Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 15.05.2003

OVG NRW: auflösende bedingung, widerruf, anteil, zuwendung, rückforderung, rechtswidrigkeit, rechtsgrundlage, verwaltungsakt, rückerstattung, dispositionen

Oberverwaltungsgericht NRW, 4 A 992/02
Datum:
15.05.2003
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
4 A 992/02
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Münster, 9 K 2723/98
Tenor:
Der Antrag wird auf Kosten der Klägerin abgelehnt.
Der Streitwert wird auch für das Antragsverfahren auf 64.327,47 EUR
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der auf § 124 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 3 VwGO gestützte Zulassungsantrag hat keinen
Erfolg. Der Senat prüft dabei nur die von der Klägerin bis zum Ablauf der
Begründungsfrist (8. April 2002) dargelegten Gründe (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).
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Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 12. Juni
1998 in der Fassung ihres Widerspruchsbescheides vom 25. August 1998 abgewiesen
und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Mit den Bescheiden würden nicht nur
Fördermittel zurückgefordert, sondern zugleich die in den Jahren 1994 und 1995
ergangenen Bewilligungsbescheide teilweise widerrufen. Der Widerruf finde seine
Rechtsgrundlage in § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwVfG.NRW. Die aus dem Betrieb der
Fachseminare für Altenpflege erwirtschafteten Einnahmen hätten die Personal- und
Sachausgaben in den genannten Jahren um DM überstiegen. Die Fördermittel, die in
Form einer Festbetragsfinanzierung gewährt worden seien, seien deshalb in dieser
Höhe nicht benötigt worden mit der Folge, dass die in den Bewilligungsbescheiden
jeweils enthaltene Zweckbestimmung innerhalb des maßgeblichen
Bewilligungszeitraums nicht mehr habe erreicht werden können. Das widerspreche
auch nicht der Auffassung, dass grundsätzlich Festbetragsfinanzierungen dann nicht
nachträglich gekürzt werden könnten, wenn eine wirtschaftliche Haushaltsführung zu
einer niedrigeren Kostenentstehung geführt haben sollte. Eine Grenze sei nämlich dann
zu sehen, wenn durch die öffentliche Förderung mehr als 100 % der der Förderung zu
Grunde gelegten Kostenberechnung finanziert würden. Die Regelung in Ziffer 2 der den
Bewilligungsbescheiden beigefügten Nebenbestimmungen ANBest-P sei also insoweit
einschränkend auszulegen, als jedenfalls keine über 100 % hinausgehende Förderung
beabsichtigt und zulässig sei. Die Beklagte habe die für den Widerruf maßgebliche
Jahresfrist eingehalten. Denn sie habe erst auf Grund der Prüfungsmitteilung des
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Rechnungsprüfungsamtes vom 23. September 1997 von der Rechtswidrigkeit der
Förderung über 100 % hinaus Kenntnis erhalten. Schließlich seien auch die
Ermessenserwägungen der Beklagten nicht zu beanstanden. Der geltend gemachte
Erstattungsanspruch finde seine Rechtsgrundlage in § 49a VwVfG. NRW.
Die Klägerin macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils
geltend (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und führt dazu in ihren Schriftsätzen vom 6. und 7.
März 2002 aus: Ob eine zweckwidrige Verwendung vorliege, werde in den den
Bewilligungsbescheiden beigefügten Nebenbestimmungen ANBest-P näher
konkretisiert. Aus Nr. 2 ANBest-P ergebe sich bei einer auf den Empfängerhorizont
abstellenden Auslegung, dass im Falle der Festbetragsfinanzierung - wie hier - eine
Rückforderung von Fördermitteln gänzlich ausgeschlossen sei. Zumindest im Rahmen
der Ermessensausübung hätte sich die Beklagte mit der Frage des Vertrauensschutzes
auseinander setzen müssen. Abgesehen davon habe sie, die Klägerin, entgegen der
Annahme des Verwaltungsgerichts in den Jahren 1994 und 1995 tatsächlich Verluste
erwirtschaftet; jedenfalls habe sie den vom Verwaltungsgericht zu Grunde gelegten
Gewinn in dieser Höhe nicht erzielt. Die von ihr im Verwaltungsverfahren vorgelegten
Verwendungsnachweise seien insoweit missverständlich und bedürften der Korrektur.
Die Beklagte verlange etwas Unmögliches, wenn sie jährliche
Kostenverwendungsbelege anfordere. Sie berücksichtige nicht, dass die Kurse über
zwei bzw. drei Jahre liefen und die genauen Kosten deshalb erst nach zwei bzw. drei
Jahren ermittelt werden könnten. Es komme hinzu, dass die in den
Verwendungsnachweisen ausgewiesenen Ausgaben und Einnahmen sich nur teilweise
auf die von der Beklagten geförderten Kurse bezögen. Auch aus diesen Gründen habe
sie mit einer Rückzahlung der Fördermittel nicht mehr rechnen müssen. Schließlich
habe die Beklagte die für den Widerruf maßgebliche Jahresfrist versäumt, weil ihr schon
nach Erhalt der Verwendungsnachweise alle erheblichen Tatsachen bekannt gewesen
seien.
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Diese Einwendungen greifen nicht durch.
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Angesichts der erheblichen Bedeutung, die dem Zuwendungszweck gerade auch im
Hinblick auf die Widerrufsmöglichkeit nach § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwVfG.NRW.
zukommt, ist es Sache des Zuwendungsgebers, den Zweck im Zuwendungsbescheid
im Einzelnen zu bestimmen. Dies ist in den Bewilligungsbescheiden jeweils unter Nr. 2
geschehen. Ob zur Bestimmung des Zuwendungszwecks darüber hinaus die zu Grunde
liegende Verwaltungspraxis, die maßgeblichen Förderrichtlinien und die Erläuterungen
zum Haushaltsplan herangezogen werden können, braucht der Senat nicht zu
entscheiden.
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Ebenso schon Senatsbeschluss vom 24. Januar 2001 - 4 A 325/00 - m.w.N., n.v.
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Denn aus Nr. 2 ANBest-P - nur dazu verhält sich der Zulassungsantrag - lässt sich mit
Blick auf das Vorbringen der Klägerin den Zuwendungszweck jedenfalls nichts
herleiten. Nr. 2 ANBest-P bestimmt, dass sich im Falle der Anteil- oder der
Fehlbedarfsfinanzierung bei einer Verminderung der veranschlagten Gesamtausgaben
die Zuwendung nach näherer Maßgabe der Nrn. 2.1 und 2.2. ANBest-P ermäßigt. Dabei
handelt es sich um eine auflösende Bedingung im Sinne des § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG.
NRW. Ihr Eintritt bewirkt, dass der Bewilligungsbescheid und damit der Rechtsgrund für
das Behaltendürfen der Fördermittel bei der Anteilfinanzierung anteilig und bei der
Fehlbetragsfinanzierung in Höhe des vollen in Betracht kommenden Betrages wegfällt.
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Vgl. dazu Senatsbeschluss vom 28. Januar 2002 - 4 A 4927/99 -, n.v.; Ubbenhorst,
Zuwendungsrecht des Landes Nordrhein-Westfalen, 2. Auflage 1999, S. 81;
Krämer/Schmidt, Zuwendungsrecht - Zuwendungspraxis, Loseblattsammlung, D XI, S.
46 (Stand: März 2002).
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Nach dem Wortlaut der Nr. 2 ANBest-P treten die genannten Rechtswirkungen nur bei
solchen Bewilligungsbescheiden ein, die eine Anteil- oder Fehlbedarfsfinanzierung zum
Gegenstand haben. Dies lässt entgegen der Ansicht der Klägerin nicht den Schluss zu,
dass im Wege der Festbetragsfinanzierung gewährte Mittel bei einer
Ausgabenermäßigung stets dem Empfänger verbleiben müssten. Aus Nr. 2 ANBest-P
lässt sich vielmehr nur herleiten, dass die Wirkungen des Bewilligungsbescheids -
anders als bei der Anteil- und Fehlbedarfsfinanzierung - hier unberührt bleiben, eine
"automatische" Kürzung der Zuwendungsmittel mit der Folge der teilweisen
Rückerstattung also nicht erfolgt. Die mit einer Ausgabenermäßigung
zusammenhängenden Probleme verlagern sich dadurch bei der
Festbetragsfinanzierung in das Widerrufsverfahren. Dort ist bezogen auf den Einzelfall
zu klären, ob die Fördermittel zweckentsprechend verwendet worden sind. Auch in der
Literatur besteht Einigkeit darüber, dass ungeachtet der Regelung in Nr. 2 ANBest-P
eine Ausgabenermäßigung bei der Festbetragsfinanzierung in Ausnahmefällen den
teilweisen Widerruf rechtfertigen kann,
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Krämer/Schmidt, a.a.O., D V S.7 (Stand: Oktober 2001); Ubbenhorst, a.a.O., S. 66
("regelmäßig"),
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etwa wenn und soweit die Ausgaben hinter der gewährten Zuwendung zurückbleiben.
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Krämer/Schmidt, a.a.O., D V S.7 (Stand Oktober 2001).
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Hier würde sich deshalb die Frage stellen, ob eine Zweckverfehlung vorliegt, wenn die
Ausgaben zwar die gewährte Zuwendung übersteigen, insgesamt aber hinter den
Einnahmen (einschließlich Drittmitteln) zurückbleiben. Damit befasst sich der
Zulassungsantrag indessen nicht.
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Der Einwand der Klägerin, sie habe in den Jahren 1994 und 1995 Verluste, jedenfalls
aber nicht die vom Verwaltungsgericht zu Grunde gelegten Gewinne, erwirtschaftet,
greift ebenfalls nicht durch. Bei dem durch den angefochtenen Bescheid konkludent
ausgesprochenen Widerruf handelt es sich um einen rechtsgestaltenden
Verwaltungsakt, durch den die Wirkungen der Bewilligungsbescheide teilweise wieder
aufgehoben worden sind. Bei der gerichtlichen Überprüfung ist deshalb, wie auch sonst
bei rechtsgestaltenden Verwaltungsakten, auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt
der letzten Verwaltungsentscheidung abzustellen. Die Einnahmen- und
Ausgabenberechnung, die die Klägerin jetzt im Zulassungsverfahren vorgelegt hat,
existierte damals noch nicht. Die Beklagte konnte sie bei ihrer Entscheidung nicht
berücksichtigen und durfte sich deshalb auf das von der Klägerin selbst angegebene
Zahlenwerk in den Verwendungsnachweisen stützen.
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Ohne Bedeutung ist auch der weitere Einwand der Klägerin, die Beklagte verlange von
ihr etwas Unmögliches, wenn sie jährliche Kostenverwendungsbelege anfordere.
Abgesehen davon, dass nicht dargelegt ist, inwiefern dieses Vorbringen für den
Widerruf und die Rückforderung rechtlich bedeutsam sein soll, teilt der Senat diese
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Auffassung nicht. Die Nebenbestimmungen zu den Bewilligungsbescheiden
verpflichteten die Klägerin, spätestens drei Monate nach Ablauf des Haushaltsjahres
unter Verwendung eines Vordrucks einen Verwendungsnachweis zu erbringen. Es
versteht sich von selbst, dass die Klägerin nach Maßgabe der ANBest-P dabei nur die
Belege vorlegen konnte, über die sie tatsächlich verfügte. Mehr hat die Beklagte von ihr
auch nicht verlangt. Sofern sich die Personal- und Sachkosten sowie die
Finanzierungsmittel in den Verwendungsnachweisen noch nicht genau beziffern ließen,
blieb es der Klägerin unbenommen, darauf hinzuweisen, dass und aus welchen
Gründen es sich um vorläufige bzw. geschätzte Beträge handelte.
Entgegen der Ansicht der Klägerin hat die Beklagte die für den Widerruf der
Bewilligungsbescheide maßgebliche Jahresfrist (§ 49 Abs. 3 Satz 2 iVm § 48 Abs. 4
VwVfG. NRW.) gewahrt. Nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts beginnt diese Frist erst zu laufen, wenn die Behörde die
Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts erkannt hat und ihr die weiteren für die
Rücknahmeentscheidung erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind. Zur
Herstellung der Entscheidungsreife, nach deren Eintritt die Entscheidungsfrist des § 48
Abs. 4 Satz 1 VwVfG. NRW. erst beginnen kann, gehört daher regelmäßig das
Anhörungsverfahren zumal, wenn es sich - wie hier - um eine Ermessensentscheidung
handelt, bei der die für die Ermessensbetätigung maßgeblichen Umstände auch in der
Sphäre des anzuhörenden Betroffenen liegen.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. September 2001 - 7 C 6.01 -, NVwZ 2002, 485.
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Der Lauf der Jahresfrist konnte deshalb nicht vor Eingang der Stellungnahme der
Klägerin vom 1. April 1998 in Gang gesetzt werden.
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Schließlich vermisst die Klägerin in den angefochtenen Bescheiden bei der
Ermessensbetätigung Ausführungen zum Vertrauensschutz und macht aus diesem
Grunde ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils geltend. Insoweit
fehlen aber schon nähere Darlegungen dazu, welche Dispositionen sie im Vertrauen auf
den Fortbestand der Bewilligungsbescheide getroffen hat, die Anlass zu
entsprechenden Ermessenserwägungen hätten geben können.
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Die Klägerin meint weiter, die Rechtssache weise besondere tatsächliche und
rechtliche Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Es sei außerordentlich
schwierig, das in den Jahren 1994 und 1995 erzielte wirtschaftliche Ergebnis
darzustellen und zu bewerten. Besondere rechtliche Schwierigkeiten ergäben sich aus
der Auslegung der den Zuwendungsbescheiden beigefügten Nebenbestimmungen.
Dem ist nicht zu folgen. Aus den bereits dargelegten Gründen ist weder die Auslegung
der Nebenbestimung Nr. 2 ANBest-P, soweit sie hier in Rede steht, besonders
schwierig noch kommt es auf die Darstellung und Bewertung des jetzt im
Zulassungsverfahren von der Klägerin vorgelegten Zahlenmaterials für die Jahre 1994
und 1995 an.
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Schließlich misst die Klägerin der Rechtssache eine grundsätzliche Bedeutung zu (§
124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), weil die Förderungspraxis der Beklagten zu beanstanden sei.
Denn es sei objektiv nicht möglich, die von ihr geforderten Kostennachweise, jeweils
bezogen auf einzelne Jahre, beizubringen. Insoweit genügt der Zulassungsantrag schon
nicht den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO. Dafür bedarf es
der Formulierung einer bestimmten, noch ungeklärten und für die
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Berufungsentscheidung erheblichen Frage und außerdem der Angabe, worin die
allgemeine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll.
Vgl. in diesem Zusammenhang BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 -,
NJW 1997, 3328.
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Vorliegend fehlt es bereits an der Formulierung einer konkreten Frage. Abgesehen
davon kann - wie dargelegt - von einer objektiven Unmöglichkeit keine Rede sein.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung ergibt
sich aus § 13 Abs. 2 GKG.
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Der Beschluss ist unanfechtbar.
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