Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 29.01.2004

OVG NRW: tarif, wettbewerber, abschlag, genehmigung, rechtsverletzung, lokal, unterdeckung, verfügung, kritik, transit

Oberverwaltungsgericht NRW, 13 B 2623/03
Datum:
29.01.2004
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 B 2623/03
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 1 L 2579/03
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird geändert.
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen einschließlich der
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt die Antragstellerin.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 50.000 EUR
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Die zulässigen Beschwerden sind begründet.
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Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung
der Klage 1 K 6094/03 VG Köln zu Unrecht stattgegeben. Der Antrag ist abzulehnen.
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Zwar ist der Antrag zulässig. Die Antragstellerin ist insbesondere antragsbefugt, weil sie
sich auf eine Verletzung des § 24 Abs. 2 Nr. 2 TKG beruft, der nach dem Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Oktober 2002 - 6 C 8.01 - im Rahmen der
Entgeltgenehmigung das Interesse der Wettbewerber des regulierten Unternehmens
schützt, eine solche Rechtsverletzung möglich ist und sie zum Kreis der Wettbewerber
der Beigeladenen auf dem hier relevanten Markt zählt.
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Die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung fällt
jedoch zu Lasten der Antragstellerin aus, weil die mit Bescheid der
Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post vom 2. September 2003 - BK 2a
03/012 - erteilte Genehmigung des Tarifs AktivPlus xxl (neu) bei der in der vorliegenden
Verfahrensart nur möglichen Prüfungsdichte mit großer Wahrscheinlichkeit einer
Überprüfung im Hauptsacheverfahren standhalten wird und es deshalb bei der
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sofortigen Vollziehbarkeit nach § 80 Abs. 2 TKG verbleibt.
Einen Grund für die Versagung der von der Beigeladenen beantragten Genehmigung für
das Entgelt AktivPlus xxl (neu) gibt es für den Senat gegenwärtig nicht. Dieser Tarif
sieht gegen ein Überlassungsentgelt von 7,94 EUR eine Flatrate an Sonn- und
Feiertagen und Samstagen und im Übrigen nutzungsdauertarifierte City- und
Deutschlandverbindungen nach dem Tarif AktivPlus vor. Dass das Flatrate-Element
oder das nutzungsdauertarifierte Element des Tarifs AktivPlus xxl (neu) gegen den
Maßstab des § 24 Abs. 2 Nr. 2 TKG - nur diese Verbotsvorschrift hat Wettbewerber
schützende Wirkung und kommt für eine Rechtsverletzung der Antragstellerin in
Betracht - verstößt, ist nicht feststellbar.
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Der außerhalb der Flatrate berechnete Tarif AktivPlus ist durch bestandskräftigen
Bescheid der Regulierungsbehörde vom 11. April 2003 - BK 2a 03/002 - genehmigt.
Bereits hieraus folgt, dass nicht von einem gegen § 24 Abs. 2 Nr. 2 TKG verstoßenden
Abschlag ausgegangen werden kann, jedenfalls soweit ein solcher Abschlag nicht
offensichtlich ist. Letzteres ist der Fall. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene haben
nachvollziehbar dargelegt, dass die Dumpingpreisuntergrenze unter Anwendung der
nicht zu beanstandenden IC+25%-Regel bei 2,15 Ct./Min. (Kosten für Zuführung und
Terminierung nach Lokal-Tarif bzw. Double Transit-Tarif: 1,72 Ct/Min. zzgl. 0,43 Ct/Min.)
liegt, während der AktivPlus-Tarif Verbindungsentgelte von 3,2 bis 4,5 Ct./Min. vorsieht.
Diese zwischen der Dumpingpreisgrenze und dem im Price-cap-Verfahren entwickelten
Standard-Verbindungsentgelt von 4,58 Ct./Min. liegenden Entgelte sind kostendeckend
und werden nicht mit einem Teil des Überlassungsentgelts (4,36 EUR/Mon.)
querfinanziert. Dasselbe gilt für die Verbindungsentgelte mit Blick auf das
Überlassungsentgelt von 7,94 EUR/Mon. für den Tarif AktivPlus xxl (neu). Soweit
Wettbewerber der Beigeladenen die IC+25%-Regel angreifen, ist diese Kritik nicht
nachvollziehbar. Im Verfahren BK 2a 03/002 ist die Anwendung dieser Regel von den
Wettbewerbern nicht verwaltungsgerichtlich angegriffen worden; vielmehr haben sie den
Beschluss vom 11. April 2003 bestandskräftig werden lassen. Im Übrigen kann davon
ausgegangen werden, dass die Wettbewerber nach Ende der Markteintrittsphase
Kostensenkungspotentiale wie die Beigeladene ausnutzen und mit der
Nebenkostenpauschale (25%) auch bei gesunkenen Interconnectionentgelten (IC)
auskommen. Der Anschlusskostenbeitrag trifft die Wettbewerber effektiv nur wenige
Monate der Tariflaufzeit und ist vernachlässigbar. Mit der obigen Feststellung entfällt
zugleich die Prämisse für die Annahme des Verwaltungsgerichts, das
Überlassungsentgelt für den Tarif AktivPlus xxl (neu) verstoße gegen § 24 Abs. 2 Nr. 2
TKG, das nach der Flatrate berechnete Verbindungsentgelt des Tarifs AktivPlus sei
nicht kostendeckend und müsse mit dem Überlassungsentgelt querfinanziert sein, so
dass für die Flatrate des Tarifs AktivPlus xxl (neu) nur ein um das Überlassungsentgelt
des Tarifs AktivPlus reduzierter, dann nicht mehr kostendeckender Preis, also ein
verbotswidriger Dumpingpreis verbleibe. Unabhängig hiervon erweist sich die
Ausgangsüberlegung des Verwaltungsgerichts auch deshalb als bedenklich, weil das
Verwaltungsgericht annimmt, Kunden würden möglichst die Flatrate nutzen, aber keine
oder jedenfalls nur wenig Leistungen im nutzungsdauerabhängigen Tarif nachfragen.
Dann läge nämlich im nutzungsdauertarifierten Bereich keine oder nur eine geringe
Unterdeckung vor, so dass eine Finanzierung durch das Überlassungsentgelt nicht oder
allenfalls nur in geringem Umfang erforderlich wäre und das Überlassungsentgelt ganz
oder nahezu ganz zur Deckung der Flatrate zur Verfügung stünde.
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Es spricht gegenwärtig zumindest Überwiegendes dafür, dass das somit voll zur
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Deckung der Flatrate heranzuziehende Überlassungsentgelt von 7,94 EUR/Mon. für den
Tarif AktivPlus xxl (neu) ebenfalls kein gegen § 24 Abs. 2 Nr. 2 TKG verstoßender
Dumpingbetrag ist. Zwar liegen insoweit die von der Beigeladenen der Antragsgegnerin
vorgelegten Berechnungsunterlagen dem Senat nicht vor, weil sie Betriebs- und
Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen enthalten. Die Antragsgegnerin hat jedoch
glaubhaft vorgetragen, dass nach ihrer Plausibilitätsprüfung das Angebot selbst dann
noch kostendeckend ist, wenn das Nutzungsverhalten eines AktivPlus xxl (neu)-Kunden
um ca 46% höher läge als bei einem bisherigen AktivPlus xxl-Kunden. Auch dem Senat
leuchtet ein, dass die neue Flatrate allenfalls zu einer Verlagerung, nicht aber zu einer
wesentlichen Erhöhung - und zwar nahezu Verdoppelung - des Nutzungsverhaltens der
Kunden führen wird bzw. inzwischen geführt hat. Die Richtigkeit des Rechenvorgangs
der Beschlusskammer steht außer Zweifel.
Ein Verstoß gegen andere Rechtsvorschriften im Sinne des § 27 Abs. 3 TKG, als
welche hier nur §§ 19 Abs. 4 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB in Betracht kommen, ist bei
überschlägiger Betrachtung nicht feststellbar. Dabei berücksichtigt der Senat auch, dass
ein Rabattsystem wie das des Tarifs AktivPlus xxl (neu) heute branchenüblich ist und
nicht als missbräuchlich angesehen wird und dass auch Wettbewerber der
Beigeladenen zu ähnlichen Rabatten in der Lage sind oder sein müssten sowie ein
Wettbewerb allgemein nicht verhindert wird.
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