Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 19.05.2004

OVG NRW: treu und glauben, absicht, gespräch, zustand, verweigerung, doppelbelastung, trennung, delegation, aufgabenbereich, mitbestimmungsrecht

Oberverwaltungsgericht NRW, 1 A 4557/02.PVL
Datum:
19.05.2004
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
Fachsenat für Landespersonalvertretungssachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
1 A 4557/02.PVL
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Aachen, 16 K 575/02.PVL
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird geändert.
Es wird festgestellt, dass die Maßnahme, den Beschäftigten X. T. mit
sofortiger Wirkung als Lagerverwalter unter Beibehaltung der
arbeitsvertraglichen Bedingungen weiter zu beschäftigen, nicht gemäß §
66 Abs. 3 Satz 4 LPVG NRW als gebilligt gilt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
G r ü n d e
1
I.
2
Der Beschäftigte X. T. war als Fahrdienstkoordinator in der Abteilung Produktion tätig.
Mit Schreiben vom 14. August 2001 bewarb er sich um die in der Dienststelle
ausgeschriebene Stelle "Lagerverwalter/Lagerleiter".
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Unter dem 21. November 2001 bat der Beteiligte den Antragsteller um Zustimmung zur
Weiterbeschäftigung des Beschäftigten T. als Lagerverwalter unter Beibehaltung der
arbeitsvertraglichen Bedingungen. Am gleichen Tag erklärte der Antragsteller, er
erwarte zunächst die Entbindung des Beschäftigten T. vom Amt des
Fahrdienstkoordinators, da beide Aufgaben nicht zusammen wahrgenommen werden
könnten und der Beschäftigte dies auch nicht wolle. Der Beteiligte erklärte daraufhin mit
Schreiben vom 28. November 2001, eine Koppelung der Tätigkeiten sei nicht
beabsichtigt; die Koordination des Fahrdienstes solle nach der Umsetzung des
Beschäftigten T. vorübergehend von dem Beschäftigten C. ausgeübt werden. Dagegen
wandte der Antragsteller ein, der Beschäftigte C. werde durch die Wahrnehmung dieser
zusätzlichen Aufgabe überfordert mit der Folge, dass es zu einer Delegation auf ihn
nachgeordnete Beschäftigte komme.
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Am 5. Dezember 2001 teilte der Antragsteller seine Absicht mit, der Maßnahme nicht
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zustimmen zu wollen, und führte zur Begründung u. a. an: Dem Beschäftigten T. müsste
zunächst die Tätigkeit der Fahrdienstkoordination förmlich und auch in der Praxis
entzogen werden. Derzeit nehme er die Aufgaben der Fahrdienstkoordination und der
Lagerleitung gemeinsam wahr. Deshalb müsse es zu einer zeitgleichen Besetzung der
beiden Stellen kommen.
Am 11. Januar 2002 wurde die Angelegenheit zwischen den Beteiligten erörtert, ohne
dass eine Einigung erzielt werden konnte.
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Unter dem 23. Januar 2002 verlängerte der Beteiligte die Frist für die Beschlussfassung
des Antragstellers um eine Woche und erklärte dabei, es stehe fest, dass der
Beschäftigte T. künftig nicht mehr für die Fahrdienstkoordination zuständig sein solle;
bereits jetzt werde diese Tätigkeit von dem Beschäftigten C. ausgeübt. Am gleichen Tag
erklärte der Antragsteller, wenn es nicht zu einer Trennung zwischen der
Fahrdienstkoordination und der Lagerverwaltung komme, sei seine Ablehnung
vorprogrammiert; der Beschäftigte T. habe vor zwei Tagen noch erklärt, der Beschäftigte
C. habe die Fahrdienstkoordination nach wie vor auf ihn delegiert.
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Am 30. Januar 2002 beschloss der Antragsteller, der beabsichtigten Maßnahme nicht
zuzustimmen. Zur Begründung führte er an:
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"a) Eine saubere Trennung von Fahrdienstkoordination zu Lagerwesen ist bis dato nicht
erfolgt, so dass Herr T. im Rahmen des Delegationsprinzipes nach wie vor Lagerwesen
und Fahrdienstkoordination - wie er heute noch einmal ausdrücklich den Herren N. und
F. bestätigte - gemeinsam macht, was bei ihm zu Stress-Symptomen führt, die 1. ein
hundertprozentiges Arbeiten nicht gewährleisten und 2. Herrn T. krank machen. Es wäre
verantwortungslos, diesen Zustand durch Zustimmung zur Bestallung noch zu
Zementieren!
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b) Herr C1. hat sich ausdrücklich für den Fahrdienstkoordinationsdienst ausgesprochen.
Hier steht keine 'Rückzieher' zu erwarten an, wie dies bei den Herren D. und W. nach
Gesprächen unter 'VIER AUGEN' zwischen diesen und Frau I. der Fall war.
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c) Herr T. kann derzeit die Lagerhaltung nicht umfassend ausführen, da er immer wieder
mit der Fahrdienstkoordination befasst wird. Im Nachgang wird dann über Herrn T.
geschimpft, nur am unguten Zustand wird seitens der Dienststellenleitung NICHTS
geändert."
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Auf eine Anfrage des Antragstellers hin teilte der Beteiligte unter dem 6. März 2002 mit,
dem Beschäftigten T. werde nunmehr die Tätigkeit der Lagerverwaltung übertragen, da
die Maßnahme als vom Antragsteller gebilligt anzusehen sei. Der Antragsteller habe
seine Ablehnung lediglich damit begründet, dass die Fahrdienstkoordination noch nicht
abschließend geregelt und der Beschäftigte T. dadurch doppelt belastet sei. Ihm sei
ausdrücklich mitgeteilt worden, dass der Einsatz des Beschäftigten T. als Lagerleiter
von der Fahrdienstkoordinierung unabhängig sei, da dieser künftig nicht mehr für die
Fahrdienstkoordination zuständig sein solle. Der Antragsteller habe deshalb seine
Ablehnung mit einer falschen Sachverhaltsdarstellung begründet.
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Am 22. März 2002 hat der Antragsteller das vorliegende Beschlussverfahren eingeleitet.
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Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Fachkammer für
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Landespersonalvertretungssachen des Verwaltungsgerichts den Antrag,
festzustellen, dass die Maßnahme, den Beschäftigten X. T. mit sofortiger Wirkung als
Lagerverwalter unter Beibehaltung der arbeitsvertraglichen Bedingungen weiter zu
beschäftigen, nicht gemäß § 66 Abs. 3 Satz 4 LPVG NRW als gebilligt gilt,
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mit im Wesentlichen folgender Begründung abgelehnt: Der Antrag sei unbegründet, da
die inzwischen erfolgte und als Umsetzung nach § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 LPVG NRW
mitbestimmungspflichtige Übertragung der Aufgaben eines Lagerverwalters auf den
Beschäftigten T. gemäß § 66 Abs. 3 Satz 4 LPVG NRW als gebilligt gelte. Mit der
Begründung der Zustimmungsverweigerung habe sich der Antragsteller ausschließlich
gegen eine angebliche Doppelbelastung des Beschäftigten T. gewendet, die diesen
überfordere. Der Antragsteller habe nicht die Absicht des Beteiligten verneint, dem
Beschäftigten T. das neue Aufgabengebiet zu übertragen und dieses zum
Hauptbestandteil seiner Beschäftigung zu machen. Unter dem Stichwort
"Überforderung" habe der Antragsteller lediglich Argumente vorgetragen, die der
Mitbestimmung entzogen seien, weil sie den Kern des Organisationsrechts des
Dienststellenleiters träfen, nämlich in welche Art und mit welchem Ausmaß er die
Beschäftigten belaste. Welche Leistungsqualität und -quantität der Dienststellenleiter
von den Beschäftigten abfordere, sei indes nicht mitbestimmungspflichtig. Vorliegend
komme hinzu, dass der Beteiligte ausdrücklich seine Absicht erklärt habe, die Aufgaben
des Fahrdienstkoordinators nicht bei dem Beschäftigten C. zu belassen, sondern auf
eine dritte Person zu übertragen. Spätestens dann sei auch eine - befristete -
Rückübertragung der Aufgaben durch den Beschäftigten C. auf den Beschäftigten T.
gegenstandslos. Ob der Beschäftigte tatsächlich noch zusätzlich und
schwerpunktmäßig mit seinen früheren Aufgaben als Fahrdienstkoordinator betraut sei,
sei für die vom Antragsteller allein zur Entscheidung gestellte Frage, ob die
Billigungsfunktion des § 66 Abs. 3 Satz 4 LPVG NRW eingreife, ohne Bedeutung. Sollte
die diesbezügliche Behauptung des Antragstellers zutreffen, wäre - je nach dem
Umfang der Tätigkeit als Fahrdienstkoordinator - von einer erneuten Umsetzung des
Beschäftigten T. auszugehen, die ohne die notwendige Zustimmung des Antragstellers
erfolgt wäre.
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Gegen den den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers am 14. November 2002
zugestellten Beschluss haben diese am 12. Dezember 2002 Beschwerde eingelegt und
diese am 19. Dezember 2002 begründet.
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Zur Begründung der Beschwerde führt der Antragsteller an: Es sei Fakt, dass der
Beschäftigte T. durchgängig zusätzlich und schwerpunktmäßig mit seinen früheren
Aufgaben als Fahrdienstkoordinator und zusätzlich mit der neuen Aufgabe betraut
gewesen sei. Die zur Begründung der Zustimmungsverweigerung vorgetragenen
Argumente, nämlich die Überlastung des betroffenen Arbeitnehmers, daraus
resultierende Schlecht- oder Fehlleistungen, damit verbundene Gefährdungen der
übrigen Arbeitnehmer und die Störung des Gesamtarbeitsablaufs in der Dienststelle,
müssten im Rahmen des Mitbestimmungstatbestandes der Umsetzung Beachtung
finden. Der Beteiligte habe nicht nur eine Weiterbeschäftigung vorgehabt, wie sie in dem
Zustimmungsantrag beschrieben worden sei, sondern habe darüber hinaus den
Beschäftigten T. mit weiteren Aufgaben belastet. Auch heute noch nehme der
Beschäftigte T. Aufgaben der Fahrdienstkoordination wahr.
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Der Antragsteller beantragt,
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den angefochtenen Beschluss zu ändern und dem erstinstanzlichen Antrag zu
entsprechen.
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Der Beteiligte beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Zur Begründung führt er aus: Die Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen
habe zu Recht eine Billigungsfiktion angenommen. Gegenstand des
Mitbestimmungsverfahrens sei allein die Frage der Weiterbeschäftigung des
Beschäftigten T. als Lagerleiter gewesen. Nur mit dieser Frage habe sich der
Antragsteller bei der Entscheidung über seine Zustimmung zu befassen gehabt. Zur
Begründung seiner Zustimmungsverweigerung habe der Antragsteller den nicht
zutreffenden bzw. längst ausgeräumten Sachverhalt unterbreitet, dass der Beschäftigte
T. einer Doppelbelastung unterliege, weil er zusätzlich noch mit der
Fahrdienstkoordination befasst sei. Da die Zustimmungsbegründung an einen
unzutreffenden Sachverhalt anküpfe, aus dem dann unzulässigerweise Schlüsse auf
eine übermäßige Belastung des Beschäftigten T. gezogen worden seien, fehle es der
Begründung für die Zustimmungsverweigerung an einem Bezug zu der zur
Mitbestimmung gestellten Frage einer Beschäftigung des Beschäftigten T. als
Lagerleiter. Von einer "Angabe der Gründe" i.S.v. § 66 Abs. 3 Satz 4 LPVG NRW könne
keine Rede sein, wenn der Personalrat sich nicht mit der konkreten Maßnahme
auseinandersetze, sondern einen irgendwie gearteten und dazu noch unrichtigen
Sachverhalt vortrage, aus dem eine irgendwie geartete Berührung der Belange anderer
Beschäftigter hervorgehe, welche mittelbar von der konkreten Umsetzung betroffen sein
könnten.
23
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beteiligten (zwei Bände)
Bezug genommen.
24
II.
25
Die fristgerecht erhobene und rechtzeitig begründete Beschwerde ist zulässig und hat
auch in der Sache Erfolg.
26
Der zulässige Antrag ist begründet.
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Die Weiterbeschäftigung des Beschäftigten X. T. als Lagerverwalter, die nach § 72 Abs.
1 Satz 1 Nr. 5 - 2. Mitbestimmungstatbestand - LPVG NRW als Umsetzung eine
mitbestimmungspflichtige Personalmaßnahme darstellt, gilt nicht gemäß § 66 Abs. 3
Satz 4 LPVG NRW als vom Antragsteller gebilligt, da dessen
Zustimmungsverweigerung - entgegen der Auffassung des Beteiligten - beachtlich ist.
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Die Weigerung der Personalvertretung, einer vom Dienststellenleiter beabsichtigten
Maßnahme zuzustimmen, ist dann beachtlich, wenn es sich bei den zur Begründung der
Ablehnung geltend gemachten Gründen um solche i.S.v. § 66 Abs. 3 Satz 4 LPVG NRW
handelt. Denn nach der genannten Bestimmung hängt die Beachtlichkeit der für die
Zustimmungsverweigerung gegebenen Begründung nicht allein von ihrer fristgerechten
Anbringung ab. Das Personalvertretungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen kennt
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zwar keine gesetzlich festgelegten Gründe für die Verweigerung der Zustimmung des
Personalrats zu einer mitbestimmungspflichtigen Maßnahme. Nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,
vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27. September 1993 - 6 P 4.93 -, BVerwGE 94, 178 =
Buchholz 251.2 § 79 BlnPersVG Nr. 5 = PersR 1993, 495 = PersV 1994, 508 = ZBR
1993, 370, vom 30. November 1994 - 6 P 11.93 -, BVerwGE 97, 154 = Buchholz 251.2 §
87 BlnPersVG Nr. 3 = DVBl 1995, 204 = DÖV 1995, 284 = NVwZ 1996, 187 = PersR
1995, 130 = PersV 1995, 181 = ZfPR 1995, 44, vom 6. September 1995 - 6 P 41.93 -,
BVerwGE 99, 201 = Buchholz 251.5 § 77 HePersVG Nr. 5 = NVwZ 1997, 76 = RiA
1996, 307 = PersR 1996, 24 = PersV 1996, 265 = ZfPR 1996, 42 = ZTR 1996, 331, und
vom 30. April 2001 - 6 P 9.00 -, IÖD 2001, 175 = PersV 2001, 411 = ZTR 2001, 433 =
ZfPR 2001, 261 = PersR 2001, 382 = Schütz/Maiwald, BeamtR ES/D IV 1 Nr. 128,
30
der sich der Fachsenat angeschlossen hat,
31
vgl. Beschlüsse des Fachsenats vom 26. Februar 1996 - 1 A 4265/92.PVL -, ZfPR 1996,
156 = ZBR 1996, 404, und vom 29. Januar 1997 - 1 A 3150/93.PVL -, NWVBl. 1997, 351
= PersR 1998, 72 = RiA 1997, 254 = Schütz, Beamtenrecht ES/D IV 1 Nr. 90 = ZTR
1997, 335, sowie - aus jüngerer Zeit - Beschlüsse vom 30. Juli 2003 - 1 A 2575/02.PVL -
und vom 6. August 2003 - 1 A 1086/01.PVL -; dazu ferner - mit weiteren Nachweisen -
auch Cecior/ Vallendar/Lechtermann/Klein, Personalvertretungsrecht NRW, § 66 Rn.
170 ff., insb. 190 ff.,
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ist eine derartige Verweigerung aber auch ohne gesetzliche Bestimmung der dafür
zugelassenen Gründe nur beachtlich, wenn die von der Personalvertretung
angegebenen Gründe möglicherweise noch innerhalb der eingeräumten Mitbestimmung
liegen. Ist dies offensichtlich nicht der Fall, fehlt es der gegebenen Begründung an ihrer
Beachtlichkeit mit der Folge, dass sie wie eine nicht gegebene Begründung zur Fiktion
der Billigung der Maßnahme nach § 66 Abs. 3 Satz 4 LPVG NW führt. Dem Personalrat
ist es nicht gestattet, von einer Mitbestimmungsbefugnis ohne inhaltlichen Bezug zu
einem von der Maßnahme berührten gesetzlichen Mitbestimmungstatbestand Gebrauch
zu machen. An einem solchen Bezug mangelt es zum einen, wenn die vom Personalrat
angeführten Gründe sich dem gesetzlichen Mitbestimmungstatbestand, dessen Inhalt
sowie insbesondere dem Sinn und Zweck des gesetzlichen
Mitbestimmungserfordernisses nicht mehr zuordnen lassen. Zum anderen fehlt es an
einem derartigen Bezug aber auch dann, wenn die angeführten Gründe in tatsächlicher
Hinsicht keine hinreichende Verbindung zu der vom Dienststellenleiter zur
Mitbestimmung gestellten Maßnahme aufweisen.
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Vgl. zu diesem Erfordernis Cecior/Vallendar/ Lechtermann/Klein, a.a.O., § 66 Rn. 183 f.,
m.w.N.
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Ist eine Zuordnung in diesem Sinne offensichtlich nicht möglich, so lässt das erkennen,
dass die Personalvertretung keine Regelung auf der Grundlage eines
Mitbestimmungsrechts anstrebt, sondern die Zustimmung ohne einen vom Gesetz
gebilligten Grund verweigert. Ein solches Verhalten wird durch das Recht nicht
geschützt. Es löst deshalb keine Rechtsfolgen aus. Eine derart unbeachtliche
Zustimmungsverweigerung kann insbesondere nicht die Verpflichtung der Dienststelle
begründen, das Einigungsstellenverfahren einzuleiten.
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Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 4. Juni 1993 - 6 P 32.91 -, Buchholz 251.2 § 86
BlnPersVG Nr. 2, vom 27. September 1993 - 6 P 4.93 -, a.a.O., und vom 6. September
1995 - 6 P 41.93 -, a.a.O.; Beschlüsse des Fachsenats vom 26. Februar 1996 - 1 A
4265/92.PVL -, a.a.O., und vom 29. Januar 1997 - 1 A 3150/93.PVL -, a.a.O.
36
Das Merkmal der Offensichtlichkeit stellt sicher, dass sich der Abbruch des
Mitbestimmungsverfahrens durch den Dienststellenleiter trotz rechtzeitiger
formgerechter Zustimmungsverweigerung des Personalrats auf Fälle beschränkt, in
denen der Personalrat seine durch den jeweiligen Mitbestimmungstatbestand
begrenzten Kompetenzen eindeutig überschreitet.
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Vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. April 2001 - 6 P 9.00 -, a.a.O.
38
Hiervon ausgehend sind die vom Antragsteller im Schreiben vom 30. Januar 2002 zur
Begründung seiner Zustimmungsverweigerung angebrachten Gründe beachtlich. Sie
haben einen hinreichenden Bezug sowohl zu dem in Rede stehenden
Mitbestimmungsrecht als auch in tatsächlicher Hinsicht zu der vom Beteiligten zur
Mitbestimmung gestellten Maßnahme.
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Der Antragsteller weist zutreffend darauf hin, dass die durch § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 - 2.
Mitbestimmungstatbestand - LPVG NRW eingeräumte Mitbestimmungsbefugnis nicht
nur dem kollektiven Schutz, sondern gleichermaßen dem Schutz des von der
Umsetzung betroffenen Beschäftigten dient. Der Schutz des Beschäftigten beschränkt
sich nicht nur auf den Bereich individueller Rechtsbeeinträchtigungen, sondern erfasst
auch nicht in Rechtsansprüche zu fassende Belange des Beschäftigten.
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Vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. April 1984 - 6 P 3.83 -, Schütz/Maiwald, BeamtR, ES/A
II 4.3 Nr. 3; Cecior/Vallendar/Lechtermann/Klein, a.a.O., § 72 Rn. 143.
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Zu diesen Belangen gehört namentlich auch der Schutz des Beschäftigten vor einer
Überlastung durch die Tätigkeiten des neuen Arbeitsplatzes.
42
Mit Blick darauf mangelt es der Begründung des Antragstellers für seine
Zustimmungsverweigerung nicht an einem hinreichenden Bezug zu dem maßgeblichen
Mitbestimmungstatbestand, wenn er - wie hier - u. a. die Befürchtung von mit der
Maßnahme verbundenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Beschäftigten T.
geltend gemacht hat, die daraus resultieren, dass es zu einer Überbelastung in dessen
Person kommt.
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Soweit die Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen die Begründung des
Antragstellers für seine Zustimmungsverweigerung mit dem Argument als unbeachtlich
angesehen hat, dass sie allein auf die den Kern des Organisationsrechts des
Dienststellenleiters betreffende und deshalb der Mitbestimmung entzogene Frage
gerichtet sei, in welcher Art und in welchem Ausmaß der Beschäftigte belastet werde,
kann dem nicht gefolgt werden. Mit diesen Ausführungen trägt die Fachkammer für
Landespersonalvertretungssachen dem Umstand nur unzureichend Rechnung, dass
nicht schon allein die Tatsache, dass eine Maßnahme der Mitbestimmung des
Personalrats unterliegt, das Organisationsrecht des Leiters der Dienststelle
beeinträchtigt. Die Möglichkeit einer Beeinträchtigung des Organisationsrechts stellt
sich vielmehr erst im Zusammenhang mit der hier nicht in Rede stehenden Frage der
Reichweite einer Entscheidung der Einigungsstelle.
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Entgegen der Auffassung des Beteiligten weist die Begründung des Antragstellers für
die Zustimmungsverweigerung auch in tatsächlicher Hinsicht einen hinreichenden
Bezug zu der zur Mitbestimmung gestellten Maßnahme auf.
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Welche Maßnahme zur Mitbestimmung des Personalrats gestellt worden ist, bestimmt
sich nach dem Zustimmungsantrag des Leiters der Dienststelle. Mit diesem legt der
Dienststellenleiter fest, zu welcher Angelegenheit der Personalrat beteiligt werden soll.
Dabei ist aber nicht der Wortlaut des Antrags aus der Sicht eines unbeteiligten Dritten
maßgeblich. Vielmehr kommt es allein darauf an, wie der Personalrat als Adressat der
Erklärung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls den Antrag objektiv
verstehen musste (objektiver Empfängerhorizont). Denn auch in
personalvertretungsrechtlichen Sachzusammenhängen ist bei der Auslegung
abgegebener Erklärungen wie auch des Erklärungswerts sonstigen Verhaltens in
Anlehnung an die Vorschriften der §§ 133 und 157 BGB neben dem tatsächlichen
Erklärungswillen maßgeblich zu berücksichtigen, was der (jeweilige)
Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte
verstehen musste.
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Vgl. Beschluss des Fachsenats vom 18. Oktober 2000 - 1 A 4961/98.PVL -, PersR 2001,
158 = PersV 2001, 464 = Schütz/Maiwald, BeamtR ES/D IV 1 Nr. 125.
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Ausgehend davon ist festzustellen, dass aus Sicht des Personalrats die ihm zur
Mitbestimmung vorgelegte Maßnahme der Übertragung der Tätigkeit des
Lagerverwalters auf den Beschäftigten T. jedenfalls für eine nicht unerhebliche
Übergangszeit mit der zusätzlichen Wahrnehmung von gewichtigen Aufgaben der
Fahrdienstkoordination verbunden war, was zur Folge hat, dass der Antragsteller die
Begründung für seine Zustimmungsverweigerung auch auf diesen Umstand stützen
konnte.
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Zwar sollte der Beschäftigte T. nach den Erklärungen des Beteiligten ausschließlich als
Lagerverwalter tätig sein. Denn in dem Zustimmungsantrag vom 21. November 2001 ist
unter der Überschrift „Art der beabsichtigten Maßnahme" allein von einer
Weiterbeschäftigung des Beschäftigten T. als Lagerverwalter die Rede und kein Anhalt
dafür ersichtlich, dass diese Tätigkeit zusätzlich zu dem bisher wahrgenommenen
Aufgabenbereich ausgeübt werden soll. Im Weiteren hat der Beteiligte in der Zeit nach
der Einleitung des Mitbestimmungsverfahrens erklärt, dass eine gleichzeitige
Wahrnehmung beider Aufgabenbereiche nicht beabsichtigt sei. Denn auf einen
entsprechenden Einwand des Antragstellers hin hat der Beteiligte unter dem 28.
November 2001 und damit noch vor der Erörterung der Angelegenheit ausdrücklich
erklärt, der für die Übertragung auf den Beschäftigten T. vorgesehene Aufgabenbereich
umfasse lediglich Lagertätigkeiten und sei nicht mit der Fahrdienstkoordination
gekoppelt.
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Diese Erklärungen des Beteiligten stellen jedoch nicht in Frage, dass aus der insofern
allein maßgeblichen Sicht des Personalrats zum Zeitpunkt der Entscheidung über den
Zustimmungsantrag hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme vorlagen, der
Beschäftigte T. werde - jedenfalls für eine nicht unerhebliche Übergangszeit - zusätzlich
zu der ihm neu übertragenen Tätigkeit des Lagerverwalters auch weiterhin Aufgaben
der Fahrdienstkoordination wahrnehmen. Diese Einschätzung begründet sich aus
folgenden Umständen:
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Schon vor Abschluss des Mitbestimmungsverfahrens hatte der Beteiligte den
Beschäftigten T. mit den Aufgaben des Lagerverwalters betraut, ohne dass zugleich
eine vollständige Entbindung von den Tätigkeiten der Fahrdienstkoordination erfolgt
war.
51
Dies wird durch die Erkenntnisse belegt, die der Antragsteller im Rahmen seiner
Bemühungen um eine Sachverhaltsaufklärung gewonnen hat: Schon Anfang Dezember
2001 hat der Antragsteller ausweislich seines Schreibens vom 5. Dezember 2001
zusammen mit der Vertrauensperson der Schwerbehinderten festgestellt, dass der
Beschäftigte T. "nach wie vor in Praxis beide Tätigkeiten" ausübt. In einem Gespräch
am 21. Januar 2002 hat der Beschäftigte T. - ausweislich des Schreibens des
Antragstellers vom 23. Januar 2002 - erklärt, aufgrund einer Delegation durch den
Beschäftigten C. nach wie vor die Aufgaben der Fahrdienstkoordination wahrzunehmen.
In einem weiteren Gespräch mit zwei Angehörigen des Antragstellers am 30. Januar
2002 soll der Beschäftigte T. - wie der Antragsteller in der Begründung für seine
Zustimmungsverweigerung dargelegt hat - erneut ausdrücklich bestätigt haben, dass er
"Lagerwesen und Fahrdienstkoordination ... gemeinsam macht".
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Dieses Ergebnis wird nicht durch das am 30. Januar 2002 stattgefundene Gespräch
zwischen den Beschäftigten T. , C. und I. widerlegt. Nach der den Inhalt dieses
Gesprächs wiedergebenden E-Mail der Beschäftigten I. an die stellvertretende
Dienststellenleiterin vom 1. Februar 2002 soll der Beschäftigte T. zwar mitgeteilt haben,
gegenüber den Angehörigen des Antragstellers nicht bestätigt zu haben, "dass er die
Fahrdienstkoordination mache". Gleichzeitig bestätigt die Beschäftigte I. in ihrer E-Mail
aber auch ausdrücklich dass, der Beschäftigte T. sich um Termine, die im
Zusammenhang mit TÜV, Inspektionen etc. stünden kümmere. Daraufhin habe er
Ausarbeitungen wie z.B. eine Checkliste für die Wagenpflege erstellt. Angesichts
dessen kann der genaue Inhalt des Gesprächs des Beschäftigten T. mit den
Angehörigen des Antragstellers dahinstehen. Jedenfalls ist festzustellen, dass der
Beschäftigte T. - auch nach dem Erkenntnisstand der Dienststellenleitung - in einem
relevanten Umfang Aufgaben der Fahrdienstkoordination zu einem Zeitpunkt
wahrgenommen hat, zu dem ihm bereits die Tätigkeiten des Lagerverwalters übertragen
worden waren.
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Der Beteiligte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Wahrnehmung der
Aufgaben der Fahrdienstkoordination vorübergehend auf den Beschäftigten C.
übertragen zu haben. Zwar mag es sein, dass eine solche Übertragung ausgesprochen
worden ist. Aus der allein maßgeblichen Sicht des Antragstellers stellte sich diese
Übertragung aber lediglich als ein rein formeller Akt dar. Denn nach den vom
Antragsteller gewonnenen Erkenntnissen hat der Beschäftigte C. diese Tätigkeiten zu
einem erheblichen Teil nicht selbst wahrgenommen, sondern auf den Beschäftigten T.
delegiert.
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Der Antragsteller musste im Zeitpunkt der Entscheidung über den Zustimmungsantrag
auch davon ausgehen, dass in absehbarer Zukunft keine Veränderung der Situation
eintreten und deshalb der Beschäftigte T. auch weiterhin neben seiner Tätigkeit als
Lagerverwalter in erheblichen Umfang Aufgaben der Fahrdienstkoordination
wahrnehmen werde. Denn die Besetzung der Stelle des Fahrdienstkoordinators war
noch nicht geklärt. Zwar hatte sich der Beteiligte schon um einen Nachfolger für den
Beschäftigten T. bemüht. Diese Bemühungen war aber noch nicht soweit fortgeschritten,
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dass mit einer alsbaldigen Neubesetzung der Stelle hätte gerechnet werden können.
Eine Kostenentscheidung entfällt im personalvertretungsrechtlichen
Beschlussverfahren.
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Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht
vorliegen.
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