Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 29.06.2004

OVG NRW: vorschlag, ermessen, arzneimittel, posten, vollziehung, reingewinn, hauptsache, lebensmittel, rechtssicherheit, gleichbehandlung

Oberverwaltungsgericht NRW, 13 E 611/04
Datum:
29.06.2004
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 E 611/04
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 7 K 5775/00
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gerichtsgebühren werden nicht erhoben, Kosten nicht erstattet.
G r ü n d e :
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Der Senat geht davon aus, dass die Streitwertbeschwerde von den
Prozessbevollmächtigten der Klägerin im eigenen Namen erhoben worden ist. Die
Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht den
Streitwert auf 40.903,35 EUR (= 80.000,00 DM) festgesetzt.
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Der Senat entscheidet regelmäßig, dass die Festsetzung auf 40.000,00 EUR
typischerweise den durchschnittlichen Jahresreingewinn für eine Arzneimittelzulassung
erfasst und setzt den Streitwert in Hauptsacheverfahren entsprechend, in Eilverfahren
auf die Hälfte davon fest.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. Dezember 2001 - 13 E 916/01 -,
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Entsprechend ist der Streitwert vor dem 1. Januar 2002 auf 80.000,00 DM festgesetzt
worden; daraus ergeben sich im vorliegenden - vor dem 1. Januar 2002 eingegangenen
- Fall 40.903,35 EUR.
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Hieran hält der Senat grundsätzlich fest, wenn nicht der Jahresreingewinn abweichend
nachvollziehbar dargelegt worden ist.
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Auf den geschätzten und pauschalierten Jahresreingewinn im Zusammenhang mit einer
Arzneimittelzulassung abzustellen, hält sich im Rahmen des den Gerichten durch § 13
Abs. 1 Satz 1 GKG eingeräumten Ermessens. Diese Methode entspricht der
Rechtsprechung im Lebensmittel- und im Gewerberecht sowie im - ebenfalls
genehmigungsabhängigen - Personen- und Güterbeförderungsrecht.
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Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 26. April 1999 - 13 E 258/99 -, LRE 36, 316 m. w. N.,
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vom 23. August 1976 - IV B 797/76 -, GewA 1976, 381 und 8. März 1999 - 4 E 67/99 -, n.
v. -.
Mit der Befugnis im Rahmen des § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG, den Streitwert nach
richterlichem Ermessen zu bestimmen, ist dem Gericht im Interesse der Rechtssicherheit
und der Gleichbehandlung die Möglichkeit eingeräumt, den Wert des Streitgegenstands
zu schätzen, sich einer weitgehenden Schematisierung für gleichartige Streitigkeiten zu
bedienen und zu pauschalieren. Die Möglichkeit zu pauschalierten und schematisierten
Streitwertfestsetzungen beruht auf der Überlegung, dass eine zeitaufwändige und unter
Umständen mit erheblichem Ermittlungsaufwand verbundene Streitwertfestsetzung, die
alle Besonderheiten eines jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt und die
Streitwertfestsetzung in nicht wenigen Fällen zur eigentlichen Hauptsache machen
würde, nicht opportun ist. Insbesondere gilt dies gerade in gleich gelagerten Verfahren
bezüglich einer ansonsten zur Einschätzung der Bedeutung der Sache erforderlichen
konkreten Berechnung und einer etwaigen daran anknüpfenden Notwendigkeit für das
Gericht, konkrete Unterlagen und Nachweise anzufordern und auszuwerten; außerdem
ist auch eine Beweiserhebung zur Ermittlung der für § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG
maßgebenden Merkmale nicht tunlich.
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Eine an den Umsatz anknüpfende Streitwertberechnung ist wegen der 50 %-Regel für
die Gewinnfeststellung zwar einfacher, andererseits aber auch mit erheblichen
Unsicherheiten befrachtet und dürfte nach den Erfahrungen des Senats zu
unangemessen hohen Streitwerten führen. Keinesfalls ist sie allein sachgerecht, so
dass bei der Streitwertfestsetzung das Ermessen der Gerichte nicht darauf reduziert ist,
die Umsatzzahlen zu Grunde legen zu müssen.
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Für anderweitige Gesichtspunkte als den geschätzten und pauschalierten
Jahresreingewinn - Arzneimittelbestände, Markenwert, Rückrufkosten u.ä. - ist bei der
getroffenen Pauschalierung kein Raum.
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Die Beschwerdeführer haben deshalb auch mit ihrem Vorschlag, einen weiteren
pauschalen Wert für zu vernichtende Arzneimittel und Verpackungen sowie
Rückrufkosten zu schaffen, keinen Erfolg.
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Gegen eine - allenfalls wiederum pauschalierende - Berücksichtigung solcher Posten
spricht zudem folgendes: Anders als die Beschwerdeführer zu meinen scheinen, treten
die Folgen des mit der Versagung der Verlängerung der Zulassung nach § 105 AMG
verbundenen Verkehrsverbots, wenn keine sofortige Vollziehung angeordnet oder diese
wie üblich ausgesetzt worden ist, erst gem. § 80 b VwGO oder sogar erst mit der
Bestandskraft der Ablehnungsentscheidung ein. In dieser Zeit können der Verkauf und
die Reduzierung von Beständen weitergehen. Üblicherweise ist also das wirtschaftliche
Interesse im Ergebnis eher durch Restbestände bestimmt, so dass es auch deshalb
ermessensgerecht ist, dem Vorschlag der Beschwerdeführer, bei der
Streitwertfestsetzung außer an den Reingewinn an vorhandene Arzneimittelbestände
und an etwaige Rückrufkosten anzuknüpfen, nicht zu folgen.
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Der Streitwert ist allerdings auch nicht - wie die Beklagte meint - zu reduzieren.
Typischerweise ist das Interesse eines pharmazeutischen Unternehmers an der
Aufnahme seines Wirkstoffs bzw. seiner Stoffkombination in die sog. Traditionsliste
nach § 109a Abs. 3 AMG die wesentliche Voraussetzung für die
Zulassungsverlängerung nach § 105 Abs. 3 AMG, wie aus § 109a Abs. 1 AMG folgt; die
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praktische Bedeutung der in Abs. 2 der genannten Vorschrift aufgestellten weiteren
Voraussetzung ist im Rahmen der Typisierung vernachlässigbar gering.
Wie schon bisher in "Zulassungssachen" hält der Senat eine Unterscheidung nach der
Art des Antrags (Voll- oder Bescheidungsantrag) im hier betroffenen Sachgebiet nicht für
angezeigt.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 25 Abs. 4 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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