Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 04.12.2003

OVG NRW: ex nunc, einreise, härtefall, nichtigkeit, rückwirkung, ausführung, pauschal, staatsangehörigkeit, visum, verwaltungsakt

Oberverwaltungsgericht NRW, 14 A 2989/03
Datum:
04.12.2003
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
14. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
14 A 2989/03
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Minden, 11 K 408/03 (7 K 8893/00 VG Köln)
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens mit Ausnahme
der außergerichtlichen Kosten des beigeladenen Landes, das diese
selbst trägt.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 4.000,-- Euro
festgesetzt.
Gründe:
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Der Antrag hat keinen Erfolg.
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1. Soweit ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung geltend
gemacht werden, ist der Antrag unbegründet.
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Das Verwaltungsgericht hat verneint, dass ein Einbeziehungsbescheid für einen
Abkömmling, der zusammen mit einem Aufnahmebescheid für seine im Zeitpunkt der
Erteilung dieses Aufnahmebescheides bereits verstorbenen Eltern ergangen ist, nichtig
und wirkungslos sei. Er sei vielmehr nur rechtswidrig mit der Folge, dass er bei
Vorliegen der übrigen Voraussetzungen zurückgenommen werden könne.
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a) Zur Begründung ihrer gegen diese Rechtsauffassung gerichteten rechtlichen
Einwände vertritt die Beklagte die Auffassung, der Einbeziehungsbescheid sei
unselbständiger Teil des - hier nichtigen - Aufnahmebescheides und sei nach § 44 Abs.
4 VwVfG ebenfalls nichtig.
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Das Verwaltungsgericht hat mit zutreffender Begründung und unter Verweis auf die
ständige Rechtsprechung des 2. Senats des erkennenden Gerichts darauf hingewiesen,
dass ein wirksamer Aufnahmebescheid zwar Anspruchsvoraussetzung, nicht aber
Wirksamkeitsvoraussetzung eines Einbeziehungsbescheides ist, dieser vielmehr als
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selbstständiger Verwaltungsakt zu qualifizieren ist. Dieser angesichts der eigenen
Rechtsposition, die der Einbeziehungsbescheid dem Einbezogenen verleiht,
zwingenden Rechtsauffassung schließt sich der Senat an. Etwas anderes gilt hier auch
nicht deshalb, weil die Bezugspersonen bereits im Zeitpunkt der Erteilung des
Aufnahmebescheides verstorben waren, während in den vom 2. Senat entschiedenen
Fällen der Aufnahmebescheid zunächst wirksam ergangen, jedoch wegen des Todes
der Bezugsperson vor Erteilung des Einbeziehungsbescheides wirkungslos geworden
war. In beiden Fällen handelt es sich gleichermaßen um eine Einbeziehung in einen
wirkungslosen Aufnahmebescheid, ohne dass es einen rechtlichen Unterschied
machen kann, ob diese bei Erteilung des Einbeziehungsbescheides bestehende
Wirkungslosigkeit von Anfang an bestand oder erst nachträglich mit dem Tode der
Bezugsperson ex nunc eingetreten war.
b) Dass der Einbeziehungsbescheid nach § 44 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG unwirksam sei, weil
er, wie die Beklagte meint, aus tatsächlichen Gründen nicht ausgeführt werden könne,
ist ebenfalls unzutreffend. Zum einen gilt nach der vom Verwaltungsgericht zitierten
Rechtsprechung der Einbeziehungsbescheid nicht nur bei der gemeinsamen Einreise
mit der Bezugsperson. Dass nach den visumsrechtlichen Bestimmungen eine Einreise
vor der Bezugsperson nur mit einem Touristenvisum möglich sein soll, wie die Beklagte
behauptet, ändert daran nichts. Wer einen Aufnahmebescheid oder einen
Einbeziehungsbescheid erhalten hat und mit diesem das Aussiedlungsgebiet verlässt
und in Deutschland einreist - ganz gleich mit welcher die Einreise ermöglichenden
Regelung, etwa Visum, freier Reiseverkehr, deutsche Staatsangehörigkeit - hat das
Aussiedlungsgebiet "im Wege des Aufnahmeverfahrens" (§ 4 Abs. 1 BVFG) verlassen,
nämlich nach Durchführung des Verfahrens nach § 27 BVFG. Dabei kommt es nicht
darauf an, welche der Verfahrensgestaltungen des § 27 BVFG vorliegt.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2000 - 5 C 30.00 -; BVerwGE 115; 10 = DVBl 2002, 279
= DÖV 2002, 250.
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Der erteilte Aufnahmebescheid oder Einbeziehungsbescheid bewirkt, wenn der
Betroffene mit ihm aus dem Aussiedlungsgebiet kommend einreist, vielmehr schlicht,
dass er "im Wege des Aufnahmeverfahrens" gekommen ist. In dieser rechtsgestaltenden
Wirkung erschöpft sich allerdings auch sein Inhalt. Der Vortrag der Beklagten in der
Begründung des Zulassungsantrages, dass Nichtigkeit wegen fehlender Ausführbarkeit
des Einbeziehungsbescheides eintrete, geht deshalb fehl: der Aufnahmebescheid und
auch der Einbeziehungsbescheid enthalten keine Regelung, die "ausgeführt" werden
könnte. Sie vermitteln, wenn die Einreise erfolgte, nachdem das Aufnahmeverfahren
durch Erteilung des Bescheides abgeschlossen ist (oder - im Härtefall - nachträglich mit
Rückwirkung auf den Einreisezeitpunkt ein Aufnahmebescheid erteilt wird), dem
Betroffenen einen Status, nämlich den eines "im Wege des Aufnahmeverfahrens"
Eingereisten; sie sind aber einer "Ausführung" nicht zugängig.
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Diese Überlegungen mögen Zweifel daran begründen, dass die Auffassung des
Verwaltungsgerichts insoweit zutreffend ist, als es nicht nur festgestellt hat, dass der
Einbeziehungsbescheid wirksam ist, sondern darüber hinaus auch, dass der Bescheid
zur "Einreise" in die Bundesrepublik berechtige. Diese Zweifel sind von der Beklagten
jedoch nicht geltend gemacht worden. N ach § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO rechtfertigen
nur dargelegte Gründe eine Zulassung. Die Beklagte hat sich zur Begründung der von
ihr geltend gemachten Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des
Verwaltungsgerichts jedoch allein auf Bedenken zur Wirksamkeit des Bescheides
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gestützt und nicht auch darauf, dass das Verwaltungsgericht bei seiner Feststellung die
Rechtswirkung eines Einbeziehungsbescheides verkannt habe.
2. Soweit die Beklagte mit dem am Ende des Zulassungsantrages stehenden Satz,
"Auch im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der hier aufgeworfenen
Rechtsfragen ist die Berufung nach Auffassung der Beklagten zuzulassen",
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den Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend macht, ist ihr Antrag
mangels einer § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Darlegung unzulässig. Die
Beklagte benennt keine einzelne konkrete Rechtsfrage, der diese Bedeutung
zukommen soll, sondern bezieht sich mit dem zitierten Satz pauschal auf ihr gesamtes
Vorbringen und legt dementsprechend auch nicht dar, aus welchen Gründen einer
solchen Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung zukommen soll.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO, die
Wertfestsetzung auf § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).
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