Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 27.11.2007

OVG NRW: zwangslage, sowjetunion, begriff, klagebegehren, erlass, nationalität, staatsangehörigkeit, auflösung, datum, tod

Oberverwaltungsgericht NRW, 12 A 1188/06
Datum:
27.11.2007
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
12. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
12 A 1188/06
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 6 K 7992/04
Tenor:
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000 EUR
festgesetzt.
G r ü n d e :
1
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.
2
Soweit mit dem Zulassungsvorbringen ernstliche Zweifel i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO
geltend gemacht werden sollen, sind die diesbezüglichen Darlegungen nicht geeignet,
derartige Zweifel zu begründen. Das Vorbringen stellt die entscheidungstragende
Annahme des Verwaltungsgerichts, die Erteilung eines Aufnahmebescheides nach § 27
Abs. 1 Satz 1 BVFG in der im vorliegenden Fall anwendbaren Fassung setze voraus,
dass die Klägerin die materiell-rechtlichen Voraussetzungen als Spätaussiedlerin
erfüllen müsse, sie also nachzuweisen habe, dass sie i.S.d. § 4 i.V.m. § 6 BVFG
deutsche Volkszugehörige sei, nicht in Frage zu stellen. Diese Rechtsprechung
entspricht der vom Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil in Bezug
genommenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des
beschließenden Gerichts.
3
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. August 2004 - 5 B 72.04 -, Juris; Beschluss vom 2.
November 1999 - 5 B 17.99 -, Juris; OVG NRW, Beschluss vom 19. April 2005 - 2 A
2380/04 -.
4
Nach der genannten Rechtsprechung sind ausschließlich die oben genannten
Voraussetzungen (§§ 4, 6 BVFG) zu prüfen. Ob die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Nr.
5
2 BVFG erfüllt werden, ist für die Erteilung eines Aufnahmebescheides i.S.d. § 27 Abs. 1
Satz 1 BVFG unbeachtlich.
Auch die weitere Annahme des Verwaltungsgerichts, es fehle für die Annahme der
deutschen Volkszugehörigkeit der Klägerin an einem durchgehenden Bekenntnis nur
zum deutschen Volkstum, weil konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin nach
dem Ende der Gefährdungslage (§ 6 Abs. 5 Satz 2 BVFG), d. h. spätestens ab Mitte der
Sechziger Jahre, ein der Nationalitätserklärung vergleichbares durchgehendes
Bekenntnis nur zum deutschen Volkstum abgegeben habe, nicht festgestellt werden
könnten, wird durch die Zulassungsbegründung nicht erschüttert. Soweit demgegenüber
geltend gemacht wird, die Klägerin habe in der mündlichen Verhandlung ausgesagt, sie
habe versucht, die Nationalität zu ändern, dazu hätte sie jedoch ihre Mutter mitnehmen
müssen, diese sei sehr krank und hätte deshalb nicht mitgehen können, wird hieraus
ersichtlich, dass die Klägerin bis zum Tod ihrer Mutter im Jahr 1996 gerade keine nach
außen wirkenden Aktivitäten entwickelt hat, die gegenüber den zuständigen Behörden
das Begehren hätten erkennen lassen, den Nationalitäteneintrag zu ändern. Damit fehlt
es insbesondere für den Zeitraum nach der Auflösung der Sowjetunion bis zum Jahr
1995 (ab diesem Zeitpunkt sollen die ukrainischen Nationalpässe keinen
Nationalitäteneintrag mehr enthalten) schon im Ansatz an konkreten Anhaltspunkten für
ein Bemühen um die Änderung des Nationalitätseintrags im Inlandspass wie es auch im
Übrigen für diese Zeit nach wie vor schon an der Darlegung eines der
Nationalitätenerklärung vergleichbaren Bekenntnisses der Klägerin nur zum deutschen
Volkstum fehlt.
6
Soweit die Klägerin des weiteren die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124
Abs. 2 Nr. 3 VwGO) geltend macht und hierzu ausführt, die Grundsatzfrage sei offen,
7
"ob von einem deutschen Staatsangehörigen, der eindeutig ein Vertreibungsschicksal
nachgewiesen hat, zusätzlich zur deutschen Staatsangehörigkeit verlangt werden kann,
dass er sich immer und ausschließlich durch Eintragung im Inlandspass des
Feindesstaates (Sowjetunion) zum deutschen Volkstum bekannt hat, um
Vergünstigungen als Vertriebener oder Spätaussiedler nach dem
Bundesvertriebenengesetz in Anspruch zu nehmen",
8
trifft dies nicht zu. Welche Voraussetzungen jemand, der sich auf § 1 Abs. 2 Nr. 2 BVFG
beruft, erfüllen muss, um einen Aufnahmebescheid nach § 27 BVFG zu erlangen, ist in
der Rechtsprechung geklärt. Die geltend gemachte Zwangslage wird bereits in § 27 i. V.
m. § 6 Abs. 2 Satz 5 BVFG berücksichtigt. Soweit eine derartige Zwangslage nicht
(mehr) bestanden hat, ist ein durchgehende Bekenntnis nur zum deutschen Volkstum
nicht nur durch eine entsprechende Nationalitätenerklärung sondern auch auf
vergleichbare Weise möglich gewesen (§ 27 i. V. m. § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG). Nichts
anderes hat das Verwaltungsgericht auch zugrunde gelegt.
9
Soweit schließlich geltend gemacht wird, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht als
streitgegenständlichen Anspruch allein den Anspruch auf Erteilung eines
Aufnahmebescheides nach § 27 Abs. 1 BVFG angesehen und damit - sinngemäß - eine
Verfahrensrüge i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO erhoben wird (Verstoß gegen
10
§ 88 VwGO aufgrund unzutreffender Auslegung des erkennbaren Klagebegehrens),
wird verkannt, dass der Prozessbevollmächtigte im Termin zur mündlichen Verhandlung
ausdrücklich beantragt hat, die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin einen
11
Aufnahmebescheid zu erteilen. Der Begriff des Aufnahmebescheides hat einen in §§ 26
f. BVFG gesetzlich eindeutig definierten Bedeutungsgehalt. Sollte das Klagebegehren
darüber hinaus oder hiervon abweichend auf andere Formen der Aufenthaltsgewährung
abgezielt haben, wäre es Sache des in Vertriebenenverfahren langjährig erfahrenen
Prozessbevollmächtigten gewesen, dies unmissverständlich zum Ausdruck zu bringen.
Beschränkt sich der Prozessbevollmächtigte - wie hier - in einer solchen Situation
lediglich darauf, die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung eines
Aufnahmebescheides zu begehren, dann ist auch nur dieses auf den Erlass eines
Bescheides nach § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG beschränkte Begehren zur gerichtlichen
Entscheidung gestellt worden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung erfolgt
gem. §§ 52 Abs. 1, 47 Abs. 1 und 3 GKG.
12
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1
Satz 5 GKG). Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nunmehr rechtskräftig (§ 124a Abs.
5 Satz 4 VwGO).
13
14