Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 08.07.2003

OVG NRW: anspruch auf rechtliches gehör, beurlaubung, beendigung des dienstverhältnisses, akteneinsicht, deutsche bundespost, verfügung, staatssekretär, beamtenverhältnis, öffentlich, personalakte

Oberverwaltungsgericht NRW, 1 A 4879/01
Datum:
08.07.2003
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
1. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
1 A 4879/01
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 10 K 7473/99
Tenor:
Der Antrag wird auf Kosten des Klägers abgelehnt.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf die Wertstufe bis zu
35.000 EUR festgesetzt.
G r ü n d e
1
Der Antrag hat keinen Erfolg. Die Zulässigkeit des Rechtsmittels richtet sich nach dem
bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Recht, da die mündliche Verhandlung, auf die
das angefochtene Urteil ergangen ist, vor dem 01. Januar 2002 geschlossen worden ist
(§ 194 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten
Zulassungsgründe ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils i.S.v. § 124 Abs. 2
Nr. 1 VwGO und besonderer rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache i.S.v. § 124
Abs. 2 Nr. 2 VwGO (1.), einer der Rechtssache zukommenden grundsätzlichen
Bedeutung i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (2.) und des Vorliegens eines der
Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmangels, auf dem die
Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO, (3.) ) nicht greifen. Die
gerichtliche Prüfung im Zulassungsverfahren richtet sich an den in dem Antrag auf
Zulassung der Berufung angesprochenen Gesichtspunkten aus. In dem Antrag sind die
Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen (§ 124a Abs. 1 Satz 4
VwGO a.F.).
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1. "Ernstliche Zweifel" i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind nur solche, die erwarten
lassen, dass die Berufung in einem durchzuführenden Berufungsverfahren mit
überwiegender Wahrscheinlichkeit jedenfalls im Ergebnis Erfolg hätte. Derartige Zweifel
sind auf der Grundlage des Antragsvorbringens nicht begründet.
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Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts beruht auf der Erwägung, dass der Kläger
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spätestens zum 01. Dezember 1998 in den einstweiligen Ruhestand getreten und die
Beklagte daher nicht verpflichtet ist, ihn entsprechend seinem früheren Statusamt als
nach BesGr. B 11 BBesO besoldeten Staatssekretär zu beschäftigen. Dieser Ansatz
erweist sich auch mit Blick auf das Antragsvorbringen als zutreffend.
Der grundsätzlich bestehende Anspruch eines Beamten auf "amtsangemessene"
Beschäftigung beinhaltet (lediglich) den Anspruch auf Zuweisung eines dem Amt im
statusrechtlichen und abstrakt-funktionellen Sinne entsprechenden Aufgabenbereichs.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 01. Juni 1995 - 2 C 20.94-, BVerwGE 98, 334 und
Senatsbeschluss vom 11. September 2001 - 1 A 2528/01 - .
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Die Voraussetzungen dieses Anspruchs sind in der Person des Klägers nicht (mehr)
erfüllt, weil das hierfür unter anderem erforderliche aktive Beamtenverhältnis nicht mehr
besteht. Der im Jahre 1979 als Postrat angestellte und mit Wirkung zum 01. Mai 1990
zum Staatssekretär ernannte Kläger befindet sich im einstweiligen Ruhestand. Dieser
einstweilige Ruhestand ist nicht durch eine erneute Berufung in ein Beamtenverhältnis
auf Lebenszeit (§§ 39, 40 BBG) beendet worden.
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Das Verwaltungsgericht ist in Anlehnung an den Beschuss des 12. Senats des
Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. Dezember 2000 -
12 B 1282/00 - davon ausgegangen, dass der Kläger nach § 19 Abs. 6 Satz 1 des
Gesetzes zum Personalrecht der Beschäftigten der früheren Deutschen Bundespost
(Postpersonalrechtsgesetz - PostPersRG - vom 14. September 1994 - BGBl. I S. 2353 -)
in den einstweiligen Ruhestand getreten ist. Er sei ein Beamter, mit dem ein
Rechtsverhältnis nach § 19 Abs. 1 PostPersRG bestanden habe; dieses sei auf fünf
Jahre angelegt gewesen und spätestens zum 01. September 1998 ausgelaufen. Der
Kläger sei spätestens zum 01. Dezember 1998 in den einstweiligen Ruhestand
getreten, nachdem ihm innerhalb von weiteren drei Monaten unter den
Voraussetzungen des § 26 BBG kein neues Amt übertragen worden und seine
Beurlaubung auch nicht verlängert worden sei.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung setzt sich mit dem so umschriebenen
Gedankengang der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung und den zugrunde
liegenden Erwägungen umfangreich auseinander. Bezogen auf die tragenden Gründe
der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung stützt er sich im Wesentlichen auf das
Argument, das von § 19 Abs. 6 Satz 1 PostPersRG gemeinte Rechtsverhältnis im Sinne
des § 19 Abs. 1 Satz 1 PostPersRG habe zwar am 01. Juli 1993 begonnen, weil ihn der
Bundespräsident mit Wirkung zu diesem Tage für die Dauer von fünf Jahren zum
Vorstandsmitglied der Deutschen Bundespost TELEKOM bestellt habe. Dieses
Rechtsverhältnis habe jedoch nicht - wie vorgesehen - zum 01. September 1998
geendet. Vielmehr habe es am 31. August 1998, dem maßgebenden Zeitpunkt im Sinne
des § 19 Abs. 6 Satz 1 PostPersRG, nicht mehr bestanden. Im Zuge der Bestellung des
Klägers zum Vorstand der DeTe - Immobilien AG in Münster sei der ursprüngliche
Vertrag gemäß dem Aufhebungsvertrag vom 16. Februar 1996 mit Wirkung zum 01.
April 1996 beendet worden. Daher könne § 19 Abs. 6 Satz 1 PostPersRG keine
Anwendung finden.
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Diese (zusammengefasst dargestellte) Betrachtungsweise des Klägers verkennt, dass §
19 Abs. 6 Satz 1 PostPersRG schon seinem Wortlaut nach nicht voraussetzt, dass das
gemäß § 19 Abs. 1 PostPersRG umgewandelte frühere öffentlich-rechtliche
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Amtsverhältnis bzw. auch der mit dem Vorstandsmitglied ursprünglich geschlossene
Vertrag (vgl. § 19 Abs. 2 PostPersRG, § 12 Abs. 5 Postverfassungsgesetz) bis zum
vorgesehenen Ablauf der Zeit fortbestehen muss, für die der Vertrag geschlossen
worden ist. Vielmehr kommt es nach dem - insoweit die Auslegung des Gesetzes
begrenzenden - Wortlaut des Gesetzes auf die "ursprüngliche Dauer eines
Rechtsverhältnisses nach Abs. 1" an, mithin grundsätzlich auf den Ablauf des
Zeitraums, der 1993 mit der Bestellung durch den Bundespräsidenten begann und auf
fünf Jahre angelegt war. Jedenfalls bis zum 01. Dezember 1998 war daher eine
Verlängerung der Beurlaubung oder unter den Voraussetzungen des § 26 BBG die
Übertragung eines (neuen) Amtes zu erwirken, um die Rechtsfolgen des § 19 Abs. 6
Satz 1 PostPersRG zu vermeiden. Die von dem Kläger vorgenommene Auslegung,
dass das in § 19 Abs. 6 Satz 1 PostPersRG genannte Rechtsverhältnis bis zum Ende
dessen ursprünglich vorgesehener Dauer fortbestehen müsse, ist vom Gesetz nicht
gedeckt.
Das Vorbringen des Klägers lässt auch die weitere tragende Annahme des
Verwaltungsgerichts nicht als unzutreffend erscheinen, dass nämlich die ursprünglich
kraft Gesetzes bestehende Beurlaubung (§ 19 Abs. 5 Satz 1 PostPersRG) über den 31.
August 1998 hinaus nicht verlängert worden ist, was gegebenenfalls der
Zurruhesetzung nach § 19 Abs. 6 Satz 1 PostPersRG entgegen stünde. Der Kläger
meint, mit der Aufhebung seiner ursprünglichen Bestellung zum Vorstand des
Unternehmens Deutsche Bundespost TELEKOM und mit seinem späteren Wechsel zu
der DeTe - Immobilien AG in Münster habe auch die Beurlaubungsfiktion nach § 19 Abs.
5 Satz 1 PostPersRG nicht mehr bis zum 31. August 1998 fortgegolten. Seine daran
anknüpfende Argumentation, dass er gemäß der Verfügung vom 13. Juni 1996 nach §
13 der Sonderurlaubsverordnung wirksam bis zum Jahre 2001 habe beurlaubt werden
können, überzeugt nicht. Bereits in dem den Beteiligten bekannten Beschluss des 12.
Senats vom 21. Dezember 2000 - 12 B 1282/00 - ist zu diesem mehrfach - mit
Abweichungen im Detail - wiederholten Vorbringen näher ausgeführt worden, dass eine
Beurlaubung im Sinne des § 19 Abs. 6 Satz 1 PostPersRG allein eine Beurlaubung
bzw. deren Verlängerung nach § 4 Abs. 3 PostPersRG ist und es auf § 13 der
Sonderurlaubsverordnung vorliegend nicht ankommt. Eine Beurlaubung im Sinne des §
4 Abs. 3 PostPersRG ist jedoch nicht erfolgt; ebenso wenig ist eine solche Beurlaubung
verlängert worden. Nachdem eine Umdeutung der unter dem 13. Juni 1996 erteilten
Beurlaubung in eine solche nach § 4 Abs. 3 PostPersRG aus den in dem Beschluss
vom 21. Dezember 2000 bereits dargelegten Gründen ausscheidet, können aus der bis
zum Jahre 2001 gewährten Beurlaubung nach § 13 der Sonderurlaubsverordnung
entgegen der Auffassung des Klägers keine Rechte hergeleitet werden. § 4 Abs. 3
PostPersRG schließt im Übrigen eine Beurlaubung nach § 13
Sonderurlaubsverordnung nicht aus.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Juni 2000 - 1 D 4.99 -, ZBR 2000, 387.
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Allerdings steht nicht in Streit, ob und auf welcher Grundlage die Beurlaubung eines
Beamten verlängert werden kann. Entscheidend ist vielmehr nur, dass mit der
Verlängerung einer Beurlaubung im Sinne des § 19 Abs. 6 Satz 1 PostPersRG allein
die Beurlaubung nach § 4 Abs. 3 dieses Gesetzes gemeint ist.
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Auch das Verfassungsrecht gebietet entgegen der erneut vorgetragenen Ansicht des
Klägers keine andere Auslegung des (einfachen) Gesetzesrechts. Art. 143b Abs. 3 GG
verschafft dem Kläger keinen Anspruch auf Fortbestand seines aktiven
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Dienstverhältnisses. Der Kläger verkennt, dass er freiwillig in ein besonderes öffentlich-
rechtliches Amtsverhältnis getreten ist (vgl. §§ 12, 14 PostVerfG) und bereits aufgrund
der damals geltenden Rechtslage nicht mehr damit rechnen durfte, nach Ablauf der
vertraglich vorbestimmten Zeit erneut als Staatssekretär tätig werden zu können. Er
musste vielmehr davon ausgehen, im Anschluss an die Tätigkeit Kraft Gesetzes - ohne
gesonderter Entscheidung nach § 36 Abs. 1 BBG - mehr oder weniger wahrscheinlich in
den einstweiligen Ruhestand versetzt zu werden. Nach § 14 Abs. 2 des
Postverfassungsgesetzes (Art. 1 des Gesetzes zur Neustrukturierung des Post- und
Fernmeldewesens und der Deutschen Bundespost vom 08. Juni 1989 - BGBl. I S. 1026)
war eine dem § 19 Abs. 6 PostPersRG ähnliche, in der Sache für den Beamten sogar
strengere Regelung zur Beendigung des Dienstverhältnisses vorgesehen. Gegenüber
der Neuregelung im Postpersonalrechtsgesetz trat der Beamte schon dann in den
einstweiligen Ruhestand, wenn das Amtsverhältnis nach § 12 Abs. 3 PostVerfG endete.
Er musste also damit rechnen, frühzeitig in den einstweiligen Ruhestand treten zu
müssen, wenn keine Übertragung eines Amtes nach § 26 Abs. 1 Satz 2 BBG erfolgt.
Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich zugleich, dass auch eine Zulassung der
Berufung wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten nach § 124
Abs. 2 Nr. 2 VwGO ausscheidet. Eine Zulassung der Berufung wegen besonderer
tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten kommt nämlich nur in Betracht, wenn der
Ausgang des durchzuführenden Berufungsverfahrens offen ist. Demgegenüber ist hier
das Ergebnis eines durchzuführenden Berufungsverfahrens bereits zu Lasten des
Klägers vorgezeichnet. Das Antragsvorbringen des Klägers stellt die angefochtene
Entscheidung aus den vorgenannten Gründen nicht in Frage.
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2. Die Grundsatzrüge (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) greift ebenfalls nicht.
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Die aufgeworfene Frage,
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ob dem Kläger aus Art. 33 Abs. 5 GG i.V.m. Art. 143b Abs. 3 GG ein
verfassungsrechtlich geschützter Weiterbeschäftigungsanspruch zusteht,
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ist schon deshalb nicht klärungsbedürftig, weil es auf diese Frage aus den
vorgenannten Gründen nicht ankommt. Art. 143b GG ist mit Gesetz vom 30. August 1994
(BGBl. I S. 2245) in das Grundgesetz eingefügt worden. Zu diesem Zeitpunkt richtete
sich der beamtenrechtliche Status des Klägers unter anderem nach dem im Jahre 1989
geschaffenen Postverfassungsgesetz, insbesondere nach dessen § 14 Abs. 2, weiterhin
nach der vom Bundespräsidenten ausgesprochenen Bestellung zum Vorstand der
Deutschen Bundespost TELEKOM vom 01. Juli 1993 und nach den Regelungen des
unter dem 23. Juli 1993 mit dem Bundespostminister abgeschlossenen
Vorstandsvertrages. Abgesehen von der nach § 36 Abs. 1 Nr. 1 BBG auch damals
jederzeit und ohne ausdrücklicher Begründung noch möglichen Versetzung des Klägers
in den einstweiligen Ruhestand hatte sich seine statusrechtliche Situation damit derart
geändert, dass es auf den behaupteten verfassungsrechtlich geschützten Anspruch auf
"Weiterbeschäftigung" nicht mehr ankam. Der Fortbestand seines Beamtenverhältnisses
hing nach der Bestellung zum Vorstand von den Maßgaben der §§ 12 ff des
Postverfassungsgesetzes ab.
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Die weiter aufgeworfene Frage,
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ob § 19 Abs. 6 Satz 1 PostPersRG nicht anwendbar ist, wenn die Beendigung des
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Rechtsverhältnisses nach § 19 Abs. 1 PostPersRG in zeitlicher Hinsicht vor dem
maßgeblichen Stichtag des Ablaufs der "ursprünglichen" Dauer dieses
Rechtsverhältnisses liegt,
ist nicht klärungsbedürftig, weil sie sich ohne weiteres mit Nein beantworten lässt, ohne
dass es hierzu der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedürfte. Wie oben bereits
ausgeführt, steht diese von dem Kläger bevorzugte Auslegung der Vorschrift nicht im
Einklang mit deren Wortlaut.
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3. Die von dem Kläger (sinngemäß) gerügte Verletzung des rechtlichen Gehörs durch
Nichtgewährung von Akteneinsicht in noch beizuziehende Akten führt nicht zur
Zulassung der Berufung wegen eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
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Der Kläger bewertet zwei (Teil-) Vorgänge als verfahrensfehlerhaft, nämlich zunächst
die im laufenden gerichtlichen Verfahren entgegen seinem schriftsätzlichen Antrag
unterbliebene Gewährung von Einsicht in die so genannte "unternehmensbezogene
Beschäftigungsakte". Dabei handelt es sich um eine Zusammenstellung von (Personal-)
Unterlagen des Unternehmens Deutsche Telekom AG, die der Prozessbevollmächtigte
der Beklagten in seinem Schriftsatz vom 29. Juni 2000 als "privat" und ausdrücklich
nicht als Personalakte oder Teil der Personalakte der Deutschen Bundespost
bezeichnet hat. Ebenso wenig soll es sich um eine Akte des Vorstandes der Deutschen
Telekom AG als Vertreterin der Bundesrepublik Deutschland gehandelt haben. Diese
Akte ist dem Verwaltungsgericht auf Drängen des damaligen Prozessbevollmächtigten
des Klägers am 29. Juni 2000 vorgelegt und von der Geschäftsstelle als Beiakte 6
vereinnahmt worden. Der Beklagten wurde sie unter dem 14. August 2000
zurückgesandt, ohne dem Kläger bzw. seinem Vertreter zur Einsichtnahme überlassen
worden zu sein. Ein auf diesen Vorgang gestütztes Rügerecht hat der Kläger nicht
bereits durch rügelose Einlassung,
25
vgl. Lang, in: Sodan/Ziekow, VwGO, Stand Januar 2003, § 100 Rn. 52 m.w.N. ,
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verloren. Der Bevollmächtigte des Klägers hat die begehrte Akteneinsicht weiterverfolgt
und in der mündlichen Verhandlung den Antrag gestellt,
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der Beklagten aufzugeben, seine sämtlichen den Kläger betreffenden Akten und
Unterlagen (Personalakten) dem Gericht vorzulegen und ihm zum Zwecke der
Akteneinsicht in seinem Büroraum zur Verfügung zu stellen.
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Wie sich aus der Antragsbegründung ergibt, ist auch hiermit nur die
"unternehmensbezogene Beschäftigungsakte" gemeint, nachdem ihm alle anderen vom
Gericht beigezogenen Akten bereits früher überlassen worden waren.
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Die auf dieses Vorbringen gestützte Rüge greift im Ergebnis nicht durch. Der in Art. 103
Abs. 1 GG verbürgte, für das verwaltungsgerichtliche Verfahren unter anderem in § 108
Abs. 2 VwGO näher ausgestaltete Anspruch auf rechtliches Gehör gibt einem
Prozessbeteiligten das Recht, alles aus seiner Sicht Wesentliche vortragen zu können,
und verpflichtet das Gericht, dieses Vorbringen zur Kenntnis zu nehmen und in seine
Entscheidungserwägungen einzustellen. Auch zu diesem Zweck ist Akteneinsicht zu
gewähren (§ 100 Abs. 1 VwGO), die dem Kläger nach Vereinnahmung der streitigen
Akte als Beiakte grundsätzlich nicht mehr verweigert werden durfte. Wer - wie die
Beklagte - befürchtet, dass durch die Vorlage der Akten durch Art. 12 und 14 GG
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geschützte Geheimnisse offenbart werden, konnte nach der damals geltenden Fassung
des § 99 VwGO eine Entscheidung der obersten Aufsichtsbehörde herbeiführen, über
die nach § 99 Abs. 2 VwGO nach Maßgabe der verfassungsgerichtlich für die Zeit bis
zum 31. Dezember 2001 vorgegebenen Modalitäten durch Beschluss des Vorsitzenden
zu entscheiden gewesen wäre.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Oktober 1999 - 1 BvR 385/90 -, BVerfGE 101, 106;
OVG NRW, Beschluss vom 25. November 1999 - 13 B 1812/99-; NVwZ 2000, 449.
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Dies ist nicht geschehen; vielmehr hat das Gericht die Akte der Beklagten
zurückgereicht und den gestellten Antrag auf Akteneinsicht, hilfsweise auf Entscheidung
nach § 99 Abs. 2 VwGO als gegenstandslos bezeichnet. Ob dies berechtigt oder
verfahrensfehlerhaft gewesen ist, kann im Ergebnis offen bleiben. Denn das Urteil des
Verwaltungsgerichts kann nicht auf diesem etwaigen Verfahrensmangel beruhen,
sodass § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO nicht greift. Dem entsprechend heranzuziehenden §
138 Nr. 3 VwGO ist zwar für einen Fall wie hier zu entnehmen, dass im Falle der zu
Unrecht versagten Akteneinsicht von dem Betroffenen keine Darlegung verlangt werden
kann, was bei Gewährung des rechtlichen Gehörs vorgetragen worden wäre.
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Vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, § 124 Rn. 268 m.w.N.
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Dies bedeutet jedoch nicht, dass jede etwaige Vorenthaltung von Akten schon für sich
einen Verstoß gegen das Gebot der Gewährung des rechtlichen Gehörs enthält.
Vielmehr ist die mögliche Kausalität des Verfahrensmangels für die Entscheidung im
gegebenen Fall im Rahmen einer Einzelwürdigung festzustellen. Insbesondere streitet
hier keine im Allgemeinen etwa aus § 138 Nr. 3 VwGO herleitbare Vermutung für die
Erheblichkeit eines etwaigen Verfahrensverstoßes gegen den Anspruch auf Gewährung
rechtlichen Gehörs durch Gewährung von Akteneinsicht. Denn der Kläger kann im
Ergebnis nicht geltend machen, ihm sei Verfahrensstoff vorenthalten worden, dessen
Kenntnisnahme ihm die Herbeiführung einer anderen als der getroffenen Entscheidung
ermöglicht hätte. Daher scheidet die Zulassung der Berufung hier aus, weil der wie hier
unterstellte Verfahrensfehler hinweggedacht werden kann, ohne dass die Richtigkeit der
Entscheidung des Verwaltungsgerichts in Frage gestellt würde.
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Vgl. zu diesem Gesichtspunkt allgemein: BVerwG, Urteil vom 16. März 1994 - 11 C
48.92 -, NVwZ 1994, 1095; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 20. April 2001 - S 881/00 -,
Juris-Dokument MWRE 105670000.
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Vorliegend kann die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht auf der Versagung der
Akteneinsicht und auch nicht auf der Versagung einer erneuten Beiziehung der an die
Beklagte zurückgesandten Akte beruhen, weil nicht auch nur ansatzweise erkennbar ist,
dass nach erfolgter Akteneinsicht Vortrag des Klägers die Entscheidung des
Verwaltungsgerichts zu seinen Gunsten hätte beeinflussen können. Dahin deutet
bereits, dass die Akten dem Gericht ersichtlich nur kurze Zeit für eine Überprüfung nach
§ 99 VwGO zur Verfügung standen und zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung
ohnehin nicht mehr vorgelegen haben. Das Verwaltungsgericht hat darüber hinaus die
Unerheblichkeit des Akteninhalts in seinem Schreiben vom 23. August 2000 und in
seinem in der mündlichen Verhandlung ergangenen Beschluss zum Ausdruck gebracht,
mit dem der Antrag des Klägers auf erneute Beiziehung abgelehnt worden ist, ohne
dass an der Richtigkeit dieser Einschätzung auch nur der geringste Zweifel besteht.
Letzteres folgt vor allem aus dem Umstand, dass eine Verwertung des in Rede
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stehenden Akteninhalts in der angefochtenen Entscheidung nicht erkennbar ist. Das
Urteil des Verwaltungsgerichts ist vielmehr in allen erheblichen Einzelheiten
nachvollziehbar lediglich auf solche tatsächlichen Umstände gestützt, die der Kläger
oder sein Bevollmächtigter sowie die Beklagte selbst vorgetragen und im Einzelfall
durch beigebrachte Dokumente näher substantiiert haben oder die sich aus dem
beigezogenen, zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vorhandenen
Verwaltungsvorgänge ergeben. Der Sachverhalt, der der Entscheidung zu Grunde
gelegt worden ist, ist in tatsächlicher Hinsicht indes weder streitig noch lückenhaft
gewesen. Vielmehr streiten die Beteiligten allein um die rechtliche Bewertung eines in
sämtlichen Einzelheiten feststehenden Sachverhalts, von dessen Bestehen der Kläger
durch Akteneinsicht sich umfassend überzeugen konnte. Für das Verwaltungsgericht
musste sich deswegen nach im Übrigen allein seiner insoweit maßgebenden
Rechtsauffassung auch nicht aufdrängen, im Rahmen der Amtsermittlungspflicht (§ 86
Abs. 1 VwGO) zur Aufklärung bestimmter tatsächlicher Umstände weiter tätig zu werden.
Sind demnach aber die in Rede stehenden Akten nicht zum Gegenstand des Verfahrens
gemacht worden,
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vgl. hierzu allgemein BVerfG, Beschluss vom 02. März 1993 - 2 BvR 2075/92 -, NVwZ
1993, 769,
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und hat deswegen das Verwaltungsgericht auch nicht etwa ihm bekannte, dem Kläger
aber verschlossene Sachverhalte zu dessen Nachteil verwertet,
39
vgl. hierzu allgemein BVerfG, Beschluss vom 13. September 1993 - 2 BvR 1666 und
1667/93 - , NVwZ 1994, 54,
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so kann die getroffene Entscheidung nicht auf der - im Zeitpunkt der Vorlage der in Rede
stehenden Akte eventuell zu Unrecht - verweigerten Akteneinsicht beruhen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertentscheidung folgt
aus den §§ 13 Abs. 1 Satz 1, 14 Abs. 1 und 3, 73 Abs. 1 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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