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen,
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und trägt ergänzend vor: Die Klägerin habe sich ausweislich des § 2 Abs. 3 ihrer
Satzung auch die Ausübung berufsrechtlich zulässiger gewerblicher Tätigkeiten
vorbehalten; dies und nicht die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit sei aber nach der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für die Beurteilung der
Kammerzugehörigkeit maßgebend. Darüber hinaus habe die Klägerin ihre
Beitragspflicht rechtfertigende Vorteile aus der Zugehörigkeit zur Industrie- und
Handelskammer. Die Industrie- und Handelskammern und der DIHT als deren
Spitzenorganisation hätten sich nämlich beispielsweise intensiv in die Beratungen des
Aktiengesetzes, des GmbH-Gesetzes und des Bilanzrichtliniengesetzes eingeschaltet,
bei der Vorbereitung und Umsetzung der sonstigen EG-Richtlinien zum
Gesellschaftsrecht mitgewirkt und zudem Initiativen zum Steuerrecht, insbesondere zum
Gewerbesteuerrecht ergriffen. Dies alles sei auch den Steuerberatungsgesellschaften
zugute gekommen. Für solche Handelsgesellschaften seien wegen ihrer Rechtsform
zahlreiche weitere Maßnahmen auf dem Gebiet des gesamten Wirtschaftsrechts von
Interesse, die sie genauso wie die Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft beträfen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte
sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Berufung ist unbegründet. Der Heranziehungsbescheid der Beklagten vom 5.
Februar 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 1993 ist
rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Die angefochtenen Bescheide finden ihre Grundlage in der Beitragsordnung der
Beklagten vom 15. April 1969 (BO), ihrer gemäß § 1 Abs. 3 BO erlassenen
Haushaltssatzung für das Rechnungsjahr 1993 vom 15. Dezember 1992 (HS) sowie
den in § 1 Abs. 1 BO in Bezug genommenen Vorschriften der §§ 2 Abs. 1, 3 Absätze 2
und 3 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und
Handelskammern in seiner bis zum 31. Dezember 1993 geltenden Fassung vom 14.
Dezember 1976 (BGBl. I, 3341) - im folgenden: IHKG -. Gemäß § 3 Abs. 2 IHKG werden
die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer durch
Beiträge der Kammerzugehörigen aufgebracht; wer Kammerzugehöriger im Sinne
dieser Vorschrift ist, richtet sich nach § 2 IHKG. Die Kammerzugehörigkeit der Klägerin
folgt aus § 2 Abs. 1 IHKG: Sie erfüllt die dort aufgeführten Voraussetzungen, weil sie als
GmbH eine gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG kraft Rechtsform zur Gewerbesteuer
veranlagte juristische Person des privaten Rechts (vgl. § 13 Abs. 1 GmbHG) ist, die im
Erhebungszeitraum eine Betriebsstätte im Bezirk der Beklagten unterhalten hat.
21
Gegen die Annahme ihrer Mitgliedschaft bei der Beklagten kann die Klägerin nicht mit
Erfolg einwenden, Gegenstand ihres Unternehmens seien ausschließlich freiberufliche,
nicht- gewerbliche steuerberatende Tätigkeiten im Sinne von § 33 StBerG, die für eine
Begründung der Kammerzugehörigkeit nicht ausreichten. Zunächst kann schon nicht
von der behaupteten Beschränkung des Unternehmensgegenstandes der Klägerin auf
die Steuerberatung ausgegangen werden, weil dem von ihr vorgelegten
Gesellschaftsvertrag eine solche Eingrenzung nicht zu entnehmen ist. Vielmehr erfaßt
die in dem Vertrag vorgesehene Möglichkeit der Klägerin, sich im Rahmen des
berufsrechtlich Zulässigen an "ähnlichen Unternehmungen zu beteiligen", z.B. eine
berufsrechtlich nach § 57 Abs. 3 StBerG zulässige, jedoch eindeutig nicht zur
Steuerberatung im Sinne von § 33 StBerG gehörende "wirtschaftsberatende,
gutachtliche oder treuhänderische Tätigkeit", die die Klägerin als Gesellschafterin einer
Gesellschaft mit "ähnlichem" Unternehmensgegenstand, also etwa einer
Steuerberatungsgesellschaft mit einem sich auch auf die oben genannten
Tätigkeitsbereiche erstreckenden Unternehmensgegenstand ausüben könnte. Die
behauptete Beschränkung auf die Steuerberatung im Sinne von § 33 StBerG läßt sich
auch nicht daraus herleiten, daß nur diese Tätigkeit als Unternehmensgegenstand der
Klägerin in das Handelsregister eingetragen ist. Denn der Grundsatz, daß sich bei der
Heranziehung zu Beiträgen zur Industrie- und Handelskammer die Bestimmung des
Unternehmensgegenstandes des Inanspruchgenommenen nach der auf dessen
Angaben beruhenden und im Geschäftsverkehr maßgeblichen Eintragung in das
Handelsregister richtet,
22
vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 1977 - I C 35.73 -, BVerwGE 55, 1 (6),
23
gilt dann nicht, wenn - wie hier - feststeht, daß die Handelsregistereintragung insoweit
wegen Abweichung von dem gemäß § 8 GmbHG der Handelsregisteranmeldung
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beizufügenden Gesellschaftsvertrag unrichtig ist. Maßgeblich ist in diesem Fall allein
die im Gesellschaftsvertrag zum Ausdruck gekommene Festlegung des
Unternehmensgegenstandes, wie sie gemäß § 10 GmbHG in das Handelsregister
einzutragen gewesen wäre, weil sich aus ihr das beabsichtigte Tätigkeitsfeld der
Gesellschaft ergibt. Etwas anderes gilt auch nicht etwa im Hinblick auf die in § 15 HGB
bestimmte Publizität des Handelsregisters, wobei keiner Entscheidung bedarf, ob § 15
HGB im rechtlichen Zusammenhang der Geltendmachung von öffentlich-rechtlichen
Beiträgen durch eine Behörde überhaupt zur Anwendung kommen kann.
- Vgl. BFH, Urteil vom 13. April 1978 - V R 94/74 -, NJW 1978, 1944; Tipke/Kruse,
AO/FGO, Kommentar, Rn. 16 vor § 69 AO. -
25
Denn die in § 15 Abs. 3 HGB genannten Wirkungen einer unrichtigen Eintragung greifen
nur zu Gunsten des Dritten, nicht aber zu seinem Nachteil ein, mit der Folge, daß sich
ein Außenstehender immer auf die ihm günstigere wahre Rechtslage berufen kann.
26
Vgl. BGH, Urteil vom 5. Februar 1990 - II ZR 309/88 -, MDR 1990, 802.
27
Ist die Klägerin mithin keine nach ihrem Unternehmensgegenstand auf Steuerberatung
im Sinne von § 33 StBerG beschränkte Steuerberatungsgesellschaft, so steht ihre
Kammerzugehörigkeit außer Frage.
28
Vgl. zu entsprechenden Konstellationen: BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 1977 - I C
35.73 -, aaO; VG München, Urteil vom 9. September 1982 - M 2781 XVI 82 -; VG
Hamburg, Urteil vom 25. Juni 1985 - 2 VG 691/84 -; Frentzel/Jäkel/Junge, Kommentar
zum IHKG, 5. Aufl. 1991, S. 135f, 137, 146.
29
Selbst wenn man aber zu Gunsten der Klägerin unterstellt, daß sich ihr
Unternehmensgegenstand auf die Steuerberatung im Sinne von § 33 StBerG
beschränkt, ist sie Kammerzugehörige. Ob dies bereits daraus folgt, daß verschiedene,
unter § 33 StBerG fallende Tätigkeiten - wie das Kontieren und die Erledigung der
laufenden Lohnbuchführung - mangels Erfassung vom Buchführungsprivileg für
steuerberatende Berufe
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vgl. hierzu BVerfG, Beschluß vom 18. Juni 1980 - 1 BvR 697/77 -, BVerfGE 54, 301;
Beschluß vom 27. Januar 1982 - 1 BvR 807/80 -, BVerfGE 59, 302
31
nicht als freiberufliche, sondern als gewerbliche Tätigkeiten anzusehen sind, kann
offenbleiben. Denn auf die Frage, ob eine selbständige Tätigkeit als freiberuflich oder
gewerblich einzuordnen ist, kommt es für die Beurteilung der Kammerzugehörigkeit im
Sinne von § 2 Abs. 1 IHKG nicht an. Hierzu hat das Bundesverwaltungsgericht in
seinem oben erwähnten Urteil (vom 25. Oktober 1977 - 1 C 35.73 -, aaO, S. 7)
ausgeführt:
32
"... denn die Vorschrift des § 2 Abs. 1 IHKG knüpft nicht an bestimmte Arten von
Tätigkeiten an. Sie kann nicht isoliert betrachtet werden. Ihr Sinngehalt erschließt sich
vielmehr erst im Zusammenhang mit Absatz 2 dieser Vorschrift. Danach gilt Absatz 1 für
natürliche Personen und Gesellschaften, welche ausschließlich einen freien Beruf
ausüben oder welche Land- oder Forstwirtschaft oder ein damit verbundenes
Nebengewerbe betreiben nur, soweit sie in das Handelsregister eingetragen sind.
Daraus folgt, daß Absatz 1 des § 2 IHKG nach Wortlaut und Sinngehalt der Vorschrift
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nicht auf gewerbliche Tätigkeiten beschränkt ist, sondern auch andere, insbesondere
freiberufliche Tätigkeiten umfaßt. Soweit dem Urteil des erkennenden Senats vom 2.
September 1963 - I C 20.63 - (BVerwGE 16, 295) eine andere Auffassung zugrundeliegt,
hält der Senat daran nicht mehr fest."
Damit ist aber die in dieser Entscheidung an anderer Stelle offengelassene Frage, ob
eine ausschließlich Steuerberatung im Sinne von § 33 StBerG betreibende
Steuerberatungs-GmbH Kammerzugehörige im Sinne von § 2 Abs. 1 IHKG ist, faktisch
bereits mitentschieden. Denn es ist kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, weshalb für
die Kammerzugehörigkeit die Art der selbständigen Tätigkeit außerhalb des
Kernbereichs eines sogenannten freien Berufs unbeachtlich, innerhalb dieses
Kernbereichs aber demgegenüber von Bedeutung sein sollte. Vielmehr bliebe selbst
dann, wenn die Steuerberatung im Sinne von § 33 StBerG ausschließlich freiberuflicher
Natur wäre, deshalb kein Raum für die Ausnahme einer auf diesen Tätigkeitsbereich
beschränkten und in das Handelsregister eingetragenen Steuerberatungsgesellschaft
von der Kammerzugehörigkeit im Sinne von § 2 Abs. 1 IHKG, weil sie unvereinbar mit
der in § 2 Abs. 2 IHKG klar zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Absicht wäre,
alle diejenigen ausschließlich freiberuflich Tätigen in den Kreis der
Kammerzugehörigen nach § 2 Abs. 1 IHKG einzubeziehen, die - über die Erfüllung der
in dieser Vorschrift genannten, von der Art der wirtschaftlichen Betätigung
unabhängigen Kriterien hinaus - in das Handelsregister eingetragen sind. Die von der
Klägerin vertretene Auffassung, daß eine rein freiberufliche Tätigkeit keine
Kammerzugehörigkeit zu begründen vermag, müßte demnach zur Folge haben, daß § 2
Abs. 2 IHKG hinsichtlich der einen freien Beruf ausübenden Personen und
Gesellschaften gegenstandslos wäre, weil bei allen rein freiberuflich Tätigen bereits die
Kammerzugehörigkeit nach § 2 Abs. 1 IHKG verneint werden müßte. Einer solchen,
dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes widersprechenden Auslegung kann
jedoch nicht gefolgt werden, zumal keine sie rechtfertigenden, sich aus Sinn und Zweck
des IHKG ergebenden Gesichtspunkte erkennbar sind.
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Vgl. VG München, Urteil vom 9. September 1982 - M 2781 XVI 82 -, S. 8 des
Urteilsabdrucks.
35
Vielmehr steht die Einbeziehung in das Handelsregister eingetragener Freiberufler in
den Kreis der Kammerzugehörigen in Einklang mit der Zielsetzung des IHKG, die
Voraussetzungen für eine möglichst umfassende Wahrnehmung der Interessen aller
kaufmännischen Kreise durch die Industrie- und Handelskammer zu schaffen; dieser
Zielsetzung kann aber nur entsprochen werden, wenn die ihrer Durchsetzung dienende
Pflichtmitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer möglichst wenige
Ausnahmen erfährt.
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Vgl. Senatsbeschluß vom 15. März 1996 - 25 A 4116/93 -, S. 5 des Abdrucks.
37
Daß im übrigen die Interessenvertretung durch die Industrie- und Handelskammer
Kapitalgesellschaften freier Berufe schon wegen der sich aus ihrer handelsrechtlichen
Rechtsform ergebenden Berührungspunkte zum Wirtschaftsleben in einer ihre
Kammerzugehörigkeit rechtfertigenden Weise zu Gute kommt, hat die Beklagte in ihrer
Berufungserwiderung eingehend und nachvollziehbar dargelegt.
38
Die Kammerzugehörigkeit der Klägerin wird auch nicht durch ihre weitere Zugehörigkeit
zur Steuerberaterkammer in Frage gestellt. Dies folgt bereits daraus, daß der
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Gesetzgeber in Kenntnis der Existenz von Berufskammern für die in § 2 Abs. 2 IHKG
erwähnten freien Berufe die Zugehörigkeit der ausschließlich einen freien Beruf
ausübenden und in das Handelsregister eingetragenen Personen und Gesellschaften
zur Industrie- und Handelskammer ausdrücklich bestimmt hat. Entsprechendes gilt für
die in § 3 Abs. 3 Satz 3 IHKG getroffene Sonderbestimmung hinsichtlich der
Berechnung des Kammerbeitrags für in das Handelsregister eingetragene Inhaber einer
Apotheke. Denn in dieser Vorschrift wird die Kammerzugehörigkeit solcher Apotheker
ungeachtet des Umstandes vorausgesetzt, daß diese regelmäßig aufgrund
landesrechtlicher Vorschriften auch noch der besonderen Berufsorganisation der
Apothekerkammer angehören. Die mithin vom Gesetzgeber bewußt in Kauf genommene
Möglichkeit der Mitgliedschaft sowohl in der Industrie- und Handelskammer als auch in
einer Berufskammer findet ihre sachliche Rechtfertigung darin, daß - worauf das
Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat - die Aufgaben und Zielsetzung der
jeweiligen Kammern regelmäßig nicht identisch sind. Eine solche Aufgabeninkongruenz
liegt jedenfalls in bezug auf das Verhältnis von Industrie- und Handelskammer
einerseits und Steuerberaterkammer andererseits vor. Während nämlich der
Schwerpunkt der Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer nach § 1 IHKG in der
Wahrnehmung des Gesamtinteresses von Gewerbetreibenden oder ihnen
gleichzustellenden Selbständigen und in der Förderung der gewerblichen Wirtschaft
liegt, hat die Steuerberaterkammer gemäß § 76 StBerG die in bezug auf selbständig wie
unselbständig tätige Mitglieder gleichermaßen bestehende Aufgabe, die beruflichen
Belange der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten zu wahren und die Erfüllung
deren beruflicher Pflichten zu überwachen. Die letztgenannte Kammer stellt mithin eine
reine Berufsorganisation dar.
Vgl. zur entsprechenden Konstellation bei Apothekern: VG Würzburg, Urteil vom 8. März
1995 - W 10 K 94.1068 -, GewArch 1996, 293.
40
Es stellt ferner keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG dar, daß
in das Handelsregister eingetragene Mitglieder der Steuerberaterkammer - anders als
die Handwerkerkaufleute nach § 2 Abs. 3 IHKG bis zum 31. Dezember 1993 - nicht von
der Pflichtmitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer befreit sind. Denn für die
gesetzlich vorgegebene unterschiedliche Behandlung von Handwerkerkaufleuten
einerseits und den in handelsrechtlicher Form tätigen Freiberuflern andererseits lassen
sich sachliche Gründe finden. Der Gesetzgeber hat nämlich zu Recht die
überbetriebliche Organisation und Interessenwahrnehmung der Handwerker generell -
d.h.: auch in bezug auf die in handelsrechtlicher Form tätigen Handwerker - als durch
Innung und Handwerkskammer in ausreichendem Umfang gewahrt angesehen,
hinsichtlich der Kammern der sogenannten freien Berufe aber insofern eine
abweichende Bewertung vornehmen dürfen. Denn die Berufskammern haben - wie
oben für die Steuerberaterkammer gezeigt - in der Regel ihren Aufgabenschwerpunkt in
der berufsbezogenen Betreuung ihrer Mitglieder (vgl. etwa § 6 Abs. 1 Nrn. 4 - 6
HeilBerG für die Ärzte-, Apotheker-, Tierärzte- und Zahnärztekammer). Demgegenüber
handelt es sich bei Handwerkskammern und Industrie- und Handelskammern jeweils
um Kammern der gewerblichen Wirtschaft, wie ein Vergleich der maßgeblichen
Regelungen in § 91 HwO und § 1 IHKG zeigt,
41
vgl. VG Würzburg, Urteil vom 8. März 1995 - W 10 K 94.1068 -, aaO .
42
Diese weitgehende Deckungsgleichheit ihrer Aufgaben kommt auch in der in § 1 Abs. 1
Satz 1 IHKG geregelten Begrenzung des Zuständigkeitsbereiches der Industrie- und
43
Handelskammern auf die nicht bereits von den Organisationen des Handwerks
wahrgenommenen Aufgaben zum Ausdruck; sie wird zudem dadurch bestätigt, daß der
Gesetzgeber die in § 2 Abs. 3 IHKG vorgesehene Möglichkeit der Handwerkerkaufleute,
freiwillig auch der Industrie- und Handelskammer als Mitglied beizutreten, mit der am 1.
Januar 1994 in Kraft getretenen Änderung des IHKG (vgl. Gesetz zur Änderung von
Gesetzen auf dem Gebiet des Rechts der Wirtschaft vom 21. Dezember 1992, BGBl. I,
2133) aus Gründen der Deregulierung und Verwaltungsvereinfachung zugunsten einer
ausschließlichen Mitgliedschaft der Handwerkerkaufleute in den Handwerkskammern
hat entfallen lassen,
vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Gesetzes auf dem
Gebiet des Rechts der Wirtschaft, BT-Drucksache 12/3320 vom 28. September 1992, S.
7.
44
Dem liegt die Beurteilung zugrunde, daß die durch die handelsrechtliche Tätigkeitsform
bedingte Interessenlage eines Handwerkers in weitaus stärkerem Maße von der
allgemeinen Interessenwahrnehmung seitens der Handwerkskammer mit erfaßt wird,
als dies nach den den Berufskammern obliegenden Aufgaben in bezug auf deren in
handelsrechtlicher Form tätige Mitglieder anzunehmen ist. Diese Einschätzung ist
insbesondere deshalb gerechtfertigt, weil Freiberuflern traditionell eine Berufsausübung
in handelsrechtlicher Form nicht offenstand mit der Folge, daß hiermit
zusammenhängende rechtliche, betriebswirtschaftliche und steuerliche Fragestellungen
auch von deren Berufsorganisationen nicht aufgegriffen und zum Gegenstand ihrer
Betreuung gemacht zu werden brauchten; insoweit fehlt demnach den Berufskammern
ein den Kammern der gewerblichen Wirtschaft vergleichbarer Erfahrungshintergrund.
45
Der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide steht des weiteren nicht entgegen,
daß § 2 Abs. 1 BO seinem Wortlaut nach die Beitragspflicht der Kammerzugehörigen an
das Innehaben eines "Gewerbebetriebs" knüpft. Insoweit wird gemäß § 130 b VwGO auf
die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil (S. 6 des Abdrucks)
einschließlich der dortigen Verweisung auf die Rechtsprechung des erkennenden
Gerichts
46
- vgl. OVG NW, Urteil vom 26. Mai 1992 - 5 A 403/91 -, S. 7 ff. des Urteilsabdrucks -
47
Bezug genommen.
48
Der von der Klägerin geforderte Beitrag ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden:
Er ergibt sich aus § 2 Abs. 1 BO i.V.m. Nr. 2a) HS, die einen Grundbeitrag der
umlagepflichtigen Betriebe in Höhe von DM vorsieht. Insbesondere handelt es sich bei
der Klägerin nicht um einen "nicht umlagepflichtigen Betrieb" i.S.v. Nr. 2c) HS, für den
der Grundbeitrag nur DM beträgt. Denn mit der letztgenannten Bestimmung wird die in §
2 Abs. 3 BO, § 3 Abs. 4 Satz 1, Halbsätze 1 und 2 IHKG getroffene Regelung umgesetzt,
derzufolge für "Kammerzugehörige, deren Gewerbebetrieb nach Art und Umfang einen
in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert", der
Grundbeitrag die Hälfte des vollen Grundbeitrags nicht übersteigen darf; daß die
Klägerin zu jenem Personenkreis gehört, ist aber nicht geltend gemacht und im übrigen
mit Rücksicht auf die aus ihrer Rechtsform folgende Eigenschaft als "Vollkaufmann"
auch ausgeschlossen,
49
vgl. VG Koblenz, Gerichtsbescheid vom 12. Dezember 1994 - 3 K 3875/94 -, GewArch
50
1996, 284.
Soweit die von der Klägerin gerügte Doppelbelastung durch eine sowohl der
Steuerberaterkammer als auch der Beklagten gegenüber bestehende Beitragspflicht
schließlich eine Kritik an der Höhe des von der Beklagten erhobenen (vollen)
Grundbeitrags beinhalten sollte, würden derartige Bedenken ebenfalls nicht
durchgreifen. Denn die Beklagte war schon nicht berechtigt, ihre Beitragsordnung so
auszugestalten, daß im Falle der Doppelzugehörigkeit lediglich ein gegenüber dem
Regelfall reduzierter Grundbeitrag erhoben wird. Dies folgt aus § 3 Abs. 3 Satz 1 IHKG
in seiner hier maßgeblichen, bis zum 31. Dezember 1993 geltenden Fassung, wonach
"einheitliche Grundbeiträge" zu erheben sind. Damit war nämlich der Grundbeitrag von
Gesetzes wegen als derjenige Beitragsbestandteil festgelegt, der - abgesehen von der
in § 3 Abs. 4 Satz 1 IHKG geregelten Ausnahme für sogenannte Kleingewerbetreibende
- unabhängig von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von jedem beitragspflichtigen
Kammerzugehörigen zu zahlen ist,
51
vgl. zu letzterem BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 1977 - 1 C 35.73 -, aaO, S. 4;
Frentzel/Jäkel/Junge, aaO, S. 122.
52
Diese Auslegung wird durch die Materialien zum Gesetz zur Änderung von Gesetzen
auf dem Gebiet des Rechts der Wirtschaft vom 21. Dezember 1992 (BGBl. I, 2133)
bestätigt. Denn mit der im Zuge dieser Novellierung des IHKG eingetretenen Änderung
des § 3 Abs. 3 Satz 2 IHKG, wonach nunmehr auch der Grundbeitrag nach der
Leistungskraft der Kammerzugehörigen gestaffelt werden kann, sollte den Industrie- und
Handelskammern gerade eine nach den bisherigen gesetzlichen Vorgaben in bezug auf
den Grundbeitrag nicht bestehende Gestaltungsmöglichkeit eingeräumt werden.
53
vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Gesetzen auf dem
Gebiet des Rechts der Wirtschaft, BT-Drucksache 12/3320 vom 28. September 1992, S.
8.
54
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über ihre
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
55
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
nicht vorliegen. Denn zum einen liegen bei der Klägerin mit Rücksicht auf den aus dem
Gesellschaftsvertrag ersichtlichen Unternehmensgegenstand diejenigen - das Urteil
selbständig tragenden - Voraussetzungen vor, auf die das Bundesverwaltungsgericht in
seinem Urteil vom 25. Oktober 1977 (- 1 C 35.73 -, aaO) die Bejahung der
Kammerzugehörigkeit gestützt hat; zum anderen hat das Bundesverwaltungsgericht mit
der in einer späteren Entscheidung getroffenen Feststellung, das vorbezeichnete Urteil
stelle für die Kammerzugehörigkeit "auf die Eintragung in das Handelsregister ab",
56
vgl. Beschluß vom 6. Mai 1983 - 5 B 51.81 -, GewArch 1984, 350,
57
die in jenem Urteil offengelassene Frage der Kammerzugehörigkeit einer ausschließlich
Steuerberatung betreibenden Steuerberatungs-GmbH bereits im Sinne der hier vom
Senat vertretenen Auffassung entschieden.
58