Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 26.09.2008

OVG NRW: werbung, verfügung, verbraucher, einwilligung, rufnummer, auflage, gefahr, empfang, betreibung, geschäftsführer

Oberverwaltungsgericht NRW, 13 B 1398/08
Datum:
26.09.2008
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 B 1398/08
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 1 L 911/08
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des
Verwaltungsgerichts Köln vom 13. August 2008 teilweise geändert.
Der Antrag der Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden
Wirkung des Widerspruchs gegen die Verfügung der Antragsgegnerin
vom 19. Mai 2008 wird insoweit abgelehnt, als die Antragsgegnerin dem
Antragssteller die Betreibung seines Geschäftsmodells mittels
Telefonanrufen untersagt und die Untersagung auf Werbung gegenüber
sonstigen Marktteilnehmern erstreckt hat.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Kosten beider Rechtszüge trägt der Antragsteller zu 4/5 und die
Antragsgegnerin zu 1/5.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 250.000,--
EUR festgesetzt.
Gründe:
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I.
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Der Antragsteller ist Geschäftsführer der Antragsteller in den Verfahren 13 B 1395 bis
1397/08. Diese sind Zuteilungsnehmer und Inhalteanbieter von
Mehrwertdienstenummern, die ihnen von der Bundesnetzagentur zugeteilt worden sind.
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Mit Telefoncomputern ließ der Antragsteller bei Telefonanschlussinhabern - teilweise
mehrfach - anrufen und ihnen über eine automatische Ansage mitteilen, sie hätten einen
Preis gewonnen. Um den Gewinn zu erhalten, sei eine kostenpflichtige
Mehrwertdienstenummer anzurufen. Falls Anrufe nicht (mehr) erwünscht seien, könne
dieses Anliegen - so hieß es weiter - kostenlos telefonisch mitgeteilt werden. Zahlreiche
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Verbraucher beschwerten sich hierüber bei der Bundesnetzagentur, weil sie solchen
Telefonanrufen nicht zugestimmt hätten.
Die Bundesnetzagentur untersagte mit Ziff. 1 des Bescheids vom 19. Mai 2008 dem
Antragsteller, unaufgefordert Werbung an Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer
mittels Telekommunikationsmitteln zu versenden, wenn der Empfänger nicht von
vornherein gesetzeskonform in den Empfang derartiger Anrufe eingewilligt hat. Der
Antragsteller erhob gegen diese Verfügung Widerspruch. Sein Antrag auf Anordnung
der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid hatte vor dem
Verwaltungsgericht Erfolg, weil der verfügende Teil des Untersagungsbescheids nicht
hinreichend bestimmt sei und der Bescheid weder auf andere Markteilnehmer und noch
auf sämtliche Telekommunikationsmittel erstreckt werden dürfe.
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Mit ihrer Beschwerde macht die Antragsgegnerin geltend: Die Untersagung des
Geschäftsmodells sei von § 67 Abs. 1 Satz 1 TKG gedeckt. Der Bestimmtheitsgrundsatz
sei nicht verletzt. Der Antragsteller müsse als Gewerbetreibender die entsprechenden
wettbewerbsrechtlichen Vorschriften kennen und wissen, wann eine "gesetzeskonform"
Einwilligung vorliege. Die Verfügung dürfe gegen den Antragsteller gerichtet werden.
Die Untersagung dürfe ferner auf Werbung gegenüber sonstigen Markteilnehmern
erstreckt werden, weil der Antragsteller bei Praktizierung des Geschäftsmodells
zahlreiche sonstige Marktteilnehmer angerufen habe. Es sei auch erforderlich, die
Verfügung auf sämtliche Telekommunikationsmittel zu erstrecken.
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II.
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Die Beschwerde, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 der
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) im Rahmen der von der Antragsgegnerin
dargelegten Gründe befindet, hat teilweise Erfolg.
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Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag des Antragstellers auf Anordnung der
aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die Ordnungsverfügung der
Antragsgegnerin vom 19. Mai 2008 zu Unrecht in vollem Umfang stattgegeben. Die im
Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gebotene Abwägung zwischen dem Interesse
des Antragstellers, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts bis zur
abschließenden Entscheidung über seine Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben, und
dem öffentlichen Interesse an der möglichst schnellen Durchsetzung der Verfügung fällt
aus der Sicht des Senats zum Nachteil des Antragstellers aus, soweit die
Antragsgegnerin dem Antragssteller die Betreibung seines Geschäftsmodells mittels
Telefonanrufen untersagt und die Untersagung auf Werbung gegenüber sonstigen
Marktteilnehmern erstreckt hat. Das Beschwerdevorbringen der Antragsgegnerin ist in
diesem Umfang geeignet, eine andere Entscheidung zu rechtfertigen.
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Rechtsgrundlage für die Untersagung des Geschäftsmodells mittels Telefonanrufen ist §
67 Abs. 1 Satz 1 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) i. d. F. des Art. 2 Nr. 17 und
35 des Gesetzes zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Vorschriften vom 18.
Februar 2007 (BGBl. I S. 106). Nach dieser Bestimmung kann die Bundesnetzagentur
im Rahmen der Nummernverwaltung Anordnungen und andere geeignete Maßnahmen
treffen, um die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften und der von ihr erteilten
Bedingungen über die Zuteilung von Nummern sicherzustellen. Mit dieser
Generalermächtigung will der Gesetzgeber erreichen, dass die rechtswidrige Nutzung
der Nummern außerhalb der in § 67 Abs. 1 Satz 4 bis 7 TKG speziell geregelten
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Sanktionen ziel- und zweckgerichtet geregelt werden kann.
Die Ordnungsverfügung betrifft eine Anordnung im Rahmen der Nummernverwaltung
und untersagt dem Antragsteller die Praktizierung seines Geschäftsmodells.
Nummernverwaltung ist nicht nur im gesamten technischen und rechtsgeschäftlichen
Umgang mit der Rufnummer gegeben, wie etwa bei der Erbringung eines Dienstes über
eine Rufnummer und der Weitergabe von Rufnummern, sondern auch bei der Werbung
für einen Dienst im Zusammenhang mit der Rufnummer.
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Vgl. Herchenbach-Canarius/Thoma, in: Arndt/Fetzer/Scherer,
Telekommunikationsgesetz, Kommentar, 2008, § 67 Rn. 6.
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Demnach fallen die von dem Antragsteller getätigten Werbeanrufe in den Bereich der
Nummernverwaltung.
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Die von der Bundesnetzagentur gewählten Maßnahmen erfolgten, um die Einhaltung
gesetzlicher Vorschriften sicherzustellen. Der weite Wortlaut von § 67 Abs. 1 Satz 1
TKG ist Ausdruck des gesetzgeberischen Willens, jegliche Verstöße bei der
Nummernnutzung, insbesondere mit Blick auf Verbraucher- und Kundenschutzbelange
zu verfolgen.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25. Juni 2008 - 13 B 668/08 -, DVBl. 2008, 1129;
Gesetzesentwurf der Bundesregierung zu einem Telekommunikationsgesetz, BT-
Drucks. 15/2316 S. 83 sowie Stellungnahme des Bundesrats vom 19. Dezember 2003,
BT- Drucks. 15/2316 S. 119; Büning/Weißenfels, in: Beck'scher TKG-Kommentar, 3.
Auflage, 2006, § 67 Rn. 7.
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Zuwiderhandlungen gegen gesetzliche Bestimmungen, die keinen (unmittelbaren)
telekommunikationsrechtlichen Bezug aufweisen, können daher ein beachtlicher
Verstoß im Rahmen des § 67 Abs. 1 Satz 1 TKG sein. Solche Bestimmungen enthält
insbesondere das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vom 3. Juli 2004
(BGBl. I S. 1414) i. d. F. von Art. 5 des Gesetzes vom 21. Dezember 2006 (BGBl. I S.
3367).
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Hier stehen unzumutbare Belästigungen i. S. v. § 7 UWG und daher unlautere und
unzulässige Wettbewerbshandlungen i. S. v. § 3 UWG im Raum. Dies hat der Senat in
den Verfahren 13 B 1395 bis 1397/08 näher ausgeführt. Zur Vermeidung von
Wiederholungen kann - auch im Hinblick auf die Gewährung rechtlichen Gehörs - auf
die dortige Begründung in den Beschlüssen vom 26. September 2008 verwiesen
werden.
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Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist der angefochtene Bescheid
hinreichend im Sinne § 37 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) bestimmt.
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§ 37 Abs. 1 VwVfG ist den Erfordernissen gewidmet, die an die Rechtsklarheit zu stellen
sind. Dies verlangt, dass der Adressat sein Verhalten danach richten kann, und die
Behörde, die mit dem Vollzug betraut ist oder für deren sonstiges Verwaltungshandeln
der Verwaltungsakt von Bedeutung ist, seinen Inhalt etwaigen
Vollstreckungshandlungen oder sonstigen Entscheidungen zugrunde legen kann.
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Vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 24. März 2000 - 11 TG 3096/99 - NVwZ-RR 2000, 544;
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OVG NRW, Urteil vom 11. Juni 1992 - 20 A 2485/89 -, NVwZ 1993, 1000;
Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Auflage 2008, § 37 Rn. 5 m. w. N.
Die Erkennbarkeit des Inhalts muss sich zwar nicht notwendig aus dem isolierten
Wortlaut der Entscheidungssätze ergeben. Es muss jedoch möglich sein, den Inhalt
hinreichend sicher durch eine Auslegung der Entscheidungssätze im Lichte der Gründe
des Verwaltungsakts zu ermitteln.
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Vgl. Hess. VGH, Urteil vom 22. September 1992 - 11 UE 2954/86 -, NVwZ-RR 1993,
302, 303; OVG NRW, Beschluss vom 22. Januar 2004 - 18 B 38/03 -, NWVBl. 2004,
314.
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Neben den Gründen des Bescheids können auch solche Umstände zur Auslegung der
Regelung des Verwaltungsakts herangezogen werden, die aus seinem gesamten Text
zwar nicht hervorgehen, aber den Beteiligten bekannt oder ohne Weiteres erkennbar
sind. Welche Umstände insoweit in Betracht kommen, kann nur im jeweiligen Einzelfall
geklärt werden.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 15.02.1990 - 4 C 41.87 -, NVwZ 1990, 658, 659.
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Hiervon ausgehend ist Ziff. 1 des Verfügungssatzes im Bescheid vom 19. Mai 2008
hinreichend bestimmt formuliert. Nach Maßgabe des Bescheidtenors hat der
Antragsteller es zu unterlassen, unaufgefordert Werbung an Verbraucher oder sonstige
Marktteilnehmer mittels Telekommunikationsmitteln zu versenden, wenn der Empfänger
nicht von vornherein gesetzeskonform in den Empfang derartiger Anrufe eingewilligt hat.
Der Antragsteller kann sein Verhalten danach richten, weil er erkennen kann, was von
ihm verlangt wird. Abgesehen hiervon hat er sich bislang auch gar nicht auf eine
Unbestimmtheit des Bescheidtenors berufen. Er vertritt vielmehr den Standpunkt, über
entsprechende Einwilligungen der angerufenen Personen zu verfügen. Der Inhalt des
Begriffs der Einwilligung ist in der Rechtspraxis geklärt und auch in der
Umgangssprache ein geläufiger Terminus: Es stellt darauf ab, dass etwas mit Willen
des Betroffenen geschieht und hat zur Folge, dass dem Wollenden kein Unrecht
geschieht (volenti non fit iniuria). Zur weiteren Klarstellung des Inhalts der Regelung mit
Bezug zum Wettbewerbsrecht sind die Bescheidgründe zu berücksichtigen.
Insbesondere auf Seite 4 wird die Einwilligung i. S. d. Gesetzes gegen den unlauteren
Wettbewerb näher beschrieben. Dem Antragsteller sind diese Regeln auch geläufig,
worauf die Antragsgegnerin in der Beschwerdebegründung unter Bezugnahme auf
Schriftsätze der Antragsteller in den Verfahren 13 B 1395 bis 1397/08
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zutreffend hinweist. Dem verwendeten Merkmal "gesetzeskonform" kommt keine
eigenständige Bedeutung zu, sondern ist als bloßer Hinweis auf die Maßgeblichkeit von
rechtlichen Bestimmungen zu werten. Unsicherheiten bei der Befolgung der
Ordnungsverfügung entstehen daher nicht. Dementsprechend hat der Senat in seinem
Beschluss vom 25. Juni 2008 (- 13 B 668/08 -, a. a. O. ) den gleichlautenden
Bescheidtenor stillschweigend als hinreichend bestimmt gewertet. Die vom
Verwaltungsgericht in Bezug genommen Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom
16. November 2006 (- I ZR 191/03 -, DB 2007, 1190) steht dieser Auffassung nicht
entgegen. Dort heißt es - bezogen auf eine nach dem Gesetz gegen den unlauteren
Wettbewerb geforderte Unterlassungserklärung - zwar, Unterlassungsanträge, die
lediglich den Wortlaut des Gesetzes wiederholten, seien grundsätzlich zu unbestimmt.
Anderes gelte etwa dann, wenn der Anwendungsbereich einer Rechtsnorm durch eine
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gefestigte Auslegung geklärt sei. So liegt es aber bei dem Merkmal der Einwilligung.
Vgl. auch OLG Hamm, Urteil vom 15. August 2006 - 4 U 78/06 -, K&R 2006, 524.
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Mit der Verfügung vom 19. Mai 2008 durfte die Bundesnetzagentur ebenfalls die
Versendung unaufgeforderter Werbung mittels Telekommunikationsmittel auch an
sonstige Marktteilnehmer untersagen. Durchgreifende Bedenken gegen die
Erforderlichkeit der Maßnahme bestehen nicht.
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Marktteilnehmer sind alle Personen, die als Anbieter oder Nachfrager von Waren
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oder Dienstleistungen tätig sind. Hierunter fallen also über diese hinaus etwa solche
Abnehmer, die mangels privater Nutzung des erworbenen Gutes nicht als Verbraucher
im Sinne des § 2 Abs. 2 UWG i. V. m. § 13 BGB gelten (z. B. Geschäftsleute, juristische
Personen des öffentlichen Rechts, Verbände und Stiftungen).
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Vgl. Ernst, in: Ullmann jurisPK-UWG, § 2 Rn. 18.
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Der Antragsteller hat in der Vergangenheit mit automatischen Anrufmaschinen
zahlreiche Markteilnehmer anrufen lassen, ohne dass entsprechende
Einwilligungsklärungen vorgelegen haben (z. B. das Einwohnermeldeamt der Stadt A.
sowie diverse Firmen). Hierauf hat die Antragsgegnerin in ihrer Beschwerdebegründung
unter Bezugnahme auf in den Verwaltungsvorgängen enthaltene Beschwerden näher
hingewiesen. Hiervon ausgehend besteht die konkrete Gefahr, dass der Antragsteller
auch in Zukunft unzulässig sonstige Marktteilnehmer bewirbt.
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Die angefochtene Verfügung durfte auch gegen den Antragsteller als Geschäftsführer
der Firmen V. .T. .H. . V1. GmbH, L. .U. . .E. . J. -L1. GmbH und W. .I. .X. W1. GmbH, die
Antragsteller in den Verfahren 13 B 1395 bis 1397/08 sind, gerichtet werden. Auch der
Antragsteller ist richtiger Adressat der Geschäftsmodelluntersagung.
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Die Anordnung nach § 67 Abs. 1 Satz 1 TKG darf gegen den gerichtet werden, der
gegen die gesetzliche Vorschrift i. S. d. des § 67 Abs. 1 Satz 1 TKG verstoßen hat.
Wenn also eine Vorschrift des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb verletzt ist,
ist Störer derjenige, der unlauter i. S. d. § 3 UWG gehandelt hat. Die allgemeinen
Grundsätze der Verhaltens- und Zustandsverantwortlichkeit sind im Geltungsbereich
des § 67 Abs. 1 TKG anwendbar.
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Hierzu ausführlich OVG NRW, Beschluss vom 25. Juni 2008 - 13 B 668/08 -, a. a. O.
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Danach ist der Antragsteller Handlungsstörer, weil er für die Werbemaßnahmen
verantwortlich ist. Dies bedarf keiner weiteren Begründung. Der Antragsteller hat selbst
seine eigene Verantwortlichkeit für das beanstandete Geschäftsmodell in dem
Aussetzungsantrag vom 20. Juni 2008 näher dargestellt.
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Demgegenüber lässt sich derzeit keine hinreichende Gefahr dafür feststellen, dass der
Antragsteller - zum Zwecke der Umgehung der Untersagung von Telefonwerbung - in
Deutschland auch andere Telekommunikationsmittel nutzen wird, um unaufgefordert
Werbung per E-Mail, SMS oder Telefax zu betreiben. Aus diesem Grund scheidet eine
Anwendung des § 67 Abs. 1 Satz 1 TKG aus, obgleich eine Ausdehnung der
Untersagung bei Vorliegen eines hinreichenden gefahrenträchtigen Sachverhalts auf
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die vom Gesetzgeber bewusst weit gefasste Norm gestützt werden kann.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25. Juni 2008 - 13 B 668/08 -, a. a. O.
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Allerdings darf die Bundesnetzagentur im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung nicht
pauschal unterstellen, dass ein Inhalteanbieter von Mehrwertdienstenummern, der
bislang ein bestimmtes Kommunikationsmittel für sein Geschäftsmodell gewählt hatte,
nach dessen Untersagung auf andere Kommunikationsmittel ausweichen werde. Der
Verwaltungsentscheidung muss deshalb zu entnehmen sein, der Gebrauch von
anderen Kommunikationsmitteln sei so wahrscheinlich, dass sich die Untersagung auch
darauf erstrecken darf. Die Gesichtspunkte, die die Untersagung eines
Kommunikationsmittels rechtfertigen, dürfen sich nicht nur spezifisch auf das verwandte
Kommunikationsmittel beziehen. Es muss sich vielmehr um aussagekräftige Mängel bei
der Ausübung des Geschäftsmodells handeln, die in gleicher Weise den prognostischen
Schluss auf eine telekommunikationsrechtlich relevante Gefahr in Bezug auf den
Einsatz anderer Kommunikationsmittel rechtfertigen. Insofern besteht in der Tat - wie die
Antragsgegnerin zu Recht meint - eine Parallele zu den Anforderungen, die an eine auf
§ 35 Abs. 1 Satz 2 der Gewerbeordnung (GewO) gestützte Verfügung zu stellen sind.
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Vgl. hierzu Tettinger/Wank, Gewerbeordnung, Kommentar, 7. Auflage, 2004, § 35 Rn.
147 f. m. w. N.
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Diese Voraussetzungen sind aber bislang nicht gegeben. Es muss zwar nicht ersichtlich
sein, dass es bereits zu einer Werbung für Mehrwertdiensterufnummern durch den
Einsatz anderer Kommunikationsmittel gekommen ist. Für die rechtmäßige
Einbeziehung weiterer Formen elektronischer Kommunikation in die
Untersagungsverfügung muss aber eine gewisse Wahrscheinlichkeit für ein
Ausweichen auf andere Kommunikationsmittel zu erkennen sein. So kann es ggf. etwa
liegen, wenn Anordnungen der Bundesnetzagentur in der Vergangenheit durch
Werbung für neue Rufnummern oder durch Gründung neuer Firmen ins Leere gelaufen
sind.
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Vgl. Verwaltungsgericht Köln, Beschluss vom 29. Juni 2005 - 11 L 765/05 -, MMR 2005,
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So verhält es sich hier aber nicht. Derartiges oder Vergleichbares hat die
Antragsgegnerin nicht mit ihrer Beschwerdebegründung vom 9. September 2008
schlüssig dargetan. Dass der Antragsteller - nach der Darlegung der Bundesnetzagentur
- seine Tätigkeit wegen erlassener Sanktionen von Österreich in die Schweiz verlagert
hat, macht zur Zeit ein Ausweichen des Geschäftsmodells in Deutschland auf andere
Kommunikationsarten noch nicht hinreichend wahrscheinlich.
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Soweit die in Ziff. 1 der Verfügung enthaltene Untersagung rechtmäßig ist, bestehen
keine rechtliche Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der unter Ziffer 2 verfügten
Zwangsgeldandrohung.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO und § 52 Abs. 1, § 53
Abs. 3 Nr. 2, § 47 Abs. 1 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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