Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 16.03.2005

OVG NRW: körperliche unversehrtheit, persönliche freiheit, verbreitung, gefährdung, schusswaffe, bevölkerung, missbrauch, verwaltungsgerichtsbarkeit, waffenschein, glaubhaftmachung

Oberverwaltungsgericht NRW, 20 A 2167/04
Datum:
16.03.2005
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
20. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
20 A 2167/04
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 18 K 7675/02
Tenor:
Der Antrag wird auf Kosten des Klägers abgelehnt.
Der Streitwert wird unter Änderung der erstinstanzlichen Festsetzung für
beide Instanzen auf 6.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg; das Antragsvorbringen ruft keine ernstlichen
Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils hervor, noch ergibt es eine
grundsätzlich klärungsbedürftige Frage, § 124 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 VwGO.
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Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass eine
Schusswaffe nicht im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 2 WaffG geeignet sei, eine für den
Kläger in Betracht zu ziehende Gefährdung zu mindern. Es hat damit nicht die Eignung
einer Waffe zur Abwehr jedweden Angriffs verneint, sondern - wie in der
Antragsbegründung gefordert - die persönlichen Lebensumstände des Klägers
eingestellt, freilich nicht schwerpunktmäßig im Hinblick auf die persönlichen Fähigkeiten
des Klägers zum Waffeneinsatz, sondern im Hinblick auf beachtliche
Gefährdungssituationen. Im ersten Teil der Darlegungen zum Zulassungsgrund der
ernstlichen Zweifel wird dieser Zusammenhang verkannt; von einem Widerspruch zur
Lebenserfahrung und einem Verstoß gegen Denkgesetze im angegriffenen Urteil kann
nicht die Rede sein. Das Verwaltungsgericht hat, nachdem es eine relevante
Gefährdungssteigerung durch terroristische Übergriffe mangels hinreichender
Konkretheit sowie durch Überfälle im häuslichen Bereich und im Unternehmen wegen
erlaubten Zugriffs auf vorhandene Waffen ausgeschieden hatte, in die weiteren
Erwägungen lediglich den Fall eines erpresserischen Menschenraubs eingestellt; nur
insofern hat es alsdann in Billigung der als fachlich gestützt angesehenen Betrachtung
des Beklagten einer vom Opfer selbst geführten Waffe die Eignung zur effektiven
Gefährdungsminderung abgesprochen. Auch die weiteren Hinweise in der
Antragsschrift auf Besonderheiten im Fall des Klägers führen nicht zu ernsthaften
Bedenken gegen die Schlussfolgerung im angegriffenen Urteil. Dass der Kläger etwa
bei Autofahrten nicht durch anderweitige Inanspruchnahme im Waffeneinsatz behindert
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wird und erst recht außerhalb von Fahrzeugen aufgrund
seiner Schulung und Übung effektiv mit Waffen umgehen kann, wiegt nicht die vom
Verwaltungsgericht maßgeblich herangezogenen Aspekte der Überraschung und des
Einbeziehens der Möglichkeit der Waffenführung in eine Verbrechensplanung auf.
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Die zum Vorstehenden wie auch und insbesondere zum Zulassungsgrund der
grundsätzlichen Bedeutung gebrachte Erwägung, es verstoße gegen Art. 2 Abs. 2 GG,
wenn dem Kläger die Möglichkeit der Verteidigung mit einer Schusswaffe auch für
Situationen genommen werde, die nicht typisch, aber immerhin denkbar seien, geht fehl.
Das Waffengesetz ist insgesamt, und zwar auch und gerade in seinen die Verbreitung
sowie das Führen von Waffen beschränkenden Bestimmungen darauf angelegt, die
Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 GG zu wahren, also Leben, körperliche Unversehrtheit
und persönliche Freiheit jedes Einzelnen vor den Gefahren zu schützen, die aus dem
Gebrauch von und dem Umgang mit Waffen resultieren. Der erforderliche Ausgleich
zwischen drohenden negativen Folgen der Waffen und unter bestimmten, qualifizierten
Umständen möglicher schützender Wirkung von Waffen ist im Gesetz angelegt und geht
dahin, dass persönliche Zuverlässigkeit und gesicherte Fähigkeit im Umgang mit
Waffen allein nicht ausreichen, um eine Reaktionsmöglichkeit für alle Eventualitäten des
Lebens zu gewährleisten. Vielmehr bedarf es nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut
der Glaubhaftmachung einer wesentlichen Mehrgefährdung und der an dieser
Gefährdung zu messenden Eignung eines Schusswaffeneinsatzes. Da die Gefahren
aus einer Verbreitung von Waffen in der Bevölkerung etwa durch Missbrauch und ein
Herabsetzen der Schwelle des Schusswaffeneinsatzes auf der Hand liegen, spricht
nichts dagegen, dass der Gesetzgeber mit dem gefundenen Ausgleich die Grenzen
seiner Wertungs- und Gestaltungsbefugnis gewahrt hat. Dass insofern noch etwas
klärungsbedürftig sein könnte, insbesondere in der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts noch nicht aufgearbeitet oder bedacht worden wäre, zeigt
die Antragsschrift nicht auf.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertentscheidung auf
§ 13 Abs. 1, § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG a.F.,§ 63 Abs. 3 GKG n.F.; in Übereinstimmung mit
dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit legt der Senat für Streitigkeiten
um einen Waffenschein nunmehr das Anderthalbfache des Auffangwertes zugrunde.
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