Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 14.01.2010

OVG NRW (antragsteller, wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, luft, prognose, gefährdung der gesundheit, stand der technik, genehmigung, annahme, aufschiebende wirkung, wirtschaftliches interesse)

Oberverwaltungsgericht NRW, 8 B 1015/09
Datum:
14.01.2010
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
8. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
8 B 1015/09
Tenor:
Die Beschwerde der Antragsteller ¬gegen den Be-schluss des
Verwaltungsgerichts Münster vom 30. Juni 2009 wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwer-deverfahrens
einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfah-ren auf 7.500,- EUR
festgesetzt.
Gründe:
1
I.
2
Die Antragsteller wenden sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte
immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer
Anlage zum Halten von Mastgeflügel (Masthähnchen) in C. , Gemarkung C1. ,
Flur , Flurstück . Es handelt sich um einen zwangsbelüfteten Hähnchenmaststall mit
39.900 Mastplätzen in Bodenhaltung. Ausweislich des vom Beigeladenen mit den
Antragsunterlagen vorgelegten Betriebskonzepts soll die Hähnchenmast in jeweils 42-
tägigen Mastzyklen zuzüglich Reinigungs- und notwendigen Vorbereitungszeiten
erfolgen. Die Entlüftung soll über einen 10 m hohen Schornstein erfolgen, der am
südlichen Ende des Baukörpers errichtet wird.
3
Das Wohnhaus der Antragsteller - ein ehemaliges Kötterhaus ohne eigene
Landwirtschaft - liegt ca. 160 m nordwestlich des Vorhabenstandortes. Der Abstand zum
Abluftschornstein des Hähnchenstalls wird etwa 190 m betragen.
4
Durch Bescheid vom 13. Oktober 2008 erteilte die Antragsgegnerin dem Beigeladenen
unter Einbeziehung der im einzelnen bezeichneten Antragsunterlagen und Beifügung
von Nebenbestimmungen die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb der
Hähnchenmastanlage.
5
Der Bescheid wurde der Antragstellerin zu 1. schriftlich bekannt gegeben. Das
Übersendungsschreiben trägt den Poststempel vom 8. Dezember 2008.
6
Am 8. Januar 2009 haben die Kläger Klage erhoben (10 K 36/09 VG Münster).
Daraufhin ordnete die Antragsgegnerin auf Antrag des Beigeladenen am 30. Januar
2009 die sofortige Vollziehung des Genehmigungsbescheids an.
7
Den am 22. April 2009 gestellten Antrag der Antragsteller auf Wiederherstellung der
aufschiebenden Wirkung ihrer Klage hat das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom
30. Juni 2009 abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die im Verfahren nach den
§§ 80 Abs. 5, 80 a Abs. 1 und 3 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung falle zu
Lasten der Antragsteller aus. Deren Klage werde voraussichtlich keinen Erfolg haben.
Nach summarischer Prüfung sei nicht feststellbar, dass diesen ein nachbarliches
Abwehrrecht gegen die geplante Anlage zustehe. Demgegenüber habe der
Beigeladene ein erhebliches wirtschaftliches Interesse an der zügigen Verwirklichung
des Vorhabens.
8
Zur Begründung ihrer dagegen erhobenen Beschwerde tragen die Antragsteller vor, die
Genehmigung sei entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts rechtswidrig, weil
von dem Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen und Gefahren - insbesondere in
Form von Luftschadstoffen, Lärm und Brandgefahren - ausgingen und weil ihr Eigentum
an dem Wohnhaus durch die benachbarte gewerbliche Tierhaltungsanlage erheblich
entwertet werde.
9
Die Antragsteller beantragen sinngemäß,
10
den Beschluss des Verwaltungsgerichts Münster vom 30. Juni 2009 zu
ändern und die aufschiebende Wirkung der Klage 10 K 36/09 gegen den
dem Beigeladenen von der Antragsgegnerin erteilten
immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid vom 13. Oktober
2008 wiederherzustellen.
11
Die Antragsgegnerin und der Beigeladenen beantragen,
12
die Beschwerde zurückzuweisen.
13
Sie verteidigen den angefochtenen Bescheid.
14
Der Beigeladene hat auf Hinweis des Gerichts, dass die bislang vorgelegten
Geruchsimmissionsprognosen unzulänglich seien, eine erneute
Geruchsimmissionsprognose erstellen lassen, die die Antragsgegnerin dem Landesamt
für O. , zur Prüfung vorgelegt hat. Auf die Stellungnahmen des M. vom 11. und
18. November 2009 wird Bezug genommen.
15
II.
16
Die Beschwerde der Antragsteller hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen, auf
dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, stellt den
angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts im Ergebnis nicht durchgreifend in
Frage.
17
Die im Beschwerdeverfahren erhobenen Rügen sind - nachdem der Beigeladene die im
Genehmigungsverfahren und auch im erstinstanzlichen Verfahren noch unvollständigen
Unterlagen im Beschwerdeverfahren ergänzt hat - unbegründet.
18
Es ist nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand nicht davon auszugehen, dass
die Genehmigung des Vorhabens Rechte der Antragsteller verletzt.
19
1. Ausreichende Anhaltspunkte für die Annahme, dass das Vorhaben des Beigeladenen
an dem Wohnhaus der Antragsteller unzulässige Immissionen verursacht, sind nicht
ersichtlich.
20
Gemäß der drittschützenden Betreiberpflicht nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG sind
genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche
Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche
Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden
können.
21
a) Aufgrund der Lage ihres Hausgrundstücks im Außenbereich sind den Antragstellern
außenbereichstypische Belästigungen wie etwa Gerüche und Lärm grundsätzlich
zumutbar.
22
Bei der Bestimmung der Grenze der in einem bestimmten Gebiet zumutbaren
Beeinträchtigungen ist - vorbehaltlich spezieller Vorgaben in den einschlägigen
technischen Regelwerken - grundsätzlich die zwischen Immissionsschutzrecht und
Bebauungsrecht bestehende Wechselwirkung zu berücksichtigen. Einerseits
konkretisiert das Bundes-Immissionsschutzgesetz die gebotene Rücksichtnahme auf
die Nachbarschaft allgemein und folglich auch mit Wirkung für das Bebauungsrecht.
Andererseits bemisst sich die Schutzwürdigkeit eines Gebiets nach dem, was dort
planungsrechtlich zulässig ist.
23
Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. September 1992 7 C 7.92 -, NVwZ 1993, 987,
und Beschluss vom 2. Februar 2000 - 4 B 87.99 -, NVwZ 2000, 679.
24
Entgegen ihrer Auffassung können die Antragsteller gegenüber den geltend gemachten
Beeinträchtigungen nicht denselben Schutzstandard beanspruchen wie Bewohner einer
geschlossenen Ortslage. Aus dem vorliegenden Kartenmaterial und den im
erstinstanzlichen Verfahren übersandten Fotos ergibt sich, dass das Wohnhaus der
Antragsteller im bauplanungsrechtlichen Außenbereich i.S.d. § 35 BauGB liegt. Die von
ihnen angeführten Gebäude und Einrichtungen, die die Antragsteller ebenso wie ihr
Wohnhaus der Siedlung B. zuordnen, sind sämtlich durch größere Freiflächen von
ihrem Grundstück getrennt. Der Abstand zur nächsten Bebauung beträgt über 200 m.
Von einer geschlossenen Ortslage bzw. einem Bebauungszusammenhang, der Anlass
für die Anwendung des § 34 BauGB geben könnte, kann bei dieser Sachlage keine
Rede sein.
25
Der hier betroffene Außenbereich ist bauplanungsrechtlich nur ausnahmsweise für
Wohnnutzungen, in erster Linie aber als Standort für stark emittierende Betriebe
vorgesehen (vgl. § 35 Abs. 1 BauGB). Im typischerweise landwirtschaftlich genutzten
Außenbereich muss mit Lärm und Gerüchen gerechnet werden, die durch Tierhaltung,
Dungstätten, Güllegruben und dergleichen üblicherweise entstehen. Sie sind typische
Begleiterscheinungen der zulässigen landwirtschaftlichen Nutzung, so dass der
26
Eigentümer eines Wohnhauses in der Regel nicht verlangen kann, von den mit der
Tierhaltung verbundenen Immissionen verschont zu bleiben.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. August 2008 10 A 1666/05 -, juris,
m.w.N.
27
Vorhaben wie die hier geplante Hähnchenmastanlage sind bauplanungsrechtlich, auch
wenn es sich mangels überwiegend eigener Futtergrundlage im Rechtssinne nicht um
eine landwirtschaftliche (§ 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB, § 201 BauGB), sondern um
eine gewerbliche Tierhaltung handelt, nach § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BauGB dem
Außenbereich zugewiesen.
28
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 2. Juni 2009 8 B 572/09 -, DVBl. 2009,
1040.
29
Dementsprechend stellt die Errichtung einer - wie nachfolgend dargelegt wird - im
übrigen, insbesondere in immissionsschutzrechtlicher Hinsicht zulässigen
Tierhaltungsanlage keinen Verstoß gegen das nachbarliche Rücksichtnahmegebot dar.
Vor diesem Hintergrund ist auch der von den Antragstellern geltend gemachte
Wertverlust ihres Eigentums jedenfalls rechtlich nicht erheblich. Er folgt lediglich daraus,
dass sich eine durch die Lage im Außenbereich vorgegebene bauplanungsrechtliche
Vorbelastung realisiert.
30
Darauf, ob die Stadt C. von der nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB bestehenden
Möglichkeit einer planerischen Steuerung der Ansiedlung von gewerblichen
Tierhaltungsbetrieben im Außenbereich Gebrauch machen will, kommt es im
vorliegenden Verfahren nicht an, weil sich aus der Planungsbefugnis der Stadt
jedenfalls keine subjektiven Rechte der Antragsteller ergeben.
31
b) Ausgehend davon, dass das Wohnhaus der Antragsteller im Außenbereich liegt, wird
das Vorhaben sie voraussichtlich nicht wegen der von ihm ausgehenden
Geruchsemissionen unzumutbar beeinträchtigen.
32
Bei der Beurteilung, ob Geruchsbelastungen erheblich im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 BImSchG sind, kann - bis zum Erlass bundesrechtlicher Vorschriften auf die
nordrhein-westfälische Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) in der Fassung vom
29. Februar 2008 und einer Ergänzung vom 10. September 2008 zurückgegriffen
werden. Die TA Luft enthält keine Vorschriften zum Schutz vor schädlichen
Umwelteinwirkungen durch Geruchsimmissionen. Bei den in Nr. 5.4.7.1 der TA Luft für
die Errichtung von Anlagen zum Halten oder zur Aufzucht von Nutztieren geregelten
Mindestabständen handelt es sich, wie sich aus Nr. 1 und der Überschrift des
5. Abschnitts der TA Luft ergibt, um Anforderungen zur Vorsorge gegen schädliche
Umwelteinwirkungen. Im Übrigen finden die dort geregelten Mindestabstände nach
Nr. 5.4.7.1 der TA Luft nur Anwendung auf vorhandene oder in einem Bebauungsplan
festgesetzte Wohnbebauung, also nicht auf - wie hier - außerhalb eines
Bebauungszusammenhangs im Außenbereich gelegene Einzelhäuser.
33
In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die Geruchsimmissions-Richtlinie sowie die
VDI-Richtlinien 3471 und 3472 (Emissionsminderung Tierhaltung - Schweine bzw.
Geflügel) bei der tatrichterlichen Bewertung der Erheblichkeit von Geruchsbelastungen
als Orientierungshilfe herangezogen werden können; sie enthalten technische Normen,
34
die auf den Erkenntnissen und Erfahrungen von Sachverständigen beruhen und
insoweit die Bedeutung von allgemeinen Erfahrungssätzen und antizipierten generellen
Sachverständigengutachten haben.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Mai 2007 - 4 B 5.07 -, BauR 2007, 1454;
OVG NRW, Urteile vom 20. September 2007 - 7 A 1434/06 -, DVBl. 2007,
1515 (nur LS), und vom 13. Dezember 2007 - 7 D 142/06.NE -, juris, sowie
Beschlüsse vom 24. Juni 2004 - 21 A 4130/01 -, NVwZ 2004, 263, und vom
10. Februar 2006 - 8 A 2621/04 -, NWVBl. 2006, 337, und vom 14. März
2008 - 8 B 34/08 -, juris.
35
Nach Nr. 3.1 Tabelle 1 der GIRL gilt für Wohn-/Mischgebiete ein Immissionswert von
0,10 (10 % Jahresgeruchsstunden) und für Gewerbe-/Industriegebiete ein
Immissionswert von 0,15 (15 % Jahresgeruchsstunden). Für Dorfgebiete gilt ebenfalls
ein Immissionswert von 0,15; diese Regelung beschränkt sich aber auf
Geruchsimmissionen, die durch Tierhaltungsanlagen verursacht sind. Einen
Immissionswert für den Außenbereich regelt die GIRL nicht ausdrücklich. Sonstige
Gebiete, in denen sich Personen nicht nur vorübergehend aufhalten, sind entsprechend
den Grundsätzen des Planungsrechts den einzelnen Spalten der Tabelle 1 zuzuordnen.
In der Begründung und in den Auslegungshinweisen zu Nr. 3.1 GIRL ist erläuternd
ausgeführt, es sei möglich, im Außenbereich "unter Prüfung der speziellen
Randbedingungen des Einzelfalls" bei der Geruchsbeurteilung einen Wert bis zu 0,25
für landwirtschaftliche Gerüche heranzuziehen.
36
Zur Ermittlung der zu erwartenden Geruchshäufigkeit bedarf es grundsätzlich -
vorbehaltlich von Ausnahmen - einer Prognose, bei der aus der Vor- und der
Zusatzbelastung im Wege einer Ausbreitungsrechnung die voraussichtliche
Gesamtbelastung ermittelt wird. Nach Nr. 1 der GIRL kann die Genehmigungsbehörde
allerdings auf die Erstellung einer solchen Geruchsimmissionsprognose verzichten und
das Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen mit der Einhaltung des
Abstandsdiagramms (Nr. 5.4.7.1 TA Luft) begründen, sofern nicht die besonderen
Umstände des Einzelfalles (z.B. besondere topographische Verhältnisse,
Geruchsvorbelastung) eine andere Vorgehensweise erfordern. Nur bei nicht
genehmigungsbedürftigen Tierhaltungen kann in derartigen Fällen die
Genehmigungsbehörde die Entscheidung auf die Einhaltung der Abstände nach den
entsprechenden Richtlinien VDI 3471 und VDI 3472 gründen.
37
Die in den VDI-Richtlinien vorgesehene Halbierung des Mindestabstands gegenüber
Wohnnutzungen im Außenbereich kommt danach im vorliegenden Fall schon deshalb
nicht in Betracht, weil es sich um eine genehmigungsbedürftige Tierhaltung handelt (vgl.
§ 4 Abs. 1 BImSchG in Verbindung mit Nr. 7.1 Spalte 2 der 4. BImSchV). Darüber hinaus
ist die durch die im näheren Umfeld bereits vorhandenen Tierhaltungen verursachte
Geruchsvorbelastung zu berücksichtigen.
38
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 14. März 2008 8 B 34/08 -, juris.
39
Danach bedurfte es einer den Anforderungen der GIRL entsprechenden
Geruchsimmissionsprognose.
40
Aufgrund der im Genehmigungsverfahren eingereichten gutachterlichen Stellungnahme,
die sich in Bezug auf die Geruchsimmissionen auf eine Ermittlung des nach dem
41
Abstandsdiagramm (Nr. 5.4.7.1 TA Luft) erforderlichen Abstands beschränkte, diesen -
wohl in Anlehnung an die nur für nicht genehmigungsbedürftige Tierhaltungen
anwendbare VDI-Richtlinie halbierte und danach einen halbierten Mindestabstand von
145 m als ausreichend bezeichnete, hätte die Genehmigung nicht erteilt werden dürfen.
Auch die im erstinstanzlichen Verfahren nachgereichte "Ergänzende Stellungnahme zur
Ammoniakprognose" vom 8. Juni 2009 war als Genehmigungsgrundlage unzureichend.
Sie bezog sich nicht auf den Genehmigungsgegenstand, sondern berechnete vielmehr
die Geruchsimmissionen ausgehend von einem 35-tägigen Mastzyklus, obwohl der
Beigeladene ausweislich der Antragsunterlagen, die in den Genehmigungsbescheid
einbezogen worden sind, einen 42-tägigen Mastzyklus plant. Die betriebsbedingten
Leerstandszeiten sind ausweislich der Antragsunterlagen - entgegen dem Vortrag des
Beigeladenen im Beschwerdeverfahren - von diesem Zeitraum nicht eingeschlossen.
Sie kommen vielmehr hinzu, so dass sich die Dauer der einzelnen Durchgänge auf 50
Tage erhöht. Die Abweichung zwischen Genehmigungsgegenstand und Prognose ist
auch erheblich. Da die Geruchsemissionen vom Alter und Gewicht der Tiere abhängen,
sieht die TA Luft in Nr. 5.4.7.1 Tabelle 10 differenzierte Umrechnungsfaktoren für die
Ermittlung der sog. Großvieheinheiten aus den Tierplatzzahlen vor. Dass sich die
Prognose auf zwei Ställe mit je 39.900 Mastplätzen bezieht, obwohl Gegenstand der
streitbefangenen Genehmigung nur ein Stall ist, ändert nichts daran, dass die Prognose
vom 8. Juni 2009 in Bezug auf das konkrete Vorhaben unbrauchbar ist. Denn bei derart
gravierenden Abweichungen ist es nicht Aufgabe des Gerichts und der
Genehmigungsbehörde, Mutmaßungen darüber anzustellen, in welchem Umfang sich
die Abweichungen des genehmigten von dem gutachterlich bewerteten Betrieb
auswirken.
42
Den Anforderungen der GIRL dürfte nach gegenwärtigem Erkenntnisstand allerdings die
- auf Aufforderung des Senats vorgelegte - Geruchsimmissionsprognose des
Ingenieurbüros für Abfallwirtschaft und Immissionsschutz S. und I. vom 27. Oktober
2009 entsprechen. Nach dem Ergebnis dieser Prognose, deren Plausibilität das M.
ausdrücklich bestätigt hat, ist am Wohnhaus der Antragsteller unter Berücksichtigung
des tierartspezifischen Gewichtungsfaktors von 1,5 für Mastgeflügel (vgl. Nr. 4.6 Tabelle
4 der GIRL) eine Geruchshäufigkeit von 0,08, also eine Wahrnehmbarkeit der Gerüche
in 8 % der Stunden eines Jahres, zu erwarten. Die Grenze der Zumutbarkeit, die hier
wegen der Außenbereichslage des betroffenen Grundstücks mindestens bei 15 % der
Jahresgeruchsstunden anzusetzen ist, wird damit so eindeutig unterschritten, dass
offenbleiben kann, ob und inwieweit der in Nr. 3.1 vorgesehene höchste Immissionswert
von 0,15 hier "unter Prüfung der speziellen Randbedingungen des Einzelfalls"
überschritten werden dürfte.
43
Die gegen die Plausibilität der Geruchsimmissionsprognose vom 27. Oktober 2009
erhobenen Rügen greifen nicht durch.
44
Der Einwand der Antragsteller, die in die Prognose als Vorbelastung einzubeziehenden
Tierhaltungsbetriebe seien unvollständig erfasst, ist unbegründet. Die Prognose geht
unter Berücksichtigung der Schornsteinhöhe von 10 m im Einklang mit Nr. 4.4.2 Abs. 1
Satz 2 der GIRL davon aus, dass Beurteilungsgebiet die Flächen sind, die sich
innerhalb eines Kreises von 600 m um den Emissionsschwerpunkt, hier: den am
südlichen Stallende befindlichen Schornstein, befinden. Die nach Auffassung der
Antragsteller zu berücksichtigenden Stallungen - T. und H.-B1. - liegen
außerhalb dieses Beurteilungsgebiets. Sie sind nach den unwidersprochen
45
gebliebenen Angaben des Beigeladenen 770 m bzw. 780 m vom Vorhabenstandort
entfernt.
Die Berechnung der durch den streitbefangenen Betrieb zusätzlich verursachten
Geruchsimmissionen ist ebenfalls plausibel. Wie das M. in seiner Stellungnahme vom
18. November 2009 ausgeführt hat, ist insbesondere die Umrechnung von der
genehmigten Tierplatzzahl in Großvieheinheiten (GVE) nicht zu beanstanden. Nach der
Tabelle 10 zu Nr. 5.4.7.1 der TA Luft beträgt der Umrechnungsfaktor bei Masthähnchen
bis 35 Tage 0,0015 und bei Masthähnchen bis 49 Tage 0,0024. Für die hier
beabsichtigte und genehmigte 42-tägige Hähnchenmast erachtet das M. die Bildung
des vom Gutachter zugrunde gelegten Mittelwerts von 0,00195 ((0,0015 + 0,0024( : 2)
als sachgerecht. Das erscheint ohne weiteres nachvollziehbar. Der Hinweis der
Antragsteller, dass die TA Luft keine fortlaufende Anpassung des Umrechnungsfaktors
an die Mastdauer vorsehe, stellt die Richtigkeit der fachkundigen Einschätzung des
M. nicht durchgreifend in Frage. Die auch von den Antragstellern hervorgehobene
Erkenntnis, dass die Geruchsemissionen mit zunehmendem Alter und Gewicht der
Masttiere ansteigen, spricht vielmehr gegen die Annahme eines stufenförmigen
Emissionsanstiegs.
46
Die Plausibilität der Geruchsimissionsprognose wird auch nicht dadurch in Frage
gestellt, dass die Ausbreitungsrechnung auf den Wetterdaten der Station H1. aus den
Jahren 1982 bis 1991 beruht. Auch wenn die Daten alt erscheinen mögen, ist nicht
ersichtlich, dass sie veraltet und deshalb nicht mehr verwertbar wären. Das M. , das
die Prognose auch insoweit als plausibel bewertet hat, ist regelmäßig mit
Immissionsprognosen und den diesen zugrunde liegenden Ausbreitungsrechnungen
befasst. Es hat hervorgehoben, dass es nach seinen Erkenntnissen an Anhaltspunkten
für die Annahme fehlt, dass sich die vorherrschenden Windverhältnisse an der Station
H1. zwischenzeitlich in erheblicher Weise verändert haben könnten. Diesbezügliche
Anhaltspunkte zeigt auch die Beschwerdebegründung nicht auf.
47
Nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an
der vom Gutachter zugrunde gelegten Annahme, dass die Aufzeichnungen der
Wetterstation H1. über die Windrichtungsverteilung auf das in C. gelegene
Untersuchungsgebiet übertragbar sind. Der Gutachter S. hat zu dieser Frage in
seiner Prognose vom 27. Oktober 2009 Stellung genommen. Das M. hat die Prognose
ausdrücklich auch insoweit geprüft und als plausibel bewertet. Die Ausführungen der
Antragsteller stellen die Richtigkeit dieser fachkundigen Einschätzungen nicht
substantiiert in Frage. Die von der Wetterstation H1. dokumentierte
Windrichtungsverteilung entspricht im Wesentlichen den in Mitteleuropa allgemein
vorherrschenden Windverhältnissen. Die topographischen Bedingungen, die sich auf
das Ortsklima auswirken und insbesondere in niedrigeren Luftschichten die Ausbreitung
beeinflussen können, sind trotz der von den Antragstellern angeführten Nähe C2.
zu den C3. nicht so unterschiedlich, dass die Ausbreitungsrechnung deshalb
durchgreifend in Frage gestellt würde. Beide Gegenden sind durch eine eher flache
Geländestruktur gezeichnet. Abweichungen hinsichtlich der im Untersuchungsgebiet
vorherrschenden Windrichtungsverteilung sind auch mit den eigenen Aufzeichnungen
der Antragsteller nicht substantiiert dargelegt. Es ist nicht dargelegt, mit welchen Mitteln
und an welchen Messpunkten die Windrichtung jeweils ermittelt wurde. Unabhängig
davon handelt es sich jedenfalls nur um punktuelle Aufzeichnungen, wohingegen die
der Ausbreitungsrechnung zugrunde gelegten Wetterdaten auf zeitlich umfassenden
Messungen unter validierten Bedingungen beruhen. Nur solche Messungen führen zu
48
statistisch belastbaren Messergebnissen.
Dass die Antragsgegnerin hier auf weitergehende gutachterliche Untersuchungen wie
etwa ein Übertragbarkeitsgutachten des Deutschen Wetterdienstes verzichtet hat, stellt
die Rechtmäßigkeit der Genehmigung auf der Grundlage der nunmehr vorliegenden
Erkenntnisse im Ergebnis auch deshalb nicht in Frage, weil der maßgebliche
Geruchsimmissionswert so erheblich unterschritten ist, dass nur gravierende
Abweichungen der zugrunde gelegten Windrichtungsverteilung Zweifel an der
Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens begründen könnten. Vor diesem Hintergrund
bedarf es in diesem Zusammenhang auch keiner näheren Untersuchung der von den
Antragstellern in Bezug auf die Ergebnisse der Stickstoffdepositionsprognose
vorgebrachten Einwände.
49
Ferner ist sichergestellt, dass die in der Prognose genannten Vorgaben bezüglich der
Kaminhöhe und Windaustrittsgeschwindigkeit eingehalten werden. Das ergibt sich aus
den Nebenbestimmungen IV.5.2 und IV.5.3 des angefochtenen
Genehmigungsbescheids. Danach muss eine Abluftaustrittsgeschwindigkeit von
ganzjährig 7 m/s sichergestellt werden; der Kamin muss eine Höhe von mindestens 3 m
über dem Dachfirst und 10 m über dem Grund erreichen. Gemäß Nebenbestimmung
IV.5.6 bedarf es vor der Inbetriebnahme der Anlage einer Abnahmemessung zum
Nachweis, dass die Anforderungen an die Mindestluftraten,
Abluftaustrittsgeschwindigkeit und die Kaminhöhe eingehalten werden.
50
c) Es ist auch nicht zu erwarten, dass die von dem Hähnchenmastbetrieb ausgehenden
Staubemissionen am Hausgrundstück der Antragsteller schädliche
Umwelteinwirkungen verursachen.
51
Einer Ermittlung der Immissions-Kenngrößen (Vor-, Zusatz- und Gesamtbelastung)
bedarf es nach Nr. 4.6.1.1 TA Luft insoweit nicht. Nach dieser Regelung ist die
Bestimmung der Immissions-Kenngrößen im Genehmigungsverfahren für den jeweils
emittierten Schadstoff nicht erforderlich, wenn die durch den Schornstein abgeleiteten
Emissionen (Massenströme) die in Tabelle 7 festgelegten Bagatellmassenströme nicht
überschreiten und die nicht über den Schornstein abgeleiteten Emissionen (diffuse
Emissionen) 10 vom Hundert der in Tabelle 7 festgelegten Bagatellmassenströme nicht
überschreiten, soweit sich nicht wegen der besonderen örtlichen Lage oder besonderer
Umstände etwas anderes ergibt. Der Bagatellmassenstrom für Staub von 1 kg/h wird
hier nach der vom M. als plausibel bewerteten Prognose deutlich unterschritten. In
Anlehnung an die Empfehlungen des Kuratoriums für Technik und Bauwesen in der
Landwirtschaft e.V. (KTBL) hat der Gutachter einen Staubemissionsfaktor von 4,2
mg/Tierplatz angenommen (vgl. KTBL-Schrift 447, Tabelle 7.4), woraus sich ein
Massenstrom von 0,1676 kg/h ergibt. Anhaltspunkte für relevante diffuse Staubquellen
sind nicht ersichtlich. Das gilt insbesondere hinsichtlich der Futtersilos. Deren
Verdrängungsluft ist nach Nebenbestimmung IV.5.5. über eine Entstaubungsanlage ins
Freie abzuführen. Die staubförmigen Emissionen im gereinigten Abgas dürfen eine
Massenkonzentration von 20 mg/m3 nicht überschreiten (Nebenbestimmung IV.5.4).
Damit ist zugleich die Einhaltung des Vorsorgewerts nach Nr. 5.2.1 TA Luft
sichergestellt.
52
Die von den Antragstellern gegen die Anwendung der Irrelevanzregelung in Bezug auf
Staubemissionen erhobenen Bedenken stellen die Richtigkeit der Prognose nicht in
Frage. Sie gehen ebenfalls davon aus, dass als relevante Staubquelle nur die durch
53
den Schornstein abgeleitete Stallluft in Betracht kommt. Die Rüge, die
Staubemissionsrate pro Tierplatzzahl sei nicht hinreichend spezifiziert, trägt dem
Umstand nicht hinreichend Rechnung, dass die vom M. als sachgerecht bewerteten
Empfehlungen der KTBL-Schrift eine Abschätzung durchschnittlicher
Staubemissionsraten darstellen, die ihrerseits auf Messergebnissen beruht und das
unterschiedliche Emissionsverhalten verschiedener Tierarten differenziert betrachtet. Ob
und inwieweit eine weitergehende Differenzierung innerhalb der Kategorie
Masthähnchen überhaupt möglich und sachgerecht wäre, legt die Beschwerdeschrift
nicht dar und ist auch sonst nicht ersichtlich.
d) Konkrete Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Antragsteller schädliche
Umwelteinwirkungen oder gar Gefahren in Form von Bioaerosolen zu erwarten haben,
liegen nach gegenwärtigem Erkenntnisstand nicht vor.
54
Unter Bioaerosolen ist nach der Definition in der VDI-Richtlinie 4255 die Summe aller im
Luftraum befindlichen Ansammlungen von Partikeln zu verstehen, denen Pilze (Sporen,
Konidien, Hyphenbruchstücke), Bakterien, Viren und/oder Pollen sowie deren
Zellwandbestandteile und Stoffwechselprodukte (z.B. Endotoxine, Mykotoxine) anhaften
bzw. die diese beinhalten oder bilden.
55
Vgl. M. , Stellungnahme vom 23. März 2009 an den Kreis Coesfeld.
56
Immissions- oder Emissionswerte, auf deren Einhaltung die Antragsteller einen
Anspruch haben könnten, sieht die TA Luft insoweit nicht vor. Insbesondere regelt die
TA Luft in Bezug auf Bioaerosole kein Emissionsminderungsgebot.
57
Es gibt bislang auch keine sonstigen Grenz- oder Orientierungswerte, die die
Schädlichkeitsschwelle für Bioaerosole beschreiben.
58
Vgl. M. , Stellungnahme vom 23. März 2009 an den Kreis Coesfeld.
59
In Betracht kommt daher hier allenfalls eine Sonderfallprüfung nach Nr. 4.8 der TA Luft,
wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Vorhaben schädliche
Umwelteinwirkungen hervorruft. Das ist hier nicht der Fall.
60
Allerdings spricht gegenwärtig Erhebliches dafür, dass von Tierhaltungsbetrieben
luftgetragene Schadstoffe wie insbesondere Stäube, Mikroorganismen (z.B. Pilzsporen)
und Endotoxine ausgehen, die grundsätzlich geeignet sind, nachteilig auf die
Gesundheit zu wirken.
61
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. August 2008 10 A 1666/05 -, juris,
m.w.N.; zur Darstellung der Problematik vgl. auch die Internetdokumentation
des M. unter "Bioaerosole", "Wirkungen von Bioaerosolen" und
"Gesundheitliche Wirkungen von Stall-Luft-Komponenten aus
Tierhaltungsbetrieben"; Heller/Köllner (M. ), Bioaerosole im Umfeld von
Tierhaltungsanlagen - Untersuchungsergebnisse aus Nordrhein-Westfalen,
2007; Antwort der Bundesregierung vom 7. Dezember 2006 auf eine Kleine
Anfrage zu geplanten Schweinemastgroßanlagen in Deutschland, BT-Drs.
16/3759, Antwort zu Frage 12 und 13.
62
Wissenschaftliche Untersuchungen und Erkenntnisse darüber, von welcher
63
Wirkschwelle an diese allgemeine Gefährdung in konkrete Gesundheitsgefahren für
bestimmte Personengruppen umschlägt, sind indessen nicht bekannt. Es gibt weder ein
anerkanntes Ermittlungsverfahren noch verallgemeinerungsfähige
Untersuchungsergebnisse über die gesundheitliche Gefährdung der Nachbarschaft
durch eine landwirtschaftliche oder gewerbliche Tierhaltung.
Messtechnische Untersuchungen, die das M. seit dem Jahr 2007 an Schweineställen
und Legehennenställen betreibt, haben ergeben, dass sich eine Erhöhung bestimmter
Parameter - inbesondere von Staphylokokken und Bakterien - an der in Windrichtung
gelegenen (Lee-) Seite eines Legehennenstalls (ca. 300 GVE) gegenüber der
windabgewandten (Luv-) Seite, die der jeweiligen örtlichen Hintergrundbelastung
entspricht, noch in einer Entfernung von bis zu 500 m nachweisen lässt.
64
Heller/Köllner (LANUV), Bioaerosole im Umfeld von Tierhaltungsanlagen -
Untersuchungsergebnisse aus Nordrhein-Westfalen, 2007.
65
Daraus folgt aber nicht ohne weiteres, dass bei derartigen Entfernungen auch mit
gesundheitsgefährdenden Konzentrationen zu rechnen ist. Denn die ermittelten
Immissionskonzentrationen lagen nach Einschätzung des M. auf einem
"vergleichsweise niedrigen Niveau und erreichten bei weitem nicht die Konzentrationen,
wie sie an Arbeitsplätzen gemessen werden."
66
Heller/Köllner (LANUV), a.a.O., S. 8 f.
67
Ausgehend von diesem Erkenntnisstand greift die immissionsschutzrechtliche
Schutzpflicht als Instrument der Gefahrenabwehr nicht ein, weil ungewiss ist, ob mit
einem Schadenseintritt zu rechnen ist. Potentiell schädliche Umwelteinwirkungen, ein
nur möglicher Zusammenhang zwischen Emissionen und Schadenseintritt oder ein
generelles Besorgnispotential können allerdings Anlass für Vorsorgemaßnahmen sein.
68
Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2003 - 7 C 19.02 -, BVerwGE 119,
329 (zu Nanopartikeln).
69
Vor diesem Hintergrund bezeichnet der kürzlich vorgelegte Entwurf ("Gründruck") einer
VDI-Richtlinie 4250 (Bioaerosole und biologische Agenzien, Umweltmedizinische
Bewertung von Bioaerosol-Immissionen) in Nr. 7 jede Erhöhung der
Immissionskonzentration gegenüber den Hintergrundwerten als "umwelthygienisch
unerwünscht", fügt aber hinzu, dass dabei das Gesundheitsrisiko nicht quantifiziert
werden könne. Aus Gründen der Vorsorge seien Bioaerosol-Konzentrationen zu
vermeiden, die gegenüber der Hintergrundbelastung erhöht seien. Davon ausgehend
wird die Einhaltung des in Anhang C des Richtlinienentwurfs genannten Abstands von
500 m zu Geflügelhaltungsanlagen nicht den drittschützenden Betreiberpflichten i.S.d.
§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG, sondern den Vorsorgeanforderungen nach § 5 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 BImSchG zuzuordnen sein. Auf deren Einhaltung hat der Nachbar
grundsätzlich keinen Anspruch.
70
Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2003 - 7 C 19.02 -, BVerwGE 119,
329, und Beschluss vom 9. April 2008 - 7 B 2.08 -, NVwZ 2008, 789.
71
Entsprechendes gilt hinsichtlich der in Nr. 5.4.7.2 der TA Luft geregelten Pflicht zur
Prüfung etwaiger Möglichkeiten, die Emission an Keimen und Endotoxinen durch dem
72
Stand der Technik entsprechende Maßnahmen zu vermindern.
Ausgehend davon fehlt es nach dem gegenwärtigen wissenschaftlichen
Erkenntnisstand an ausreichenden Anhaltspunkten für die Annahme, dass das
Grundstück der Antragsteller durch das Vorhaben des Beigeladenen Bioaerosol-
Immissionen ausgesetzt sein wird, die über eine allgemeine, gebietstypische
Gefährdung hinausgehen und bereits zu einer konkreten Gefährdung der Gesundheit
führen können.
73
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. August 2008 10 A 1666/05 -, juris, OVG
LSA, Urteil vom 6. Februar 2004 - 2 L 5/00 -, juris, Rn. 53, Nds. OVG,
Beschlüsse vom 19. August 1999 - 1 M 2711/99 -, NVwZ-RR 2000, 91, und
vom 4. März 2005 - 7 LA 275/04 -, NVwZ-RR 2005, 401.
74
Die konkreten Einzelfallumstände geben keinen hinreichenden Anlass zu einer
abweichenden Einschätzung.
75
Die generelle Empfehlung des M. , einen Abstand von 500 m zu Geflügelställen
einzuhalten, beruht darauf, dass die Keimemissionen aus Intensivtierhaltungsanlagen
unter ungünstigen Umständen rund 500 m weit reichen können.
76
Vgl. LANUV, Stellungnahme vom 23. März 2009 an den Kreis Coesfeld.
77
Derartige ungünstige Umstände sind hier aber nicht ersichtlich. Da der Übertrgungsweg
bei Bioaerosolen im Grunde derselbe ist wie bei Gerüchen, liegt eine Orientierung an
den Ergebnissen der Geruchsimmissionsprognose nahe. Diese gelangt unter
Berücksichtigung der Entfernung zwischen Wohnhaus und Abluftkamin sowie der
örtlichen Windverhältnisse zu einer Geruchshäufigkeit von nur 8 % der Jahresstunden.
Danach ist davon auszugehen, dass sich auch die Belastung mit Bioaerosolen in einem
für den ländlichen Raum gebietstypischen Rahmen bewegt. Anhaltspunkte für die
Annahme, dass die Bevölkerung des ländlichen Raums in signifikantem Umfang an
Krankheiten insbesondere der Atemwege leidet, die auf Bioaerosole zurückzuführen
sind, bieten die vorliegenden wissenschaftlichen Stellungnahmen nicht.
78
e) Ein Abwehrrecht gegen die von einer Anlage ausgehenden Luftschadstoffe folgt auch
nicht daraus, dass die Antragstellerin zu 2. bereits an Atemwegserkrankungen leidet.
Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, kommt es bei der Beurteilung, ob
die von einem Vorhaben ausgehenden Umwelteinwirkungen i.S.d. § 3 Abs. 1 BImSchG
schädlich sind, darauf an, ob die Einwirkungen - bezogen auf das Empfinden eines
verständigen Durchschnittsmenschen, nicht auf die individuelle Empfindlichkeit eines
konkreten Dritten - das zumutbare Maß überschreiten.
79
Vgl. BVerwG, Urteile vom 7. Oktober 1984 - 7 C 44.81 -, BVerwGE 68, 62
= juris Rn. 18, und vom 7. Mai 1996 - 1 C 10.95 -, BVerwGE 101, 157 = juris
Rn. 28 (jeweils in Bezug auf Lärm); Kutscheidt, in: Landmann/Rohmer,
Umweltrecht, Losebl., Stand: April 2009, § 3 BImSchG Rn. 15a; Jarass,
BImSchG, 7. Aufl. 2007, § 3 Rn. 53.
80
f) Ihre Bedenken gegen die Plausibilität der Prognose der Stickstoffdepositionen haben
die Antragsteller erstmals mit Schriftsatz vom 10. November 2009, mithin nach Ablauf
der Beschwerdebegründungsfrist geltend gemacht. Ungeachtet dessen ist nicht
81
dargelegt, ob und inwiefern die Antragsteller durch etwaige Defizite dieser Prognose in
ihren Rechten verletzt sein könnten. Ferner sind sie den diesbezüglichen Erläuterungen
der Antragsgegnerin und des Beigeladenen nicht entgegengetreten.
g) Anhaltspunkte für unzumutbare Lärmbelastungen sind nicht dargelegt.
82
Wie vorstehend ausgeführt, steht dem Nachbarn auch in Bezug auf Lärmeinwirkungen
ein Abwehrrecht nur insoweit zu, als es sich um schädliche Umwelteinwirkungen i.S.d.
§ 3 Abs. 1 BImSchG handelt. Der gesetzliche Maßstab für die Schädlichkeit ist in der TA
Lärm mit Bindungswirkung für das gerichtliche Verfahren jedenfalls insoweit
abschließend konkretisiert, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten
entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten zuordnet und
das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt.
83
Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 2007 4 C 2.07 -, BVerwGE 129, 209.
84
Für das Außenbereichsgrundstück der Antragsteller ist danach in Anlehnung an Nr. 6.1
Buchst. c) TA Lärm ein Immissionsrichtwert von tags 60 dB(A) und nachts 45 dB(A) zu
beachten. Der Nachtwert ist hier nicht relevant, da der Beigeladene im
Genehmigungsverfahren unter dem 5. Mai 2009 verbindlich erklärt hat, dass nächtliche
Transporte nicht stattfinden werden. Hinsichtlich der Einhaltung des Tagwerts hat die
Antragsgegnerin von der Anforderung einer Lärmimmissionsprognose abgesehen,
nachdem eine überschlägige Berechnung ergeben hatte, dass eine Überschreitung des
60 dB(A)- Werts durch die nach den Antragsunterlagen zu erwartenden 150 Lkw-
Fahrten pro Jahr nicht zu erwarten ist. Dagegen ist nichts einzuwenden. Die
Grobabschätzung ist auch unter Berücksichtigung der diesbezüglichen Erfahrungen des
Senats aus anderen, insbesondere verkehrsrechtlichen Verfahren plausibel. Die
Beschwerde legt keine Umstände dar, die diese Bewertung in Frage stellen.
85
2. Ein Abwehrrecht der Antragsteller folgt nicht aus ihrem Vorbringen zu sonstigen von
dem Vorhaben ausgehenden Gefahren.
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a) Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme ergibt sich nicht aus einer zu
erwartenden Überlastung der Straße B. durch den zusätzlichen Verkehr zum und
vom Betriebsgelände des Beigeladenen. Allerdings kann ein Vorhaben, dass die
verkehrstechnisch vorgegebenen Aufnahmekapazitäten einer Erschließungsstraße
überfordert, im bauplanungsrechtlichen Sinne rücksichtslos sein, wenn ein Grundstück
über Stunden nicht verlässlich erreichbar ist.
87
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 5. Oktober 2007 8 B 1340/07 -, BRS 71
Nr. 62, und vom 15. November 2005 - 7 B 1823/05 -, NWVBl. 2006, 229 (zu
fehlenden Stellplatzkapazitäten).
88
Eine Überlastung der Aufnahmekapazitäten der Straße B. mit derart gravierenden
Auswirkungen ist aber nicht zu erwarten. Ausgehend von zu erwartenden 150 Lkw-
Fahrten pro Jahr drängt sich die Annahme einer Überlastung nicht auf. Nichts anderes
folgt aus den konkreten Straßenverhältnissen. Zwar ermöglicht die Fahrbahnbreite von
ca. 3,20 m keinen Begegnungsverkehr von Lkw. Der Straßenverlauf ist indessen im
wesentlichen gerade und die Strecke zwischen dem Hähnchenmastbetrieb und der K
13 weithin einsehbar. Zu einem regelmäßigen Begegnungsverkehr von Lkw muss es
deshalb nicht kommen, weshalb mit erheblichen Verkehrsbeeinträchtigungen nicht zu
89
rechnen ist.
b) Es kann dahinstehen, ob die von den Antragstellern geltend gemachten Mängel des
Brandschutzkonzepts angesichts des Abstands zwischen ihnen und dem Stallgebäude
geeignet sind, eine drohende Verletzung in eigenen Rechten darzulegen.
90
Ungeachtet dessen greifen die Bedenken der Antragsteller gegen die Tragfähigkeit des
Brandschutzkonzepts jedenfalls nicht durch. Das von einem Sachverständigen im
Genehmigungsverfahren erstellte Konzept wurde von den zuständigen Behörden
geprüft und auf deren Einwände hin ergänzt. Der mit den örtlichen Verhältnissen
vertraute Kreis D. hat das Brandschutzkonzept als plausibel bewertet. Der Einwand
der Antragsteller, der als Löschwasserreservoir dienende Teich führe möglicherweise
nicht ganzjährig genug Wasser, trägt dem Umstand nicht Rechnung, dass die
Maßgaben des Brandschutzkonzepts nach Nebenbestimmung IV.2.9 vollumfänglich zu
beachten sind. Hinsichtlich der Sicherstellung der Löschwasserversorgung schreibt die
Nebenbestimmung IV.2.12 vor, dass die Löschwassermenge von 1600 l pro Minute
nachzuweisen ist. Sollte dieser Nachweis entsprechend der Vermutung der
Antragsteller nicht zu erbringen sein, wäre der Betrieb der Stallanlage von der
Genehmigung nicht gedeckt.
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c) Der Befürchtung der Antragsteller, dass der von ihnen angelegte Brunnen nicht mehr
ausreichend Wasser zur Versorgung ihres Hausgrundstücks fördert, wenn der
Beigeladene seinerseits einen Brunnen zur Wasserversorgung des
Hähnchenmastbetriebs anlegt, ist im vorliegenden Verfahren nicht nachzugehen. Die
Konzentrationswirkung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung erfasst
wasserrechtliche Erlaubnisse und Bewilligungen nach den §§ 7 und 8 WHG nicht (vgl.
§ 13 BImSchG).
92
3. Ausgehend davon, dass die angefochtene Genehmigung aller Voraussicht nach
Bestand haben wird, fällt die nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende
Interessenabwägung in Ansehung des erheblichen wirtschaftlichen Interesses des
Beigeladenen zu dessen Gunsten aus.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2 und 162 Abs. 3 VwGO.
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Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind billigerweise erstattungsfähig.
Die Rechtsverteidigung des Beigeladenen diente nicht allein der nachträglichen
Erfüllung der nach der Neunten Verordnung zur Durchführung des Bundes-
Immissionsschutzgesetzes dem Betreiber obliegenden Pflicht zur Beibringung der
erforderlichen Genehmigungsunterlagen.
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Vgl. zur fehlenden Erstattungsfähigkeit der Kosten für die Zuziehung eines
privaten Sachverständigen: OVG NRW, Beschluss vom 4. Januar 2008
8 E 1152/07 -, BauR 2008, 966.
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Er hatte vielmehr als notwendig Beigeladener hinreichenden Anlass, sich in das
Verfahren mittels anwaltlicher Unterstützung einzubringen, und hat das Verfahren auch
im Übrigen wesentlich gefördert.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Sie orientiert
sich an Nrn. 1.5, 19.2 und 2.2.2 des Streitwertkatalogs für die
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Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung von Juli 2004 (DVBl. 2004, 1525 = NVwZ
2004, 1327).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5 und 66
Abs. 3 Satz 3 GKG).
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