Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 21.11.2001

OVG NRW: nationalität, gesetzestext, druck, ausstellung, willenserklärung, ausschluss, freiheit, erfüllung, sowjetunion, anhörung

Oberverwaltungsgericht NRW, 2 A 4552/00
Datum:
21.11.2001
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
2. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 A 4552/00
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 24 K 9276/95
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 8.000,-- DM
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
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Die zunächst geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der
Entscheidung des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hinsichtlich des
Hauptantrages liegen nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat insoweit die
Klageabweisung damit begründet, dass die Klägerin keine deutsche Volkszugehörige
sei, weil sie die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BVFG in der bis zum 6.
September 2001 geltenden Fassung nicht erfülle. Bei Ausstellung ihres ersten
Inlandspasses im Alter von 16 Jahren im Jahre 1983 habe die Klägerin ein Bekenntnis
zur russischen Nationalität abgegeben, da sie sich - wenn auch möglicherweise auf
Anraten der Bediensteten der Passbehörde - freiwillig für die russische Nationalität ihrer
Mutter entschieden habe. Von dieser Erklärung sei die Klägerin zu 1) bei der Änderung
der Nationalität im Jahre 1992 nicht wirksam abgerückt, da diese Erklärung im zeitlichen
Zusammenhang mit dem Aufnahmeverfahren gestanden habe.
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Demgegenüber wird im Zulassungsantrag ausgeführt, zwar habe die Klägerin bei ihrer
Anhörung in der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Almaty angegeben, die
Behördenvertreter hätten ihr geraten, "lieber die russische Nationalität der Mutter
einzutragen." Dies sei aber offensichtlich erst geschehen, nachdem die Klägerin ihren
gegenteiligen Wunsch zum Ausdruck gebracht habe. Damit habe sie aber eine
Erklärung zur deutschen Nationalität abgegeben, die durch die Unterzeichnung der
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Forma Nr. 1, in die sie die russische Nationalität eingetragen habe, nicht widerrufen
worden sei.
Selbst wenn die Klägerin tatsächlich zunächst gegenüber den Bediensteten des
Passamtes geäußert haben sollte, sie wolle die deutsche Nationalität wählen, bevor sie
in die Forma Nr. 1 die russische Nationalität eintrug, läge darin keine wirksame
Erklärung zur deutschen Nationalität. Denn als Bekenntnis gemäß der ersten Alternative
des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BVFG a.F. gilt nur eine nach dem Recht des
Herkunftsstaates vorgesehene Erklärung zu einem bestimmten Volkstum, die nach dem
Recht der früheren Sowjetunion passrechtlich zwingend mittels unterschriebenen
Formularantrages (Forma Nr. 1) gegenüber der Passbehörde abzugeben war.
Äußerungen gegenüber anderen staatlichen oder privaten Stellen waren nicht nur
passrechtlich sondern auch in aller Regel unter dem Gesichtspunkt, ob sich in ihnen ein
anderes Volkstum niederschlug, irrelevant. Abweichende Äußerungen im Vorfeld
können deshalb grundsätzlich nur als Ausdruck von Entscheidungsunsicherheit oder
schwankendem Volkstumbewusstsein verstanden werden.
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Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. September 2001 - 5 B 17.01 -.
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Auch die Ausführungen, das Urteil leide an einem Verfahrensmangel ( § 124 Abs. 2 Nr.
5 VwGO ), weil das Verwaltungsgericht den in der mündlichen Verhandlung hilfsweise
angebotenen Beweis nicht erhoben habe, haben keinen Erfolg. Denn der Antrag zum
Beweis der Tatsache, dass die Klägerin bei der Ausstellung ihres Inlandspasses
gegenüber der Passbehörde "ursprünglich den Wunsch nach Eintragung der deutschen
Nationalität äußerte und erst dann davon Abstand nahm, nachdem sie von den
anwesenden Behördenvertretern mit subtilen Mitteln - Hinweis auf Ausbildungschancen
- massiv unter Druck gesetzt wurde", konnte vom Verwaltungsgericht zumindest als
wahr unterstellt werden. Denn auch massiver Druck wäre nicht geeignet gewesen
anzunehmen, dass die Erklärung der Klägerin zur russischen Nationalität dieser nicht
zuzurechnen ist. Selbst eine unter Druck abgegebene Willenserklärung stellt nämlich
ein Bekenntnis zum jeweiligen Volkstum dar. Von einem nicht freiwilligen Bekenntnis zu
einem nichtdeutschen Volkstum kann nur bei völligem Ausschluss der Freiheit der
Willensentscheidung ausgegangen werden.
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Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. September 2001 - 2 B 17.01 -, unter Bezugnahme auf
BVerwG, Beschluss vom 13. Juni 1995 - 9 C 392.94 -.
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Auch die hinsichtlich des Hilfsantrages geäußerten ernstlichen Bedenken an der
Richtigkeit der Entscheidung bestehen nicht. Insoweit wird ausgeführt: "Der
Gesetzestext geht eindeutig nicht von dem Aufnahmebescheid aus, der nur einen
vorläufigen Spätaussiedlerstatus fixiert und den endgültigen Statuserwerb dem
Verfahren gem. § 15 BVFG zuweist, denn in diesem Falle müßte der Gesetzestext von
der "vorläufigen Erfüllung der Voraussetzungen des Spätaussiedlerstatuses" ausgehen.
Der Gesetzestext erfordert aber eindeutig das endgültige Vorliegen der
Voraussetzungen der Spätaussiedlereigenschaft." Diese Ausführungen gehen sowohl
am Urteil des Verwaltungsgerichts als auch am Gesetzestext völlig vorbei.
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Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 124 a Abs. 2 Satz 2 VwGO).
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 1, 162 Abs. 3 VwGO, 100
Abs. 1 ZPO.
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Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß §§ 13 Abs. 1, 14 Abs. 1 und 3 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG). Das
Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 124 a Abs. 2 Satz 3 VwGO).
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