Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 28.01.2004

OVG NRW: garage, post, aufenthalt, wohnhaus, räumlichkeit, wohngebäude, fahrzeug, anerkennung, zugang, abgrenzung

Oberverwaltungsgericht NRW, 1 A 228/01
Datum:
28.01.2004
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
1. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 A 228/01
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Aachen, 1 K 2186/98
Tenor:
Die Berufung wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder
Hinterlegung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrags abwenden,
wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben
Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
1
Der am .... geborene Kläger steht als Posthauptsekretär im Dienste der Bundesrepublik
Deutschland und ist bei der Deutschen Post AG beschäftigt.
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Unter dem 8. Dezember 1997 meldete der Kläger der Unfallkasse Post und Telekom
einen sog. Wegedienstunfall. Er gab an, am 26. November 1997 nach Dienstschluss auf
dem Weg von seiner Dienststelle - Postfiliale E. - zu seinem Wohnhaus verunfallt zu
sein. Er sei mit seinem privaten PKW unterwegs gewesen. Er habe sein Fahrzeug in
seiner Garage geparkt. Beim Aussteigen aus dem Wagen habe er sich den linken Fuß
vertreten. Er habe ein plötzliches Brennen im ganzen Fußbereich einschließlich der
Ferse verspürt. Beim Gehen habe er Schmerzen gehabt. Um die Schwellung zum
Abklingen zu bringen, habe er Wechselbäder und Kaltumschläge gemacht. Am 27.
November 1997 habe er sich bei Herrn Dr. C. in Behandlung begeben. Als Zeugin des
Vorfalles gab er seine Ehefrau an, die ihm das Garagentor geöffnet habe.
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In der Anlage zur Unfallmeldung wurde zugleich vermerkt:
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"PHS T. leidet bis heute an den Folgen eines am 5. Dezember 1996 zugezogenen
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Bruches der linken Ferse".
Mit Bescheid vom 19. Januar 1998 lehnte die Unfallkasse Post und Telekom die
Anerkennung des gemeldeten Vorfalls vom 26. November 1997 als Dienstunfall ab. Der
Aufenthalt in einer privaten Garage sei dienstunfallrechtlich nicht geschützt. Dies gelte
auch dann, wenn die Garage keine bauliche oder räumliche Einheit mit dem
Wohngebäude aufweise, in dem der Verunfallte wohne, sondern - wie im Falle des
Klägers - getrennt auf einem anderen Grundstück gelegen sei. Den hiergegen
erhobenen Widerspruch wies die Unfallkasse Post und Telekom mit
Widerspruchsbescheid vom 28. Juli 1998 zurück.
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Am 27. August 1998 hat der Kläger vorliegende Klage erhoben, mit der er sein
Begehren weiter verfolgt.
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Zur Begründung hat der Kläger im Wesentlichen geltend gemacht: Der
dienstunfallrechtlich geschützte Weg nach und von der Dienststelle beginne und ende
jeweils an der Haustür, zu verstehen als Außentüre des Wohngebäudes. In seinem Fall
befinde sich die Garage sogar noch 60 Meter von seiner Wohnung entfernt. Um
endgültig zum Wohnhaus zu gelangen, müsse er einen Gehweg auf dem Grundstück
seines Vaters nutzen und dann nochmals ein kurzes Stück der Straße folgen. Zudem
habe er sein Fahrzeug erstmals zum Unfallzeitpunkt verlassen. Der unfallrechtlich
geschützte Dienstweg, der an der Haustür des Gebäudes ende, in dem er wohne, sei in
keinem Fall unterbrochen gewesen.
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Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 19. Januar 1998 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 1998 zu verpflichten, das Schadensereignis vom
26. November 1997 als Dienstunfall anzuerkennen.
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Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat zur Begründung im Wesentlichen angeführt, der Aufenthalt in der eigenen
(privaten) Garage sei dienstunfallrechtlich nicht geschützt. Ob der anschließende Weg,
den der Kläger noch habe zurücklegen müssen, um das 60 m entfernt liegende
Gebäude zu erreichen, in dem er wohne, dienstunfallrechtlich wieder geschützt
gewesen sei, sei demgegenüber für die Beurteilung des vorliegenden Falles
unerheblich.
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Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage mit im Wesentlichen
der Begründung abgewiesen, eine vom Beamten genutzte Garage gehöre ebenso wie
das von ihm genutzte Wohngebäude nicht zum dienstunfallrechtlich geschützten
Bereich. Dies gelte nicht nur für eine bauliche und räumliche dem Wohngebäude
angegliederte Garage, sondern auch dann, wenn sich die Garage räumlich isoliert auf
einem anderen Grundstück befinde.
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Die vom Senat mit Beschluss vom 25. Juni 2001 zugelassene Berufung hat der Kläger
am 9. Juli 2001 begründet.
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Er wiederholt und vertieft im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen und nimmt hierzu
vor allem auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, namentlich das Urteil vom
27. Oktober 1976 - 2 RU 247/74 - Bezug. Danach sei im Sinne der Rechtssicherheit
eine klare Abgrenzung für den Beginn und das Ende des unfallrechtlich geschützten
Weges nach oder von dem Ort der dienstlichen Tätigkeit erforderlich, die es rechtfertige,
die zum Abstellen von Fahrzeugen genutzten Räumlichkeiten nicht dem durch Wohnen
gekennzeichneten häuslichen - dienstunfallrechtlich nicht geschützten - Bereich
zuzurechnen. Die Grenze bilde in der Regel auch hier die Außentür des bewohnten
Gebäudes.
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Der Kläger beantragt,
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das angefochtene Urteil zu ändern und nach seinem erstinstanzlichen Antrag zu
erkennen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus: Der Kläger habe sich zwar am 26.
November 1997 - unstreitig - innerhalb seiner Garage verletzt. Der Aufenthalt in einer
privaten Garage sei aber auch dann nicht dienstunfallrechtlich geschützt, wenn sich die
Garage nicht im räumlichen Zusammenhang mit dem Wohngebäude befinde, in dem der
verunfallte Beamte wohne. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, die
zwischen solchen Garagen unterscheide, die unmittelbar vom Wohngebäude zu
erreichen seien, und solchen, die ohne einen solchen Zugang angebaut seien, führe zu
einer Zersplitterung in der Bewertung von Unfällen, die vom Ausgangspunkt immer
dieselben seien, nämlich ein Schadensereignis innerhalb einer Garage.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (ein Heft)
Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
23
Das Passivrubrum war - wie ersichtlich - von Amts wegen zu berichtigen. Der
Unfallkasse Post und Telekom sind zwar die Aufgaben der Unfallfürsorge für die
Beamten übertragen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 PostSVOrgG), materiell verpflichtet bleibt aber
weiterhin die Bundesrepublik Deutschland als Dienstherrin der Beamten, die - wie der
Kläger - bei der Deutschen Post AG beschäftigt sind (§ 2 Abs. 3 Satz 1 PostPersRG).
24
Vgl. OVG NRW, Urteile vom 6. Mai 1999 - 12 A 2983/96 - und vom 22. September 1997
- 12 A 6809/95 -.
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Die Bundesrepublik Deutschland wird allerdings in vorliegenden Zusammenhängen
wirksam durch die Unfallkasse Post und Telekom vertreten. Von den
Nachfolgeaktiengesellschaften der Deutschen Bundespost wird die Bundesrepublik
Deutschland nach § 2 Abs. 3 Satz 4 PostPersRG (nur) im Rahmen ihrer Zuständigkeiten
gerichtlich vertreten. Für den Bereich der Unfallfürsorge, namentlich der hier in Streit
stehenden Anerkennung eines Vorfalls als Dienstunfall nach § 31 BeamtVG liegt die
Zuständigkeit demgegenüber bei der Unfallkasse Post und Telekom als eigenständiger
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Körperschaft, die nach § 2 Abs. 2 Satz 1 PostSVOrgG in den Angelegenheiten des - hier
einschlägigen - § 2 Abs. 1 Nr. 1 PostSVOrgG die Befugnisse einer obersten
Dienstbehörde wahrnimmt.
Die zulässige, namentlich den Anforderungen des § 124 a Abs. 3 Satz 1 und 4 VwGO in
seiner hier gemäß § 194 Abs. 2 VwGO noch anzuwendenden bis zum 31. Dezember
2001 gültigen Fassung genügend begründete Berufung hat keinen Erfolg. Das
Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Sie ist unbegründet.
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Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung des unter dem 8. Dezember 1997
gemeldeten Vorfalls vom 26. November 1997 als Dienstunfall durch die Beklagte. Die
entgegenstehenden Bescheide der Unfallkasse Post und Telekom vom 19. Januar 1998
und 28. Juli 1998 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§
113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
28
Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG ist ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung
beruhendes örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes
Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist. Als Dienst im Sinne
dieser Vorschrift gilt nach § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG in der hier maßgeblichen
zum Unfallzeitpunkt gültigen Fassung (a.F.),
29
vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Juni 1982 - 6 C 90.78 -, DVBl. 1982, 1191,
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auch das Zurücklegen des mit dem Dienst zusammenhängenden Weges nach und von
der Dienststelle (entspricht heute § 31 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz BeamtVG). Danach
stellt der Vorfall vom 26. November 1997 keinen Dienstunfall dar.
31
Zwar ist es - wovon auch die Beklagte ausgeht - am 26. November 1997 in der Garage
des Klägers zu einem Schadensereignis i.S.d. § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG gekommen.
Der Kläger vertrat sich, als er seinerzeit sein Fahrzeug verlassen wollte, den linken Fuß,
was zu einem starken Brennen im Fuß und zu einer Schwellung führte. Das Umknicken
des Fußes stellt ohne Weiteres ein auf äußerer Einwirkung beruhendes Ereignis im
Sinne der Vorschrift dar, weil auch eigene Bewegungen einer Person mit ihren nächsten
Folgen als eine "äußere gewaltsame Veranlassung" betrachtet werden können.
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Vgl. Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Stand: Januar 2004, §
31 BeamtVG Rn. 17, m.w.N.
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Das Ereignis hat auch einen Körperschaden - Brennen im Fuß und
behandlungsbedürftige Schwellung - verursacht. Ausreichender Anhalt dafür, dass jener
Schaden seine wesentliche Ursache nicht im Umknicken des Fußes gehabt hat, besteht
nicht. Ob dies auch für eventuelle fortbestehende Beschwerden gilt, erscheint allerdings
mit Blick auf die Vorverletzung des Klägers durch einen Fersenbruch fraglich. Dies
bedarf keiner weiteren Vertiefung, weil es im vorliegenden Zusammenhang ausreicht,
dass jedenfalls die erste Schwellung als Schaden dem Ereignis zugerechnet werden
kann.
34
Eine Anerkennung als Dienstunfall nach § 31 BeamtVG scheidet gleichwohl aus. Denn
es fehlt dem Unfallereignis an dem erforderlichen Zusammenhang mit dem Dienst. Er
stellte sich insbesondere nicht als sog. Wegeunfall i.S.d. § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
BeamtVG a. F. dar. Dies gilt unabhängig davon, dass der Kläger sich auf dem Heimweg
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vom Dienst befand und beabsichtigte, nach dem Abstellen seines Fahrzeugs in der
Garage seinen Heimweg zu seinem 60 m entfernt liegenden Wohnhaus zu Fuß
fortzusetzen.
§ 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG a.F. bezieht den sog. Wegeunfall in den
Dienstunfallschutz ein. Die Bestimmung erfasst Unfälle, die sich ereignen, während der
Beamte einen Weg "nach und von der Dienststelle" zurücklegt, dessen wesentliche
Ursache im Dienst liegt, d.h. einen Weg, der einen funktionalen Zusammenhang mit
dem Dienst aufweist.
36
Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1970 - II C 39.68 -, BVerwGE 35, 234.
37
Es soll das Risiko abgedeckt werden, dem sich der Beamte aussetzt, wenn er aus
Anlass der von ihm geschuldeten Dienstleistung den seiner Einflussnahme
unterliegenden persönlichen privaten Lebensbereich verlässt.
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Vgl. OVG NRW, Urteil vom 16. Dezember 1966 - VI A 697/66 -, DÖD 1967, 116;
Schütz/Maiwald, a.a.O., § 31 BeamtVG Rn. 106; Schnellenbach, Beamtenrecht in der
Praxis, 5. Auflage, Rn. 646 f.
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Risiken, denen sich der Beamte aus sog. eigenwirtschaftlichen oder sonstigen
persönlichen Gründen unterwirft, und die den erforderlichen wesentlichen
Zusammenhang mit dem Dienst lösen, werden demgegenüber nicht erfasst.
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Unfallrechtlich geschützt ist danach ein Beamter dann und solange er sich auf dem
unmittelbaren Weg zwischen seiner Dienststelle und seinem regelmäßigen häuslichen
Wirkungskreis befindet (räumliche Komponente) und der zurückgelegte Weg in einem
inneren Zusammenhang mit dem Dienst steht, etwa der Aufnahme des Dienstes oder
der Rückkehr aus dem Dienst in den privaten Bereich dient (funktionale Komponente).
41
BVerwG, Urteile vom 17. Oktober 1967 - VI C 29.65 -, BVerwGE 28, 105, und vom 4.
Juni 1970 - II C 39.68 -, a.a.O.; vgl. zum entsprechenden § 8 SGB VII: Schmitt, in SRH,
3. Auflage 2003, C. 15 Rz. 126.
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Befindet sich der Beamte - räumlich - innerhalb seines privaten häuslichen
Wirkungskreises, besteht kein Dienstunfallschutz mehr. Die mögliche Fortdauer eines
ursächlichen Zusammenhangs für Wege innerhalb dieses Bereichs ist rechtlich nicht
erheblich.
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Vgl. Schmitt, a.a.O., Rz. 125.
44
Entsprechend wird eine - grundsätzlich rechtlich relevante - Verknüpfung mit der
dienstlichen Tätigkeit auch beendet bzw. ggf. auch (nur) unterbrochen, wenn und
solange der Beamte in seinen häuslichen Bereich zurückkehrt oder auf dem Weg einen
anderen Teil seines häuslichen Wirkungskreises betritt.
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Die Abgrenzung eines dienstunfallrechtlich geschützten Weges von dem
dienstunfallrechtlich nicht mehr geschützten privaten Bereich ist nach objektiven
Merkmalen unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Einbeziehung des
Wegeunfalls in den Dienstunfallschutz vorzunehmen. Wird der Weg zum Dienst aus
dem häuslichen Wohnbereich angetreten oder dort beendet, beginnt und endet der Weg
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regelmäßig an der Außen(haus)türe des Hauses, in dem sich die Wohnung des
Beamten befindet.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 1967 - III C 33.64 -, a.a.O.; Schnellenbach, a.a.O.,
Rn. 646.
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Entscheidend für die Beurteilung im Einzelfall ist aber eine wertende Betrachtung, ob
nach der Verkehrsauffassung eine Räumlichkeit/Örtlichkeit verlassen oder betreten wird,
die zum typischen privaten Lebensbereich des Beamten gehört, innerhalb derer sich ein
funktionaler Zusammenhang zum Dienst regelmäßig löst und deren Gefahrenquellen
dem Beamten unter unfallfürsorgerechtlichen Gesichtspunkten deshalb zuzurechnen
sind.
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Vgl. Schnellenbach, a.a.O., 646 f.; Schütz/ Maiwald, a.a.O., § 31 BeamtVG Rn. 106; zum
Erfordernis einer wertenden Betrachtung vgl. auch: BSG, Urteil vom 24. Juni 2003 -
24/02 R -, ZBR 2004, 63.
49
Davon ausgehend besteht innerhalb einer privaten Garage unabhängig von ihrer
räumlichen Lage zum eigentlichen Wohnbereich des Beamten und auch unabhängig
davon, ob sie in seinem Eigentum steht oder nur von ihm angemietet worden ist, kein
Dienstunfallschutz. Bei einer Garage handelt es sich um eine Räumlichkeit, die zum
typischen privaten Lebensbereichs gehört. Die dort vorhandenen Gefahrenquellen kann
der Kläger ohne weiteres erkennen und aus eigenem Recht beseitigen. Ihre Nutzung ist
in erster Linie eigenwirtschaftlich geprägt. Dieser eigenwirtschaftliche Bezug besteht im
Grundsatz auch dann, wenn sich ein Beamter mit dem Ziel in die Garage begibt, mit
dem dort abgestellten Fahrzeug zum Dienst zu gelangen bzw., vom Dienst kommend,
sein Fahrzeug in der Garage abzustellen. Dabei kann es keinen Unterschied machen,
ob die Garage baulich mit dem Wohnhaus verbunden ist und/oder einen unmittelbaren
Zugang zum Wohnbereich hat. Die Umstände, die eine Zuordnung der Räumlichkeit
zum typischen privaten Lebens- und Verantwortungsbereich des Beamten rechtfertigen
sind unbeschadet möglicher baulicher Varianten vielmehr vergleichbar.
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Vgl. VG Wiesbaden, Urteil vom 20. März 1996 - 8/V E 506/94 -, DÖD 1997, 208.;
Schnellenbach, a.a.O., Rn. 647, Fußnote 169.
51
Auch Überlegungen zum einheitlichen Gesamtweg zur Dienststelle rechtfertigen keine
andere Beurteilung. Der Aufenthalt in der nicht angebauten Garage stellt ebenso wenig
einen Teil eines dienstunfallrechtlich geschützten Gesamtweges zur Dienststelle dar
wie der Aufenthalt in einer vom Wohnbereich aus direkt zugänglichen Garage. Vielmehr
wird der Dienstweg durch den Aufenthalt in der Garage in diesen Fällen genauso
unterbrochen wie in dem Fall, in dem ein Beamter eine angebaute durch unmittelbaren
Zugang zum Wohnbereich erreichbare Garage nach Verlassen des Wohnbereichs
durch eine Außentür durch das Garagentor erneut betritt.
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Die gegenteilige Bewertung des Bundessozialgerichts,
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vgl. einerseits für eine angebaute, aber nicht direkt zugängliche Garage: BSG, Urteil
vom 27. Oktober 1976 - 2 RU 247/74 -, BSGE 42, 293, und anderseits für eine
angebaute vom Wohnhaus zu betretene Garage: BSG, Urteil vom 31. Mai 1988, - 2/9b
RU 6/87, BSGE 63, 212,
54
die im Zusammenhang mit den im wesentlichen inhaltsgleichen Vorschriften des
(sozial)versicherungsrechtlichen Unfallschutzes (heute § 8 SGB VII) steht,
55
vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1970 - II C 39.68 -, a.a.O.,
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vermag nicht zu überzeugen. Letztlich stützt sich jene Rechtsprechung allein auf den
Gedanken, dass sich in den Fällen, in denen sich die Garage gerade nicht am Haus
befindet und nicht von dort betreten werden kann, eine klare den Anforderungen der
Rechtssicherheit entsprechende Abgrenzung für den Beginn und das Ende des Weges
nicht finde. Für diese Fälle rechtfertige es sich, die vom Haus getrennte Lebenssphäre
nicht dem durch das Wohnen gekennzeichneten häuslichen Bereich zuzurechnen.
57
Vgl. BSG, Urteil vom 27. Oktober 1976 - 2 RU 247/74 -, a.a.O.
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Dieser Ansatz erlaubt zwar zweifellos eine klare Zuordnung der einschlägigen Fälle
unter dem Blickwinkel der oben näher dargelegten räumlichen Komponente. Er
vernachlässigt aber, dass nach Sinn und Zweck der Unfallfürsorge für das Greifen eines
Unfallschutzes zugleich ein besonderer funktionaler Zusammenhang mit dem Dienst
bestehen muss. Dieser endet indes immer dann, wenn die dem Verantwortungsbereich
des Beamten überantwortete Privatsphäre in einer Weise erreicht wird, die eine Lösung
der Verantwortlichkeit des Dienstherrn bei insoweit notwendig wertender Betrachtung
der Verhältnisse im Einzelfall nahe legt.
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Für die Zuordnung einer Örtlich- bzw. Räumlichkeit zum privaten Lebensbereich eines
Beamten, für den kein Dienstunfallschutz besteht, ist deswegen nicht allein das Wohnen
maßgeblich. Sie kann auch nicht davon abhängen, ob dieser Bereich eine Tür hat oder
sonst eine Pforte durchschritten werden muss. Entscheidend ist vielmehr, ob die
regelmäßige Nutzung der Örtlich- bzw. Räumlichkeit eigenwirtschaftlich geprägt ist und
vorhandene Gefahrenquellen der Kenntnis und Verantwortung des Beamten
unterstehen. Zudem lässt sich der vom Unfallschutz ausgenommene Aufenthalt in einer
Garage ebenso sicher mit den Kriterien des Durchschreitens bzw. Durchfahrens des
Garagentors oder einer sonstigen Tür von den übrigen dienstunfallrechtlich geschützten
Wegestrecken abgrenzen, die der Beamte im Übrigen zurücklegt, um seine Dienststelle
oder sein Wohnhaus zu erreichen.
60
Vgl. VG Wiesbaden, Urteil vom 20. März 1996 - 8/V E 506/94 -, a.a.O.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§
708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Die Revision wird zugelassen, weil die Frage, ob ein Aufenthalt in einer privaten Garage
zum dienstunfallrechtlich geschützten Weg nach § 31 Abs. 2 BeamtVG gehört,
grundsätzlich klärungsbedürftig erscheint, zumal auch mit Blick auf die in der
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vorgenommene Differenzierung nach der
räumlichen Lage der Garage.
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